Titel:
Aufnahme eines Kindes in eine Kindertagesstätte
Normenketten:
VwGO § 123
BGB § 133, § 157
Leitsatz:
Die Vertragsdauer kann sich, auch wenn sie keine zeitliche Befristung enthält, nach Auslegung des Vertrags gem. §§ 133, 157 BGB aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste ergeben, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien diese Dauer vereinbaren wollten. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindertageseinrichtung keine Fortdauer des Betreuungsanspruchs nach Einschulung, Auslegung des Bildungs- und Betreuungsvertrags, Kindertageseinrichtung, Kind, Aufnahme, Betreuungsvertrag, Vertragsdauer, Auslegung, Fortdauer, Einschulung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 23.10.2024 – M 15 E 24.5752
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1874
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtschutzes die Aufnahme ihrer im Jahr 2018 geborenen und zu Beginn des Schuljahres 2024/25 eingeschulten Tochter in die Kindertagesstätte Haus für Kinder der Antragsgegnerin, die sowohl Kinderkrippen- als auch Kindergartenplätze sowie eine Schulkinderbetreuung umfasst.
2
Am 23. September 2020 schlossen die Antragsteller mit der Antragsgegnerin rückwirkend zum 1. September 2019 einen neu gefassten Bildungs- und Betreuungsvertrag. Darin wurde in § 1 Abs. 1 geregelt, dass die Antragsgegnerin ab dem 1. September 2019 die Tochter der Antragsteller in die Gruppe „Murmeltiere“ der Einrichtung aufnimmt, bei der er sich um eine „Krippengruppe“ für Kinder von 1 bis 3 Jahren handelt. Nach seinem § 1 Abs. 2 läuft der Vertrag auf unbestimmte Zeit. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 des Vertrags können die Antragsteller den Vertrag ohne Angaben von Gründen mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende kündigen. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags bedarf es keiner Kündigung, „wenn das Kind zum Ende des Betriebsjahres […] in die Schule aufgenommen wird“.
3
Mit Schreiben vom 7. August 2024 teilte die Antragsgegnerin den Antragstellern auf ihren Antrag vom 24. Januar 2024 mit, dass sie ihrer Tochter in der Kindertageseinrichtung ab September 2024 keinen Hortplatz anbieten könne.
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Mit Schriftsatz vom 30. August 2024 beantragten die Antragsteller zunächst beim Amtsgericht, die Antragsgegnerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, für ihre Tochter in der Kindertageseinrichtung Haus für Kinder ab dem 10. September 2024 einen Hortplatz zur Verfügung zu stellen, hilfsweise die Betreuung ihrer Tochter in dieser Einrichtung über den 9. September 2024 hinaus vorzunehmen. Die Antragsteller könnten einen Anspruch auf weitere Betreuung ihrer Tochter aus dem geschlossenen Bildungs- und Betreuungsvertrag herleiten. Der Vertrag sei ungekündigt. Außerdem sei den Antragstellern mündlich von der Leiterin der Kindertageseinrichtung bestätigt worden, dass ihre Tochter in den Hort wechseln werde.
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Mit Beschluss vom 23. Oktober 2024, der den Antragstellern am 28. Oktober 2024 zugestellt wurde, lehnte das Verwaltungsgericht, an das der Rechtsstreit vom Amtsgericht verwiesen worden war, den Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ab. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Insbesondere lasse sich dem Vertrag nicht entnehmen, dass erst der Übertritt auf die weiterführende Schule das Vertragsverhältnis beenden solle. Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages bedürfe es einer Kündigung ausdrücklich nicht für den Fall, wenn das Kind in die Schule aufgenommen werde. Zusagen bedürften gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG der Schriftform.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 11. November 2024 beim Verwaltungsgericht eingegangene Beschwerde der Antragsteller, der die Antragsgegnerin entgegentritt.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
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1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2024, auf die der Senat die fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Betreuung ihrer Tochter zu verpflichten, zu Recht mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt.
9
In ihrer Beschwerdebegründung wenden die Antragsteller ein, der Bildungs- und Betreuungsvertrag sei nicht in Folge des Schuleintritts beendet worden und berechtige ihre Tochter daher weiterhin zum Besuch der Kindertagesstätte. Sie verweisen insoweit auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg (U.v. 6.3.2021 – 4 U 26/21 – juris).
10
Zutreffend ist zwar, dass der Vertrag nicht eine ausdrückliche zeitliche Befristung, sondern eine unbestimmte Laufzeit vorsieht. Nach der auch vom Oberlandesgericht Brandenburg zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich aber die Vertragsdauer, auch wenn sie keine zeitliche Befristung enthält, nach Auslegung des Vertrags gemäß §§ 133, 157 BGB aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste ergeben, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien diese Dauer vereinbaren wollten (BGH, U.v. 10.1.2019 – III ZR 37/18 – NJW 2019, 1280 = juris Rn. 19). Hiervon ausgehend ist anzunehmen, dass der Bildungs- und Betreuungsvertrag vom 23. September 2020 mit dem Schuleintritt der Tochter der Antragsteller enden soll. Die Betreuungskapazität für Schulkinder (vgl. Anlage K1: 24 statt 75 Plätze, S. 8 der Verwaltungsgerichtsakte) führt dazu, dass maximal ein Drittel der aufgenommenen Kindergartenkinder nach der Einschulung einen Betreuungsplatz erhalten können, so dass sich eine Befristung bis zum Schuleintritt aus der Beschaffenheit der Einrichtung ergibt (vgl. § 620 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Soweit der Bundesgerichtshof in der Vereinbarung „zureichende Anhaltspunkte“ dafür fordert, dass die der Beschaffenheit entnommene Befristung auch von den Parteien gewollt war (BGH, U.v. 10.1.2019 – III ZR 37/18 – NJW 2019, 1280 = juris Rn. 20), ergeben sich solche aus § 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags, demzufolge es keiner Kündigung bedarf, „wenn das Kind zum Ende des Betriebsjahres […] in die Schule aufgenommen wird“. Dagegen spricht auch nicht, dass die Beteiligten nach dem Vortrag der Antragsteller bei dem Wechsel von der Kinderkrippe in den Kindergarten auf einen erneuten Vertragsschluss verzichteten. Denn eine § 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrags entsprechende Regelung sieht der Vertrag für diesen Übergang nicht vor.
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Auf die weiteren Rügen der Antragsteller, die Satzung würde einer längeren Laufzeit nicht entgegenstehen und sie hätten sich mit der erneuten Antragstellung im 24. Januar 2024 nicht widersprüchlich verhalten, kommt es nach Vorstehendem nicht an.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).