Inhalt

VGH München, Beschluss v. 30.01.2025 – 2 ZB 23.598
Titel:

Erfolgloser Berufungszulasungsantrag des Bauherren wegen Aufhebung einer Baugenehmigung für Schlosserei

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 5 S. 4
BauNVO § 5 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Berufungszulassungsverfahren verbietet sich eine Beweisaufnahme, die allenfalls nach Zulassung der Berufung zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes in Betracht kommt. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine typisierende Betrachtungsweise ist zur Ermittlung des Störpotenzials einer baulichen Anlage die Regel. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung, ernstliche Richtigkeitszweifel, bes. Schwierigkeiten, Bauplanungsrecht, Baugenehmigung, Schlosserei, Nachbarschutz, Dorfgebiet, Mischgebiet, typisierende Betrachtungsweise, Gemengelage, Bauherr, Nachbar
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 15.02.2023 – Au 4 K 22.1446
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1868

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beigeladene hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Beigeladenen auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht ausreichend dargelegt sind.
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ein Nachbar kann eine Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mit dem Erstgericht geht der Senat davon aus, dass die angegriffene Baugenehmigung gegen solche Vorschriften verstößt.
3
Das Erstgericht hat zur Begründung der Verletzung nachbarschützender Rechte durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine Schlosserei selbstständig tragend darauf abgestellt, dass der Gebietserhaltungsanspruch verletzt werde. Es ist dabei davon ausgegangen, dass es sich bei dem fraglichen Gebiet entweder um ein Dorfgebiet oder um ein Mischgebiet handele. Nach der insoweit anzulegenden typisierenden Betrachtungsweise handele es sich bei einer Schlosserei um einen Gewerbebetrieb, der das Wohnen erheblich störe. Vor diesem Hintergrund sei die Schlosserei als unzulässig einzustufen.
4
Hiergegen wendet die Zulassungsbegründung ein, tatsächlich liege eine Gemengelage vor, nachdem im fraglichen Bereich Wohnnutzung, landwirtschaftliche Betriebe und Gewerbebetriebe vorhanden seien. Insoweit sei eine Beweiserhebung durch eine Inaugenscheinnahme geboten. Im Berufungszulassungsverfahren verbietet sich eine solche Beweisaufnahme jedoch, sie kommt allenfalls nach Zulassung der Berufung zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes in Betracht. Im Übrigen legt die Zulassungsbegründung nicht weiter dar, dass allein aus der Tatsache, dass Wohnnutzung, landwirtschaftliche Betriebe und Gewerbebetriebe vorhanden seien, das Vorliegen einer Gemengelage zu folgern sei. Die genannten Nutzungen sprechen vielmehr für das Vorliegen eines Dorfgebietes (vgl. § 5 Abs. 1 und 2 BauNVO), von dem das Erstgericht (alternativ) auch ausgegangen ist. Dass entgegen der Einstufung nach der BauNVO von einer Gemengelage auszugehen ist, hätte einer substantiierten Darlegung bedurft, an der es hier fehlt. Im Übrigen ist auch sonst nichts für eine Gemengelage ersichtlich.
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Soweit sich die Zulassungsbegründung gegen die Zugrundelegung einer typisierenden Betrachtungsweise zur Ermittlung des Störpotenzials einer Schlosserei wendet, vermag sie damit ebenfalls nicht durchzudringen. Eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Regel (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 – juris Rn. 10 m.w.N; BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 15 B 20.828 – juris Rn. 35 m.w.N.). Allein mit dem – ausschließlich den das Vorbringen in der ersten Instanz wiederholenden – Vortrag, die Größe der geplanten Schlosserei und die Einhaltung der Nebenbestimmung, bei Montagearbeiten die Tore der Werkhalle geschlossen zu halten, sowie die Beschränkung der geplanten Schlosserei auf die Fertigung von Treppen ließen im hier zu entscheidenden Einzelfall eine atypische Betrachtungsweise zu, kann diese Regel nicht infrage gestellt werden. Mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass allein die Tatsache, dass es sich nach der Betriebsbeschreibung lediglich um einen Einmannbetrieb handeln soll, hierfür nicht ausreichend ist. Nennenswerte Beschränkungen der genehmigten Schlosserei, die diese von anderen Schlosserei- bzw. Metallverarbeitungsbetrieben maßgeblich unterscheiden würde, sind nicht vorhanden. Nach der Betriebsbeschreibung sollen vielmehr „klassische“ Schlossereimaschinen wie Schweißgerät, Bohrmaschine, Winkel- und Trennschleifer zum Einsatz kommen. Auch die angegebenen Betriebszeiten von 7 Uhr bis 18 Uhr sind nicht atypisch. Weiter spricht die ausschließliche Herstellung von Treppen nicht für eine Atypik. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Herstellung von Treppen weniger störend als andere metallverarbeitende Tätigkeiten wäre. Zum anderen hat dieser Aspekt in der Baugenehmigung und den ihr zugrundeliegenden Bauantragsunterlagen keinen Niederschlag gefunden. Es handelt sich letztlich um eine inhaltlich offene Baugenehmigung, die der Sache nach in einem weiten Sinn jede Tätigkeit gestattet, die in einer Schlosserei anfällt (vgl. zu einer Kfz-Werkstatt: BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 15 B 20.828 – juris Rn. 36). Die Auflage, zum Lärmschutz die Tore der Montagehalle geschlossen zu halten, ist ohne weiteres üblich und nicht auf den hier vorliegenden Einzelfall zugeschnitten.
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Auf die Frage der fehlenden ausreichenden Bestimmtheit der Baugenehmigung, aus der das Erstgericht ebenfalls die Verletzung nachbarschützender Vorschriften abgeleitet hat, kommt es deshalb nicht mehr an.
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2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d.h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die Zulassungsbegründung sieht Schwierigkeiten bei der Klärung der Fragen der Ermittlung des Gebietscharakters sowie der Anlegung einer typisierenden Betrachtungsweise, was aber in beiden Fällen nach dem oben unter 1. Ausgeführten nicht der Fall ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertentscheidung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).