Titel:
Klage gegen erweiterte Gewerbeuntersagung
Normenkette:
GewO § 35
Leitsätze:
1. Ein Gewerbetreibender ist unzuverlässig iSd § 35 Abs. 1 GewO, wenn er im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nach dem Gesamteindruck seines Verhaltes nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit bestehen unter anderem bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Umstand des rechtstreuen Verhaltens rechtfertigt weder ohne Weiteres eine günstigere Zuverlässigkeitsprognose noch relativiert dies die Notwendigkeit einer Gewerbeuntersagung, die dazu dient, diejenigen Gewerbetreibenden vom Wirtschaftsverkehr fernzuhalten, die wegen der Besorgnis einer nicht ordnungsgemäßen Gewerbeausübung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine den Anforderungen des § 35 Abs. 1 S. 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung kann allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erweiterte Gewerbeuntersagung, Zuverlässigkeitsprognose, gewerbebezogene Straftat (Subventionsbetrug, Coronahilfen), Eintragungen in das Vollstreckungsportal wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 09.02.2024 – M 16 K 23.3451
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1865
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2024 – M 16 K 23.3451 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 29. Juni 2023 weiter.
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Mit diesem Bescheid untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen (neu und gebraucht); Betrieb von/einer/eines Lagerplatzes; Montage von Reifen; Durchführung von Wagenpflegearbeiten (ausgenommen ist das Einstellen von Ventilen, Vergaser, Einspritzpumpen, da dem Kfz-Meisterhandwerk zugeordnet)“ als selbstständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht München (Urteil vom 17.1.2023, Az.: 1123 Cs 564 Js 133121/21) wegen Subventionsbetrugs zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen sowie auf zwei Eintragungen im Schuldnerverzeichnis (vom 7.7.2020 und vom 7.10.2021) jeweils wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ (§ 882c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) verwiesen. Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit leitete die Beklagte dabei nicht unmittelbar aus der Verurteilung ab. Vielmehr wurde unter Würdigung aller Umstände der Schluss gezogen, der Kläger biete nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß führen werde.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat die Klage gegen den Bescheid mit Urteil vom 9. Februar 2024 abgewiesen; das Urteil wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 20. Februar 2024 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 20. März 2024, am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit am Montag, den 22. April 2024, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz sowie mit einem weiteren am 23. April 2024 eingegangenen Schreiben.
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Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Kläger macht der Sache nach (vgl. zur Auslegung von Zulassungsbegründungen Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 57) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend, die sich aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergeben.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 62 f.). Daran fehlt es hier.
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1. Das Verwaltungsgericht hat die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochtenen Bescheids bejaht und die Prognose der Beklagten, wonach der Kläger sein Gewerbe auch künftig nicht ordnungsgemäß ausüben wird, für gerechtfertigt angesehen.
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Zur Begründung hat es sich – unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 6.4.2016 – 22 ZB 16.366 – juris Rn. 20; B.v. 20.7.2016 – 22 ZB 16.284 – juris Rn. 9 f.) – auf das strafrechtlich relevante Fehlverhalten gestützt, das nach seiner Überzeugung bereits die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit für sich genommen rechtfertige. Der Verurteilung liege zugrunde, dass der Kläger im Frühjahr 2020 zwei Corona-Soforthilfen in Höhe von insgesamt 9.000 € beantragt und auch erhalten habe. Diese hätten dem Zweck gedient, Liquiditätsengpässe von aufgrund der Corona-Krise in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten Unternehmen zu kompensieren. Bei Antragstellung sei darauf hingewiesen worden, dass die Angaben zum Unternehmen, zur Antragsberechtigung und zu den Gründen für die existenzgefährdende Wirtschaftslage subventionserhebliche Tatsachen i.S.d. § 264 StGB seien und dass eine existenzbedrohende Wirtschaftslage bzw. ein Liquiditätsengpass dann angenommen würden, wenn die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichten, um die Verbindlichkeiten (in einem bestimmten Zeitraum) zu zahlen. Der Kläger habe bei Antragstellung jedenfalls damit gerechnet, dass Voraussetzung für die Förderung das Vorliegen von geschäftlichen Verbindlichkeiten gewesen sei. Dass solche Verbindlichkeiten, die einen Liquiditätsengpass in Höhe von 9.000 € hätten rechtfertigen können, nicht vorgelegen hätten, sei ihm bewusst gewesen. Zudem habe er zu Unrecht angegeben, das Gewerbe als Hauptgewerbe zu betreiben, obwohl er es nur unregelmäßig betrieben und ein regelmäßiges monatliches Gehalt (zwischen 2.600 und 6.100 €) aus einer anderen Tätigkeit bezogen habe. Die vorsätzlich begangene Straftat weise somit einen gewerblichen Bezug auf und das zugrundeliegende Verhalten lasse die Bereitschaft des Klägers erkennen, den Schutz des Vermögens Dritter (d.h. der öffentlichen Hand) hintenanzustellen, wenn es die wirtschaftlichen Verhältnisse seines Gewerbebetriebs aus seiner Sicht erforderten. Ein ausreichender bzw. ausreichend gefestigter innerer Einstellungswandel sei nicht ersichtlich.
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Darüber hinaus belegten die beiden Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis, dass der Kläger wiederholt nicht bereit gewesen sei, die ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten freiwillig zu erfüllen, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, und dass er nicht in der Lage sei, vollstreckbare Forderungen wie geschuldet sofort zu zahlen. Die sich daraus ergebenden ungeordneten Vermögensverhältnisse des Klägers begründeten ebenfalls dessen gewerberechtliche Unzuverlässigkeit.
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2. Der Kläger beruft sich zur Begründung seines Zulassungsantrags im Wesentlichen darauf, dass die strafrechtliche Verurteilung wegen Subventionsbetrugs nicht ausreiche, um die Unzuverlässigkeit anzunehmen. Er betreibe sein Gewerbe seit 30 Jahren und sei seinen Pflichten stets nachgekommen. Anlass für das inkorrekte Verhalten seien Existenzängste gewesen, die er – ungeachtet seiner Hauptbeschäftigung bei einem großen Autokonzern – aufgrund der Corona-Pandemie gehabt habe. Sein Gehalt habe sich in dieser Zeit aufgrund der Kurzarbeit verringert und er habe hohen Zahlungsverpflichtungen nachkommen müssen. In den Entscheidungsgründen werde verkannt, dass er nur mit dolus eventualis gehandelt habe und nicht mit dolus directus 1. oder 2. Grades, weshalb das ursprüngliche im Strafbefehl, gegen den der Kläger Einspruch erhoben habe, verhängte Strafmaß vom Amtsgericht auch verringert worden sei. Das Verwaltungsgericht habe auch verkannt, dass er seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen des Strafbefehls beschränkt habe, was stets ein Geständnis hinsichtlich des Sachverhalts beinhalte. Dadurch habe er Einsicht in sein Verhalten gezeigt. Schließlich habe das Verwaltungsgericht die Gesamtsituation nicht hinreichend einbezogen. Die globale Pandemie habe weltweit Existenzängste ausgelöst und die Gesellschaft insgesamt überfordert. Eine solche extreme Ausnahmesituation werde sich „höchstwahrscheinlich nicht so schnell wiederholen“, so dass der Kläger auch nicht mehr in die Situation kommen werde, unberechtigterweise staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen.
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Auch die beiden zeitlich eng zusammenliegenden Einträge im Schuldnerverzeichnis, wonach der Kläger die eidesstattliche Versicherung nicht geleistet habe, seien nicht geeignet, seine Unzuverlässigkeit zu begründen. Er lebe in überaus geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen, verfüge über ein geregeltes Einkommen und könne das Darlehen, das zum Erwerb des Eigenheims aufgenommen worden sei, monatlich mit etwa 3.000 € bedienen. Die Eintragungen könnten allenfalls auf eine Unachtsamkeit zurückgeführt werden. Der Kläger habe sich nun auch darum gekümmert, die Forderungen alsbald zu begleichen. Insofern werde noch eine Auskunft von der Gerichtsvollzieherin erwartet.
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Mit Schreiben vom 23. April 2024, beim Verwaltungsgerichtshof am selben Tag eingegangen, legte der Kläger eine Auskunft der Gerichtsvollzieherin vor, aus der sich ergibt, dass Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft der 5. Oktober 2021 gewesen sei, die Forderungshöhe am 22. Oktober 2021 310,53 € betragen habe und nicht bekannt sei, ob diese noch bestehe. Dem Kläger seien sowohl die Ladung zum Termin als auch die Mitteilung wegen der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis förmlich zugestellt worden. Der Kläger führte dazu aus, dass er im „fraglichen Zeitraum 2021“ in Trennung gelebt habe und zeitweilig nicht im ehelichen Haus wohnhaft gewesen sei. Deswegen dürften ihn die Zahlungsaufforderungen und die Anschreiben der Gerichtsvollzieherin nicht erreicht haben bzw. ihm von seiner Ex-Ehefrau nicht ausgehändigt worden sein. Es handle sich um geringe Forderungssummen, so dass nicht auf die Leistungsunfähigkeit geschlossen werden könne.
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3. Aus diesem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.
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3.1 Das Verwaltungsgericht hat die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers entscheidungstragend auf das der strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten gestützt. Es ist dabei zu Recht davon ausgegangen (UA Rn. 22, 24), dass unzuverlässig i.S.d. § 35 Abs. 1 GewO ein Gewerbetreibender ist, der im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also des Bescheiderlasses, nach dem Gesamteindruck seines Verhaltes nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt und dass tatsächliche Anhaltspunkte für eine solche Unzuverlässigkeit u.a. bei Straftaten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung bestehen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 f.; BayVGH, B.v. 17.10.2022 – 22 ZB 22.856 – juris Rn. 14). Ferner hat es zutreffend ausgeführt (UA Rn. 39 f.), dass nicht das Strafurteil, sondern das Fehlverhalten des Gewerbetreibenden, das zur Verurteilung geführt hat, die Gewerbeuntersagung erfordern kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.5.1995 – 1 B 78.95 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.1.2022 – 22 ZB 21.229 – juris Rn. 15; B.v. 17.10.2022 – 22 ZB 22.856 – a.a.O.).
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Hierauf aufbauend hat das Verwaltungsgericht eine umfassende Würdigung des der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers zugrundeliegenden sowie des im Nachhinein gezeigten Verhaltens vorgenommen (UA Rn. 40 ff.). Dabei hat es den gewerberechtlichen Bezug der Straftatbegehung betont und ist von einer Vorsatztat ausgegangen. Entgegen dem klägerischen Vorbringen wurde vom Verwaltungsgericht als Vorsatzform allerdings kein dolus directus 1. oder 2. Grades zugrunde gelegt, so dass kein Widerspruch zur strafrechtlichen Verurteilung besteht. Soweit in den Entscheidungsgründen (unter Bezugnahme auf Ceffinato in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 264 Rn. 116) ausgeführt wurde, dass vorsätzliches Handeln nur dann gegeben sei, wenn der Täter zum einen die Umstände kenne, aus denen sich die einzelnen Tatbestandsmerkmale ergeben, und er zum anderen auch den sozialen Bedeutungsgehalt korrekt erfasst habe, steht dies der Annahme eines bedingten Vorsatzes, der für die Tatbegehung des § 264 StGB ausreicht (dazu Kubiciel/Tiedemann in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl. 2025, § 264 StGB Rn. 142 m.w.N.), nicht entgegen. Dieser grenzt sich nach allgemeiner Ansicht von den vom Kläger benannten Vorsatzformen (dolus directus 1. oder 2. Grades) dadurch ab, dass der bedingt vorsätzlich handelnde Täter den Erfolg nicht beabsichtigt und dass er auch nicht sicher weiß, dass es zur Erfüllung des Tatbestandes kommen wird (vgl. Kulhanek in Münchener Kommentar zum StGB, 5. Aufl. 2024, § 16 Rn. 35 m.w.N.). Davon, dass der Kläger mit Absicht gehandelt hätte oder dass er sicher gewusst habe, dass der Straftatbestand erfüllt werde, ist in den Entscheidungsgründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht die Rede. Ein Widerspruch zum Urteil des Amtsgerichts in Bezug auf die Feststellungen zum Tatvorsatz ist daher nicht erkennbar. Im Übrigen käme es darauf auch nicht an, weil das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich auf die genaue Vorsatzform abgestellt hat, sondern allein darauf, dass vom Amtsgericht kein leichtfertiges, d.h. kein (grob) fahrlässiges Handeln (gem. § 264 Abs. 5 StGB) angenommen wurde, sondern eine Vorsatztat.
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Die Einwendungen des Klägers dagegen, dass das Verwaltungsgericht keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen grundlegenden Einstellungswandel des Klägers gesehen hat (UA Rn. 43 f.), greifen ebenfalls nicht durch. Das Gericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Wohlverhalten, das ein Gewerbetreibender nach früherem Fehlverhalten zeigt, etwa dann nicht ohne weiteres auf eine charakterliche Läuterung schließen lässt, wenn dieses Verhalten erforderlich ist, um ein gerade schwebendes Verfahren zu einem günstigen Ende zu bringen (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.1987 – 1 B 93.86 – juris Rn. 11). Einem ordnungsgemäßen Verhalten während des laufenden Gewerbeuntersagungsverfahrens kann daher nur geringe Aussagekraft zuerkannt werden (vgl. dazu BayVGH, B.v. 23.9.2019 – 22 CS 19.1417 – juris Rn. 21; B.v. 17.10.2022 – 22 ZB 22.856 – juris Rn. 18). Entsprechendes gilt für die Beschränkung des Einspruchs gegen den Strafbefehl auf die Rechtsfolge, mit der der Kläger den Sachverhalt im Ergebnis eingeräumt hat. Der Umstand, dass er die Geldstrafe ratenweise abzahlt bzw. die zu Unrecht erhaltenen Förderbeträge zurückzahlt, vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Gesamtwürdigung des Verwaltungsgerichts zu begründen. Mit den Zahlungen kommt er lediglich gesetzlich geregelten Verpflichtungen nach, deren Beachtung von einem Gewerbetreibenden erwartet werden kann. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht auch darin keine Gründe für einen tiefgreifenden Sinneswandel des Klägers gesehen hat. Ebenso wenig führt der Hinweis des Klägers, er habe seinen Gewerbebetrieb 30 Jahre ordnungsgemäß geführt, zu ernstlichen Zweifel an der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit. Der Umstand des rechtstreuen Verhaltens rechtfertigt weder ohne Weiteres eine günstigere Zuverlässigkeitsprognose noch relativiert dies die Notwendigkeit einer Gewerbeuntersagung, die dazu dient, diejenigen Gewerbetreibenden vom Wirtschaftsverkehr fernzuhalten, die wegen der Besorgnis einer nicht ordnungsgemäßen Gewerbeausübung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – juris Rn. 14). Dass das Verwaltungsgericht Verfehlungen – insbesondere Straftaten – zu Unrecht in seine Gesamtwürdigung einbezogen hätte (vgl. zu den beiden Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis unten 3.2), macht der Kläger dagegen nicht geltend. Es kann daher dahinstehen, dass sich dem Führungszeugnis nach §§ 31, 32 Abs. 4 BZRG eine weitere mit einer Geldstrafe und einem Fahrverbot geahndete (Verkehrs-)Straftat entnehmen lässt. Auf diese wurde in der Entscheidung gerade nicht abgestellt.
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Das Verwaltungsgericht ist auch nachvollziehbar davon ausgegangen, dass der Kläger sein strafrechtlich geahndetes Fehlverhalten zu relativieren versuche, was gegen einen tiefgreifenden Sinneswandel spreche (UA Rn. 44). Dies setze sich im Zulassungsverfahren fort. In den Entscheidungsgründen wird zu Recht ausgeführt, dass auch in der besonderen Situation der Corona-Pandemie von einem zuverlässigen Gewerbetreibenden erwartet werden konnte, dass er – ungeachtet der in der Öffentlichkeit u.U. ungenau dargestellten Förderbedingungen – die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bei Beantragung von Subventionen und bei der Einhaltung von Bestimmungen in Förderbescheiden nicht außer Acht lässt. Erst recht ist zu fordern, dass nicht vorsätzlich über subventionserhebliche Tatsachen unrichtige bzw. unvollständige Angaben gemacht oder ausgezahlte Hilfen entgegen der jeweils geltenden Beschränkungen verwendet werden. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auch die generelle Situation von Gewerbebetrieben während der Corona-Pandemie berücksichtigt und darauf hingewiesen, dass der Kläger – im Unterschied zu zahlreichen anderen Gewerbetreibenden – über ein regelmäßiges Gehalt zwischen 2.600 und 6.100 € pro Monat verfügt habe (UA Rn. 46). Im Zulassungsverfahren setzt sich der Kläger damit nicht näher auseinander. Er betont stattdessen einseitig seine (subjektiv empfundenen) Existenzängste sowie den Ausnahmecharakter der weltweiten Pandemie und der damit einhergehenden gravierenden Einschränkungen. Das Argument, sein Fehlverhalten sei „offensichtlich situationsbedingt“ gewesen und eine vergleichbare extreme Ausnahmesituation werde sich „höchstwahrscheinlich nicht so schnell wiederholen“, so dass er „nicht mehr in die Situation kommen [werde,] unberechtigterweise staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen“, überzeugt nicht. Gewerbebetriebe sind nicht davor geschützt, in eine existenzbedrohliche Lage zu geraten, die sich aus unterschiedlichsten Gründen ergeben kann. Gerade in solchen Fällen bedarf es aber des Schutzes der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden. In der Gesamtschau bezieht die Zulassungsbegründung das Fehlverhalten des Klägers in einer (für seinen Betrieb vermeintlich) existenzbedrohenden Situation zu stark auf die Corona-Pandemie bzw. auf deren Besonderheiten. Der Vortrag erscheint daher geeignet, das Fehlverhalten insgesamt zu relativieren.
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Der Kläger kann auch mit seinem Vorbringen zur Unverhältnismäßigkeit der Gewerbeuntersagung nicht durchdringen. Im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 8 m.w.N.) ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen kann. Für einen solchen Fall hat der Kläger jedoch auch im Zulassungsverfahren nichts dargelegt. Sein Vortrag hat im Wesentlichen wiederum nur die generell schwierige, von großen Unsicherheiten geprägte Gesamtsituation während der Pandemie zum Gegenstand, der sich die gesamte Gesellschaft und damit letztlich auch alle Gewerbetreibenden ausgesetzt sahen. Eine Auseinandersetzung mit wesentlichen Umständen des Einzelfalls, vor allem mit dem Umstand, dass er während der Corona-Krise ein – wenn auch zeitweilig verringertes – geregeltes Einkommen bezogen hat, fehlt dagegen. Es ergeben sich daher weder Zweifel an der Erforderlichkeit (vgl. dazu oben) noch an der Angemessenheit. Der Kläger hat nicht dargelegt, warum es unverhältnismäßig sein soll, dem Schutzzweck des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO gegenüber seinen Interessen den Vorrang zu geben. Im Übrigen verstößt nach gefestigter Rechtsprechung eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Gewerbeuntersagung nicht schon deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, weil der betroffene Gewerbetreibende dadurch den sozialen Sicherungssystemen zur Last fallen würde (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.1994 – 1 B 33.94 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 9.3.2017 – 4 B 1334/16 – juris Rn. 10 ff.).
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3.2 Soweit das Verwaltungsgericht – der ständigen Rechtsprechung des Senats (BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 22 ZB 21.1937 – juris Rn. 14 m.w.N.) folgend – aus den beiden Eintragungen des Klägers ins Schuldnerverzeichnis auf eine fehlende Leistungsbereitschaft geschlossen hat, bestehen ebenfalls keine ernstlichen Zweifel. Es hat zu Recht ausgeführt, diese belegten, dass der Kläger zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflichten, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig wiederholt nicht bereit war. Dies ist mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung nicht zu vereinbaren (BayVGH, B.v. 19.8.2021 – 22 ZB 21.371 – juris Rn. 15; B.v. 11.6.2024 – 22 ZB 23.1013 – juris Rn. 13, jew. m.w.N.).
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Der Einwand des Klägers, ihn hätten Zahlungsaufforderungen und an ihn im Vollstreckungsverfahren zugestellte Schriftstücke nicht erreicht, weil er „im fraglichen Zeitraum 2021 in Trennung“ gelebt habe und daher eine Weiterleitung nicht gewährleistet gewesen sei, wurde nicht fristgerecht vorgetragen. Nach dem Ablauf der Darlegungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (hier mit Ablauf des Montags, 22. April 2024) geltend gemachte weitere Gründe für ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung sind unbeachtlich (vgl. BayVGH, B.v 14.1.2013 – 10 ZB 12.2102 – NVwZ-RR 2013, 438 = juris Rn. 14; NdsOVG, B.v. 5.9.2014 – 7 LA 75/13 – juris Rn. 23; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 53). Bei den Ausführungen im Schriftsatz vom 23. April 2024 handelte es sich nicht nur um eine auch zu einem späteren Zeitpunkt mögliche Vertiefung des bisherigen Vorbringens. Erforderlich dafür wäre, dass der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund bzw. der Grund für ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist (BayVGH, B.v 14.1.2013 – 10 ZB 12.2102 – a.a.O.; Happ in Eyermann, a.a.O.). Dies war nicht der Fall. In seiner Zulassungsbegründung vom 22. April 2024 hat der Kläger lediglich ausgeführt, dass der Eintrag ins Schuldnerverzeichnis „allenfalls auf eine Unachtsamkeit zurückgeführt werden“ könne und dass er „sich nun auch darum gekümmert [habe], die Forderungen alsbald zu begleichen“. Zudem wurde eine „Auskunft von der Gerichtsvollzieherin“ angekündigt. Diese Ausführungen enthalten in Bezug auf die Gründe für die Nichtabgabe der Vermögensauskunft nur substanzlose Behauptungen, die den Darlegungsanforderungen nicht genügen. Um die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, das aus den beiden Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ auf eine fehlende Leistungsbereitschaft geschlossen hat, in Zweifel zu ziehen, hätte er im Einzelnen Gründe dafür benennen müssen, warum eine solche Schlussfolgerung nicht gezogen werden kann. An einem derartigen Vortrag fehlt es in der fristgerecht eingegangenen Zulassungsbegründung vom 22. April 2024 allerdings. Daher sind in den mit Schriftsatz vom 23. April 2024 vorgetragenen Umständen, die zu der Eintragung ins Schuldnerverzeichnis im Oktober 2021 geführt haben und die die damalige Untätigkeit des Klägers erklären sollen, neue selbständige Gründe innerhalb des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu sehen, die aufgrund des Ablaufs der Darlegungsfrist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) unbeachtlich sind.
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Dieses Vorbringen könnte aber selbst dann, wenn es fristgerecht erfolgt wäre, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage stellen, soweit dieses aus den beiden Eintragungen auf eine mangelnde Leistungsbereitschaft des Klägers geschlossen hat. Zum einen fehlt es an jeglichen Ausführungen zur ersten Eintragung vom 7. Juli 2020 wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft. Es wäre eine Obliegenheit des Klägers gewesen, insofern ggf. Umstände darzulegen, die gegen eine Unzuverlässigkeit sprechen, etwa die Fehlerhaftigkeit einer solchen Eintragung (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2021 – 22 ZB 21.371 – juris Rn. 15). Zum anderen weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass es Sache eines Gewerbetreibenden ist, seinen Pflichten im Vollstreckungsverfahren nachzukommen und dass dazu auch gehört, zu gewährleisten, dass ihn förmliche Zustellungen tatsächlich erreichen. Wenn der Kläger dies im Jahr 2021 etwa in Bezug auf die Ladung zum Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft und auf die Mitteilung wegen der Eintragung im Schuldnerverzeichnis nicht gewährleistet hat, spricht das für seine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit. Hinzu kommt, dass sich der Kläger laut Zulassungsbegründung „nun auch darum gekümmert habe, die Forderung alsbald zu begleichen“. Diese Ankündigung spricht ebenso wenig für eine hinreichende Leistungsbereitschaft wie der Umstand, dass die Auskunft bei der Gerichtsvollzieherin nicht schon weitaus früher, etwa nach Zustellung des Gewerbeuntersagungsbescheides Anfang Juli 2023, eingeholt wurde.
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Auf die Frage, ob die Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Klägers angesichts seines regelmäßigen Einkommens aus einer Festanstellung und der geringen Höhe der Forderung, die im Oktober 2021 zur Eintragung ins Schuldnerverzeichnis geführt hat, berechtigt waren, kommt es dagegen nicht an. Es kann dahinstehen, ob die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis für sich genommen die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit begründen könnten. Es bestehen nämlich keine Bedenken dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Untersagungsverfügung – selbständig tragend (vgl. UA Rn. 28) – auf das strafrechtlich geahndete Fehlverhalten gestützt hat (vgl. oben 3.1). Zu diesem kommt im Übrigen die aufgrund der beiden Eintragungen prognostizierte fehlende Leistungsbereitschaft des Klägers hinzu (vgl. oben).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. der Empfehlung in Nrn. 54.2.1, 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).