Inhalt

FG Nürnberg, Urteil v. 08.05.2025 – 4 K 438/24
Titel:

Überwiegend eigenbetriebliches Interesse, Arbeitslohn, Zuwendungen an, Bundesfinanzhof, Eigenbetriebliches Interesse, Lohnsteuer-Außenprüfung, Lohnsteueranmeldung, Des Arbeitnehmers, private Lebensführung, Gesundheitsmaßnahmen, Betriebsvereinbarung, Gesundheitsbeeinträchtigung, BFH-Urteile, geldwerter Vorteil, Sachzuwendung, Steuerberatungsgesellschaft, Betriebliche Gesundheitsförderung, Befähigung zum Richteramt, Steuerpflichtiger, Rechtsmittelbelehrung

Schlagworte:
Klageabweisung, Verfahrenskosten, Klägerin, Kostenlast, Revisionszulassung, Prozessentscheidung, Gerichtsurteil
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18641

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist, ob die Teilnahme von Arbeitnehmern der Klägerin an mehrwöchigen „Gesundheitstrainings“ als Zuwendung mit Entlohnungscharakter zu qualifizieren ist.
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Die Klägerin wurde nach einer Lohnsteueraußenprüfung im Wege der Nachversteuerung gemäß § 37b Abs. 2 EStG im Zusammenhang mit den ihren Arbeitnehmern gewährten Vorteilen in Gestalt der Durchführung von sog. „Gesundheitstrainings“ in Anspruch genommen.
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Die Klägerin bietet ihren aktiven Arbeitnehmern ein Gesundheitskonzept bestehend aus mehreren Modulen, u.a. dem vorliegend streitgegenständlichen „Gesundheitstraining“, an. Dabei handelt es sich um eine mehrwöchige Kur mit dem Ziel, dem Teilnehmer im Rahmen einer aktiven Selbstvorsorge durch theoretische und praktische Einheiten einen gesunden Lebensstil näherzubringen, basierend auf den Elementen „Bewegungsförderung“, „gesunde Ernährung“ und „psychische Gesundheit“.
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In der hierzu abgeschlossenen Betriebsvereinbarung ist auszugsweise Folgendes geregelt:
Ziffer xx: „[…] Ziel des ganzheitlich geprägten Gesundheitstrainings ist es, die Gesundheitskompetenz eines jeden Einzelnen zu stärken und eine nachhaltige gesundheitsbewusste Lebensweise anzuregen.“
Ziffer xx: „Die zur Teilnahme an einem Gesundheitstraining vorgeschlagenen Mitarbeiter sind frühzeitig und vor jeder Zusage dem Betriebsarzt zu einem Vorgespräch vorzustellen. […] Die Notwendigkeit des Gesundheitstrainings zur Erhaltung/ Verbesserung der Arbeitsfähigkeit muss durch eine betriebsärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden.“
Ziffer xx: „Auf den Jahresurlaub werden neun Urlaubstage angerechnet. […] Im Übrigen wird bezahlter Sonderurlaub gewährt. […]“
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Eine Verpflichtung der Mitarbeiter, am Gesundheitstraining teilzunehmen, besteht nicht. Die Durchführung des Gesundheitstrainings erfolgt im Auftrag des Arbeitgebers in verschiedenen externen Fachkliniken mit dort angestellten Ärzten.
6
Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurden in der Lohnsteuer-Anmeldung von Februar 2017 die Aufwendungen für das Gesundheitstraining für eine Mitarbeiterin der Klägerin in Höhe von xx € als steuerpflichtiger Arbeitslohn behandelt. Unter Anwendung von § 3 Nr. 34 EStG stellte der Prüfer die von der Klägerin übernommenen Aufwendungen in Höhe von 500 € steuerfrei und setzte den übersteigenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn an.
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Den Antrag der Klägerin, die Lohnsteuer-Anmeldung für Februar 2017 dahingehend zu ändern, die Aufwendungen für das Gesundheitstraining nicht als steuerbaren Arbeitslohn zu behandeln, lehnte das Finanzamt mit Bescheid vom 25.07.2017 ab. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
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Im Klageverfahren vertrat die Klägerin die Ansicht, die Übernahme der Kosten für das Gesundheitstraining lägen weit überwiegend im eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin und würden daher keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. In einem unter dem Az. VI R 242/71 geführten Verfahren vor dem Bundesfinanzhof habe dieser den Ansatz eines geldwerten Vorteils bei einer Kreislauftrainingskur abgelehnt. Die Entscheidung sei auf den vorliegenden Streitfall zu übertragen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt war nicht zu verpflichten, die Lohnsteueranmeldung Februar 2017 dahingehend zu ändern, die auf das Gesundheitstraining entfallende Lohnsteuer für den Monat Februar 2017 auf 0 € zu reduzieren, denn die von der Klägerin angebotenen Gesundheitstrainings besitzen zur Überzeugung des Senats Arbeitslohncharakter und wurden nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin erbracht.
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1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).
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a) Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss, was dann zu bejahen ist, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 21.11.2018 VI R 10/17, BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404 und vom 19.11.2015 VI R 74/14, BFHE 252, 129, BStBl II 2016, 303).
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Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, sind dagegen nicht als Arbeitslohn anzusehen, d.h. wenn diese im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 14.11.2013 VI R 36/12, BFHE 243, 520, BStBl II 2014, 278 und vom 10.03.2016 VI R 58/14, BFHE 253, 243, BStBl II 2016, 621).
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c) Ob sich eine unentgeltlich überlassene Sachzuwendung als geldwerter Vorteil oder als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung des Arbeitgebers erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Ergibt die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, dass die Zuwendung ausschließlich oder ganz überwiegend der Entlohnung des Arbeitnehmers dient, ist der geldwerte Vorteil in voller Höhe Arbeitslohn. Ergibt die Würdigung demgegenüber, dass sich die Zuwendung nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweist, liegt insgesamt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763).
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Eine Sachzuwendung kann nach der Rechtsprechung auch gemischt veranlasst sein, so dass eine Aufteilung in Arbeitslohn und eine Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommt (grundlegend: BFH-Urteil vom 18.08.2005 VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30, sowie BFH-Urteil vom 30.04.2009 VI R 55/07, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726). Lässt sich der Charakter einer Sachzuwendung dagegen nur einheitlich beurteilen, ist die Zuwendung im Rahmen einer Gesamtwürdigung einheitlich dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen.
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d) Nach diesen Grundsätzen ist auch zu entscheiden, ob Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands und der betrieblichen Gesundheitsförderung (siehe dazu § 3 Nr. 34 EStG) zu Arbeitslohn führen. Nach der Rechtsprechung des VI. Senats des Bundesfinanzhofes ist z.B. in der Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber grundsätzlich Arbeitslohn zu sehen (vgl. Urteile vom 05.11.1993 VI R 56/93, BFH/NV 1994, 313; vom 31.10.1986 VI R 73/83, BFHE 148, 61, BStBl II 1987, 142, und vom 11.03.2010 VI R …08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763; siehe aber auch Urteil vom 24.01.1975 VI R 242/71, BFHE 114, 496, BStBl II 1975, 340). Dagegen können vom Arbeitgeber veranlasste unentgeltliche Vorsorgeuntersuchungen ebenso im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse liegen (vgl. BFH-Urteil vom 17.09.1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39) wie Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten (vgl. BFH-Urteil vom 30.05.2001 VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671). Mit Urteil vom 21.11.2018, Az. VI R 10/17, hat der VI. Senat des Bundesfinanzhofes entschieden, dass die Zuwendung einer „Sensibilisierungswoche“ als Arbeitslohn zu werten ist, wenn die Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes der Arbeitnehmer und zur betrieblichen Gesundheitsförderung erbracht werden und sich diese Vorteile bei objektiver Würdigung aller Umstände als Entlohnung und nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen.
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2. Nach diesen Maßstäben, denen der erkennende Senat folgt, hat die Klägerin bei umfassender Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls ihren Arbeitnehmern durch die Teilnahme am Gesundheitstraining steuerbaren Arbeitslohn zugewendet.
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a) Es handelt sich bei den angebotenen Gesundheitstrainings um eine die individuelle Gesundheitskompetenz des Arbeitnehmers stärkende Maßnahme der Klägerin in Form einer „aktiven Selbstvorsorge“ zu einem bewussten Umgang mit den eigenen Ressourcen, die keinen Bezug zu berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen aufweist. Eine Verknüpfung der angebotenen Gesundheitsmaßnahme mit einer speziell ausgeübten Tätigkeit des Arbeitnehmers erfolgt nicht. Vielmehr steht die Teilnahme am Gesundheitstraining unterschiedslos allen Beschäftigen zu, ohne inhaltliche Differenzierung nach einzelnen Beschäftigtengruppen der Klägerin. Zwar muss die „Notwendigkeit des Gesundheitstrainings zur Erhaltung/Verbesserung der Arbeitsfähigkeit […] durch eine betriebsärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden“, allerdings lässt sich aus diesem – allgemeinen gehaltenen – betrieblichen Bezug nicht ableiten, dass die für das Gesundheitstraining ausgewählten Mitarbeiter berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen sein müssen.
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Im Rahmen der revisionsrechtlichen Würdigung der Ausführungen des FG Düsseldorf im Urteil vom 26.01.2017, Az. 9 K 3682/15 L, hat der Bundesfinanzhof das Anknüpfen des Finanzgerichts an den „Bezug zu berufsspezifisch bedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände nicht beanstandet. Ziel des vorliegenden Gesundheitstrainings ist insbesondere, den Teilnehmern einen gesunden Lebensstil im Rahmen einer aktiven Selbstvorsorge näherzubringen.
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Die Klägerin gewährt ihren Arbeitnehmern durch die Teilnahme an den Gesundheitstrainings hiernach Vorteile, die mit der Gesundheitsförderung (Anleitung zu einem gesunden Lebensstil) in den Bereich der privaten Lebensführung fallen (§ 12 Nr. 1 EStG). Die Arbeitnehmer sind durch diese Zuwendungen privat bereichert.
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b) Die Zuwendung des Gesundheitstrainings stellt zur Überzeugung des Senats im weitesten Sinne eine Gegenleistung der Klägerin an ihr Arbeitnehmer für das Zurverfügungstellen ihrer individuellen Arbeitskraft dar. Anhaltspunkte, dass die Zuwendung auf einer neben dem Arbeitsverhältnis bestehenden Rechtsbeziehung mit der Klägerin besteht oder bestehen könnte, sind nicht ersichtlich.
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Gesundheitstraining steht nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin da dieses sich nicht nahezu ausschließlich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweist. Das Gesundheitstraining richtet seinen Fokus auf die individuelle Gesundheitskompetenz des teilnehmenden Arbeitnehmers, so dass ein mit der Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz einhergehendes eigenes Interesses des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, nicht vernachlässigt werden kann.
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Gegen ein ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse der Klägerin spricht die erkennbar nicht betriebsspezifische Ausrichtung des angebotenen Gesundheitstrainings:
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(1) Als Ziel des „ganzheitlich geprägten“ Gesundheitstrainings wird in der Betriebsvereinbarung die Stärkung der Gesundheitskompetenz eines jeden Einzelnen und die Anregung einer nachhaltig gesundheitsbewussten Lebensweise angegeben. Schwerpunkt ist damit nicht eine Anleitung zur Veränderung der Verhaltensweise bei Ausübung der betrieblichen Betätigung zur Gesundheitsvorsorge und Gesundheitsprävention. Vielmehr wird hier ein „ganzheitlich geprägter“ Ansatz verfolgt, der die Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz eines jeden einzelnen Mitarbeiters im Blick hat und damit nicht auf das betriebliche Zusammenarbeiten und die betriebliche Gemeinschaft gerichtet ist.
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(2) Nach den Kursunterlagen für das Gesundheitstraining erhalten die Teilnehmer wichtige Informationen und Anregungen, um den in der Gesellschaft weit verbreiteten gesundheitlichen Risikoindikatoren wie Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und Stressbewältigung gezielt zu begegnen und parallel dazu Strategien entwickeln zu können, wie man mittel- und langfristig das Thema Gesundheit gezielt und optimiert in den persönlichen Alltag integrieren kann. Entscheidend für den Erfolg wird nach diesem Konzept vor allem das praktische Erfahren, Erleben und Spüren der gesundheitlichen Angebote gesehen, realisiert durch reichlich Bewegung, durch das Erleben und Genießen einer kalorienbewussten und ausgewogenen Ernährung und durch die Möglichkeit individueller Gespräche zum Thema „Leben in Balance“. (weitere Ausführungen zu den Bausteinen des Gesundheitstrainings)
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Die vorgesehene Entwicklung und Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz betrifft im Kern den Bereich der privaten Lebensführung. Ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, erscheint daher nicht vernachlässigbar, vielmehr sogar als gewichtig. Der persönliche Vorteil betrifft im Kern zwei der drei vorgesehenen „Inhalte/Bausteine“ des Gesundheitstrainings, und zwar die Bausteine „Bewegungsförderung“ und „gesunde Ernährung“, mithin Kernbereiche der privaten Lebensführung. Allein das Modul „Leben in Balance“ weist einen Bezug zur betrieblichen Tätigkeit auf, als auch tägliche Beanspruchungen im Betrieb in den Blick genommen werden, aber nicht nur, wenn es darum geht, „gemeinsam erste Lösungsansätze im positiven Umgang mit täglichen Beanspruchungen“, die vielfältiger Natur sein können, zu erarbeiten.
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Auch die Auswahl der einzelnen Teilnehmer durch die Betriebsärzte knüpft mit der Erhebung von Laborwerten (Blutbild) an den individuellen Gesundheitszustand des Arbeitnehmers an, um eine Notwendigkeit der Schulung des individuellen Gesundheitsbewusstseins (gesunder Lebensstil) ausfindig zu machen.
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Die Frage der Durchführung der Gesundheitstrainings nach den Vorgaben der Klägerin und die Auswahl der Teilnehmer durch Betriebsärzte stellen nach Ansicht des Senats Sicherungsmaßnahmen im eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers dar, sie begründen für sich genommen als solches aber kein ganz überwiegend eigenbetriebliches.
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Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes jedoch nicht, dass das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Gesunderhaltung seiner Arbeitnehmer es von vornherein ausschließt, eine Zuwendung an die Arbeitnehmer zur Gesundheitsförderung als Arbeitslohn zu qualifizieren (vgl. BFH-Urteil vom 21.11.2018 VI R 10/17, BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404).
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Die vom Senat vorliegend zu beurteilende Gesundheitsmaßnahme hat eine positive Beeinflussung des gesundheitlichen Verhaltens unter Präventionsgesichtspunkten zum Ziel, um auf diese Weise die Gesunderhaltung der Belegschaft zu verbessern. Die Einordnung als Arbeitslohn entspricht der Wertung in § 3 Nr. 34 EStG für Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung, die hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen der §§ 20, 20b SGB V genügen müssen. In der Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 34 EStG (vgl. BT-Drs. 16/10189, Seite 47) wird hierzu betont, dass die Erhaltung der Gesundheit und der Arbeitsfähigkeit im Interesse der Arbeitnehmer und der Unternehmen liegt.
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Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber Maßnahmen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes (Primärprävention) der Beschäftigten gleichermaßen dem betrieblichen Bereich wie dem privaten Lebensbereich zuordnet und deshalb grundsätzlich von steuerbarem Arbeitslohn ausgeht. In Höhe von 500 € (im Streitjahr 2017) sind diese Leistungen jedoch steuerfrei. Zur sachlichen Eingrenzung der Steuerbefreiung hat der Gesetzgeber auf die Vorschriften des SGB V (§§ 20, 20b) abgestellt und insbesondere die im Leitfaden Prävention der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen aufgeführten Leistungen als von der Steuerfreiheit umfasst angesehen. Hierzu zählen laut Gesetzesbegründung (1.) Bewegungsgewohnheiten, (2.) Ernährung, (3.) Stressbewältigung und (4.) Suchtmittelkonsum. Die von der Klägerin angebotenen Gesundheitstrainings sind ebenfalls präventiv ausgerichtet und betreffen mit „Bewegungsförderung“, „gesunde Ernährung“ und „psychische Gesundheit, Stressreduzierung“ die im Leitfaden Prävention aufgeführten Gesundheitsbereiche.
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Der Senat folgt der in § 3 Nr. 34 EStG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung, dass jedenfalls Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes mindestens gleichwertig im Interesse der Arbeitnehmer wie des Arbeitgebers liegen und deshalb das Interesse der Arbeitnehmer an der Erlangung des Vorteils nicht vernachlässigt werden kann. Nach Ansicht des Senates liegt die vorliegende allgemeine Gesundheitsvorsorge zwar auch im Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin, aber vor allem auch im persönlichen Interesse der teilnehmenden Arbeitnehmer.
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Im Übrigen wäre es auch geboten, bei einer Veranstaltung, die ganz im überwiegend eigenbetrieblichen Interesse liegt, die Teilnehmer nicht zu verpflichten, bis zu neun Urlaubstage einzusetzen. Es ist demzufolge von steuerbarem Arbeitslohn auszugehen.
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3. Vorliegend ist eine Aufteilung nicht möglich, da die jeweiligen Veranlassungsbeiträge so ineinandergreifen, dass eine Trennung nicht möglich ist. Die Positionen Übernachtungskosten, Verpflegungskosten und Seminarkosten sind einer unterschiedlichen Betrachtung nicht zugänglich. Ebenso bilden die einzelnen Seminarinhalte insgesamt eine Einheit, bei der die Veranstaltungen ineinandergreifend aufeinander aufbauen.
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Das Urteil betrifft zwar mit den damals streitgegenständlichen Kreislauftrainingskuren eine ähnliche Maßnahme aus dem Gesundheitsbereich wie das von der Klägerin angebotene Gesundheitstraining und letzteres weicht nach Einschätzung des Senates in seinen Rahmenbedingungen nicht derart stark von den Kreislauftrainingskuren ab, dass sich der Charakter der Gesundheitsmaßnahme völlig anders darstellen würde. Allerdings ist das Gesundheitstraining unter Zugrundelegung der aktuellen Rechtsprechung des VI. Senates des Bundesfinanzhofes (vgl. hierzu: BFH-Urteil vom 21.11.2018 VI R 10/17, BFHE 263, 196, BStBl II 2019, 404) und der gesetzgeberischen Wertung in § 3 Nr. 34 EStG vor allem auch im persönlichen Interesse der Arbeitnehmer. Weder diente die von der Klägerin angebotene Gesundheitsmaßnahme zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten noch wies die Maßnahme einen Bezug zur konkret ausgeübten Tätigkeit der Teilnehmer aus. Nach Ansicht des Senates schlägt sich sowohl in der aktuellen Rechtsprechung als auch in der gesetzgeberischen Wertung des § 3 Nr. 34 EStG ein – gegenüber den Streitjahren 1957, 1958, 1962 – 1964 (wie im Urteilsfall mit dem Az. VI R 242/71) – geändertes allgemeines Gesundheitsbewusstsein nieder; gesundheitspräventive Maßnahmen fallen demnach vor allem in den Bereich der privaten Lebensführung.
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5. Das Finanzamt hat zu Recht den dem Gesundheitstraining zuzumessenden Wert als Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils qualifiziert, der lediglich im in § 3 Nr. 34 EStG beschriebenen Umfang steuerfrei zu belassen ist, was vorliegend auch unstreitig erfolgt ist.
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Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.