Titel:
Anforderungen an einen Antrag auf Erlass eines Vorbescheids nach der BayBO
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 113 Abs. 5 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayBO Art. 64 Abs. 2 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 71 S. 4
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 23 Abs. 4 S. 2
BayBauVorlV § 3 Nr. 1, § 5, § 7 Abs. 3 Nr. 4, Nr. 12
Leitsätze:
1. Der Umfang der mit einem Vorbescheidsantrag vorzulegenden Unterlagen hängt von der bzw. den gestellten Fragen des Bauvorhabens ab. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verantwortung dafür, dass die eingereichten Bauvorlagen vollständig sind und die abschließende Beurteilung der mit dem Vorbescheidsantrag gestellten Frage(n) erlauben, trägt im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) gem. Art. 71 S. 4 BayBO iVm Art. 64 Abs. 2 S 1 BayBO in erster Linie der jeweilige Antragsteller selbst. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. "Tatsächliche Straßengrenze" gem. § 23 Abs. 4 S. 2 BauNVO ist die Grenze der als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße. Ein Privatweg oder eine private Grundstückszufahrt zu einer solchen "Erschließungsstraße" reicht nicht aus, auch wenn diese Zuwegung gegebenenfalls ausreichend ist, um die von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB geforderte Erschließung zu sichern. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorbescheidsantrag, Vollständigkeit der Bauvorlagen, Fehlender Hinweis auf Unvollständigkeit, Innenbereich, Einfügen nach der überbaubaren Grundstücksfläche, Bebauungstiefe, städtebauliche Spannungen wegen Vorbildwirkung, Verfahrensfehler wegen Verletzung der Aufklärungspflicht, baurechtlicher Vorbescheid, Bebauungsgenehmigung, ordnungsgemäße Antragstellung, vorzulegende Unterlagen, Vollständigkeit, Antragsauslegung, fehlender Hinweis auf Unvollständigkeit, überbaubare Grundstücksfläche, städtebauliche Spannungen, tatsächliche Straßengrenze, Aufklärungspflicht
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 23.05.2024 – M 11 K 22.4144
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1861
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,-- € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück FlNr. …4, Gemarkung N. (im Folgenden: Vorhabengrundstück).
2
Bei dem unbeplanten Vorhabengrundstück handelt es sich um den bislang unbebauten, südöstlichsten Teil des vormals langgestreckten Stammgrundstücks FlNr. … Dieses war – etwa mittig – mit einem zwischenzeitlich abgerissenen Wohngebäude und zudem mit Nebengebäuden bebaut und wird von der westlich verlaufenden M. Straße aus erschlossen. Aus dem Stammgrundstück wurden zwischenzeitlich fünf Einzelflurstücke gebildet, wobei die Grundstücke FlNrn. …1 bis …4 in einer Hinterliegersituation zum (neuen) Grundstück FlNr. … gelegen sind.
3
Das Vorhabengrundstück liegt inmitten eines nahezu dreieckigen Gevierts, das im Westen und Südwesten durch die M. Straße, im Osten bzw. Südosten durch die F. straße und im Norden bzw. Nordosten durch den E.weg begrenzt wird. Am östlichen Ende des Eichenwegs befindet sich auf einer Fläche von ca. 3.516 m² ein Wäldchen (FlNr. …*), welches die Bebauung entlang des Eichenwegs von der Bebauung entlang der F. straße trennt und bis ins Innere des Gevierts reicht, wo sich neben dem Vorhabengrundstück weitere derzeit unbebaute Flächen befinden.
4
Mit Bescheid vom 18. Februar 2022 erteilte das Landratsamt der Klägerin unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens einen Vorbescheid zur Errichtung von vier Doppelhaushälften auf dem damals noch ungeteilten Grundstück FlNr. … im Bereich der zwischenzeitlich abgetrennten, nordwestlich des Vorhabengrundstücks gelegenen Grundstücke FlNr. … bis …3. Die Gebäude wurden noch nicht errichtet. Am 24. Mai 2022 (Eingangsdatum) beantragte die Klägerin die Erteilung eines Vorbescheids betreffend die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Neubaus eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Vorhabengrundstück. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt mit Bescheid vom 8. August 2022 ab.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht nach Einnahme eines Augenscheins mit Urteil vom 23. Mai 2024 ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf den begehrten Vorbescheid. Es fehle bereits an einem ordnungsgemäßen Vorbescheidsantrag mit zugehörigen Bauvorlagen. Unabhängig davon erweise sich das Bauvorhaben jedenfalls deshalb als bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es sich nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die nähere Umgebung einfüge und zu städtebaulichen Spannungen führe.
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Mit ihrem Zulassungsantrag macht die Klägerin insbesondere geltend, dass der Vorbescheidsantrag formell nicht zu beanstanden sei und ein eventueller Formfehler mangels Beanstandung durch das Landratsamt oder den Beigeladenen jedenfalls geheilt worden sei. Zudem liege das Vorhabengrundstück nicht im Außenbereich, sondern im Innenbereich, was das Verwaltungsgericht gesehen hätte, wenn es beim Augenschein wie geboten die Nachbarbebauung aus der Perspektive des Vorhabengrundstücks beurteilt hätte. Im Rahmen des Augenscheins hätte sich außerdem ergeben müssen, dass das Vorhabengrundstück (wohl gemeint: Bauvorhaben) zur Umgebungsbebauung passe. Schließlich seien städtebauliche Spannungen nicht zu begründen. Die hierfür vom Verwaltungsgericht angeführte Begründung sei zu allgemein und habe keinen Bezug zum Verfahrensgegenstand.
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Der Beklagte tritt dem Zulassungsvorbringen entgegen. Der Beigeladene hat sich in diesem Verfahren nicht geäußert.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten sowie die übermittelte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die nicht konkret bezeichneten, aber der Sache nach geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. wurden nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechend dargelegt.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542). Der Rechtsmittelführer muss hierfür nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2024 – 1 ZB 23.838 – juris Rn. 10; B.v. 8.10.2020 – 1 ZB 17.2320 – juris Rn. 7).
12
Das ist vorliegend nicht der Fall. Nach dem Zulassungsvorbringen der Klägerin erscheint es nicht ernstlich zweifelhaft, dass die Klägerin, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 71 Satz 4, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO).
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1.1 Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ein Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids schon an einem ordnungsgemäßen Vorbescheidsantrag scheitere.
14
Gemäß Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO, der gemäß Art. 71 Satz 4 BayBO für einen Vorbescheidsantrag entsprechend gilt, sind mit dem Vorbescheidsantrag alle für die Beurteilung der durch den Vorbescheid zu entscheidenden Frage(n) und die Bearbeitung des Vorbescheidsantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen. Der Umfang der vorzulegenden Unterlagen hängt insofern von der bzw. den gestellten Fragen des Bauvorhabens ab (vgl. § 5 BauVorlV; BayVGH, U.v. 14.10.2008 – 2 BV 04.863 – juris Rn. 23).
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Das Verwaltungsgericht ging, jeweils selbständig tragend, davon aus, dass der Vorbescheidsantrag insoweit unvollständig sei, als im vorgelegten Lageplan die erforderlichen Angaben zur wegemäßigen Erschließung (§ 7 Abs. 3 Nr. 12 BauVorlV) sowie zu den First- und Außenwandhöhen der vorhandenen baulichen Anlagen auf den benachbarten Grundstücken (§ 3 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 Nr. 4 BauVorlV) fehlten.
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1.1.1 Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, dass kein Antrag für ein konkretes Einfamilienhaus, sondern nur ein Antrag auf Erteilung des Baurechts für „ein Einfamilienhaus“ gestellt worden sei, wodurch sie wohl zum Ausdruck bringen will, dass es für die Beantwortung ihrer Vorbescheidsfrage auf die Fragen der konkreten verkehrsmäßigen Erschließung und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Einfamilienhauses auch in Bezug auf seine Wand- und Firsthöhe nicht ankomme und insofern Unterlagen hierzu nicht erforderlich im Sinn von Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO, § 5 BauVorlV seien, vermag dies die Ergebnisrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Denn die Klägerin hat mit ihrem Vorbescheidsantrag vom 24. Mai 2022 die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Vorhabengrundstück ohne Einschränkung abgefragt und damit die Erteilung einer sog. Bebauungsgenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2010 – 15 ZB 08.1428 – BayVBl 2011, 271) beantragt. Außerdem hat sie in dem dem Antrag beigefügten amtlichen Lageplan sowie der beifügten Planzeichnung (mit Grundriss, Schnitt und Ansichten) das Einfamilienhaus im Hinblick auf seine Lage auf dem Grundstück, seine Grundfläche, seine Wand- und Firsthöhe, seine Geschossigkeit und seine Gesamtkubatur zeichnerisch konkretisiert. Mangels Einschränkung im Wortlaut der Vorbescheidsfrage und unter Berücksichtigung der vorgelegten Planunterlagen kann der Vorbescheidsantrag daher nach den entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 BGB (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 41.84 – NVwZ 1987, 884) nicht anders ausgelegt werden, als er die Frage nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des in Lageplan und Planzeichnung dargestellten Einfamilienhauses umfassend, d.h. auch im Hinblick auf seine in der Planzeichnung dargestellte Höhe verbindlich geklärt wissen will. Selbiges gilt im Hinblick auf die Frage nach der gesicherten verkehrsmäßigen Erschließung, da die uneingeschränkt abgefragte bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 35 Abs. 1, Abs. 2 BauGB jeweils voraussetzt, dass die Erschließung gesichert ist. Zwar kann, solange der erforderliche konkrete Vorhabenbezug gewahrt wird (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 5.7.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 51; U.v. 14.2.2008 – 15 B 06.3463 – BauR 2008, 975), mit einem Vorbescheidsantrag auch nur die grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens, das in groben Zügen nach Art und Umfang bestimmt wird, zur Prüfung gestellt werden, und die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit seiner Ausführung im Einzelnen einer späteren Prüfung überlassen bleiben (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 a.a.O.; BayVGH, U.v. 5.7.2017 a.a.O. Rn. 51; B.v. 2.12.2010 – 15 ZB 08.1428 – BayVBl 2011, 271). Eine solche Einschränkung muss aber – explizit oder zumindest im Wege der Auslegung – aus dem Vorbescheidsantrag hervorgehen, was vorliegend nicht der Fall ist.
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1.1.2 Auch soweit die Klägerin vorträgt, dass der Bauantrag (gemeint: Vorbescheidsantrag) weder vom Beigeladenen noch vom Landratsamt beanstandet und ein eventueller Formfehler damit geheilt worden sei, zeigt das Zulassungsvorbringen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, dass schon kein ordnungsgemäßer Vorbescheidsantrag vorliege.
18
Die Verantwortung dafür, dass die eingereichten Bauvorlagen vollständig sind und die abschließende Beurteilung (vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2010 – 15 ZB 08.1428 – BayVBl 2011, 271) der mit dem Vorbescheidsantrag gestellten Frage(n) erlauben, trägt im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 BayVwVfG) gemäß Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO in erster Linie der jeweilige Antragsteller selbst. Mängel, Unklarheiten und „Lücken“ der eingereichten Bauvorlagen gehen daher grundsätzlich zu seinen Lasten (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2024 – 1 CS 23.2127 – juris Rn. 7; B.v. 9.9.2010 – 9 ZB 09.1134 – juris Rn. 7). Zwar konnten gemäß Art. 71 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBO in der bis 31. Dezember 2024 geltenden Fassung die Gemeinden, bei denen der Vorbescheidsantrag einzureichen war (Art. 71 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBO in der bis 31. Dezember 2024 geltenden Fassung), die Ergänzung oder Berichtigung unvollständiger oder unrichtiger Vorbescheidsanträge verlangen und obliegt es den Bauaufsichtsbehörden nach Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBO in der bis 31. Dezember 2024 geltenden Fassung bzw. gem. Art. 65 Abs. 1 Satz 2 BayBO in der seit 1. Januar 2025 geltenden Fassung, den Antragsteller zur Behebung der Mängel innerhalb angemessener Frist aufzufordern, wenn der Vorbescheidsantrag unvollständig ist oder sonstige erhebliche Mängel aufweist. Allerdings kann der jeweilige Antragsteller aus einem fehlenden Ergänzungs- bzw. Mängelbeseitigungsverlangen der Gemeinde und/oder der Bauaufsichtsbehörde in Bezug auf seinen Vorbescheidsantrag nichts ableiten (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2022 – 15 ZB 22.2025 – juris Rn. 6). Insbesondere sieht das Gesetz für diesen Fall – anders als z.B. unter bestimmten Voraussetzungen im Fall eines mangelhaften Bauantrags (vgl. Art. 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO, der im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens nach Art. 71 Satz 4 BayBO nicht gilt) – die Irrelevanz von Mängeln der Bauvorlagen oder deren Heilung nicht vor. Hieran hat sich durch die Neufassung des gemäß Art. 71 Satz 4 BayBO im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens entsprechend geltenden Art. 65 BayBO durch das Zweite Modernisierungsgesetz Bayern vom 23. Dezember 2024 (GVBl. 2024, 620 f.) nichts geändert. Zwar wurde nun in Art. 65 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine – mit Art. 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO korrespondierende (vgl. LT-Drs. 19/3617, S. 18) – Frist für die Prüfung der Vollständigkeit der Bauvorlagen durch die Bauaufsichtsbehörde normiert. Damit wollte der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich nicht die nun in Art. 65 Abs. 1 Satz 2 BayBO geregelte Obliegenheit der Bauaufsichtsbehörde, im Fall mangelhafter Bauvorlagen zur deren Berichtigung aufzufordern, verändern (vgl. LT-Drs. 19/3617, S. 18: „Die Sätze 2 und 3 enthalten die bisherige Regelung des Abs. 2 zur Nachforderung von Unterlagen.“). Daher kann der Antragsteller eines Vorbescheids wegen nach wie vor fehlender dahingehender Regelung aus einem etwaigen Verstoß gegen die Obliegenheit, zur Behebung von Mängeln der Bauvorlagen aufzufordern, nichts und damit auch keine Fiktion der Mangelfreiheit oder eine Fehlerheilung ableiten.
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1.2 Ebenso wenig vermag das Zulassungsvorbringen ernstliche Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts zu begründen, dass das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
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Soweit geltend gemacht wird, dass das Vorhabengrundstück nicht im Außenbereich, sondern im Innenbereich liege, ergibt sich dies bereits daraus, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf die Außenbereichslage des Vorhabengrundstücks gestützt hat. Es hat dies vielmehr „mangels Entscheidungserheblichkeit“ ausdrücklich „dahinstehen“ lassen (UA S. 11) und eine Zuordnung des Vorhabengrundstücks zum Außenbereich durch die Verwendung des Konjunktivs lediglich als (zwar wahrscheinliche, aber) nicht abschließend beurteilte Möglichkeit in den Raum gestellt („[…] dürfte damit […] dem Außenbereich zuzuordnen sein.“, UA S. 12 f.). Aus demselben Grund kann die Rüge, dass die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Abgrenzung von Innen- und Außenbereich vorliegend nicht anwendbar sei, dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg verhelfen.
21
An der das Urteil tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, dass sich das zur Prüfung gestellte Vorhaben nach der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die nähere Umgebung einfüge, weil es sich erstens nicht innerhalb des durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogenen Rahmens hält (UA S. 13 ff.) und zweitens infolge einer nicht auszuschließenden Vorbildwirkung geeignet ist, bodenrechtlich beachtliche Spannungen zu begründen, zeigt die Klägerin keine ernstlichen Richtigkeitszweifel auf.
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Soweit die Klägerin zur Begründung dafür, dass das Grundstück (gemeint: Bauvorhaben) problemlos zur Umgebungsbebauung passe und nicht nachvollziehbar sei, wie das Erstgericht zu der unrichtigen Meinung komme, dass sich das beantragte Einfamilienhaus nicht in die nähere Umgebung einfüge, anführt, dass das Vorhabengrundstück durch eine private Straße, deren Befahrbarkeit durch eine Grunddienstbarkeit gesichert sei, erschlossen werde, und damit die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Bestimmung der Bebauungstiefe des Einfamilienhauses auf dem Vorhabengrundstück als fehlerhaft bezeichnet, ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils. Die Bebauungstiefe im Sinn des insoweit zur Konkretisierung von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB heranzuziehenden § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – BauR 2009, 1564) ist gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 von der „tatsächlichen Straßengrenze“ ab zu ermitteln. „Tatsächliche Straßengrenze“ in diesem Sinn ist die Grenze der als Erschließungsanlage gewählten öffentlichen Straße; ein Privatweg oder eine private Grundstückszufahrt zu einer solchen „Erschließungsstraße“ reicht, auch wenn diese Zuwegung gegebenenfalls ausreichend ist, um die von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB geforderte Erschließung zu sichern, nicht aus. Andernfalls hätte es der Bauherr in der Hand, nur durch eine Trassierung einer inneren Erschließung eines Grundstücks das städtebauliche Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche zu bestimmen (vgl. BVerwG, B.v. 12.8.2019 – 4 B 1.19 – BauR 2019, 1889).
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Auch der Vortrag, dass städtebauliche Spannungen nicht begründbar seien, weil im Fall der Errichtung des Einfamilienhauses auf dem Vorhabengrundstück auf der Erschließungsstraße (d.h. der privaten Straße) täglich maximal drei bis vier Autobewegungen stattfänden und es aufgrund der Sackgassensituation keinen Durchgangsverkehr gebe, so dass von einer Ruhestörung keine Rede sein könne, greift nicht durch. Denn das Verwaltungsgericht hat seine Annahme, dass sich das Einfamilienhaus hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche trotz Überschreitens des durch die Umgebungsbebauung gezogenen Rahmens nicht ausnahmsweise dennoch im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt, nicht darauf gestützt, dass allein das Einfamilienhaus und seine Nutzung eine städtebauliche Spannungen begründende Unruhe in das bestehende Wohnumfeld bringen würden. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht insofern auf die von dem Einfamilienhaus ausgehende Vorbildwirkung für die verbleibenden Freiflächen auf den umliegenden Grundstücken und deren in der Folge kaum noch zu versagende Bebauung, die eine erhebliche Verdichtung des bisher maßgeblich durch die vorhandenen Freiflächen geprägten Gebiets mit sich brächte, abgestellt (UA S. 15 f.). Das Abstellen auf die „bloße“ Vorbildwirkung eines Vorhabens bei der Frage der Begründung bzw. Erhöhung städtebaulicher Spannungen ist nicht zu beanstanden (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – BVerwGE 148, 290). Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang rügt, dass die Begriffe „städtebauliche Spannungen“, „erhebliche Verdichtung“ und Begründung von „Unruhe“ zu allgemein seien und keinen konkreten Bezug zum Streitgegenstand hätten, erschöpft sich ihr Vortrag in pauschaler Kritik am angegriffenen Urteil. Dies genügt den Anforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO an die Darlegung eines Zulassungsgrundes, die u.a. eine „Erläuterung“ und „Erklärung“ sowie eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung verlangen, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2024 – 1 ZB 23.838 – juris Rn. 10; B.v. 11.7.2023 – 1 ZB 23.548 – juris Rn. 9; B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 – juris Rn. 22), nicht.
24
Soweit die Klägerin rügt, dass es rechtlich nicht möglich sei, eine Bebauung in dritter Reihe unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung abzulehnen, es außerdem im selben Ortsteil keine vergleichbare Grundstückssituation gebe und die Bauaufsichtsbehörde unabhängig davon durch eine Bebauung in dritter Reihe gegenüber anderen Bauwerbern nicht gebunden wäre, vermag dies die Ergebnisrichtigkeit des angegriffenen Urteils nicht zu erschüttern. Das Verwaltungsgericht hat die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Einfamilienhauses auf dem Vorhabengrundstück nicht unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung, sondern wegen fehlenden Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche abgelehnt. Weiter ist nicht ersichtlich, inwiefern die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass durch die Zulassung einer ersten Bebauung mit der in Streit stehenden Bebauungstiefe ein Vorbild für eine weitere Bebauung mit vergleichbarer Bebauungstiefe auf den umliegenden Grundstücken geschaffen würde und eine solche daher im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB – jedenfalls hinsichtlich der Frage des Einfügens nach der überbaubaren Grundstücksfläche – kaum noch versagt werden könnte, fehlerhaft sein soll. Denn ein Vorhaben fügt sich im Hinblick auf die überbaubare Grundstückfläche grundsätzlich dann in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es dort insofern ein Vorbild findet (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2006 – 4 C 7.15 – BVerwGE, 157, 1 spricht von „Referenzobjekt“). Dass die Grundstückssituation im Rest des Ortsteils, in dem das Vorhabengrundstück liegt, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht mit derjenigen auf dem Vorhabengrundstück vergleichbar sein soll, so dass die vom Verwaltungsgericht angenommene Vorbildwirkung (möglicherweise) nicht vorläge, erläutert die Klägerin bereits nicht näher. Im Übrigen kommt es nicht auf den Ortsteil, sondern die Umgebungsbebauung an. Das Verwaltungsgericht hat hier für eine Vorbildwirkung zu Recht auf die Freiflächen des Grundstücks FlNr. … und den nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. … abgestellt.
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2. Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
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Dies folgt bereits daraus, dass der der Sache nach geltend gemachte Verfahrensfehler in Form eines Verstoßes gegen die in § 86 Abs. 1 VwGO normierte gerichtliche Aufklärungspflicht wegen unterbliebener Beurteilung der Nachbarbebauung aus der Perspektive des Vorhabengrundstücks die Frage der Zuordnung des desselben zum Außen- oder Innenbereich betrifft. Diese Frage hat das Verwaltungsgericht, wie unter 1.2.1 erläutert, offengelassen und ist zugunsten der Klägerin von einer Lage im Innenbereich ausgegangen. Daher kann das Urteil nicht, wie von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vorausgesetzt, auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, Abs. 3 § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3‚ § 52 Abs. 1 GKG. Der Betrag entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten, gegen den die Beteiligten keine Einwände erhoben haben.