Inhalt

VGH München, Beschluss v. 31.01.2025 – 1 CS 24.1488
Titel:

Erfolgloses Eilverfahren gegen Sofortvollzugsanordnung für Nutzungsuntersagung eines Stadels im Außenbereich

Normenketten:
BayBO Art. 76 S. 2
BayWaldG Art. 9 Abs. 2
Leitsätze:
1. Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet, es sei denn, sie sei offensichtlich genehmigungsfähig. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das öffentliche Baurecht ist grundstücksbezogen und persönliche oder wirtschaftliche Umstände sind bei Erlass der Nutzungsuntersagung nicht zu prüfen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungsuntersagung für einen Stadel im Außenbereich, Keine Verfahrensfreiheit, Eilbeschwerde, Sofortvollzug, Bauplanungsrecht, Außenbereich, Stadel, Nutzungsuntersagung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.08.2024 – M 11 S 24.4009
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1859

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die ihm gegenüber unter Anordnung des Sofortvollzugs ergangene Untersagung der Nutzung eines im Außenbereich errichteten Stadels.
2
Gegen die vom Landratsamt angeordnete Beseitigung des Stadels und Untersagung der Nutzung des Gebäudes gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht bislang noch nicht entschieden. Den zugleich gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat es abgelehnt. Die Nutzungsuntersagung sei nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Die Rodung der Bäume auf dem Baugrundstück verstoße gegen Waldrecht. Die genehmigungspflichtige Nutzung des Stadels sei nicht von einer Baugenehmigung gedeckt. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO komme nicht in Betracht, weil der Stadel die Grundfläche von höchstens 140 m² überdachte Fläche überschreite. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.
3
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Die Einhaltung der maßgeblichen Grundfläche könne durch die geplante Reduzierung des Überstands erreicht werden. Eine Rodungsgenehmigung sei nicht erforderlich. Bei den drei vor dem Waldrand befindlichen Bäumen habe es sich nicht um einen geschützten Wald gehandelt. Im Übrigen unterfalle das Schlagen der drei Bäume nicht dem Schutzzweck des Art. 9 BayWaldG, weil die Bäume im Rahmen der Holznutzung hätten gefällt werden können. Der Stadel befinde sich auf dem nicht vom Wald bestimmten Streifen zwischen Fahrweg und Waldrand. Jedenfalls habe er hilfsweise einen Rodungsantrag gestellt.
4
Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen. Der Antragsteller hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2024 geäußert.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die elektronisch vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
6
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
7
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage gegen die Nutzungsuntersagung bei Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats – bei der Nutzungsuntersagung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – NVwZ-RR 2015, 607) – im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben, sodass das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners nachrangig ist.
8
Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, so kann diese Nutzung untersagt werden (Art. 76 Satz 2 BayBO). Es entspricht regelmäßig pflichtgemäßer Ermessensausübung, wenn die Bauaufsichtsbehörde eine formell illegale Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung unterbindet. Sie darf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2024 – 1 CS 24.1295 u.a. – juris Rn. 10; B.v. 9.11.2020 – 9 CS 20.2005 – juris Rn. 18). Dies ist nur der Fall, wenn ohne ins Einzelne gehende Prüfung beurteilt werden kann, ob die geänderte Nutzung zulässig ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 15.5.2020 – OVG 2 S 17/20 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.353 – BauR 2011, 1961). Die baurechtliche Prüfung in einem Genehmigungsverfahren ist grundsätzlich nicht vorwegzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2022 – 1 CS 22.2013 – juris Rn. 11).
9
Gemessen an diesen Maßstäben zeigt die Beschwerde auch bei Annahme einer (nachträglichen) Einhaltung einer Grundfläche von höchstens 140 m² überdachte Fläche nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO durch eine entsprechende Reduzierung des Überstands keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der untersagten Nutzung des Stadels auf.
10
Die Rodung der Bäume auf dem Vorhabengrundstück verstößt gegen Waldrecht und damit gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinn des Art. 76 Satz 2 BayBO. Der Senat hat bereits in der Entscheidung vom 30. November 2023 (1 ZB 23.1287) ausgeführt, dass die gerodeten Bäume Bestandteil des angrenzenden Waldes waren, der als Bodenschutzwald ausgewiesen und gemäß Waldfunktionsplanung als Erholungswald Stufe 1 und Wald mit besonderer Bedeutung als Lebensraum und für die biologische Vielfalt kartiert ist. Soweit der Antragsteller dagegen einwendet, dass die drei gefällten Bäume räumlich vor dem Waldrand gestanden hätten und bereits begrifflich nicht in den Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 BayWaldG fielen, jedenfalls aber nach Art. 9 Abs. 2 Satz 3 BayWaldG das Fällen der Bäume im Rahmen der Holznutzung möglich gewesen sei, fehlt es an einer ausreichenden Darlegung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass dieser Vortrag nach dem Vergleich der in BayernAtlas abrufbaren aktuellen Luftbildaufnahme mit einer Luftbildaufnahme aus dem Jahr 2020 (Orthoaufnahme 2020), auf welcher der Stadel noch nicht errichtet war, nicht nachvollziehbar ist. Es ist vielmehr zu erkennen, dass am Standort des Stadels ein nicht nur unerheblicher Baumbestand entfernt worden ist. Den vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Fotos lässt sich Gegenteiliges nicht entnehmen. Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 9 Abs. 2 Satz 3 BayWaldG berufen. Insoweit fehlt es an einer hinreichenden Darlegung einer bisherigen anderweitigen Nutzung der Fläche. Der Vortrag, die Bäume hätten „vor dem Waldrand“ gestanden, reicht angesichts der vorliegenden Luftbilder nicht aus, um eine andere Nutzung als Wald zu belegen. Auch die vom Antragsteller im August 2024 erstmals – jedenfalls hilfsweise – (nachträglich) beantragte Erlaubnis zur Rodung kann, nachdem eine Entscheidung noch aussteht, im Beschwerdeverfahren keine Berücksichtigung finden.
11
Zur Frage, ob das Vorhaben entsprechend den Vorgaben in Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BayBO ein landwirtschaftlich privilegiertes Vorhaben darstellt, hat der Senat bereits in der vorgenannten Entscheidung vom 30. November 2023 darauf hingewiesen, dass nach den vorliegenden Unterlagen erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Stadel dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb dient. Die Klärung dieser Frage bleibt dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. Auch der Beschwerdevortrag vermag eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit nicht zu begründen. Die bloße Behauptung, aus der Zuordnung des Stadels zu den vorhandenen nahen landwirtschaftlich genutzten Grundstücken ergebe sich eine räumliche Nähe zum Schwerpunkt des Erntegeschehens, reicht nicht.
12
Soweit der Antragsteller eine Unverhältnismäßigkeit der angegriffenen Entscheidung insoweit annimmt, als das Verwaltungsgericht für die Begründung des Sofortvollzugs auf die Vorbildwirkung der formell illegalen Nutzung abgestellt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Der Begriff des „Schwarzbauers“, dem ungerechte Vorteile gegenüber dem erst nach Erteilung der Genehmigung Nutzenden entzogen werden sollen, ist abstrakt und nicht auf den Antragsteller bezogen zu verstehen. Dies verdeutlicht auch der Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. September 2017 (15 CS 17.1675). Dass die unerlaubte Nutzung vorliegend aufgrund der Lage des Stadels unmittelbar an einem Wanderweg als negatives Vorbild dient, liegt auf der Hand. Im Übrigen ist das öffentliche Baurecht grundstücksbezogen. Persönliche oder wirtschaftliche Umstände sind bei Erlass der Nutzungsuntersagung nicht zu prüfen (vgl. BayVGH, U.v. 9.5.2018 – 1 B 14.2215 – BayVBl 2019, 23).
13
Eine Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu dem Antrag auf Anbringung einer Bretterverschalung fehlt vollständig.
14
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5. und 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).