Titel:
selbständiges Beweisverfahren, Antragsgegner, Nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung, Streitgenossenschaft, Mehrere Streitgenossen, Gerichtsstandsbestimmung, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Gerichtsstand des Erfüllungsorts, Vereinbarter Gerichtsstand, Ausschließlicher Gerichtsstand, Gemeinsamer Gerichtsstand, Gerichtsstandklauseln, Allgemeiner Gerichtsstand, gemeinschaftlicher Gerichtsstand, Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung, Zuständigkeitsbestimmungsverfahren, Örtliche Zuständigkeit, Landgerichte, Prorogation, Prozeßvertretung
Schlagworte:
Gerichtsstandsvereinbarung, Zuständigkeitsbestimmung, Selbständiges Beweisverfahren, Ausschließliche Zuständigkeit, Streitgenossenschaft, Verweisung, Prozessökonomie
Vorinstanz:
LG Regensburg vom -- – 11 OH 11/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18577
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Der Antragsteller, vertreten durch das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Regensburg, hat mit Schriftsatz vom 13. Februar 2025 beim Landgericht Regensburg die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin zu 1) mit Sitz im Bezirk des Landgerichts Passau sowie gegen den im selben Landgerichtsbezirk ansässigen Antragsgegner zu 2) beantragt. Inhalt des Beweisverfahrens soll die Feststellung von Mängeln und Schäden am Dach und im Gebäude … in Passau sein. Nach Vortrag des Antragstellers habe er die Antragsgegnerin zu 1) mit Schreiben vom 1. September 2016 mit Flachdachabdichtungen im Rahmen der Sanierung des Glasdachs der … Passau beauftragt. Vereinbart sei, wie aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, die Geltung der VOB/B. Die Antragsgegnerin zu 1) habe die beauftragten Arbeiten im Rahmen der Dachabdichtung erbracht, weise aber die Verantwortung für einen nunmehr festgestellten Wassereintritt an … zurück.
2
Der Antragsgegner zu 2) sei von der Antragstellerin mit Architektenvertrag vom 15. Mai / 16. Mai 2013 mit Planungs- und Überwachungsleistungen für das streitgegenständliche Bauvorhaben beauftragt worden. Vereinbart worden seien die Allgemeinen Vertragsbestimmungen. § 17.3 dieser lautet ausweislich der vorgelegten Unterlagen:
„Soweit die Voraussetzungen gemäß § 38 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen, richtet sich der Gerichtsstand für Streitigkeiten nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle“.
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Die Verantwortlichkeit des Antragsgegners zu 2) für die Mängel sei derzeit nicht auszuschließen.
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Das Landgericht Regensburg sei bezüglich der Antragsgegnerin zu 1) nach § 18 Abs. 1 VOB/B zuständig; Vertragspartner seien eine juristische Person des Privatrechts und eine juristische Person des öffentlichen Rechts. Die Regelung umfasse alle Aktiv- und Passivprozesse, sodass eine andere Zuständigkeit der staatlichen Gerichte und insbesondere der Gerichtsstand des Erfüllungsorts am Ort des Bauwerks ausscheide. Zuständige Ausgangsbehörde sei das Staatliche Bauamt Passau, das im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Landesamts für Finanzen, Dienststelle Regensburg, liege.
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Bezüglich des Antragsgegners zu 2) ergebe sich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg aus § 17.3 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen. Insoweit würden die Ausführungen zur Antragsgegnerin zu 1) entsprechend gelten.
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Die Antragsgegnerin zu 1) hat die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg gerügt. Eine Vereinbarung entsprechend § 18 VOB/B sei ausweislich der Unterlagen nicht getroffen worden. Der Antragsgegner zu 2) hat hingegen ausgeführt, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg werde nicht gerügt.
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Das Landgericht Regensburg hat mehrfach auf Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit für das Verfahren gegen den Antragsgegner zu 2) hingewiesen. Architekten seien keine Kaufleute, eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 38 Abs. 1 ZPO sei daher nicht möglich. Eine rügelose Einlassung des Antragsgegners zu 2) könne im selbständigen Beweisverfahren nicht die Zuständigkeit begründen.
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Der Antragsteller hat sodann Verweisung des gesamten Verfahrens an das Landgericht Passau beantragt, hilfsweise eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ausgeführt, sie sei mit einer Verweisung an das Landgericht Passau einverstanden. § 18 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz VOB/B führe aus, „wenn nichts anderes vereinbart wird“. Der Antragsteller habe mit dem Verweisungsantrag der Antragsgegnerin zu 1) eine Gerichtsstandsvereinbarung angeboten; das Angebot werde angenommen. Für eine Gerichtsstandsbestimmung sei daher kein Raum. Hier liege auch kein Fall einer „Gerichtshopperei“ durch eine nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung vor. Es bestehe möglicherweise ein Gerichtsstand beim Landgericht Regensburg für den Antragsgegner zu 2). Daher müsse eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 1) möglich sein. § 18 VOB/B begründe keine ausschließliche Zuständigkeit. Der Antragsgegner zu 2) hat erklärt, mit einer Verweisung an das Landgericht Passau einverstanden zu sein.
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Nach mehrfachem Hinweis, dass eine Verweisung bezüglich des Antragsgegners zu 1) aufgrund der Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg Bedenken begegne, hat dieses auf den Hilfsantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 6. Juni 2025 den Rechtsstreit dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Eine Verweisung an das Landgericht Passau sei bezüglich der Antragsgegnerin zu 1) nicht möglich, da insoweit nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B i. V. m. § 38 Abs. 1 ZPO eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg bestehe. Die von den Parteien vorgetragene nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung lasse nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die einmal begründete Zuständigkeit auch im selbständigen Beweisverfahren nicht mehr entfallen. Die örtlich ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg nehme dem übergeordneten Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht die Möglichkeit, unter den verschiedenen als zuständig in Betracht kommenden Gerichten eine Auswahl zu treffen.
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Im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren ist den Antragsgegnern Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ausgeführt, es sei kein Raum für eine Zuständigkeitsbestimmung. Der Antragsgegner zu 2) dürfte keinen Gerichtsstand beim Landgericht Regensburg haben, sodass keine nachträgliche Gerichtsstandsvereinbarung, sondern eine originäre zwischen den übrigen Beteiligten vorliege. Damit werde das Landgericht Passau zuständig.
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Der Antrag auf Bestimmung des (örtlich) gemeinsam zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist nach § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig, weil die in Betracht kommenden Gerichtsstände (Landgericht Regensburg, Landgericht Passau) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken liegen und daher das gemeinschaftliche im Rechtszug zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, weil ein bayerisches Gericht zuerst um die Zuständigkeitsbestimmung ersucht worden ist.
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2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
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a) Zwar wurde der nach § 37 ZPO („Gesuch“) erforderliche Antrag (zunächst hilfsweise) gestellt. Nach dem Hinweis des Landgerichts Regensburg vom 12. Mai 2025, eine Verweisung komme im Hinblick auf die Antragsgegnerin zu 1) nicht in Betracht, das Verfahren werde dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt, hat sich der Antragsteller mit diesem Vorgehen einverstanden erklärt. Ein Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann auch für ein selbständiges Beweisverfahren und auch noch nach dessen Anhängigkeit gestellt werden (BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 14 f.; Beschl. v. 23. Juni 2023, 102 AR 9/23, juris Rn. 22; Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 AR 39/20, juris Rn. 29 f.).
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b) Ob der insoweit allein maßgebliche (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 20 m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 28) Vortrag des Antragstellers zum Vorliegen einer Streitgenossenschaft der Antragsgegner gemäß §§ 59, 60 ZPO genügt, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls kommt eine Bestimmung eines gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts nicht in Betracht, da zwar derzeit kein gemeinsamer Gerichtsstand für das Verfahren gegen die Antragsgegner mehr besteht (dazu unter aa]), aber der Antragsteller ohne die Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands nach § 18 Abs. 1 VOB/B mit der Antragsgegnerin zu 1) das Verfahren gegen beide Antragsgegner beim Landgericht Passau hätte führen können und dem Antragsgegner zu 2) nicht zugemutet werden kann, das Verfahren beim Landgericht Regensburg zu führen (dazu unten bb]).
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aa) Ein gemeinsamer Gerichtsstand für das selbständige Beweisverfahren gegen beide Antragsgegner besteht nicht.
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(1) Mangels Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens ist § 486 Abs. 1 ZPO nicht einschlägig. Zu § 486 Abs. 3 ZPO fehlt jeglicher Vortrag. Gemäß § 486 Abs. 2 Satz 1 ZPO kommt es darauf an, welches Gericht in der Hauptsache in Bezug auf die Antragsgegnerin zu 1) und den Antragsgegner zu 2) zuständig wäre.
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(2) Der eigentlich beim Landgericht Passau eröffnete gemeinsame Gerichtsstand für beide Antragsgegner ist für die Antragsgegnerin zu 1) infolge der Vereinbarung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B zugunsten der ausschließlichen Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg entfallen; für den Antragsgegner zu 2) fehlt es hingegen an einer wirksamen Vereinbarung des Landgerichts Regensburg als Gerichtsstand.
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(a) Beide Antragsgegner haben grundsätzlich ihren allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13, 17 ZPO beim Landgericht Passau. In Betracht käme ferner für das Verfahren gegen beide Antragsgegner nach § 29 ZPO, § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB der Gerichtsstand des Erfüllungsorts am Sitz des Bauwerks (vgl. Patzina/Windau in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 29 Rn. 32 i. V. m. Rn. 42, je m. w. N.), mithin ebenfalls beim Landgericht Passau.
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(b) Allerdings hat der Antragsteller mit der Antragsgegnerin zu 1) nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B i. V. m. § 38 ZPO wirksam die ausschließliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg vereinbart.
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(aa) Nach dem Vortrag des Antragstellers hat dieser mit der Antragsgegnerin zu 1) die Geltung der VOB/B vereinbart. Dies ergibt sich auch aus den im selbständigen Beweisverfahren als Anlage AS 1 beigefügten Unterlagen, dem Angebotsschreiben der Antragsgegnerin zu 1) vom 25. Juli 2016 (S. 2 Ziffer 5) sowie dem Auftragsschreiben des Antragstellers vom 1. September 2016. Dass der Antragsteller unzutreffende Unterlagen vorgelegt hätte, hat auch die Antragsgegnerin zu 1) nicht behauptet.
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(bb) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B richtet sich der Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Vertrag, wenn die Voraussetzungen nach § 38 ZPO vorliegen, nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, wenn nichts anderes vereinbart ist. Dass bei Vertragsschluss eine anderweitige Vereinbarung getroffen worden wäre, behauptet keine der Parteien. Es handelt sich bei den inmitten stehenden möglichen Ansprüchen des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin zu 1) auch um Streitigkeiten aus dem abgeschlossenen Bauvertrag zur Abdichtung des Flachdachs. Da die Antragsgegnerin zu 1) nach § 13 Abs. 3 GmbHG, § 6 HGB Kaufmannseigenschaft hat und der Antragsteller eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, lagen die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO für eine Gerichtsstandsvereinbarung vor. Infolgedessen ist nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B eine Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg als Sitz der für die Prozessvertretung des Antragstellers zuständigen Stelle vereinbart. Nach § 3 Abs. 1 der Bayerischen Vertretungsverordnung (VertrV) ist die Vertretungsbehörde örtlich zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich die Ausgangsbehörde ihren Sitz hat. Ausgangsbehörde war ausweislich des als Anlage AS 1 vorgelegten Auftragsschreibens vom 1. September 2016 das Staatliche Bauamt Passau. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. d) VertrV ist das Landesamt für Finanzen, Dienststelle Regensburg, Vertretungsbehörde für die Regierungsbezirke Niederbayern und Oberpfalz.
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(cc) Die nach § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B vereinbarte Zuständigkeit umfasst nach ganz herrschender Ansicht Aktiv- und Passivprozesse des öffentlichen Auftraggebers und ist insoweit ausschließlich. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut „richtet sich der Gerichtsstand“. Ferner wird zur Begründung darauf verwiesen, dass bei einem öffentlichen Auftraggeber im Interesse eines reibungslosen Verwaltungsablaufs sowohl die Aktiv- als auch die Passivprozesse gegen ihn am Sitz der ihn im Prozess vertretenden Stelle konzentriert werden sollen (BayObLG, Beschluss vom12. Februar 2020, 1 AR 94/19, juris Rn. 58; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Januar 2019, 32 SA 59/18, juris Rn. 20; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18. Dezember 1998, 21 AR 99/98, NJW-RR 1999, 604, 605; Merkens in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 9. Aufl. 2025, VOB/B § 18 Rn. 10; Preussner in BeckOK VOB/B, 59. Ed. 1. Mai 2025, § 18 Abs. 1 Rn. 12 f.; Sacher in Kompendium des Baurechts, 6. Aufl. 2025, 15. Teil Rn. 75). Damit ist für das Verfahren gegen die Antragsgegnerin zu 1) das Landgericht Regensburg ausschließlich örtlich zuständig.
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(3) Eine vergleichbare Vereinbarung wurde vom Antragsteller mit dem Antragsgegner zu 2) nicht wirksam getroffen. Zwar vereinbarte der Antragsteller mit dem Antragsgegner zu 2) unstreitig Allgemeine Vertragsbestimmungen, deren § 17.3 eine vergleichbare Regelung wie § 18 Abs. 1 Satz 1 VOB/B enthält. Auch danach richtet sich der Gerichtsstand für Streitigkeiten nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle, soweit die Voraussetzungen gemäß § 38 ZPO vorliegen. Indessen fehlt es an den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO für eine Gerichtsstandsvereinbarung, da der Antragsgegner zu 2) als freiberuflicher Architekt kein Kaufmann ist (Merkt in Hopt, HGB, 44. Aufl. 2025, § 1 Rn. 19). Für das selbständige Beweisverfahren gegen den Antragsgegner zu 2) bleibt es mithin bei der Zuständigkeit des Landgerichts Passau nach § 486 Abs. 2 Satz 1, §§ 12, 13 ZPO bzw. § 29 ZPO.
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(4) Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1) dringen auch nicht mit ihrer Ansicht durch, das Einverständnis der Antragsgegnerin zu 1) mit dem Verweisungsantrag des Antragstellers sei als nachträgliche Vereinbarung eines (ausschließlichen) Gerichtsstands beim Landgericht Passau zu werten und führe zur Unzuständigkeit des Landgerichts Regensburg. Damit sei das Landgericht Passau einheitlich für beide Antragsgegner zuständig.
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Zwar können Parteien gemäß § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO für eine bereits entstandene Streitigkeit eine Gerichtsstandsvereinbarung abschließen. Nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO berührt aber eine Vereinbarung gemäß § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit bei dem zuständigen Gericht dessen Zuständigkeit nicht mehr (BayObLG, Beschluss vom 15. Mai 2025, 102 AR 46/25 e, juris Rn. 24; Beschluss vom 31. August 2023, 102 AR 167/23, juris Rn. 16 und Rn. 24 m. w. N.). Nur wenn die Klage bei einem unzuständigen Gericht eingereicht worden ist, kann und muss eine nach Eintritt der Rechtshängigkeit geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung noch Berücksichtigung finden (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1975, I ARZ 579/75, NJW 1976, 626 [juris Rn. 4]; BayObLG, Beschluss vom 31. August 2023, 102 AR 167/23, juris Rn. 17). Nichts anderes gilt im selbständigen Beweisverfahren. Zwar ist § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO im selbständigen Beweisverfahren nicht unmittelbar anwendbar, da eine Rechtshängigkeit der Streitsache nicht eintritt. Es erscheint jedoch sachgerecht, den in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO niedergelegten Grundsatz auch auf das selbständige Beweisverfahren anzuwenden. Das selbständige Beweisverfahren soll vor allem der Prozesswirtschaftlichkeit dienen. Damit wäre es nicht vereinbar, wenn die Parteien die Zuständigkeit des zunächst angerufenen Gerichts während der gesamten Dauer durch die nachträgliche Vereinbarung eines anderen ausschließlichen Gerichtsstands beseitigen könnten. Eine nach erfolgter Zustellung oder Übersendung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens an den Antragsgegner getroffene Gerichtsstandsvereinbarung berührt daher die bestehende Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht mehr (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010, Xa ARZ 14/10, NJW-RR 2010, 891 [juris Rn. 9]; ebenso Röß in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 486 Rn. 3).
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(5) Ein einheitlicher Gerichtsstand beim Landgericht Regensburg ergibt sich auch nicht daraus, dass dieses nachträglich für das selbständige Beweisverfahren gegen den Antragsgegner zu 2) zuständig geworden wäre.
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(a) Zwar hat der Antragsgegner zu 2) im Schriftsatz vom 8. April 2025 zunächst erklärt, die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg nicht zu rügen. Indessen ist § 39 ZPO, der eine Zuständigkeit kraft rügeloser Einlassung in der Hauptverhandlung vorsieht, im selbständigen Beweisverfahren nicht anwendbar (KG, Beschluss vom 21. März 2016, 2 AR 9/16, juris Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 8. Januar 1999, 1 W 23/98, juris Rn. 3; Röß in Musielak/Voit, ZPO, § 486 Rn. 3; Berger in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2015, § 486 Rn. 16; Schultzky in Zöller, ZPO, § 39 Rn. 3).
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(b) Grundsätzlich besteht aber die Möglichkeit, dass der Antragsteller mit dem Antragsgegner zu 2) nach § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nachträglich eine Prorogationsvereinbarung trifft, wonach das insoweit bislang unzuständige Landgericht Regensburg auch für das selbständige Beweisverfahren gegen den Antragsgegner zu 2) zuständig werden könnte. Dass der Antragsgegner zu 2) mangels Kaufmannseigenschaft nicht nach § 38 Abs. 1 ZPO prorogationsfähig ist, hindert die Vereinbarung nach § 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO nicht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. August 2023, 102 AR 167/23, juris Rn. 16 f.). Indessen liegt eine derartige Vereinbarung des Antragstellers mit dem Antragsgegner zu 2) nicht vor. Vielmehr hat der Antragsteller auch in Bezug auf den Antragsgegner zu 2) die Verweisung an das Landgericht Passau beantragt, womit sich der Antragsgegner zu 2) mit Schriftsatz vom 2. Mai 2025 einverstanden erklärt hat.
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bb) Auch wenn es vorliegend an einem gemeinsamen Gerichtsstand fehlt, kommt eine Gerichtsstandsbestimmung dennoch nicht in Betracht.
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Eine Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt grundsätzlich voraus, dass die Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand von einem von ihnen verklagt werden sollen. Nach ständiger Rechtsprechung können zwar besondere Sachgründe, gegebenenfalls auch eine durch Prorogation begründete ausschließliche Gerichtszuständigkeit, eine Ausnahme von dem Grundsatz zulassen (BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789 Rn. 11; Beschluss vom 9. Oktober 1986, I ARZ 487/86, NJW 1987, 439 [juris Rn. 7]; BayObLG, Beschluss vom 14. August 2024, 102 AR 84/24 e, juris Rn. 28; Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 28; Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 17). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor.
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Die Prorogation eines ausschließlichen Gerichtsstands mit einem der Streitgenossen hat zur Folge, dass keiner der allgemeinen Gerichtsstände der Antragsgegner, sondern nur der vereinbarte ausschließliche Gerichtsstand für die gemeinsame Klage bestimmt werden kann. Das mit einem Streitgenossen als ausschließlich zuständig vereinbarte Gericht kann dem durch die Prorogation Begünstigten grundsätzlich nicht durch eine Gerichtsstandsbestimmung entzogen werden (BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1982, I ARZ 449/82, NJW 1983, 996 [juris Rn. 6]; BayObLG, Beschluss vom 14. August 2024, 102 AR 84/24 e, juris Rn. 30; Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 30; Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 29). Den anderen Streitgenossen kann dieses Gericht über eine Bestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO jedoch nur aufgedrängt werden, wenn ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand mit den übrigen Streitgenossen nicht bestanden hat und zudem den anderen Streitgenossen unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor diesem Gericht verklagen zu lassen (BGH NJW 2008, 3789 Rn. 11 m. w. N.; Beschluss vom 8. März 1957, I ARZ 12/57, BB 1957, 941; BayObLG, Beschluss vom 14. August 2024, 102 AR 84/24 e, juris Rn. 31; Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 31; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 67/22, juris Rn. 48; OLG Hamm, Beschluss vom 15. April 2020, 32 Sa 21/20, juris Rn. 13; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 24 m. w. N.). Daran fehlt es hier.
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(1) Vorliegend hätte ohne die Vereinbarung des Landgerichts Regensburg als ausschließlichem Gerichtsstand mit der Antragsgegnerin zu 1) ein gemeinsamer Gerichtsstand für das selbständige Beweisverfahren gegen beide Antragsgegner beim Landgericht Passau bestanden. Dort haben beide Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand nach §§ 12, 13, 17 ZPO. Zudem wäre dort der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO am Ort des Bauwerks in Betracht gekommen. Auch wenn, wie der Antragsteller vorträgt, im Fall einer beschränkten Ausschreibung nach § 8a VOB/A die Anwendung der VOB/B als Vertragsbestandteil vorzuschreiben war, musste mit der Antragsgegnerin zu 1) nicht zwingend eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen werden. § 18 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VOB/B stellt die Gerichtsstandsvereinbarung ausdrücklich unter den Vorbehalt, dass „nichts anderes vereinbart“ wurde. Ferner war für den Antragsteller ohne Weiteres erkennbar, dass eine gleichlaufende Vereinbarung des ausschließlichen Gerichtsstands in Regensburg nach § 17.3 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen mit dem Antragsgegner zu 2) mangels Kaufmannseigenschaft nicht möglich sein würde.
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(2) Zudem liegt auch keine der Fallgruppen vor, in denen dem anderen Streitgenossen (hier dem Antragsgegner zu 2]) unter Berücksichtigung der mit der Prorogation verfolgten Zwecke zugemutet werden kann, sich ebenfalls vor dem als ausschließlich vereinbarten Gericht verklagen zu lassen. Der Vertragspartner, der nur mit einem von mehreren Streitgenossen eine Gerichtsstandsvereinbarung mit ausschließlichem Charakter trifft, hat in der Regel die Folgen seiner Entscheidung zu tragen (BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 32; Beschluss vom 5. März 2020, 1 AR 2/20, juris Rn. 28).
35
(a) Eine Ausnahme ist vom Bundesgerichtshof in einem Fall angenommen worden, in dem der als Streitgenosse in Anspruch genommene Partner der Gerichtsstandsvereinbarung keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 1987, I ARZ 903/86, NJW 1988, 646 [juris Rn. 8]).
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Dies ist hier nicht der Fall.
37
(b) Zumutbarkeit ist weiter in Fällen bejaht worden, in denen Hauptschuldner und Bürge als Streitgenossen verklagt wurden, eine über die Bürgschaft hinausgehende enge Verbundenheit zwischen dem durch die Prorogation gebundenen Hauptschuldner und dem nicht gebundenen Bürgen dergestalt bestanden hatte, dass der Bürge zugleich als gesetzlicher Vertreter der Hauptschuldnerin den die Gerichtsstandklausel enthaltenden Vertrag für diese unterzeichnet hatte und die Hauptschuldnerin ohnehin im Prozess vertrat (BayObLG, Beschluss vom 14. August 2024, 102 AR 84/24 e, juris Rn. 33; Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 35; Beschluss vom 25. Juli 2022, 101 AR 36/22, juris Rn. 32 f.; Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 62/19, juris Rn. 14; OLG München, Beschluss vom 26. September 2017, 34 AR 140/17, juris Rn. 8). Eine solche oder eine hinreichend vergleichbare Konstellation liegt hier nicht vor. Eine besonders enge Verbundenheit zwischen dem Antragsgegner zu 2) als für die Bauüberwachung zuständigem Architekten und der ausführenden, vom Antragsteller beauftragten Antragsgegnerin zu 1) liegt nicht vor.
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(c) Schließlich ist die Bestimmung des prorogierten Gerichtsstands denkbar, wenn der Standort des zum Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens gemachten Bauwerks mit einem der in Anspruch genommenen Streitgenossen als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart wurde und die Bestimmung des Gerichts an diesem Ort (ohne Prorogation) zweckmäßig wäre, weil sie zur Erleichterung der Beweisaufnahme führt (BayObLG, Beschluss vom 14. August 2024, 102 AR 84/24 e, juris Rn. 34; Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 36; Beschluss vom 5. August 2022, 101 AR 54/22, juris Rn. 33). Ein vergleichbarer Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Das streitgegenständliche Bauwerk befindet sich nicht an dem mit der Antragsgegnerin zu 1) vereinbarten Gerichtsstand in Regensburg, sondern im Landgerichtsbezirk Passau.
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(d) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Zweck des § 18 Abs. 1 VOB/B, im Interesse eines möglichst reibungsfreien Verwaltungsablaufs die Aktivprozesse des öffentlichen Auftraggebers und die Passivprozesse gegen ihn am selben Gerichtsstand, dem Sitz der zuständigen Vertretungsbehörde, zu konzentrieren. Dies gilt, wie sich aus dem Verweis auf § 38 Abs. 1 ZPO ergibt, gerade nur zulasten von Kaufleuten oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, nur diesen wird im Interesse des reibungslosen Verwaltungsablaufs die Konzentration zugemutet (vgl. BGH, Urt. v. 18. April 1985, VII ZR 359/83, NJW 1985, 2090 [juris Rn. 10]). Damit vermag es auch der Zweck des § 18 Abs. 1 VOB/B nicht zu rechtfertigen, den Gerichtsstand des öffentlichen Auftraggebers auch für einen Vertragspartner ohne Kaufmannseigenschaft zu bestimmen, nur weil dieser nicht allein, sondern mit einem kaufmännischen Streitgenossen verklagt werden soll.
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(e) Dass der Antragsgegner zu 2) zunächst erklärt hat, die Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg nicht zu rügen, ändert nichts (vgl. BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 37 a. E.). Im späteren Schriftsatz vom 2. Mai 2025 hat er gerade erklärt, mit der vom Antragsteller und der Antragsgegnerin zu 1) angestrebten Gesamtverweisung an das Landgericht Passau einverstanden zu sein.
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, NJW-RR 2019, 957 Rn. 5).