Titel:
Zug-um-Zug-Verurteilung, Annahmeverzug, Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, Anerkenntnisurteil, Abtretungsangebot, Zug-um-Zug-Leistung, Rückgriffsansprüche, Öffentliche Urkunde, Erkenntnisverfahren, Öffentlich beglaubigte Urkunde, Entscheidungsgründe, Sofortige Beschwerde, Schuldner, Sofortiges Anerkenntnis, Sachverständige, Kostenentscheidung, Klageabweisungsantrag, Klageerhebung, Angebot der Gegenleistung, Anspruchsabtretung
Schlagworte:
Zug-um-Zug-Leistung, Anerkenntnisurteil, Annahmeverzug, Abtretungsangebot, Zwangsvollstreckung, Befriedigungsnachweis, Kostenentscheidung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 07.05.2025 – 1538 M 38757/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18560
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 07.05.2025, Az. 1538 M 38757/25, aufgehoben. Das Verfahren wird an das Amtsgericht München zurückverwiesen.
2. Das Amtsgericht wird angewiesen, über den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses unter Beachtung der rechtlichen Ausführungen der Beschwerdekammer zu entscheiden.
2 3. Die Schuldnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Der Beschwerdestreitwert wird auf 57,35 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige sofortige Beschwerde der Vollstreckungsgläubigerin ist begründet.
2
Das Amtsgericht hat den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 19.3.2025 zu Unrecht mit Beschluss vom 7.5.2025 aufgehoben.
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Streitgegenständlich sind für den Erlass von Zwangsvollstreckungsmaßregeln, insbesondere nach §§ 828 ff ZPO, die Vorschriften des § 765 ZPO, nicht hingegen die des § 894 ZPO.
4
Die Schuldnerin wurde gerade zu keiner Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, sondern gemäß Anerkenntnisurteil vom 5.11.2024 verurteilt, an den Sachverständigen ... 54,86 Euro nebst Zinsen zu zahlen; allerdings Zug – um – Zug gegen Abtretung von angeblichen (so wörtlich im Tenor stehend) vertraglich gewährleistungs-/schadensersatz- und bereicherungsrechtlicher Rückgriffsansprüche gegen den Sachverständigen aus dem zugrundeliegenden Vertrag.
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Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn 1. der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist; (.)
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Der Vollstreckungsschuldner kann allerdings schon vor der Vollstreckung in Annahmeverzug geraten bzw. es kann bereits vor Vollstreckung Befriedigung eingetreten sein.
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Dies ist dem Vollstreckungsorgan durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachzuweisen. Die Nachweisurkunden müssen dem Schuldner zudem vor der Vollstreckung zugestellt werden.
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So kann sich der Annahmeverzug bereits aus dem Tatbestand des Leistungsurteils ergeben.
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Dies gilt jedenfalls dann, wenn er sich nicht nur aus dem Klageabweisungsantrag, sondern aus den Sachausführungen im Tatbestand ergibt (siehe OLG Köln, Beschluss vom 23.11.1990, Az. 2 W 195/90).
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Die in den öffentlichen Urkunden festgehaltenen Umstände müssen daher ohne weiteres und ein3 deutig den Annahmeverzug ergeben (siehe Kammergericht, Beschluss vom 4.2.1972, Az. 1 W 450/71).
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Aus dem vorgelegten Anerkenntnisurteil – einer öffentlichen Urkunde im Sinne d. §§ 756, 415, 726, 765 ZPO –, das der Schuldnerin am 8.11.24 zugestellt wurde, geht aus den Entscheidungsgründen, die ausnahmsweise wegen des Antrags auf Kostentragung nach § 93 ZPO durch die hiesige Schuldnerin erfolgten, erkennbar hervor, dass bereits Befriedigung iSv § 765 Nr.1 ZPO eingetreten ist.
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In den Entscheidungsgründen des Anerkenntnisurteils vom 5.11.2024 ist ausgeführt:
Die Kosten waren gem. § 91 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Es lag kein sofortiges Anerkenntnis vor. Dass die klagende Partei erstmals mit der Klage eine Abtretung Zug-um-Zug angeboten hat, war unerheblich. Denn der Bestand der Klageforderung war unabhängig von dem Angebot, etwaige Ansprüche abzutreten. Der Zahlungsanspruch ergab sich unter Zugrundelegung des Gesichtspunktes des sog. „Sachverständigenrisikos“. Dieser Grundsatz ist unabhängig von der Begleichung einer Rechnung des Sachverständigen. Maßgeblich ist allein, dass der Sachverständige die entsprechenden Kosten berechnet hat und für den Anspruchsteller nicht offensichtlich ist, dass etwaige Kosten krass überhöht sind. Hierfür ist bei der von der Beklagtenseite vorgenommenen Kürzung unter 10% nicht ansatzweise Raum.
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Hätte die Beklagte gegenüber der Klägerin ausdrücklich angeboten, die Kosten in vollem Umfang gegen Abtretung etwaiger Regressansprüche auszugleichen, hätte über die Anwendbarkeit des § 93 ZPO ernsthaft diskutiert werden können – bei einer unkommentierten Kürzung indes nicht.
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Die Gläubigerin hat durch den Antrag auf Zug-um-Zug Verurteilung bereits ein Abtretungsangebot gegenüber der Schuldnerin abgeben. Ein Angebot der Gegenleistung kann bereits im Erkenntnisverfahren erfolgen (siehe hierzu OLG Köln, Beschluss vom 23.11.1990, Az. 2 W 195/90 sowie BGH, Beschluss vom 16.06.2016 – I ZB 69/15). Da die Abtretung nicht an eine besondere Form gebunden ist, kann auch der auf eine Zug-um-Zug Verurteilung gerichtete Klageantrag für ein wirksames Angebot genügen.
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Verfahrensgegenständlich liegt ein wirksames Angebot vor.
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Zum einen wird aus dem Aufnehmen des Wortes „angeblicher“ Gegenansprüche im klägerischen Zug-um-Zug Antrag deutlich zum Ausdruck gebracht, dass die Klageseite diese gerade 4 nicht erkennen kann, diesen Antrag aber stellt, weil die Beklagten diese behauptet.
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Dies wird in den Entscheidungsgründen deutlich, wenn das Amtsgericht ausführt, dass ein klägerischer Anspruch auch unabhängig von dem Angebot, etwaige Ansprüche abzutreten, bestand, und sich die Beklagte im Erkenntnisverfahren gerade darauf berief, dass die Klagepartei dieses Angebot außergerichtlich nicht abgegeben hat, so dass nunmehr die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorliegen würden, weil das Angebot erst im Erkenntniserfahren abgegeben wurde. Somit sah auch die Beklagte im Erkenntnisverfahren den klägerischen Antrag auf Zug-um-Zug Verurteilung als klägerisches Angebot an und nicht als „prozessuale Gestaltung“.
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In der Anerkenntniserklärung seitens der Schuldnerin im Erkenntnisverfahren auch im Hinblick auf die Zug-um-Zug Verurteilung (= klägerisches Abtretungsangebot von angeblich bestehender Gegenansprüchen) ist die Annahme des Abtretungsangebots zu sehen.
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Hierauf stützt sich gerade auch der Antrag der Beklagten gemäß § 93 ZPO. Hätte die Klagepartei dieses Angebot bereits außergerichtlich abgegeben, wäre es zu keiner Klageerhebung gekommen, weil die Beklagte dann den klägerischen Anspruch ausgeglichen hätte, und somit nicht durch ihr Verhalten zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hätte.
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Die Befriedigung ist durch eine öffentliche Urkunde, hier dem Anerkenntnisurteil vom 5.11.24, bereits vor der Vollstreckung nachgewiesen worden.
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Es bedarf daher keines weiteren Abtretungsangebots seitens der Gläubigerin und eines Nachweises des Annahmeverzugs der Schuldnerin, wie die Schuldnerin vortragen lässt.
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Befriedigung der Schulderin iSv § 765 ZPO Nr.1 ZPO ist damit nachgewiesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Der Beschwerdestreitwert bemisst sich nach der Höhe der Vollstreckungsforderung.