Titel:
Rücknahme der Umschreibung einer kosovarischen Fahrerlaubnis - einstweiliger Rechtsschutz
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 108
BayVwVfG Art. 48 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 2, Abs. 3
FeV § 7, § 29 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 31 Abs. 1, Abs. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die für die Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis vorausgesetzte Inlandsberechtigung dieser Fahrerlaubnis gilt nicht, wenn deren Inhaber im Zeitpunkt ihrer Erteilung durch einen Staat, der nicht ein Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsakts liegt zwar die materielle Beweislast für das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts bei der zurücknehmenden Behörde, im Fall der Umschreibung also für das Nichtvorliegen eines Wohnsitzes im Ausland im Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn die Unerweislichkeit auf einem gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden unlauteren Verhalten des Begünstigten beruht. Auch wenn ein solches nicht festgestellt werden kann, ist der Betroffene nicht von seiner verfahrensrechtlichen Pflicht oder zumindest Obliegenheit entbunden, durch substantiierte Angaben über die tatsächlichen Lebensverhältnisse bei der Aufklärung mitzuwirken, insbesondere über Umstände, die allein in seiner Sphäre liegen, wie etwa sein Lebensmittelpunkt im Ausland. (Rn. 30 und 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rücknahme des Umtauschs einer kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis, Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis unter Verletzung des Wohnsitzprinzips, Verletzung des Wohnsitzprinzips, Inlandsberechtigung, materielle Beweislast, Wohnsitz im Ausland, unlauteres Verhalten, verfahrensrechtliche Mitwirkungspflicht
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 14.06.2024 – RN 8 S 24.632
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1853
Tenor
I. Die Beschwerde wird verworfen, soweit sie unzulässig ist, und im Übrigen zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. In Abänderung der Ziffer IV. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Juni 2024 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 3.750,- EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Rücknahme des Umtauschs seiner kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis.
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Nach einem polizeilichen Bericht vom 13. August 2019 wurde der Antragsteller am 11. August 2019 bei einer Verkehrskontrolle in Simbach am Inn ohne gültige Fahrerlaubnis angetroffen. Er händigte den Beamten einen am 15. April 2019 ausgestellten kosovarischen Führerschein aus und erklärte, er lebe seit langer Zeit in Deutschland. Nach Informationen der Fahrerlaubnisbehörde habe der Antragsteller am 19. März 2019 – nach Umtausch seiner alten kosovarischen Fahrerlaubnis in Slowenien – eine slowenische Fahrerlaubnis in eine deutsche umschreiben lassen wollen. Da der slowenische Führerschein mit der Schlüsselzahl „70“ versehen gewesen sei, sei zu erkennen gewesen, dass der Antragsteller zuvor im Besitz einer Drittstaatenfahrerlaubnis gewesen sei, die nicht einfach in eine deutsche umgeschrieben werden könne. Vielmehr sei eine erneute Fahrprüfung nötig. Zu deren Vermeidung habe der Antragsteller sich erneut einen kosovarischen Führerschein besorgt.
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Das Amtsgericht Eggenfelden verhängte deswegen mit rechtskräftigem Urteil vom 17. Dezember 2019 eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis.
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Am 2. März 2022 beantragte der Antragsteller beim Landratsamt Berchtesgadener Land die Umschreibung seiner kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis. Dies lehnte das Landratsamt mit Schreiben vom 4. März 2022 ab, da die kosovarische Fahrerlaubnis im Jahr 2010 während eines weiterhin bestehenden Hauptwohnsitzes im Inland erworben worden sei. Sie sei aufgrund des Wohnsitzverstoßes in Deutschland ungültig und vermittle keine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland. Der Antragsteller habe angegeben, den Führerschein aufgrund von Problemen mit der deutschen Sprache im Heimatland Kosovo gemacht zu haben. Am 1. Juni 2022 nahm der Antragsteller seinen Umschreibungsantrag zurück.
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Nach einem Melderegisterauszug vom 31. Mai 2024 war er vom 6. März 2008 bis 30. Juni 2009 mit einziger Wohnung in Bogen gemeldet und danach bis 2. November 2009 nach Serbien und Montenegro gezogen. Seit 2. November 2009 ist der Antragsteller mit Hauptwohnsitz wieder in Deutschland gemeldet, bis 20. September 2017 mit einziger Wohnung wieder unter seiner ehemaligen Anschrift in Bogen.
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Am 26. September 2022 beantragte er beim Landratsamt Rottal-Inn den Umtausch einer am 8. Februar 2010 erteilten kosovarischen Fahrerlaubnis der Klassen B1, B, L, M und T und legte die Bestätigung der Meldebehörde der Stadt Pfarrkirchen vom selben Tag vor, wonach er seit dem 24. September 2022 mit seinem Hauptwohnsitz in D. 9a in Pf.. gemeldet sei, was durch eine Wohnungsgeberbestätigung vom 24. September 2022 bestätigt wurde.
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Am 30. September 2022 zog das Landratsamt Rottal-Inn die kosovarische Fahrerlaubnis im Rahmen eines Umtauschs ein und händigte dem Antragsteller einen Führerschein mit einer deutschen Fahrerlaubnis aus.
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Nach einem Bericht der Kriminalpolizeiinspektion Passau vom 9. Januar 2023 ergaben Ermittlungen, dass sich zehn kosovarische und albanische Staatsangehörige mit einer Wohnungsgeberbestätigung an den Adressen D. 9 und 9a in Pf... bei der Stadt Pf... angemeldet und daraufhin die prüfungsfreie Umschreibung ihrer Fahrerlaubnisse beantragt hatten. Bei den Wohnungsgeberbestätigungen, die nicht von den Wohnungsinhabern unterzeichnet waren, handelte es sich um Fälschungen durch eine dritte Person. Anlass der Ermittlungen war eine Anzeige der Wohnungsinhaber, die immer wieder Post für unbekannte Personen in ihrem Briefkasten vorgefunden hatten. Der Antragsteller wohnte nach deren Aussage nie unter dieser Meldeadresse, sondern weiterhin in Freilassing, wo er nach einem Melderegisterauszug vom 31. Mai 2024 seit 12. Februar 2019 durchgehend gemeldet war.
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Mit Schreiben vom 1. Mai 2023 teilte die Staatsanwaltschaft Landshut mit, sie habe ein Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen Urkundenfälschung nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
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Mit Schreiben vom 28. August 2023 hörte das Landratsamt Rottal-Inn den Antragsteller zur beabsichtigten Rücknahme der Umschreibung seiner Fahrerlaubnis an, sofern er keine geeigneten Nachweise für einen ordentlichen Wohnsitz im Ausland bei Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis vorlege.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 13. Oktober 2023 ließ der Antragsteller vortragen, er habe bereits Anfang 2010 im Kosovo eine Fahrerlaubnis erworben. Aufgrund des Zeitablaufs sei es schwierig, für die Jahre 2009 und 2010 Dokumente vorzulegen bzw. genauere Angaben zu machen. Alte Ausweisdokumente bzw. Grenzübertrittsnachweise oder sonstige Dokumente könnten nicht mehr vorgelegt werden. Am 18. Juni 2008 habe er im Kosovo geheiratet. Um seine deutsche Aufenthaltsgenehmigung nicht zu gefährden, habe er sich ab November 2009 in Deutschland angemeldet, sei aber ständig zu seiner Frau gependelt und habe im Kosovo weiter seinen Lebensmittelpunkt gehabt. Dies sei von Mitte 2008 (Heirat) bis Anfang/Sommer 2010 der Fall gewesen. Erst später sei die durchgehende Übersiedlung nach Deutschland erfolgt. Aufgrund der aktuellen politischen Lage im Kosovo sei es schwierig, entsprechende Behörden zu kontaktieren bzw. entsprechende Belege oder Aussagen zu den genannten Zeiträumen zu erhalten.
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Mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 teilte das Landratsamt Rottal-Inn dem Antragsteller mit, man könnte von einem Lebensmittelpunkt im Kosovo bei Erteilung der kosovarischen Fahrerlaubnis ausgehen, wenn er nachweise, dass er zu der Zeit dort gearbeitet habe. Aufgrund der Meldung in Deutschland seit 2009 werde jedoch von einem Lebensmittelpunkt in Deutschland ausgegangen.
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Mit E-Mail vom 21. November 2023 stimmte das Landratsamt Berchtesgadener Land nach § 73 FeV der Durchführung des Verfahrens durch das Landratsamt Rottal-Inn zu.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 27. November 2023 ließ der Antragsteller mitteilen, aus einer notariellen Urkunde gehe hervor, dass er, wohnhaft in L.-P., und zwei Zeugen am 24. Oktober 2023 eidesstattlich versichert hätten, dass er sich damals längere Zeit im Kosovo aufgehalten habe.
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Mit Bescheid vom 13. März 2024 nahm das Landratsamt Rottal-Inn unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die am 30. September 2022 erteilte deutsche Fahrerlaubnis gestützt auf Art. 48 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zurück, stellte fest, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, in der Bundesrepublik Deutschland ein Fahrzeug zu führen und forderte ihn unter Androhung unmittelbaren Zwangs auf, den deutschen Führerschein innerhalb von drei Tagen zurückzugeben. Ferner drohte es für jeden Fall der Nichtbeachtung ein Zwangsgeld an. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, der Antragsteller habe nicht nachweisen können, dass er zum Zeitpunkt der Erteilung der kosovarischen Fahrerlaubnis am 8. Februar 2010 185 Tage im Kosovo gewohnt habe. Er sei vielmehr seit dem 2. November 1998 durchgehend in Deutschland gemeldet gewesen. Auch die Erklärungen seiner Freunde und Bekannten bescheinigten nur eine Aufenthaltsdauer vom 25. September 2009 bis 8. Februar 2010, mithin weit weniger als 185 Tage. Die Rücknahme liege daher im pflichtgemäßen Ermessen. Das Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände überwiege das Beibehaltungsinteresse des Antragstellers vor allem zur Wahrung des Vertrauens in die Rechtsstaatlichkeit und Richtigkeit der Daten im Fahreignungsregister.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Antragsteller am 21. März 2024 Klage erheben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellen.
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Mit Beschluss vom 14. Juni 2024 ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung und die Androhung unmittelbaren Zwangs an und lehnte den Antrag, den es zweckgemäß als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 13. März 2024 auslegte, im Übrigen ab. Die Zwangsgeldandrohung „auf Vorrat“ verstoße gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG, wonach eine erneute Zwangsmittelandrohung erst zulässig sei, wenn die vorausgegangene Androhung ohne Erfolg geblieben sei. Die Androhung unmittelbaren Zwangs sei wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Es fänden sich keine Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit (Art. 29 Abs. 3 VwZVG). Ansonsten spreche alles für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Zwar dürfte das Landratsamt Rottal-Inn weder für den Umtausch der ausländischen Fahrerlaubnis noch für deren Rücknahme zuständig gewesen sein, da der Antragsteller seit Jahren durchgehend und ausschließlich in Freilassing gewohnt habe. Bei natürlichen Personen richte sich die örtliche Zuständigkeit gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV grundsätzlich nach der Hauptwohnung, gemäß § 21 Abs. 2 BMG der vorwiegend benutzten Wohnung, bzw. dem Aufenthaltsort. Zur Bestimmung der Hauptwohnung sei nach obergerichtlicher Rechtsprechung auf eine quantitative Beurteilung der Aufenthaltszeiten des Bewohners und nicht auf die Eintragung im Melderegister abzustellen. Örtlich zuständig wäre das Landratsamt Berchtesgadener Land gewesen, da kein Wohnsitzwechsel nach Pfarrkirchen (Landkreis Rottal-Inn) stattgefunden habe. Nach den polizeilichen Ermittlungen habe der Antragsteller dort zu keinem Zeitpunkt gewohnt, was er auch nicht bestreite. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich auch nicht aus der nach § 73 FeV erteilten Zustimmung, da Maßnahmen der Eingriffsverwaltung wie die Rücknahme einer Fahrerlaubnis mit Nebenverfügungen nicht unter diese Regelung fielen. Die örtliche Zuständigkeit könne auch nicht aus Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG hergeleitet werden, da deren Voraussetzungen nicht vorlägen. Jedoch könne die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig sei, nach Art. 46 BayVwVfG nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen sei, wenn offensichtlich sei, dass dies die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Dies sei hier offensichtlich nicht der Fall. Aufgrund des anzunehmenden Täuschungsversuchs und der vorsätzlichen Irreführung der Fahrerlaubnisbehörde handle es sich bei der Rücknahme nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bereits aus grundsätzlichen Erwägungen (Wiederherstellung rechtsstaatlicher Verhältnisse) um eine gebundene Entscheidung. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme hätten vorgelegen. Der Antragsteller habe am 8. Februar 2010, als ihm die kosovarische Fahrerlaubnis erteilt worden sei, seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt. Nach § 7 Abs. 1 FeV sei der ordentliche Wohnsitz dort anzunehmen, wo sich der Bewerber aufgrund enger beruflicher oder persönlicher Bindungen im Jahr mindestens 185 Tage aufhalte. Aus den vorgelegten Unterlagen, insbesondere der eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau gehe hervor, dass er im Frühjahr/ Sommer 2009 im Kosovo gewesen und ab Herbst 2009 wieder einen festen Wohnsitz im Bundesgebiet begründet habe. Ab dann sei er nur noch an den Wochenenden zu Besuchszwecken in den Kosovo gefahren und wohl auch öfter für einige oder mehrere Wochen dort geblieben. Er habe durch seinen Bevollmächtigten selbst vortragen lassen, dass er sich ab November 2009 in Deutschland angemeldet habe und dann zwischen dem Kosovo und Deutschland hin und her gependelt sei. Dem widerspreche die notarielle „Erklärung unter Eid“ vom 24. Oktober 2023, wonach er „vom 25.09.2009 bis 08.02.2010 im Kosovo“ gewesen sei. Wenn sich der Antragsteller in diesem Zeitraum durchgehend im Kosovo befunden hätte, wäre es lebensfremd anzunehmen, dass er in Deutschland im November 2009 erneut melderechtlich einen Hauptwohnsitz hätte begründen können. Ferner wäre er dann, wie er habe vortragen lassen und wie auch seine Ehefrau eidesstattlich versichert habe, auch nicht zwischen dem Kosovo und Deutschland gependelt. Dass der Antragsteller täglich zwischen dem Kosovo und Deutschland gependelt sei, sei lebensfremd. Ferner decke der Zeitraum vom 25. September 2009 bis 8. Februar 2010 nicht die erforderlichen 185 Tage für die Wohnsitzannahme ab, sodass – die Wahrheit der Erklärung unterstellt – keine ausreichend lange Aufenthaltszeit im Kosovo vorliege. Hinsichtlich des für die Annahme eines Wohnsitzes relevanten Zeitraums vor dem 25. September 2009 lägen keine Nachweise zu den Aufenthaltszeiten im Kosovo vor. Die beiden Zeugen hätten nach Auslegung ihrer Erklärung lediglich angegeben, dass der Antragsteller die ausgeführte Erklärung abgegeben habe, nicht jedoch deren Richtigkeit, sodass ihren Erklärungen keine entscheidungserhebliche Relevanz zukomme. Ein starker Hinweis darauf, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitraum vor Erlangung seiner kosovarischen Fahrerlaubnis am 8. Februar 2010 nicht im Kosovo gewohnt habe, sei auch der Auszug aus dem Melderegister vom 31. Mai 2024. Danach sei er mit einziger Wohnung vom 6. März 2008 bis 30. Juni 2009 in Bogen gemeldet gewesen, dann bis 2. November 2009 nach Serbien und Montenegro verzogen und ab dem 2. November 2009 bis 20. September 2017 erneut in Bogen mit einziger Wohnung gemeldet gewesen. Aufgrund der An- und Abmeldung des Antragstellers an derselben Adresse in Bogen sei ebenfalls anzunehmen, dass er bereits damals um die rechtliche Situation hinsichtlich der Umschreibungsmodalitäten seiner kosovarischen Fahrerlaubnis gewusst und trotz zwischenzeitlicher Abmeldung tatsächlich weiterhin in Deutschland unter der angegebenen Adresse gewohnt habe. Man könne davon ausgehen, dass die Abmeldung erfolgt sei, um angebliche Aufenthaltszeiten im Kosovo generieren zu können. Untermauert werde dies dadurch, dass er bereits im Jahr 2019 in der damals zuständigen Führerscheinstelle vorstellig geworden sei, um eine von einer ursprünglich kosovarischen Fahrerlaubnis in eine slowenische umgetauschte Fahrerlaubnis wiederum in eine deutsche umzutauschen. Nachdem die Behörde dies abgelehnt habe, habe er sich dann wohl wieder eine kosovarische Fahrerlaubnis besorgt. Damit gelte die ausländische Fahrerlaubnis nach § 29 Abs. 3 Nr. 2 FeV nicht in Deutschland. Sie hätte daher nach § 31 Abs. 1 FeV nicht unter erleichterten Voraussetzungen prüfungsfrei in eine deutsche Fahrerlaubnis umgetauscht werden dürfen. Der Umtausch in eine deutsche Fahrerlaubnis vom 30. September 2022 sei somit objektiv rechtswidrig gewesen. Aufgrund des Täuschungsversuchs und der anzunehmenden vorsätzlichen Irreführung der deutschen Führerscheinbehörden sei ein Vertrauensschutztatbestand nach Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG offensichtlich nicht gegeben. Nachdem das Landratsamt Berchtesgadener Land dem Antragsteller bei seinem Umschreibungsantrag im Jahr 2022 bereits erklärt habe, dass eine prüfungsfreie Umschreibung aufgrund des ordentlichen Wohnsitzes im Inland bei Erteilung der kosovarischen Fahrerlaubnis im Jahr 2010 nicht möglich sei, könne die unter Verschweigen der wahren Verhältnisse erfolgte Scheinanmeldung im Zuständigkeitsbereich des Landratsamts Rottal-Inn in der offensichtlichen Hoffnung, dass diesem ein Fehler unterlaufe, bereits aus grundsätzlichen rechtsstaatlichen Erwägungen heraus nicht zu einem Vertrauensschutz führen (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und 2 BayVwVfG). Die Rücknahmefrist nach Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG sei eingehalten worden. Auf die Ermessenserwägungen des Landratsamts komme es nicht an. Werde aufgrund eines aktiven Täuschungsversuchs ein rechtswidriger Verwaltungsakt erteilt, sei dieser grundsätzlich zurückzunehmen. Die Befugnis zum Erlass der Feststellung der fehlenden Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ergebe sich aus § 29 Abs. 3 Satz 2 FeV; die Verpflichtung zur Rückgabe des Führerscheins innerhalb einer angemessenen Frist beruhe auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 FeV. Die gesetzte Dreitagesfrist erscheine aufgrund des Verhaltens des Antragstellers auch angemessen und umsetzbar.
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Mit seiner Beschwerde „gegen den Beschluss insgesamt“, der der Antragsgegner entgegentritt, beantragt der Antragsteller die Aufhebung des gerichtlichen Beschlusses und macht erhebliche tatsächliche und rechtliche Zweifel geltend. Die Behörde und das Verwaltungsgericht hätten die Situation einseitig zu seinen Lasten bewertet, ohne auf die bestehenden Daten und seine Angaben sowie die der Zeugen einzugehen. Die Aufenthaltszeiten und der Lebensmittelpunkt im Kosovo 185 Tage vor Erteilung der Fahrerlaubnis seien keiner objektiven Prüfung unterzogen worden. Schon der Vorwurf eines „offensichtlichen Täuschungsversuchs“ mache die Einstellung des Gerichts deutlich und verletze das Grundrecht auf rechtliches Gehör und die Grundsätze eines fairen Verfahrens. Maßgeblich für die Zulässigkeit der Umschreibung der kosovarischen in eine deutsche Fahrerlaubnis sei der Zeitraum vom 7. August 2009 bis 8. Februar 2010. Objektiv betrachtet ergäben sich bis zur erneuten Anmeldung des Antragstellers am 2. November 2009 keine „Vorwohnzeiten“ in Deutschland. Es lägen keine Anknüpfungstatsachen vor, die die Aussagen der Zeugen und der Ehefrau des Antragstellers widerlegten. Das Gericht habe ohne Nachweis unterstellt, dass sich der Antragsteller wegen der Umschreibungserfordernisse zum 30. Juni 2009 in Deutschland abgemeldet habe. Dies verletze erneut die Grundsätze des fairen Verfahrens. Das Gericht lasse die aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten eines Kosovaren in Deutschland und der EU im Jahr 2009 völlig außer Acht. Ohne Aufenthaltsgrund sei Deutschland zu verlassen. Der Antragsteller sei freiwillig ausgereist, da er sonst eventuell nicht hätte zurückkehren können. Wenn er sich aber seit 30. Juni 2009 im Kosovo aufgehalten, dort im August 2009 geheiratet und mit seiner Frau gelebt habe (eidesstattliche Versicherung der Ehefrau), dann ergebe sich zwanglos, dass er seit Juli 2009 im Kosovo gelebt habe und daher der Beginn der Sechs-Monatsfrist entweder ab 1. Juli 2009 zu rechnen sei oder aber feststehe, dass er bereits am 7. August 2009 im Kosovo seinen Lebensmittelpunkt gehabt habe. Dass der Antragsteller keine Meldeunterlagen aus dem Kosovo und auch keine Tätigkeitsnachweise/-belege vorlegen könne, sei allein der Bürokratie vor Ort geschuldet und könne ihm nicht zum Nachteil gereichen, zumal vierzehn, fünfzehn Jahre vergangen seien. Auch im Bundesgebiet ansässige Personen könnten bei Umzügen und Arbeitsplatzwechseln sowie Umzügen ins Ausland eventuell nicht lückenlos ihren Wohnsitz und Lebensmittelpunkt nachweisen. Hier sei kein Täuschungsversuch des Antragstellers zu sehen. Für die Zeit zwischen dem 2. November 2009 und 8. Februar 2010, als er bereits in Deutschland gemeldet gewesen sei, habe er ausgeführt und durch Aussagen belegen lassen, dass er nur sporadisch in Deutschland gewesen sei und vorwiegend bei seiner Frau im Kosovo gelebt habe. Diese Angabe seiner Frau könne kaum widerlegt werden. Auch die Angaben der Zeugen stünden dem nicht entgegen, da diese den „kritischen Zeitraum“ deutlich bezeugen könnten. Die Einschätzung der „Weltfremdheit des Pendelns“ liege wohl daran, dass das Verwaltungsgericht von einem Täuschungsversuch ausgehe, und eventuell an der Auslegung des Begriffs „Pendeln“. Soweit das Gericht meine, der Antragsteller sei täglich gependelt, sei das aufgrund der Fahrtstrecke kaum nachvollziehbar. Gemeint sei gewesen, dass der Antragsteller immer wieder nach Deutschland gefahren sei, um seinen Wohnsitz und seinen Aufenthalt nicht zu gefährden (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG). Das „Pendeln“ habe dazu gedient, den Wohnsitz in Deutschland zu sichern (Postkontrolle, Vermieter oder Hausverwalter und Nachbarn kontaktieren, Leben in der Wohnung zeigen, etc.), führe aber nicht dazu, dass der Lebensmittelpunkt am Meldewohnsitz liege. Eine andere Auslegung sei nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller habe nachweisen können, dass er ab 1. Juli 2009 nicht mehr in Deutschland gelebt und sein Lebensmittelpunkt trotz Meldeadresse in Deutschland ab 2. November 2009 im Kosovo gelegen habe. Auch Zweifel an der Richtigkeit der Zeugenaussagen seien nicht ersichtlich, nachdem der maßgebliche Zeitraum (September 2009 bis Sommer 2010) eindeutig genannt sei und die Ehefrau dies bestätigt habe. Nach allem sei bei objektiver Sicht auf die Zeitabläufe ein Aufenthalt von 185 Tagen vor Erhalt des Führerscheins im Kosovo nachgewiesen bzw. durch den Antragsgegner nicht zu widerlegen. Die Sichtweise des Gerichts fuße auf der Vorverurteilung des Antragstellers und finde keine Grundlage in den objektiven Fakten. Daher sei der Umtausch des Führerscheins nicht rechtswidrig und somit nicht aufzuheben gewesen. Auch die weiteren Anknüpfungspunkte könnten entgegen der Auffassung des Gerichts dem Antragsteller nicht zum Nachteil gereichen. Viele Ausländer versuchten, eine ausländische in eine deutsche Fahrerlaubnis zu tauschen. Der Antragsteller habe die Rechtslage nicht überblickt. Wegen deutlicher Sprachdefizite habe er ein komplexes Verwaltungsverfahren mit starken Einwänden der Behörde nicht allein führen können. Selbst wenn er bei der Umtauschaktion der slowenischen Fahrerlaubnis beteiligt gewesen wäre, was er bestreite, führe das im streitgegenständlichen Verfahren nicht zu einem offensichtlichen Täuschungsversuch. Die Fahrerlaubnis sei maßgeblich für das Arbeits- und Privatleben. Man versuche selbstverständlich alles, um legal eine deutsche Fahrerlaubnis zu bekommen. Das Landratsamt Berchtesgadener Land habe bei dem angestrebten Umtausch der Fahrerlaubnis nicht nachvollziehbare Einwände vorgebracht, die der Antragsteller allein nicht habe bewältigen können. Die Rücknahme des damaligen Antrags sei daher nur logisch gewesen. Dann habe der Antragsteller in der Nähe von Pfarrkirchen zu arbeiten anfangen sollen und dort eine Wohnung gesucht. Er habe für die gefundene Wohnung eine Wohnungsgeberbescheinigung erhalten und die Umschreibung beantragt und ohne weiteres die deutsche Fahrerlaubnis erhalten. Er sei hinsichtlich der Wohnung gutgläubig gewesen. Dass er nie dort gelebt oder sich angemeldet habe, habe allein an dem polizeilichen Ermittlungsverfahren und der Abmeldung von Amts wegen gelegen, obgleich das Verfahren gegen ihn nach § 170 StPO eingestellt worden sei. Er habe alle Unterlagen vorgelegt. Das Landratsamt Rottal-Inn habe im Gegensatz zum Landratsamt Berchtesgadener Land keine Einwände gegen den Umtausch gehabt. Nachdem viele Verfahren sich durch Zeitablauf (Löschung von Einträgen im FAER oder im BZR, etc.) änderten, habe der Antragsteller auch keine rechtlichen Zweifel daran haben müssen, zumal er die früheren Einwände nicht begriffen habe. Hier könne kein „offensichtlicher Täuschungsversuch“ gesehen werden. Das Landratsamt Rottal-Inn habe das Recht auch zutreffend angewendet. Auf die rechtsfehlerfreie Sachbearbeitung habe der Antragsteller vertrauen dürfen. Selbst wenn der Umtausch rechtswidrig gewesen wäre, stünde ihm ein Vertrauenstatbestand zur Seite. Nicht zu rechtfertigen sei die Fortgeltung des Sofortvollzugs. Selbst wenn die Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis rechtswidrig wäre, wie nicht, überwöge das Interesse des Antragstellers, der die Fahrerlaubnis für die Arbeit und das Privatleben dringend benötige, da er sich rechtmäßig verhalten und den „Fehler“ allein die Behörde gemacht habe.
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Mit Schreiben des Landratsamts Rottal-Inn vom 29. Juli 2024 an die Landesanwaltschaft teilte dieses mit, es habe die Nummern 3 (Abgabepflicht), 5 (Zwangsgeldandrohung) und 6 (Zwangsandrohung) des Bescheids vom 13. März 2024 mittlerweile neu gefasst. Hiergegen sei Klage erhoben (RN 8 K 24.1738) und Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt (RN 8 S 24.1736) worden.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
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Soweit sich der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung und die Androhung unmittelbaren Zwangs im Bescheid vom 13. März 2024 richtet, ist die ausdrücklich gegen den gerichtlichen Beschluss „insgesamt“ gerichtete Beschwerde unzulässig, weil das Verwaltungsgericht dem Antrag insoweit stattgegeben hat. Soweit er sich auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Übrigen richtet, ist er unbegründet.
22
Aus den vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen oder wiederherzustellen wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat vielmehr zutreffend angenommen, dass die dem Antragsteller am 30. September 2022 im Wege der Umschreibung nach § 31 Abs. 1 und 3 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zu diesem Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 18. März 2022 (BGBl I S. 498), erteilte Fahrerlaubnis rechtswidrig war und daher nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden konnte. Die allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts über die Rücknahme und den Widerruf der Fahrerlaubnis bleiben gegenüber den spezielleren Vorschriften der § 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV anwendbar, soweit es wie hier nicht um eine etwa fehlende Eignung oder Befähigung des Fahrerlaubnisinhabers geht (BT-Drs. 13/ 6914,68 Begr. zum ÄndG zum StVG u.a. Gesetze vom 24.4.1998 [VkBl. 1998, 792]; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 3 StVG Rn. 43).
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Die Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis gemäß § 31 Abs. 1 FeV setzt voraus, dass sie in einem in Anlage 11 zur FeV aufgeführten Staat (hier Kosovo) und in einer dort aufgeführten Klasse erteilt worden ist und zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder dazu berechtigt hat. Die Beteiligten streiten darum, ob die kosovarische Fahrerlaubnis des Antragstellers eine solche Berechtigung, die in § 29 i.V.m. § 28 FeV näher geregelt ist, vermittelt hat, und in diesem Zusammenhang darum, ob der Antragsteller zum Zeitpunkt ihrer Erteilung einen ordentlichen Wohnsitz im Sinne von § 7 FeV in Deutschland hatte. Nach § 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung gemäß § 29 Abs. 1 FeV nicht für Inhaber ausländischer Fahrerlaubnisse, die zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen eines Staates, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein anderer Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist, ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland (vgl. § 7 FeV) hatten. Davon ist das Verwaltungsgericht hier zu Recht ausgegangen.
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1. Mit der Kritik an der Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ist weder eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs noch des Rechts auf ein faires Verfahren dargelegt.
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1.1. Das Gericht hat sich auf Seite 14 f. des Beschlusses ausführlich und nachvollziehbar mit verschiedenen Indizien und Erklärungen des Antragstellers, seiner Ehefrau und Dritter auseinandergesetzt. Die Verfahrensgarantie der Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO besteht nach obergerichtlicher Rechtsprechung darin, jedem Verfahrensbeteiligten die Gelegenheit zu geben, sich zu dem gesamten, nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblichen Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern, was jedoch nicht die Verpflichtung des Gerichts einschließt, dem Vortrag oder der Rechtsansicht des Beteiligten in der Sache zu folgen (BVerwG, B.v. 5.11.2018 – 1 B 78.18 – juris Rn. 2; B.v. 7.6.2017 – 5 C 5.17 D u.a. – juris Rn. 8 m.w.N). Nach Aktenlage hatte der Antragsteller hinreichend Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Gesichtspunkten zu äußern, und hiervon insbesondere mit der Antrags- und Klageschrift vom 21. März 2024 und dem Schreiben vom 7. Mai 2024 Gebrauch gemacht. Das Gericht hat den Vortrag auch zur Kenntnis genommen und im Beschluss wiedergegeben, ist aber letztlich zu anderen Schlüssen gelangt.
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1.2. Die Annahme eines Versuchs des Antragstellers, die Fahrerlaubnisbehörden zu täuschen, liegt im Rahmen der von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingeräumten richterlichen Befugnis, sich im Wege der freien Beweiswürdigung eine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden und dabei auch die für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände zu bewerten. Anders als behauptet ist das Verwaltungsgericht dabei nicht von einem „offensichtlichen Täuschungsversuch“, sondern aufgrund der Mitteilung der Kriminalpolizeiinspektion Passau vom 9. Januar 2023 (Beschluss S. 12) von einem „anzunehmenden Täuschungsversuch“ ausgegangen, wobei es auf die Vorlage der inhaltlich falschen Wohnungsgeberbestätigung abgestellt hat, die die Zuständigkeit des Landratsamts Rottal-Inn begründen sollte. Die Einstellung des Strafverfahrens wegen Urkundenfälschung durch die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 1. Mai 2023 steht dieser Wertung nicht entgegen. Aus der Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO ergibt sich nicht, dass kein Tatverdacht bestand, sondern lediglich, dass die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage boten (§ 170 Abs. 1 StPO) bzw. dass sich der Anfangsverdacht einer Urkundenfälschung (§ 167 StGB) im Verlauf der Ermittlungen nicht zu einer die Anklageerhebung rechtfertigenden Verurteilungswahrscheinlichkeit konkretisiert hat (BVerwG, B.v. 25.3.2019 – 6 B 163.18 – juris Rn. 10). Der Antragsteller hat trotz der ihm im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren obliegenden Mitwirkungspflicht (Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG) bisher nicht nachvollziehbar dargelegt, wie es dazu kam, dass eine Person ihm (und mehreren Landsleuten) eine Wohnungsgeberbescheinigung über im Eigentum von Dritten stehende Wohnungen ausgestellt hat, welche jeweils im Rahmen des Verfahrens zur Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis vorgelegt worden ist. Es liegt auf der Hand, dass das mehrfach nach dem gleichen Muster ablaufende Vorgehen der Inhaber eines kosovarischen oder albanischen Führerscheins kein Zufall ist und die Ausstellung einer inhaltlich falschen Wohnungsgeberbestätigung regelmäßig irregulärer Absprachen, wenn nicht gar Zahlungen bedarf. Zu einer strafrechtlichen Verfolgung der Ausstellerin der Bescheinigung ist es nach Aktenlage wegen der verwandtschaftlichen Beziehung zu einer der Wohnungsinhaberinnen, die ihre Anzeige zurückgezogen haben, nicht gekommen. Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass das Nichtbestehen einer Wohnung unter der bescheinigten Adresse den Antragsteller nicht am Antritt einer Arbeitsstelle in Pfarrkirchen gehindert haben kann, da er sich ggf. eine andere Wohnung hätte mieten können. Daraus darf das Gericht Schlüsse zu Lasten des Antragstellers ziehen, ohne dass der Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt wäre.
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2. Abgesehen davon haben der Antragsgegner und auch das Gericht die Rücknahme der Umschreibung (auch) auf in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben im Sinne von Art. 48 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG gestützt, was keine arglistige Täuschung der Behörden voraussetzt. Das Verwaltungsgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass die Frist gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG eingehalten wurde, wogegen sich der Antragsteller nicht gewandt hat. Somit ist für die Rücknahme nicht entscheidungserheblich, ob er die Fahrerlaubnisbehörde arglistig getäuscht hat, und es kann offenbleiben, ob hierfür eine Täuschung über zuständigkeitsbegründende Umstände ausreicht und ob ggf. eine Täuschung durch Unterlassen in der fehlenden Offenlegung des Wohnsitzes im Inland im Jahr 2009/2010 zu sehen ist. Hierfür würde genügen, wenn der Betreffende auch ohne Nachfrage der Behörde weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegene Tatsache für die Entscheidung der Behörde erheblich ist oder sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.1985 – 2 C 30.84 – DVBl 1986, 148 = juris Rn. 24), wofür im Hinblick auf das Schreiben des Landratsamts Berchtesgadener Land vom 4. März 2022 einiges spricht. Jedenfalls hat der Antragsteller insofern in wesentlicher Beziehung unvollständige Angaben gemacht, als er den entscheidungserheblichen Umstand verschwiegen hat, dass die kosovarische Fahrerlaubnis vom 8. Februar 2010 zu einem Zeitpunkt erteilt worden war, als er einen Wohnsitz in Deutschland hatte und nicht im Kosovo (s.u.), wovon die Fahrerlaubnisbehörde wegen des Wohnsitzprinzips (§ 29 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FeV) erkennbar ausging (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Juli 2024, § 48 Rn. 170). Letzteres war dem Antragsteller nach dem Strafverfahren wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis im Jahr 2019 und aufgrund des Schreibens des Landratsamts Berchtesgadener Land vom 4. März 2022 auch bekannt. Vor dem Hintergrund der Beschaffung der inhaltlich unzutreffenden Wohnungsgeberbescheinigung im Landkreis Rottal-Inn ist nicht glaubhaft, dass er diese Zusammenhänge gar nicht verstand. Auch das ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Im Rahmen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG genügt in subjektiver Hinsicht die Annahme des Begünstigten, seine – objektiv unrichtigen oder unvollständigen – Angaben könnten bzw. müssten zum Erlass des ihn begünstigenden Verwaltungsakts führen, was nicht das Bewusstsein der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit voraussetzt (vgl. Schoch a.a.O. § 48 Rn. 175 mit Fn. 535, siehe auch Rn. 171). Davon ist hier auszugehen, nachdem er seine kosovarische Fahrerlaubnis vorgelegt hat.
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3. Das Verwaltungsgericht war nicht verpflichtet, die nicht belegten oder belegbaren Behauptungen des Antragstellers zu einem Wohnsitz im Kosovo von Sommer 2009 bis 8. Februar 2010 und entsprechende Behauptungen seiner Ehefrau zu „widerlegen“.
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Im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsakts liegt zwar die materielle Beweislast für den Wohnsitz im Ausland anders als im Falle der Umschreibung (vgl. dazu BVerwG, U.v. 20.4.1994 – 11 C 60.92 – NZV 1994, 453 = juris Rn. 10 f. zu § 15 StVZO a.F.; BayVGH, U.v. 24.4.2024 – 11 BV 23.1080 – juris Rn. 33; Neu in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 7.1.2025 § 31 FeV Rn. 10 f.) bei der zurücknehmenden Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 6.5.2021 – 2 C 10.20 – NVwZ 2021, 1546 Rn. 19), die das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts festzustellen hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt jedoch, wenn die Unerweislichkeit auf einem gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßenden unlauteren Verhalten des Begünstigten beruht (BVerwG, U.v. 6.5.2021 a.a.O. m.w.N.; U.v. 30.1.2003 – 2 C 12.02 – ZBR 2003, 387 = juris Rn. 23), was grundsätzlich ein schuldhaftes, also mindestens ein fahrlässiges Verhalten voraussetzt (BVerwG, U.v. 13.12.1984 – 3 C 79.82 – NVwZ 1985, 488 = juris Rn. 53). Das kann u.a. der Fall sein, wenn die Unerweislichkeit der Umstände, die die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts begründen, darauf beruht, dass der Begünstigte die Aufklärung des Sachverhalts verhindert hat (BVerwG, U.v. 13.12.1984 – 3 C 79.82 – NVwZ 1985, 488 = juris Rn. 57). Auch wenn kein unlauteres Verhalten festgestellt werden kann, ist der Betroffene nicht von seiner verfahrensrechtlichen Pflicht oder zumindest Obliegenheit entbunden, durch substantiierte Angaben über die tatsächlichen Lebensverhältnisse bei der Aufklärung mitzuwirken (BVerwG, U.v. 8.12.2009 – 1 C 16.08 – BVerwGE 135, 334 = juris Rn. 36). Im Verwaltungsprozess sind die Beteiligten grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Verteilung der materiellen Beweislast zur Mitwirkung bei der Sachaufklärung verpflichtet (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), was selbstverständlich nicht ausschließt, dass einem Beteiligten eine besondere Mitwirkungspflicht hinsichtlich solcher Umstände obliegt, die allein in seiner Sphäre liegen (BVerwG, U.v. 27.9.2006 – 3 C 34.05 – BVerwGE 126, 365 = juris Rn. 25).
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Beim Lebensmittelpunkt des Antragstellers handelt es sich um einen allein in seiner Sphäre liegenden Umstand, in den die Fahrerlaubnisbehörde keinen Einblick hat, zumal wenn der Lebensmittelpunkt im Ausland liegt. Daher trifft ihn insoweit eine besondere Mitwirkungspflicht, der er nicht nachgekommen ist. Es wäre zu erwarten gewesen, dass er nachprüfbare Umstände angibt, z.B. über die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in Deutschland im Sommer 2009, und in diesem Zusammenhang ggf. Negativbelege betreffend seinen Inlandsaufenthalt vorlegt, z.B. deutsche Sozialversicherungsnachweise, wonach er in der fraglichen Zeit im Inland keiner Beschäftigung nachgegangen ist und auch keine Sozialleistungen bezogen hat. Außerdem beruft sich der Antragsteller darauf, er habe eine inhaltlich unzutreffende melderechtliche Erklärung abgegeben, um keine aufenthaltsrechtlichen Nachteile zu erleiden, mit anderen Worten, dass er seinen Lebensmittelpunkt im Ausland verschleiert habe, was ein Anknüpfungspunkt dafür wäre, dass auch die materielle Beweislast insoweit bei ihm liegt. Dies hat ihm das Verwaltungsgericht aus guten Gründen freilich nicht geglaubt.
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4. Im Dunkeln bleibt, was mit der Kritik gemeint sein soll, das Gericht lasse die aufenthaltsrechtlichen Schwierigkeiten eines Kosovaren in Deutschland und in der EU im Jahr 2009 völlig außer Acht. Es ist jedenfalls nicht zu beanstanden, wenn das Gericht nicht davon ausgeht, dass der Antragsteller im aufenthaltsrechtlichen Verfahren die Unwahrheit gesagt hat oder einer Offenlegungspflicht nicht nachgekommen ist, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen oder nicht zu verlieren (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 AufenthG), was ggf. zu einer Rücknahme eines aufenthaltsrechtlichen Bescheids führen könnte (auch noch nach rund 20 Jahren, vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2024 – 10 ZB 23.262 – juris); zumal dies in anderen, wie im streitgegenständlichen, behördlichen Verfahren eine parallele Schlussfolgerung je nach Interessenlage des Antragstellers nahelegen könnte. Die gerichtliche Wertung, dass die melderechtliche Erklärung (Wohnsitz in Bogen in der vormaligen Wohnung zum 2.11.2009), die eidesstattliche Versicherung seiner Ehefrau, wonach er im Herbst einen festen Wohnsitz in Deutschland begründet hat und fortan gependelt ist, und der Wiedereinzug in seine vormalige Wohnung in Bogen auf einen Hauptwohnsitz im Inland ab dem 2. November 2009 schließen lässt, ist nachvollziehbar. Sie ließe sich ggf. mit den von der Ausländerbehörde geprüften aufenthaltsrechtlichen Erteilungsvoraussetzungen (Sicherung des Lebensunterhalts, Wohnraum etc.) in Einklang bringen. Dem setzt der Antragsteller substantiell nichts entgegen.
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Das Gericht durfte auch die Glaubhaftigkeit der eidesstattlichen Versicherung der Ehefrau kritisch prüfen und bewerten, insbesondere, was mit der unbestimmt gehaltenen Aussage des Pendelns (einfache Strecke ca. 1.500 km) gemeint sein könnte, die seiner Behauptung, er habe sich vom 25. September 2009 bis 8. Februar 2010 im Kosovo aufgehalten, widersprach. Diese Behauptung hat das Gericht letztlich wegen des – auch vom Antragsteller selbst in der Klageschrift vom 21. März 2024 vorgetragenen – „Pendelns“ für unglaubhaft erachtet. Er hat nichts vorgetragen, was die Widersprüche in den verschiedenen Angaben auflösen würde. Vor dem Hintergrund, dass die Eheschließung im Jahr 2008 jedenfalls keinen Anlass gab, den Lebensmittelpunkt in den Kosovo zu verlegen, liegt auch die gerichtliche Annahme nahe, dass sich aus der An- und Abmeldung unter derselben Adresse in Bogen schließen lasse, der Antragsteller habe Aufenthaltszeiten im Kosovo zur Erteilung einer kosovarischen Fahrerlaubnis und deren späterer Umschreibung generieren wollen. Die mit der An- und Abmeldung im Jahr 2009 verfolgte Absicht kann indes dahinstehen, weil sie rechtlich keine Rolle spielt. Seine in der Beschwerdeschrift abgegebene Darstellung der Ereignisse im Sommer 2009 trägt die daraus gezogenen Schlüsse schon deshalb nicht, weil die Ehe des Antragstellers bereits im Juni 2008 und nicht im August 2009 geschlossen wurde und er seinen Hauptwohnsitz im Sommer 2008 in Deutschland beibehielt. Der behauptete Aufenthalt im Kosovo vom 2. November 2009 bis zum 8. Februar 2010 wird durch keine nachprüfbaren Umstände belegt. Die Aussage seiner Ehefrau ist sehr unbestimmt und auslegungsbedürftig. Ein wochenweises Pendeln („Er kam jedes Wochenende nach L...“) oder ein „ständiges“ Pendeln (anwaltliches Schreiben vom 13.10.2023) erscheint im Hinblick auf die zu fahrende Strecke erklärungsbedürftig. Die beiden Zeugen haben lediglich bekundet, dass der Antragsteller eine bestimmte Aussage gemacht hat, jedoch darüber hinaus nichts Relevantes persönlich wahrgenommen.
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5. Auf Vertrauensschutz kann sich der Antragsteller nicht berufen, weil der Tatbestand des Art. 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG verwirklicht ist. (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 11 ZB 18.461 – juris Rn. 20
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Auch die sofortige Vollziehung ist gerechtfertigt. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg, weil die Rücknahme der Umschreibung rechtmäßig ist. Hinzu kommt, dass die Einhaltung des Wohnsitzprinzips der Verkehrssicherheit, einem bedeutenden öffentlichen Interesse, dient, indem es dem sog. Führerscheintourismus entgegenwirkt, bei dem durch den Erwerb eines Führerscheins im Ausland versucht wird, möglicherweise strengere Anforderungen im Inland zu umgehen. Auch zur effektiven Vermeidung von Fehlanreizen in dieser Richtung liegt es im öffentlichen Interesse, der Rücknahme einer durch unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkten Fahrerlaubnis möglichst umgehend und nicht erst nach Beendigung eines längeren gerichtlichen Verfahrens Wirksamkeit zu verleihen. Dem Antragsteller bleibt es hingegen unbenommen, eine deutsche Fahrerlaubnis zu erwerben, was nach einem Inlandsaufenthalt von mittlerweile mehr als 20 Jahren auch in sprachlicher Hinsicht keine unüberwindbaren Schwierigkeiten mehr aufwerfen sollte.
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6. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, Nr. 46.3 und 46.9 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die mit einer Gewichtsbegrenzung versehene europäische Fahrerlaubnisklasse B1 (Art. 4 Nr. 4 Buchst. a RL 2006/126/EG vom 20.12.2006) stellt ein Minus zur Klasse B dar und wird somit von dieser umfasst. Die Klasse B schließt die Klassen M und L ein (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV), die sich daher nicht streitwerterhöhend auswirken. Die Befugnis zur Änderung des Streitwerts in der Rechtsmittelinstanz von Amts wegen folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
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7. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).