Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.01.2025 – 9 ZB 24.301
Titel:

Wohnungsprostitution im Mischgebiet

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, § 124a Abs. 4 S. 4
BayBO Art. 76 S. 2
BauNVO § 6 Abs. 2 Nr. 4
Leitsätze:
1. Die Darlegung im Rechtmittelverfahren erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs. Im Einzelnen ist darzutun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des angegriffenen Urteils ernstlichen Zweifeln begegnen (Fortführung von VGH München BeckRS 2021, 41359). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob ein Prostitutionsbetrieb als ein "das Wohnen wesentlich störender" und damit im Mischgebiet unzulässiger Gewerbebetrieb zu bewerten ist, ist im Ausgangspunkt eine – eingeschränkte – typisierende Betrachtung anzustellen, bei der sich das Störpotential prostitutiver Betriebe in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen sachgerecht erfassen lässt (ebenso BVerwG BeckRS 2021, 44123). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Lässt sich das Störpotenzial eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet nicht typisierend erfassen, da es von außen grundsätzlich nicht wahrnehmbar ist, bedarf es einer Einzelfallprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit ebenfalls vorhandener Wohnnutzung unter Berücksichtigung von Aspekten wie Anzahl der tätigen Prostituierten und Besucher, Ansprechen von Laufkundschaft oder nächtlichem Betrieb (ebenso BVerwG BeckRS 2021, 44123). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untersagung der Nutzung eines als Wohnhaus genehmigten Gebäudes als Prostitutionsbetrieb., Antrag auf Zulassung der Berufung, Mischgebiet, Wohungsprostitution, Einzelfallprüfung, Darlegung, ernstliche Zweifel, grundsätzliche Bedeutung, typisierende Betrachtung, Prostitution, Untersagung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 19.12.2023 – W 4 K 21.1208
Fundstelle:
BeckRS 2025, 182

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben jeweils zur Hälfte die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren und das Zulassungsverfahren auf jeweils 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger zu 1 wendet sich als Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks gegen eine ihm gegenüber von der Beklagten unter Androhung eines Zwangsgelds von 10.000,00 Euro erlassene Untersagung der Nutzung des Anwesens als Prostitutionsstätte. Der Kläger zu 2 wurde als Betreiber der Prostitutionsstätte unter Androhung eines Zwangsgelds von 10.000,00 Euro zur Duldung der Nutzungsuntersagung verpflichtet und verfolgt ebenfalls die Aufhebung dieses Bescheids weiter.
2
Das Verwaltungsgericht hat die Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 24. August 2021 mit der Begründung abgewiesen, die Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig, da lediglich eine Baugenehmigung zur Wohnnutzung und nicht zur gewerblichen Nutzung für einen Prostitutionsbetrieb vorliege, der prostitutive Betrieb in der Form von Terminwohnungen auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig sei und keine Ermessensfehler vorlägen. Zwar trete der prostitutive Betrieb nach den Feststellungen im Augenschein nach außen nicht weiter in Erscheinung. Jedoch sei die Nutzung nach den Umständen des Einzelfalls mangels eines aussagekräftigen Nutzungskonzepts des Prostitutionsbetriebs und unter Berücksichtigung der Nutzung der Prostitutionsstätte nach 22 Uhr unabhängig davon, ob man vorliegend von einem faktischen allgemeinen Wohngebiet oder einem Mischgebiet ausgehe, nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Die Inanspruchnahme des Klägers zu 1 als Grundstückseigentümer sei nicht zu beanstanden, da nach der Begründung des Bescheids auf diesem Wege schneller und wirksamer baurechtswidrige Zustände beendet werden könnten. Die gegenüber dem Kläger zu 2 verfügte Duldungsanordnung sei ebenfalls rechtmäßig.
3
Hiergegen richtet sich der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
4
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
5
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO entsprechenden Weise dargelegt und liegt auch nicht vor.
6
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Nur mit einer Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung wird dem Darlegungsgebot nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 9 ZB 21.2366 – juris Rn. 11 ff.).
7
Mit dem Vortrag, auf dem streitgegenständlichen Grundstück werde in dem Gebäude seit mehr als 20 Jahren der Prostitution nachgegangen, und mit dem Verweis auf die investierten Modernisierungskosten wiederholen die Kläger ihr erstinstanzliches Vorbringen und ihre von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichende Auffassung. Dies genügt nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
8
Die Einwendungen in der Antragsbegründung vermögen die Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO rechtmäßig ist, da die Nutzung als Prostitutionsstätte formell illegal und im ausgeübten Umfang nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist, nicht in Zweifel zu ziehen.
9
Für die Rechtmäßigkeit einer Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO genügt regelmäßig, dass die zwar genehmigungspflichtige aber ohne baurechtliche Genehmigung betriebene Tätigkeit formell illegal ist. Eine lediglich formell rechtswidrige Nutzung darf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nur dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 15 ZB 20.2906 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 29.5.2015 – 9 ZB 14.2580 – juris Rn. 10).
10
Bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung, ob ein Betrieb im Sinne des § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO als ein „das Wohnen wesentlich störender“ und damit im Mischgebiet unzulässiger Gewerbebetrieb zu bewerten ist, ist im Ausgangspunkt eine – eingeschränkte – typisierende Betrachtung anzustellen, bei der sich das Störpotential prostitutiver Betriebe in ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen sachgerecht erfassen lässt (BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 – BVerwGE 174, 118-126 = juris Rn. 11). Wohnungsprostitution, die begrifflich nur dann vorliegt, wenn die Prostitution mit einer Wohnnutzung in denselben Räumen verbunden ist, also die Prostituierten in dem Gebäude auch wohnen, ist in der Regel von außen nicht wahrnehmbar und hat keine erheblichen negativen Auswirkungen auf eine benachbarte Wohnnutzung (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2021, a.a.O., Rn. 12 m.w.N.; B.v. 28.6.1995 – 4 B 137.97 – BayVBl 1996, 667 = juris Rn. 3; OVG LSA, B.v. 11.1.2023 – 2 L 104/21.Z – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 26.9.2014 – 15 ZB 13.656 – juris Rn. 4). Demgegenüber handelt es sich bei sonstigen Prostitutionseinrichtungen, denen der prägende Bezug zur Wohnung der Prostituierten fehlt, und die Bordelle sowie bordellartige Betriebe (wie beispielsweise hier vorliegende „Terminwohnungen“) in unterschiedlicher Gestalt umfassen, regelmäßig um das Wohnen wesentlich störende Betriebe, weil von einem solchen Betrieb Nachteile und Belästigungen, insbesondere der Lärm des Zu- und Abgangsverkehrs und sonstige „milieubedingte“ Unruhe ausgeht (vgl. OVG LSA, B.v. 11.1.2023, a.a.O., juris Rn. 19). Der Umstand, dass in Terminwohnungen im Unterschied zur klassischen Wohnungsprostitution ständig wechselnde Prostituierte tätig werden, weist schon aus diesem Grund kein „wohnähnliches Erscheinungsbild“ auf und birgt grundsätzlich ein erhebliches Störpotenzial (NdsOVG, U.v. 1.9.2022 – 1 LC 50/20 – juris Rn. 26; OVG SH, B.v. 10.8. 2021 – 5 LA 311/20 –, Rn. 7, juris; BayVGH, B.v. 16.5.2008 – 9 ZB 07.3221 – juris Rn. 9). Dass nicht nur die Kunden, sondern auch die regelmäßig wechselnden Prostituierten die Betriebsstätte aufsuchen und wieder verlassen, macht die Prostitutionsstätte nach außen erkennbar (vgl. OVG LSA, B.v. 11.1.2023, a.a.O., Rn. 21). Selbst wenn ein Betrieb zwar nicht z.B. durch Werbung nach außen in Erscheinung tritt, im Betrieb aber mehrere wechselnde Dienstleisterinnen gleichzeitig tätig sein können und die Öffnungszeiten, Anwesenheitszeiten sowie die Aufenthaltsdauer im Ermessen der Dienstleisterinnen stehen, ist das Betriebskonzept eines solchen bordellartigen Betriebs nicht in dem Sinne eingeschränkt, dass der Begriff der „milieubedingten“ Unruhe keine typisierende Betrachtungsweise mehr zulassen würde (vgl. BayVGH, B.v. 6.4.2022 – 15 ZB 22.252 – juris Rn. 7). Mit nach außen in Erscheinung tretenden bordellartigen Betrieben kann ein sog. „Trading-down-Effekt“ bzw. können negative Auswirkungen für die Bewohnerstrukturen einhergehen.
11
Eine typisierende Betrachtung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur soweit reichen, als es um Betriebe geht, die insbesondere solche beeinträchtigenden Auswirkungen auf ihre Umgebung hervorrufen können, die dem städtebaulich zu verstehenden Begriff der „milieubedingten“ Unruhe zuzuordnen sind, da sie nach außen als solche in Erscheinung treten und/oder in den Nachtstunden (ab 22.00 Uhr) betrieben werden (BVerwG, U.v. 9.11.2021, a.a.O., Rn. 13-15). Lässt sich das Störpotenzial eines sog. Wohnungsbordells im Mischgebiet nach § 6 BauNVO nicht typisierend erfassen, da es im Unterschied zum „typischen Betrieb“ keine Außenwerbung betreibt und von außen nicht als prostitutiver Betrieb wahrnehmbar ist, bedarf es einer Einzelfallprüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit mit ebenfalls vorhandener Wohnnutzung unter Berücksichtigung von Aspekten wie Anzahl der tätigen Prostituierten und Besucher, Ansprechen von Laufkundschaft oder nächtlichem Betrieb (BVerwG, U.v. 9.11.2021 – 4 C 5.20 – BVerwGE 174, 118-126 = juris Rn. 19).
12
Nach diesen Maßgaben ist mit dem Verwaltungsgericht eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzung des Gebäudes als „Terminwohnungen“ unabhängig von der Gebietseinstufung als faktisches allgemeines Wohngebiet oder faktisches Mischgebiet bereits im Rahmen einer eingeschränkt typisierenden Betrachtung, jedenfalls aber nach Einzelfallprüfung zu verneinen. Streitgegenständlich ist hier nicht eine Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für ein bestimmtes, nach klägerischen Angaben vorgelegtes Nutzungskonzept, sondern die Untersagung der ohne baurechtliche Genehmigung ausgeübten Nutzung des Gebäudes als Prostitutionsstätte. Die ausgeübte Nutzung ist durch sich selbst organisierende Dienstleisterinnen, die in dem Gebäude nicht wohnen, und einem auch nächtlichen Betrieb geprägt. Selbst bei Annahme eines faktischen Mischgebietes wäre der Prostitutionsbetrieb nicht als ein im Sinne des § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb offensichtlich genehmigungsfähig.
13
Die klägerische Behauptung im Zulassungsvorbringen, dass es „schlichtweg falsch“ sei, dass das Objekt auch nach 22 Uhr genutzt werde, steht nicht nur im Widerspruch zum eigenen protokollierten Vortrag des Klägers zu 2 im Rahmen des Augenscheins, sondern widerspricht auch der schriftsätzlichen Einlassung der Klagepartei vom 24. März 2023, wonach ausnahmsweise ein Betrieb bis 24 Uhr stattfinde. Ernstliche Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts werden dadurch nicht begründet. Der richterliche Hinweis im Rahmen des Augenscheins vom 28. Februar 2023 auf eine mögliche Genehmigungsfähigkeit bei Vorlage eines Betriebskonzepts, das einen nächtlichen Betrieb und Laufkundschaft ausschließe und den Betrieb darauf beschränke, dass nicht mehr als vier Prostituierte gleichzeitig in dem Haus arbeiten würden, ist entgegen der klägerischen Auffassung nicht so zu verstehen, dass die ausgeübte und untersagte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist.
14
Mit der Nutzungsuntersagungsverfügung müssen von Seiten der Behörde oder des Gerichts mögliche genehmigungsfähige Nutzungen nicht ermittelt oder bestimmt werden; es ist vielmehr Sache des Bauherrn, konkrete Nutzungsentscheidungen zu treffen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2021 – 9 ZB 19.1610 – juris Rn. 13; B.v. 25.8.2016 – 9 ZB 13.1993 – juris Rn. 7 m.w.N.). Für die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit eines durch ein konkretes Nutzungskonzept definierten prostitutiven Betriebs wird es hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit mit umgebender Wohnnutzung neben den Betriebszeiten maßgeblich darauf ankommen, wieviel ggf. auch wechselnde Prostituierte nach dem betrieblichen Nutzungskonzept in dem Anwesen zum Einsatz kommen, von welcher Besucheranzahl auszugehen ist, inwieweit gebietsfremder (Publikums-)Verkehr ausgelöst bzw. Laufkundschaft angesprochen wird, ob mithin negative Auswirkungen auf Bewohnerstrukturen drohen oder die städtebauliche Situation in negativer Hinsicht in Bewegung gerät.
15
Die geltend gemachten Modernisierungskosten in Erfüllung der Anforderungen nach dem Prostituiertenschutzgesetz sind für die Richtigkeit des Urteils unerheblich. Weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz haben etwas an der baurechtlichen Beurteilung prostitutiver Betriebe auf der Grundlage der eingeschränkten Typisierungslehre geändert (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.2021, a.a.O., LS 1 u. Rn. 17).
16
Für die Rechtmäßigkeit der Nutzungsuntersagung kommt es auch nicht auf den klägerischen Vortrag an, wonach in dem Gebäude seit mehr als 20 Jahren der Prostitution nachgegangen werde. Allein die über Jahre hinweg erfolgte illegale Ausübung einer Nutzung vermittelt dieser keinen Bestandsschutz (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.2010 – 14 ZB 10.1461 – juris Rn. 7). Darüber hinaus wurde nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten in den vergangenen Jahren gegen sämtliche ihr bekanntgewordenen und baurechtlich illegalen Prostitutionsstätten vorgegangen, so dass Anhaltspunkte für eine gleichheitswidrige Ermessensausübung nicht bestehen.
17
2. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerseite legt mit ihrem pauschalen Vorbringen, die Regulierung der Prostitution sei eine komplexe Rechtsmaterie und stelle in Mischgebieten neue rechtliche Herausforderungen, nicht dar, dass die Rechtssache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, d.h. sich wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2022 – 8 ZB 22.1193 – AUR 2022, 472 = juris Rn. 32). Das ist unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Nr. 1 nicht der Fall.
18
3. Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; der Zulassungsgrund ist schon nicht hinreichend dargelegt.
19
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgerecht eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
20
Indem die Kläger auf eine Ungleichbehandlung verweisen und „für den grundsätzlichen Umgang mit Prostitution“ die Frage für bedeutsam erachten, inwieweit es einer Behörde auch zugemutet werden könne, zunächst gegen offensichtlich illegale Prostitutionsbetriebe vorzugehen, bevor prostitutionsrechtlich bereits genehmigte Betriebe, die seit mehr als 20 Jahren bestünden, geschlossen würden, wird schon keine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage, der über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukommt, formuliert. Abgesehen davon hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass die ihr bekannten Prostitutionsstätten alle über eine von der Ordnungsbehörde erlassene prostitutionsrechtliche Erlaubnis verfügen.
21
4. Die Kläger haben jeweils zur Hälfte die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn 1.1.3 und 9.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach sind die Werte der einzelnen Klagen mehrerer Kläger zu addieren; ferner ist für ein Nutzungsverbot die Höhe des Schadens bzw. der geschätzten Aufwendungen maßgebend. Dieses wirtschaftliche Interesse ist auch bei der Festsetzung der Höhe des Zwangsgeldes zu berücksichtigen, so dass der Streitwert jedenfalls in Höhe des angedrohten Zwangsgeldes festzusetzen ist, das bei Missachtung nach Unanfechtbarkeit fällig wird (vgl. BayVGH, B.v. 25.11.2022 – 1 CS 22.2013 – juris Rn. 17). Danach ist hinsichtlich jedes Klägers von 10.000,00 Euro auszugehen und in der Summe ein Streitwert von 20.000,00 Euro festzusetzen. Die Abänderungsbefugnis des Senats für die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 63 Abs. 3 GKG.
22
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).