Titel:
Normenkontrollverfahren, Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung, Verordnung über staatliche Parkanlage, Nutzungsregelung für den Englischen, Garten, Cannabiskonsumverbot, konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Vereinbarkeit der Verordnung mit der Ermächtigungsgrundlage, Gefahrenvorsorge, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Folgenabwägung
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
GG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Abs. 3
KCanG § 5
LStVG Art. 20 Abs. 1
§ 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten,
Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018 (FMBl. S. 50) i.d.F. vom 6. Mai 2024 (BayMBl. Nr. 216)
Schlagworte:
Normenkontrollverfahren, Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung, Verordnung über staatliche Parkanlage, Nutzungsregelung für den Englischen, Garten, Cannabiskonsumverbot, konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, Vereinbarkeit der Verordnung mit der Ermächtigungsgrundlage, Gefahrenvorsorge, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Folgenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18219
Tenor
I. § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung des Antragsgegners über die staat-liche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018 (FMBl. S. 50) i.d.F. vom 6. Mai 2024 (BayMBl. Nr. 216) wird für den Nordteil – Anlage 2 (Nordteil) zur Parkanlagen-VO – vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je ein Viertel, der Antragsgegner zur Hälfte.
III. Der Wert des Verfahrensgegenstands wird auf 5.000,- Euro fest-gesetzt.
Gründe
1
Mit ihrem Eilantrag wenden sich die in der Nähe von München wohnhaften Antragsteller gegen das Cannabiskonsumverbot gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018 (FMBl. S. 50) i.d.F. vom 6. Mai 2024 (BayMBl. Nr. 216), im Folgenden: Parkanlagen-VO.
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Der Bundesgesetzgeber hat mit dem in wesentlichen Teilen am 1. April 2024 in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetz (KCanG) den privaten Eigenanbau, den Besitz sowie den Konsum von Cannabis unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Der bayerische Gesetzgeber hat daraufhin das am 1. August 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Begrenzung der Folgen des Cannabiskonsums (Bayerisches Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz) beschlossen, mit dem insbesondere Konsumverbote an bestimmten Orten vor allem im öffentlichen Raum geregelt werden.
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Mit Verordnung der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zur Änderung der Parkanlagen-VO vom 6. Mai 2024 wurde u.a. in deren § 2 Abs. 2 eine neue Nr.12 eingefügt. Die hier streitgegenständliche Regelung hat folgenden Wortlaut:
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„§ 2 Allgemeine Verhaltensregeln, Verbote
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(2) In der staatlichen Parkanlage Englischer Garten, in dem Hofgarten und in dem Finanzgarten ist insbesondere verboten,
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12. Cannabisprodukte zu rauchen, zu erhitzen oder zu dampfen einschließlich einer Nutzung von zu diesem Zweck verwendeten E-Zigaretten, Vaporisatoren oder vergleichbaren Produkten; “
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Des Weiteren wurde der räumliche Geltungsbereich der Verordnung auf den Nordteil des Englischen Gartens (Anlage 2 [Nordteil]) erweitert.
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Gegen das Bayerische Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz und gegen die Änderung der Parkanlagen-VO haben unter anderem die Antragsteller beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Popularklage gemäß Art. 98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung erhoben (Vf. 8-VII-24), über die noch nicht entschieden ist.
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Mit Schriftsatz vom 24. April 2025 ließen die Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO beantragen,
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§ 2 Abs. 2 Nr. 12 der Verordnung über die staatliche Parkanlage Englischer Garten, Hofgarten und Finanzgarten in München vom 28. Mai 2018, zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. Mai 2024 der Bayerischen Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, außer Vollzug zu setzen.
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Gleichzeitig stellten sie bezüglich derselben Vorschrift einen Normenkontrollantrag (Az. 10 N 25.826), über den noch nicht entschieden ist.
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Zur Begründung des Antrags gemäß § 47 Abs. 6 VwGO trägt der Antragsteller zu 1 vor, er habe bisher schon im Englischen Garten zu Genusszwecken mit einem Vaporizer Cannabis konsumiert. Der Antragsteller zu 2, bei dem eine Behinderung mit einem Grad von 50 festgestellt wurde, macht zusätzlich geltend, wegen Schmerzattacken auf die Einnahme von Medizinalcannabis in Abständen von zwei bis maximal vier Stunden angewiesen zu sein. Die Antragsteller sind der Auffassung, die Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 12 Parkanlagen-VO verstoße gegen höherrangiges Recht. Das Cannabiskonsumverbot könne nicht auf Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG gestützt werden, da das Konsumcannabisgesetz (KCanG) des Bundes eine abschließende Aufzählung von Orten, an denen der Konsum von Cannabis verboten sei, enthalte und daher die Anwendung von Landesrecht für weitergehende Verbote sperre. Der Bundesgesetzgeber habe in § 5 Abs. 2 KCanG Konsumverbotszonen abschließend normiert. Lediglich Verbote zum Schutz vor Passivkonsum seien nicht abschließend geregelt. Die streitgegenständliche Regelung sei von der Sperrwirkung erfasst, da sie erkennbar nicht den Schutz vor Passivkonsum bezwecke, da vom Konsum der Cannabisprodukte, vor allem beim Verdampfen im weitläufigen Außenbereich, kaum Beeinträchtigungen für Dritte ausgingen. Zudem hätte andernfalls konsequenterweise auch das Rauchen von Tabakprodukten zum Schutz vor Passivrauchen verboten werden müssen. Des Weiteren liege jedenfalls dann keine (abstrakte) Gefahr im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG vor, wenn Cannabis mit ausreichendem Abstand zu Dritten und mittels eines Vaporizers konsumiert werde. Das Cannabiskonsumverbot diene schließlich auch nicht dem Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit. Die Regelung für sämtliche staatlichen Parkanlagen sei entgegen Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG nicht auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmt worden. Es liege zudem ein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG vor, soweit auch der Konsum von Cannabis aus medizinischen Gründen verboten werde. Es verstoße des Weiteren gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und gegen die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Indem die Vorschrift Konsum von Cannabis verbiete, während der Konsum von Tabak erlaubt sei, werde gegen den allgemeinen Gleichheitssatzgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen. Es bestehe ein besonderes Eilbedürfnis, da die Antragsteller insbesondere im Sommer auf die Nutzung der Parkanlage angewiesen seien. Für die Folgenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Nichterlass der einstweiligen Anordnung mit sich wiederholenden, erheblichen Grundrechtsverletzungen verbunden sei. Die Grundrechtsverletzungen wögen vor allem in den warmen Monaten schwer.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Dem Freistaat Bayern stehe die Gesetzgebungskompetenz für die verfahrensgegenständlichen Regelungen zu. Der Bundesgesetzgeber habe mit den Regelungen des Konsumcannabisgesetzes allgemein den Gesundheitsschutz der Konsumenten sowie den Kinder- und Jugendschutz in den Blick genommen. Den Aspekt des Nichtraucherschutzes habe er nur begrenzt aufgegriffen und keiner abschließenden Regelung unterworfen. Auch die Voraussetzungen von Art. 20 LStVG seien erfüllt. Eine Gefahr sei nicht auszuschließen, da mit dem Konsum von Cannabis Verhaltensauffälligkeiten verbunden sein könnten, die sich als Gefahr für die Parkbesucher darstellen könnten. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Landesgesetzgeber und ihm folgend der Verordnungsgeber Passivrauchen bzw. das passive Einatmen von Dämpfen von Cannabisprodukten generell als Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung angesehen habe. Zur Gewährleistung eines umfassenden Kinder- und Jugendschutzes sowie eines präventiven Gesundheitsschutzes (Nichtraucherschutz) und zur Vermeidung massenhafter Ordnungswidrigkeiten (§ 5 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) sei ein allgemeines Verbot angezeigt. Es liege kein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit, gegen das Diskriminierungsverbot, die allgemeine Handlungsfreiheit oder den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Der Verordnungsgeber habe einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Einschätzung des Vorliegens einer generellen Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung durch Passivrauchen bzw. das passive Einatmen von Dämpfen von Cannabisprodukten. Er habe sich auf zahlreiche wissenschaftlichen Untersuchungen stützen dürfen, nach denen das Passivrauchen von Tabakprodukten mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken verbunden sei und Cannabisrauch ebenfalls viele der in Tabakrauch vorhandenen toxischen und krebserregenden Substanzen enthalte. Auf der Grundlage eines noch nicht abschließend feststehenden Wissensbestandes erfolge eine Vorverlagerung der Gefahrenabwehr bei einem gleichzeitigen Verzicht auf eine Wahrscheinlichkeitsprognose. Ein räumlich beschränktes Verbot des Rauchens, Erhitzens und Verdampfens von Cannabis lediglich in Teilen der von der Regelung betroffenen Liegenschaft als milderes Mittel komme nicht in Betracht, da der gesamte Geltungsbereich viel von Bewegung im Sinne körperlicher Bewegungsfreiheit geprägt sei. Nach der vom Beurteilungsspielraum gedeckten Einschätzung bei Cannabisprodukten bestehe eine größere Unsicherheit in der Risikobewertung als bei Tabakprodukten, was weiterreichende Eingriffe rechtfertige. Aber selbst wenn man die Vorenthaltung der Konsummöglichkeiten als Grundrechtseingriff begreifen würde, ändere dies nichts an der Beurteilung, da die Beschränkung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nur einen geringen Teil ihrer Sozialsphäre betreffe und ihnen der Konsum bei anderer Gelegenheit unter Beachtung des geltenden Rechts unbenommen bleibe.
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Die Anträge beider Antragsteller auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 Parkanlagen-VO wurden vom Antragsgegner mit Bescheiden jeweils vom 5. Juni 2025 abgelehnt.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des Hauptsacheverfahrens sowie die vorgelegten Normaufstellungsakten Bezug genommen.
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Eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 47 Abs. 4 VwGO oder § 94 VwGO analog im Hinblick auf die von den Antragstellern erhobene Popularklage gemäß Art. 98 Satz 4 der Bayerischen Verfassung ist vorliegend mit dem Charakter des Eilverfahrens nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht vereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2021 – 6 C 21.2079 – juris Rn. 17; Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand Aug. 2024, § 94 VwGO Rn. 12). Dies gilt nicht zuletzt auch im Hinblick auf den auf die Grundrechte der Bayerischen Verfassung beschränkten Prüfungsmaßstab der Popularklage, über den die Rügen der Antragsteller hinausgehen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO hat teilweise Erfolg.
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Der Antrag ist zulässig und teilweise begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO, wonach das Normenkontrollgericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen kann, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, liegen vor, soweit sich das Cannabiskonsumverbot auch auf den Nordteil des Englischen Gartens erstreckt.
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1. Der Antrag ist statthaft und auch sonst zulässig, weil er sich gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. Art. 4 Satz 1 AGVwGO gegen eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift richtet, die Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinreichend substantiiert vorgetragen haben, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung möglicherweise in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 GG verletzt zu sein, und die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt ist.
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Das allgemeine Rechtsschutzinteresse ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Antragsteller die Möglichkeit haben, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich der mittlerweile erfolgten Ablehnung der von ihnen beantragten Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 1 Parkanlagen-VO zu stellen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.6.2025 – 9 NE 25.512 – juris Rn. 26; B.v. 28.07.1999 – 1 NE 99.813 – juris Rn. 8) stehen die Rechtsschutzmöglichkeiten des § 47 Abs. 6 VwGO einerseits und nach § 123 VwGO, § 80 Abs. 5 und 80a Abs. 3 VwGO andererseits gleichberechtigt nebeneinander und können grundsätzlich parallel in Anspruch genommen werden; wegen des unterschiedlichen Streitgegenstands und des sich daraus ergebenden unterschiedlichen gerichtlichen Prüfungsprogramms besteht kein Konkurrenzverhältnis und daher auch keine allgemeine Subsidiarität.
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Die beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof anhängige Popularklage der Antragsteller sowie die Möglichkeit, in diesem Verfahren gemäß Art. 26 Abs. 1 VfGHG den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen (vgl. VerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 53 m.w.N.), steht dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ebenfalls nicht entgegen. Die Rechtsbehelfe des Normenkontrollantrags und der Popularklage verfolgen unterschiedliche Zielrichtungen und stehen zueinander in keinem Vorrangverhältnis (vgl. BVerwG, B.v. 2.6.2021 – 5 BN 1.21 – juris Rn. 10); dies gilt entsprechend für den jeweiligen Eilrechtsschutz. Insbesondere unterscheiden sich die jeweiligen Prüfungsmaßstäbe grundlegend. Der Verwaltungsgerichtshof prüft gemäß § 47 Abs. 3 VwGO die Vereinbarkeit der angefochtenen Rechtsvorschriften mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, dass die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Landesverfassungsgericht nachprüfbar ist. Ein Prüfungsmonopol zu Gunsten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ergibt sich aus Art. 98 S. 4 der Bayerischen Verfassung für die Prüfung der Vereinbarkeit von Normen des bayerischen Landesrechts mit Grundrechtsbestimmungen der Bayerischen Verfassung. Im Übrigen bleibt das Normenkontrollverfahren unberührt, sodass darin die Verordnung auf ihre Vereinbarkeit mit sonstigem Landesrecht und Bundesrecht unter Einschluss des Bundesverfassungsrechts überprüft werden kann. Das gilt auch, soweit Grundrechte des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab in Betracht kommen, die mit gleichem Inhalt auch in der Bayerischen Verfassung enthalten sind (vgl. BVerfG, B.v. 13.9.2022 – 1 BvR 2143/20 – Rn. 8).
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2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, die streitgegenständliche Verordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen, ist teilweise begründet.
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Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 ‒ 4 VR 5.14 u.a. ‒ juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 10 NE 20.2437 – juris Rn. 16; B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 25.4.2019 – 4 B 480/19.NE – juris Rn. 9). Ergibt die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag zulässig und voraussichtlich begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten dagegen noch nicht absehen, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine begehrte einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag später aber Erfolg hätte, und die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber später erfolglos bliebe (vgl. BVerwG, B.v. 25.5.2015 – 4 VR 5.14 u.a. – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 10 NE 20.2437 – juris Rn. 16; B.v. 16.7.2020 – 20 NE 20.1500 – juris Rn. 10; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 47 Rn. 106). Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – juris Rn. 12; BayVGH, B,v. 16.4.2020 – 20 NE 20.782 – juris Rn. 10).
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Gemessen daran ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO für den Nordteil der Parkanlagen gerechtfertigt. Es ist derzeit noch nicht absehbar, ob sich die verfahrensgegenständliche Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 12 Parkanlagen-VO als mit höherrangigem Recht vereinbar erweisen wird (a)). Die im Hinblick auf die demnach offenen Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens anzustellende Folgenabwägung ergibt, dass die begehrte einstweilige Anordnung nach den oben genannten Maßstäben im tenorierten Umfang geboten ist (b)).
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a) Die Vereinbarkeit von § 2 Abs. 2 Nr. 12 Parkanlagen-VO mit höherrangigem Recht erscheint derzeit offen.
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Bei der richterlichen Kontrolle von (untergesetzlichen) Normen kommt es, soweit keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive dessen an, der an ihrem Erlass mitwirkt. Im Rahmen der Maßgaben der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und des höherrangigen Rechts hat der Normgeber von seinem normativen Ermessen erst dann rechtswidrig Gebrauch gemacht, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist; insoweit beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 16).
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aa) Ermächtigungsgrundlage der streitgegenständlichen Verordnung ist Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Danach kann die Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen (vgl. Art. 20 Abs. 1 Satz 3 LStVG i.V.m. § 2 Abs. 2 der Verordnung über die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen – BSVV) zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sittlichkeit, Eigentum oder die öffentliche Reinlichkeit, zur Sicherung der Erholung in der freien Natur, zum Schutz der Natur und Landschaft sowie zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit Verordnungen über die Benutzung der Grünanlagen und Grünflächen, die im Eigentum des Freistaates Bayern stehen und von der Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen verwaltet werden (staatliche Parkanlagen), erlassen.
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Die Verfassungsmäßigkeit dieser Ermächtigungsgrundlage ist nicht bestritten; Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit liegen auch nicht vor. Mit der Regelung wurde die Möglichkeit eröffnet, öffentlich-rechtliche Benutzungsbedingungen für die staatlichen Parkanlagen als öffentliche Einrichtungen zu erlassen. Durch bußgeldbewehrte Parkanlagenverordnungen sollen ein friedliches Nebeneinander der unterschiedlichsten Besuchergruppen gewährleistet und Gefahren vermieden werden (LTDrs. 15/10315 S. 1 und 4). Die Gesetzgebungszuständigkeit des Freistaates Bayern ergibt sich für das Recht der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus Art. 30, 70 Abs. 1 GG, da das Grundgesetz dem Bund keine Gesetzgebungskompetenz auf diesem Gebiet verleiht, bzw. aus dem Recht (kraft Natur der Sache), die Benutzung der in ihrem Eigentum stehenden öffentlichen Anlagen in ähnlicher Weise zu regeln wie Kommunen gemäß Art. 23, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 GO für ihre öffentlichen Einrichtungen (BVerfG, B.v. 7.12.2021 – 2 BvL 2/15 – juris Rn. 86; so auch der Bundesgesetzgeber für die Regelung des Nichtraucherschutzgesetzes in seinen Einrichtungen BT-Drs. 16/5049, S. 8).
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bb) Ob die Regelung des Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO mit höherrangigem Recht vereinbar ist, kann aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstands nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden. Dies gilt insbesondere für die Fragen, ob die bundesrechtlichen Vorschriften des Konsumcannabisgesetzes hinsichtlich der konkreten Regelung in Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO eine Sperrwirkung entfalten (1), ob sich die Benutzungsregelung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage hält (2) und ob sie verhältnismäßig (3) sowie mit den Grundrechten der Antragsteller, insbesondere auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar ist (4).
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(1) Der Antragsgegner kann auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG durch Verordnung Benutzungsregelungen für staatliche Parkanlagen erlassen. Der zulässige Nutzungsumfang ergibt sich in erster Linie aus dem Zweck der öffentlichen Einrichtung, der durch die Widmung festgelegt wird. Die vorliegenden Benutzungsregelungen sollen die widmungsgemäße Nutzung der Parkanlagen gewährleisten; die auch als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesenen Flächen von Englischem Garten, Hofgarten und Finanzgarten sollen (vorrangig) der „stillen Erholung des Einzelnen“ dienen (vgl. Präambel zur Parkanlagen-VO). Zwar dürfen die Länder den Umfang der Widmung und die Nutzungsregelungen grundsätzlich frei bestimmen, aber sie dürfen keine Regelung in deren Gewande treffen, die zu einem Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes führen würde (BVerfG, B.v. 7.12.2021 – 2 BvL 2/15 – juris Rn. 88, 89).
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Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das Konsumcannabisgesetz des Bundes hinsichtlich des Nichtraucherschutzes keine abschließenden Regelungen enthält und somit insoweit grundsätzlich noch Raum für Regelungen des Landesgesetzgebers wäre. Einer eingehenderen Prüfung im Normenkontrollverfahren bedarf jedoch die Frage, welchem Zweck die Regelung in Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der ParkanlagenVO dient. Der Antragsgegner macht geltend, mit der streitgegenständlichen Regelung unterlaufe er keine (widerspruchsfreie) Grundkonzeption des Bundes für den Umgang mit Cannabis, sondern setze für einen bestimmten räumlichen Bereich ein von ihm zu verantwortendes Nichtraucherschutzkonzept um. Die Antragsteller behaupten dagegen, sie schränke ausschließlich den Konsum von Cannabisprodukten ein und trage nicht zum Nichtraucherschutz bei. Zur Begründung tragen die Antragsteller vor, von Passivrauchen gingen im Falle von Cannabiskonsum keine Gefahren aus; dies gelte vor allem im Außenbereich und bei Nutzung eines Vaporizers. Unter Umständen wäre darüber hinaus zu klären, ob der Bundesgesetzgeber im Konsumcannabisgesetz die Konsumverbote unter anderem durch die Festlegung von Konsumverbotszonen in § 5 Abs. 2 KCanG abschließend geregelt hat und dies gegebenenfalls weitergehende Verbote in Nutzungsregelungen für Parkanlagen ausschließen könnte. Diesem Prüfprogramm einschließlich einer möglicherweise gebotenen weitergehenden Sachverhaltsaufklärung kann im Rahmen des Eilverfahrens nicht Rechnung getragen werden. Aufgrund einer summarischen Prüfung aufgrund des derzeitigen Sach- und Streitstands ist allerdings davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG grundsätzlich berechtigt sein dürfte, Benutzungsregelungen zum Schutze von Nichtrauchern vor erheblichen Belästigungen u.a. durch Cannabiskonsum zu erlassen.
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(2) Des Weiteren ist zu klären, ob die streitgegenständliche Regelung dem Schutz der in Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG genannten Zwecke dient. Dies betrifft insbesondere vom Antragsgegner angenommene Schutz vor Gefahren für Gesundheit, Sittlichkeit oder die öffentliche Reinlichkeit und vor erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit. Aus der in der Normaufstellungsakte befindlichen Begründung des Verordnungsgebers ergibt sich, dass die Regelung in Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO dem Nichtraucherschutz und dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienen soll. Anders als beim Alkoholgenuss, der nur bei übermäßigem Konsum zur Belästigung führen könne, sei bereits durch den Rauch und die damit verbundene Gesundheitsbeeinträchtigung sowie die Sorge vor Gesundheitsschäden durch das Einatmen des mit Wirkstoff versetzten Rauchs eine Belästigung gegeben. Der Antragsgegner führt in seiner Antragserwiderung ergänzend aus, der Cannabiskonsum könne zu Verhaltensauffälligkeiten, zu Nutzungskonflikten und zur Vermüllung führen und gegen Sittlichkeitsvorstellungen verstoßen.
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Soweit das Cannabiskonsumverbot dem Schutz von unbeteiligten Dritten dienen soll, müsste dies im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG zur Verhütung von (abstrakten) Gefahren erforderlich sein. Diese liegen dann vor, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die Schutzgüter im Einzelfall einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Geht es um den Schutz besonders hochwertiger Rechtsgüter, wie etwa Leben und Gesundheit von Menschen, so kann auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen (BayVerfGH, B.v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 52; BVerwG, B.v. 24.1.2008 – 6 BN 2.07 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 44; OVG Berlin-Bbg, U.v. 25.5.2011 – OVG 5 A 1.10 – juris Rn. 25; OVG Berlin-Bbg, U.v. 27.5.2010 – OVG 5 A 1.08 – juris Rn. 26; NdsOVG, B.v. 7.2.2014 – 11 KN 218/13 – juris Rn. 14 ff.).
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Es darf sich dabei nicht um eine bloße Maßnahme der Gefahrenvorsorge handeln. Eine allein auf diesen Gesichtspunkt gründende sicherheitsrechtliche Verordnung kann nicht auf eine sicherheitsrechtliche Generalklausel gestützt werden, weil insoweit eine spezielle Ermächtigungsgrundlage zu verlangen ist (BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 47; eine solche Ermächtigungsgrundlage liegt beispielsweise vor in Art. 30 LStVG (BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 10 NE 20.2437 – juris Rn. 21 f.). Eine Einschätzungsprärogative, ob die vorliegenden Erkenntnisse die Annahme einer abstrakten Gefahr rechtfertigen, ist dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr fremd. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen – bei abstrakt-genereller Betrachtung – hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen (BVerwG, U.v. 3.7.2002 – 6 CN 8/01 – juris Rn. 34 f.).
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Der Antragsgegner trägt insoweit selbst vor, dass der Verordnungsgeber auf Grundlage eines noch nicht abschließend feststehenden Wissensbestandes eine Vorverlagerung der Gefahrenabwehr bei einem gleichzeitigen Verzicht auf eine Wahrscheinlichkeitsprognose vornehmen dürfe und bezieht sich in seinem Antragserwiderungsschriftsatz vom 3. Juni 2025 insoweit unter Angaben von zwei Quellen auf „zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen“ (S. 32, 33 und weitere Quellen auf S. 40), ohne dies im Einzelnen auszuführen. Aufgrund der zumeist unübersichtlichen Umgebungslage in den Parkanlagen mit spielenden und rennenden Kindern und Jugendlichen könne eine enge räumliche Nähe der Besucherinnen und Besucher zueinander und der Kontakt einschließlich einer damit einhergehenden potentiellen Gesundheitsgefahr durch das passive Einatmen von Cannabisrauch bzw. -dampf für Minderjährige, aber auch für Erwachsene nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Die Antragsteller wiederum stellen ihren Vortrag, durch den Konsum von Cannabis würden keine erheblichen Nachteile oder erhebliche Belästigungen ausgehen, unter den Vorbehalt, dass ausreichend Abstand eingehalten werde und Vaporizer genutzt würden. Die Bewertung der tatsächlichen Angaben der Beteiligten im Hinblick auf die Gefährlichkeit von Cannabiskonsum für Dritte im Allgemeinen sowie bei Nutzung eines Vaporizers und im Außenbereich im Besonderen und eine unter Umständen gebotene weitere Sachverhaltsaufklärung muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Inwieweit das Cannabiskonsumverbot geeignet ist, die Allgemeinheit vor erheblichen Belästigungen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Satz 1 LStVG zu schützen, kann im Eilverfahren ebenfalls nicht in der erforderlichen Tiefe geprüft werden.
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(3) Zudem bedarf es einer vertieften Prüfung im Normenkontrollverfahren, ob die Regelung in Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO verhältnismäßig ist und gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmt wurde. Dabei wird auch zu bewerten sein, ob das Konsumverbot mit nachvollziehbarer Begründung auf den gesamten Englischen Garten erstreckt wurde bzw. werden kann.
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Aus den Normaufstellungsunterlagen ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit der räumlichen Erweiterung des Geltungsbereichs der Parkanlagen-VO. Aus dem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat vom 17. April 2024 wird die Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen ohne jegliche Begründung aufgefordert, die Parkanlagen-VO „auch auf den Nordteil des Englischen Gartens zu erstrecken, so dass die gesamte Gartenanlage „Englischer Garten“ in die Verordnung einbezogen ist“. In der Antragserwiderung wird im Wesentlichen nur ausgeführt, ein räumlich beschränktes Verbot des Rauchens, Erhitzens und Verdampfens von Cannabis lediglich in Teilen der von der Regelung betroffenen Liegenschaften komme als milderes Mittel nicht in Betracht; der gesamte Geltungsbereich der Verordnung sei „viel von Bewegung im Sinne körperlicher Bewegungsfreiheit“ geprägt, sodass es faktisch nicht möglich sei, nur einen Teil der Parkanlagen „cannabisfreundlich“ zu gestalten. Im Übrigen könne auch nicht sichergestellt werden, dass der Rauch oder Dampf z.B. durch sich temporär ändernde Windverhältnisse in andere Bereiche übergehe. Dies gelte insbesondere auch aufgrund der besonderen Empfindlichkeit von Kindern und Jugendlichen, die sich ebenso im Bereich der Liegenschaften bewegten und aufhielten.
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Insbesondere auch im Hinblick auf die bekanntermaßen sehr unterschiedliche Nutzungsintensität und -dichte in den verschiedenen Bereichen des Englischen Gartens bedarf es im Hauptsacheverfahren voraussichtlich einer eingehenderen Prüfung, inwieweit die streitgegenständliche Regelung in plausibler Weise gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmt wurde.
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(4) Offen ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens schließlich im Hinblick auf den Vortrag der Antragsteller, das streitgegenständliche Cannabiskonsumverbot verletze sie in ihren Grundrechten. Das Verbot verstoße im Hinblick darauf, dass in der Parkanlagen-VO der Tabakkonsum nicht gleichermaßen untersagt werde, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. In diesem Zusammenhang dürfte von Bedeutung sein, ob die unterschiedliche Behandlung von Tabak und Cannabis durch gewichtige Gründe im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 14.6.2023 – 2 BvL 3/20 – juris Rn. 10) gerechtfertigt ist und damit auch, ob der streitgegenständlichen Verordnung unter dem Aspekt, dass der reine Tabakkonsum nicht eingeschränkt wird, ein im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit vor Gesundheitsgefahren und erheblichen Belästigungen nachvollziehbares Regelungskonzept zu Grunde liegt. Der Antragsgegner selbst bezieht sich u.a. auf „die zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen“, nach denen das Passivrauchen von Tabakprodukten mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken verbunden sei und Cannabisrauch ebenfalls viele der in Tabakrauch vorhandenen toxischen und krebserregenden Substanzen enthalte, die dann ebenfalls von unbeteiligten Dritten eingeatmet werden könnten.
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b) Die wegen der offenen Erfolgsaussichten erforderliche Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragsteller aus, soweit sich das Cannabiskonsumverbot auf den Nordteil des Englischen Gartens erstreckt. Aus dem bisherigen Vortrag des Antragsgegners und den vorgelegten Unterlagen ergibt sich derzeit nicht, inwieweit die Erweiterung des räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung auf diesen Parkbereich erforderlich und somit verhältnismäßig sowie gemäß Art. 20 Abs. 1 Satz 2 LStVG auf die örtlichen Verhältnisse abgestimmt worden ist. So sah man von Seiten des Verordnungsgebers offensichtlich bis zum Erlass der Änderungsverordnung vom 6. Mai 2024 keine Veranlassung, für den Nordteil überhaupt öffentlich-rechtliche Benutzungsregelungen zu erlassen. Gerade auch im Hinblick auf die bekanntermaßen weitläufigeren Bereiche und der deutlich geringeren Frequentierung des Nordteils ist bislang die Erforderlichkeit einer Regelung zum Schutze vor (nur) erheblichen Belästigungen der Allgemeinheit durch Cannabiskonsum nicht nachvollziehbar dargelegt; insoweit überwiegen die Interessen der Antragsteller an der Nutzung des Nordteils. Im Falle des Antragstellers zu 2 gilt dies auch mit Blick darauf, dass dieser schlüssig vorgetragen hat, er sei bei Schmerzattacken darauf angewiesen, sofort Cannabis zu sich zu nehmen.
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Die Interessenabwägung fällt dagegen zu Lasten der Antragsteller aus, soweit das Cannabiskonsumverbot für den Südteil des Englischen Gartens, den Hofgarten und den Finanzgarten festgesetzt wurde. Trotz der oben dargestellten offenen Fragen kommt in Betracht, dass die streitgegenständliche Regelung zumindest in Teilen dieser erheblich stärker frequentierten Parkbereiche zum Schutz der Gesundheit Dritter und zur Vermeidung erheblicher Belästigungen für die Allgemeinheit beiträgt. Damit überwiegen die vom Antragsgegner verfolgten öffentlichen Interessen das individuelle Interesse der Antragsteller, auf den betreffenden öffentlichen Flächen Cannabis konsumieren zu können. Dabei sind wegen der Allgemeinverbindlichkeit einer einstweiligen Anordnung deren mögliche Auswirkungen auf eine erhebliche Zahl betroffener Parkbesucher in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass ein eventueller Eingriff in Grundrechte der Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht schwer ins Gewicht fällt. Die Antragsteller können aufgrund der einstweiligen Anordnung nun vorläufig zumindest im Nordteil und grundsätzlich auch außerhalb der streitgegenständlichen Parkanlagen Cannabis konsumieren. Wie sich aus der vom Antragsteller in Bezug genommenen Karte (https://bubatzkarte.de/) mit den Konsumverbotszonen nach dem Konsumcannabisgesetz ergibt, besteht diese Möglichkeit z.B. am Rande des Englischen Gartens. Insoweit erscheint es auch zumutbar, aus medizinischen Gründen – wie im Falle des Antragstellers zu 2 – nur alle zwei bis vier Stunden medizinisches Cannabis zu verdampfen und dazu den Nordteil des Englischen Gartens zu nutzen oder die Parkanlagen kurzzeitig zu verlassen (so auch hinsichtlich des Tabakrauchverbots BayVerfGH, E.v. 25.6.2010 – Vf. 1-VII-08 – juris Rn. 73). Umgekehrt darf in nicht unerheblichen Bereichen insbesondere des Südteils des Englischen Gartens bereits wegen der räumlichen Nähe zu Kinderspielplätzen, Sportanlagen und ähnlichen Einrichtungen aufgrund bundesgesetzlicher Regelungen (vgl. § 5 Abs. 2 KCanG) auch unabhängig von der angegriffenen Regelung kein Cannabis konsumiert werden. In die Abwägung ist ferner auch einzustellen, dass beide Antragsteller nicht in München wohnen und unklar ist, in welchem konkreten Umfang sie die Parkanlagen nutzen. Auch in zeitlicher Hinsicht sind die mit Art. 2 Abs. 2 Nr. 12 der Parkanlagen-VO verbundenen Einschränkungen für die Antragsteller bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache geringfügig.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 159 Satz 1, § 155 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.
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Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 39 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 und 2 GKG und Nr. 35.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).