Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 10.02.2025 – 11 WF 1133/24
Titel:

Verfahrenswert bei Erweiterung des Antrags auf Zahlung von Unterhalt

Normenketten:
FamGKG § 33, § 34, § 51, § 59
BGB § 1361
Leitsätze:
Eine Antragserweiterung stellt in Unterhaltssachen einen eigenständig nach § 51 FamGKG zu bewertenden Antrag dar. Der Verfahrenswert für diesen Antrag ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Identität sowohl hinsichtlich des rückständigen Unterhalts als auch des für die ersten zwölf Monate nach dessen Einreichung geforderten Unterhalts aus der Differenz zwischen neu gefordertem Unterhalt und ursprünglich geltend gemachtem Unterhalt zu berechnen. Die Verfahrenswerte für beide Anträge sind zu addieren. (Rn. 21 und 24)
Die Beschwerde eines Rechtsanwalts gegen eine zu niedrige Festsetzung des Verfahrenswerts ist dahingehend auszulegen, dass die Beschwerde nicht im Namen des Mandanten, sondern durch den Rechtsanwalt im eigenen Namen eingelegt wurde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfahrenswert, Verfahrenswertbeschwerde, Rechtsanwalt, Unterhalt, Antragserweiterung
Vorinstanz:
AG Straubing, Beschluss vom 12.09.2024 – 004 F 327/19
Fundstellen:
FF 2025, 247
MDR 2025, 753
BeckRS 2025, 1812
LSK 2025, 1812

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Straubing vom 12.09.2024, Az.: 004 F 327/19, wird dahingehend abgeändert, dass der Verfahrenswert auf 26.977,16 Euro festgesetzt wird.

Gründe

1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Höhe der Festsetzung des Verfahrenswertes durch das Amtsgericht.
I.
2
Mit Antrag vom 15.04.2019 beantragte die Antragstellerin für sich Trennungs- und für ihre am …2010 und …2014 geborenen Kinder Kindesunterhalt.
3
Im einzelnen beantragte sie, den Antragsgegner zu verpflichten, ihr ab 01.05.2019 Trennungsunterhalt in Höhe von 1.157 Euro zu bezahlen, nebst einem Unterhaltsrückstand für die Monate Oktober 2018 – April 2019 in Höhe von 2.851 Euro.
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Für das am …2010 geborene Kind beantragte sie, den Antragsgegner in Abänderung der auf 115% des Mindestunterhalts lautenden Urkunde der Stadt S… (Zahlbetrag 370 Euro) zu verpflichten, ab 01.05.2019 einen Kindesunterhalt in Höhe von 128% des Mindestunterhalts, Zahlbetrag 423 Euro, zu zahlen, nebst Unterhaltsrückständen für den Zeitraum Oktober 2018 – April 2019 in Höhe von 1.902,18 Euro.
5
Für das am …2014 geborene Kind beantragte sie, den Antragsgegner in Abänderung der auf 115% des Mindestunterhalts lautenden Urkunde der Stadt S… (Zahlbetrag 311 Euro) zu verpflichten, ab 01.05.2019 einen Kindesunterhalt in Höhe von 128% des Mindestunterhalts, Zahlbetrag 357 Euro, zu zahlen, außerdem einen monatlichen Mehrbedarf in Höhe von 65 Euro. Außerdem beantragte sie, den Antragsgegner für dieses Kind auch zur Zahlung von Unterhaltsrückständen für den Zeitraum Oktober 2018 – April 2019 in Höhe von 80,98 Euro zu verpflichten.
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Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 07.01.2020 änderte die Antragstellerin ihren Antrag ab.
7
Sie beantragte nun neu folgendes:
Trennungsunterhalt:
Juni 2019 1642 Euro
Juli 2019 1646 Euro
August 2019 1646 Euro
September 2019 1446 Euro
Oktober – Dezember 2019 1442 Euro
ab Januar 2020 1425 Euro.
Kindesunterhalt für das am 23.09.2010 geborene Kind:
Juni 2019 521 Euro
Juli 2019 – Dezember 2019 516 Euro (Änderung des Kindergeldes)
ab Januar 2020 543 Euro (neue Düsseldorfer Tabelle)
Kindesunterhalt für das am 21.05.2014 geborene Kind:
Juni 2019 442 Euro ohne Mehrbedarf
Juli – September 2019 437 Euro ohne Mehrbedarf (Änderung des Kindergeldes)
August – Dezember 2019 437 Euro mit Mehrbedarf 10 Euro
ab Januar 2020 459 Euro mit Mehrbedarf 10 Euro (neue Düsseldorfer Tabelle).
8
Die Antragstellerin erklärte das Verfahren mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 10.07.2024 für erledigt. Dem stimmte der Antragsgegner am 10.09.2024 zu.
9
Das Amtsgericht setzte den Verfahrenswert mit Beschluss vom 12.09.2024 auf 20.686,16 Euro fest. Dabei berechnete es für den Trennungsunterhalt einen Verfahrenswert in Höhe von 16.735 Euro (12 x 1.157 Euro + 2.851 Euro Rückstand) und für den Kindesunterhalt einen Verfahrenswert in Höhe von 3.951,16 Euro (12 x 53 Euro + 12 x 46 Euro + 12 x 65 Euro + 1.902,18 Euro Rückstand + 80,98 Euro Rückstand). Die Werte wurden zusammengerechnet.
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Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin wandte sich gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes, weil die geänderten Anträge aus dem Schriftsatz vom 07.01.2020 nicht berücksichtigt seien.
11
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Die Festsetzung des Verfahrenswertes bei Antragserweiterung im Unterhaltsverfahren sei umstritten. Der Gesetzgeber mache aber in § 34 S. 1 FamGKG klare Vorgaben, in dem es auf die erste Antragstellung im jeweiligen Rechtszug abstelle. Daher sei die Antragserweiterung aus dem Schriftsatz vom 07.01.2020 nicht zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 10.12.2024 Bezug genommen.
12
Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners schließt sich dem Beschwerdevorbringen an.
II.
13
Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 12.09.2024 ist gemäß § 59 Abs. 1 FamGKG zulässig.
14
Die Beschwerdeschrift ist dahingehend auszulegen, dass die Beschwerde nicht im Namen des Mandanten, sondern durch den Rechtsanwalt im eigenen Namen eingelegt wurde. Dies ist gemäß § 32 Abs. 2 S. 2 RVG zulässig (Laube, in: BeckOK Kostenrecht Stand: 01.10.2024 § 59 FamGKG Rn. 16).
15
Die Beschwerde führt zur Abänderung der Wertfestsetzung im tenorierten Umfang.
16
1. Gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG bemisst sich der Verfahrenswert in Unterhaltssachen nach dem für die ersten 12 Monaten nach Einreichung des Antrags geforderten Betrag. Hinzu gerechnet werden nach § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG die bei Einreichung des Antrags fälligen, also rückständigen, Beträge.
17
§ 33 FamGKG bestimmt, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Werte mehrerer im selben Verfahren geltend gemachter Verfahrensgegenstände zusammengerechnet werden.
18
§ 34 S. 1 FamGKG regelt, dass für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Verfahrensgegenstand betreffenden ersten Antragstellung in dem jeweiligen Rechtszug entscheidend ist.
19
Geht man allein vom ersten Antrag der Antragstellerin aus (Antrag vom 15.04.2019), hat das Amtsgericht den Verfahrenswert für die drei Verfahrensgegenstände zur Recht auf 20.686,16 Euro festgesetzt. Es wurde sowohl für den laufenden Trennungs- als auch den Kindesunterhalt für die beiden Kinder jeweils der 12-fache Wert des ab 01.05.2019 geltend gemachten Unterhalts festgesetzt. Dem wurden jeweils die geltend gemachten fälligen Beträge für den Zeitraum Oktober 2018 – April 2019 hinzugerechnet. Die Einzelwerte wurden zusammengerechnet.
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Streitig ist, wie sich eine spätere Antragserweiterung auswirkt, wenn also, so wie hier mit Antrag vom 07.01.2020, ein höherer Unterhalt als der zunächst beantragte geltend gemacht wird.
21
Zum Teil wird vertreten, dass sich die Antragserweiterung sowohl hinsichtlich der zukünftig geltend gemachten Beträge als auch hinsichtlich der fälligen Beträge auswirken kann. Die Antragserweiterung sei wie ein neuer eigenständiger Antrag anzusehen, so dass sich sowohl ein neuer Wert für den zukünftig geltend gemachten Unterhalt ergeben kann, als auch neue fällige Beträge hinzukommen können (OLG Celle FamRZ 2023, 1745; OLG Köln FamRZ 2004, 1226; Keske in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 7. Auflage, § 51 FamGKG Rnr. 16; ders. in: Handbuch FA-Familienrecht, 12. Auflage, Kap. 17 Rn. 64; Schneider in: Schneider/Volper/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, § 40 GKG Rnr. 12; Schneider NZFam 2015, 955; so auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 23.1.2023, 7 WF 1117/22 – unveröffentlicht). Diese Auffassung wird damit begründet, dass die Änderung oder Erweiterung eines Antrags nach allgemeiner Meinung einen selbstständigen prozessualen Angriff darstelle (BGH NJW 2017, 491 Rn. 18) und deshalb auch gesondert zu bewerten sei. Zudem bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, wenn der Anwalt bei einer Antragserweiterung nach Ablauf der ersten zwölf Monate für seine Tätigkeit keine zusätzliche Vergütung erhalte (Keske a.a.O.).
22
Teilweise wird vertreten, dass eine Antragserweiterung schon dann den Verfahrenswert um den 12-fachen Differenzbetrag erhöht, wenn der Erhöhungsbetrag für einen längeren Zeitraum als 12 Monate beansprucht wird, wobei Unterhaltsrückstände für den Zeitraum zwischen Antragserweiterung und Eingang des ursprünglichen Antrages nicht zu berücksichtigen seien (so OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2016, 18009 Rnr 9; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2020, 8302 Rnr. 6; Dürbeck in BeckOK-Streitwert, Stand 01.01.2025, Stichwort Familienrecht-Unterhaltsverfahren Rn. 9; Schmitz in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 10 Rn. 82a). Das OLG Stuttgart vereinfacht diese Berechnung und will durch eine spätere Antragserweiterung zwar keine Neubewertung der fälligen Unterhaltsbeträge vornehmen, spricht sich aber dafür aus, bei der Anwendung des § 51 Abs. 1 Satz 1 FamGKG in Fällen der Antragserweiterung im Regelfall sogleich den Jahreswert des erhöhten beantragten Monatsbetrags zugrunde zu legen (OLG Stuttgart, FamRZ 2017, 547, Rn. 24;).
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Teilweise wird auch vertreten, dass nachträgliche Antragserweiterungen unbeachtlich seien, soweit diese außerhalb des auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung bezogenen Zwölfmonatszeitraums liegen und keine bei erstmaliger Antragseinreichung bestehenden Unterhaltsrückstände umfassen. Liegen sie in dem 12-Monatszeitraum, seien sie beachtlich (OLG München BeckRS 1999, 31154015; OLG Koblenz, FamRZ 2019, 915; OLG Schleswig FamRZ 2016, 2149 Rnr. 10; OLG Karlsruhe NZFam 2016, 86; OLG Nürnberg FamRB 2008, 106 Rnr. 8; Feskorn in: Zöller, ZPO, 35. Auflage, Anhang zum FamFG Ziffer 1.46; so und auch zum gesamten Meinungsstand Neumann in: BeckOK Kostenrecht, 47. Edition Stand 01.10.2024, § 51 FamGKG Rnr. 33).
24
2. Der Senat schließt sich der ersten Ansicht an.
25
a) Zwar sprechen nicht schon verfassungsrechtliche Gesichtspunkte dafür, dass der Eingang eines die ursprüngliche Klage erweiternden Antrags sich sowohl auf die zukünftigen als auch auf die zu diesem Zeitpunkt fälligen Unterhaltsbeträge auswirkt.
26
Zweifellos wäre es im Hinblick auf Art. 12 GG wünschenswert, wenn die Festsetzung des Verfahrenswerts für die Gerichtsgebühren und damit über § 23 Abs. 1 S. 1 RVG die Grundlage der Vergütung des Rechtsanwalts in jedem Einzelfall dem Aufwand und dem Haftungsrisiko des Anwalts gerecht wird. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es aber legitim, im Interesse der Rechtsschutzgewähr einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den verschiedenen am Rechtsschutz Beteiligten vorzunehmen. Der Erreichung dieses Ziels kann die Reduzierung der Anwaltsvergütung auf ein Maß dienen, das die Kosten des Rechtsschutzes begrenzt und zugleich in typisierender Betrachtung für das konkrete Mandat nicht außer Verhältnis zum Aufwand für dessen Bearbeitung steht (BVerfG, BVerfGE 118, 1 Rnr. 87).
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b) Es lässt sich auch weder dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 FamGKG noch dem Wortlaut des § 34 S. 1 FamGKG eindeutig entnehmen, ob eine Antragserweiterung als neuer Antrag zu behandeln ist (so für den § 51 Abs. 1 FamGKG auch: OLG Stuttgart FamRZ 2017, 547 Rn. 23).
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Der Ansicht, dass eine Antragserhöhung zwar für den ab der Antragserhöhung zukünftig zu bemessenden Wert relevant, dagegen für die zwischen ursprünglichem Antrag und Antragserweiterung liegenden Zeiten irrelevant sein soll, ist entgegenzuhalten, dass sie nicht konsequent ist. Entweder ist die Antragserweiterung ein neuer Antrag, dann löst er aber auch die nochmalige Bewertung hinsichtlich zukünftigen und fälligen Beträgen nach § 51 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 FamGKG aus, oder sie ist es nicht. Dann dürfte sie aber an sich gar nicht neu bewertet werden. Letztere Meinung wird von niemandem vertreten.
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Die Ansicht, die die Antragserweiterung nur innerhalb des Zwölfmonatszeitraums nach erster Antragstellung berücksichtigt wissen will, kann dies jedenfalls nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes begründen. Dem Wortlaut des § 51 Abs. 1 FamGKG lässt sich keine zeitliche Grenze der Wertbemessung bei Zusammentreffen mehrere Anträge entnehmen. Dies folgt dem Wortlaut nach auch nicht aus § 34 S. 1 FamGKG.
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c) Für die volle Berücksichtigung der Antragserweiterung sprechen aber rechtssystematische Gründe.
31
Nach allgemeiner Ansicht wird die Erhöhung eines Klageantrags bei gleichbleibendem Klagegrund in allgemeinen Zivil- und Familienstreitsachen entgegen § 264 Nr. 2 ZPO für die Festsetzung des Verfahrenswertes als Einführung eines neuen Verfahrensgegenstands angesehen (Toussaint, Kostenrecht, 54. Auflage, § 39 GKG Rn. 12; Kurpat in: Schneider/Kurpat, Streitwert Kommentar, 15. Auflage, Rn. 547). Dies lässt sich mit der Gesetzeshistorie begründen. So hatte der § 11a Abs. 1 GKG sowohl in der Fassung des Gesetzes vom 19.04.1974 (vgl. BT-Drs. 7/2016 S. 6) als auch der § 15 Abs. 1 GKG in der Fassung des Gesetzes im Jahre 1975 (Bundesgesetzblatt 1975, Teil 1 S. 3025) den Wortlaut: „Ist der Wert des Streitgegenstands bei Beendigung der Instanz höher als zu Beginn der Instanz, so ist den in der Instanz entstandenen Gebühren der höhere Wert zugrunde zu legen“. Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 lautete der dann entsprechende § 15 GKG so: „Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung entscheidend“ (vgl. BT-Drs. 12/6962 S. 5). In der dazugehörigen Gesetzesbegründung hieß es, dass der Zeitpunkt der Wertberechnung aus Vereinfachungsgründen auf den verfahrenseinleitenden Antrag vorverlegt wurde, wobei dies ausdrücklich auch für die Fälle der Klageerweiterung gelten sollte (vgl. BT-Drs. 12/6962 S. 62). Mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004 wurde die Vorschrift des § 15 GKG in § 40 GKG übernommen, ihr aber klarstellend hinzugefügt, dass für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend sein soll, die den Rechtszug einleitet (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 12 und S. 154). In § 34 S. 1 FamGKG wurde schließlich mit Einführung des FamGKG die Regelung des § 40 GKG übernommen (vgl. BT – Drs. 16/6308 S. 304).
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Damit steht aus der Gesetzeshistorie des § 34 S. 1 FamGKG fest, dass der Gesetzgeber die Antragserweiterung im Hinblick auf die Festsetzung des Verfahrenswertes als neuen Antrag verstanden wissen wollte. Sie löst einen neuen, zusätzlichen Verfahrenswert aus. § 33 FamGKG bestimmt, dass die beiden Verfahrenswerte zusammengerechnet werden müssen. § 51 Abs. 1 FamGKG regelt jeweils die Bewertung des einzelnen Antrags, zur Frage des Zusammentreffens mehrerer Anträge (seien es bloße Antragserweiterungen oder neue unterhaltsrechtliche Streitgegenstände im eigentlichen Sinn) verhält er sich nicht.
33
Zwar diente das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz 2004, auf dem dann auch das FamGKG basierte, der Vereinfachung des Kostenrechts (siehe BT-Drs. 15/1971 S. 1). Man kann der Gesetzgebungsgeschichte außerdem entnehmen, dass die Begrenzung des Verfahrenswertes in Unterhaltssachen schon seit Geltung der vor 2004 in Kraft befindlichen Fassung des § 20 Abs. 2 GKG vor allem sozialpolitischen Zwecken dienen sollte (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 154). Beide Aspekte sind aber allgemeine Erwägungen, die nichts über das systematische Verhältnis der §§ 33, 34 und 51 FamGKG zueinander aussagen.
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d) Zu berücksichtigen ist allerdings weiter, dass nach einhelliger Auffassung geänderte Anträge, mit denen wirtschaftlich identische Ziele verfolgt werden, für die Bemessung des Verfahrenswertes unbeachtlich sind (Schneider in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, § 39 GKG Rn. 18 b).
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Dass der Verfahrenswert bei einer Erweiterung des ursprünglichen Antrags im Ergebnis nach dem höheren Wert bemessen wird, folgt genau genommen daraus, dass zum Wert des Antrags zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung gemäß § 33 FamGKG (§ 39 Abs. 1 GKG) die Differenz zwischen dem mit der Antragserhöhung und dem ursprünglich geltend gemachten Antrag addiert wird. Nur in Höhe der Differenz liegt nämlich ein zu beachtender, nicht wirtschaftlich identischer neuer Antrag vor. Das Ergebnis bedeutet nichts anderes, als dass letztlich der höhere Anspruch für den Verfahrenswert maßgeblich ist (wenn beispielsweise erst 1.000 Euro eingeklagt werden und der Antrag dann auf 3.000 Euro erhöht wird, beträgt der Verfahrenswert 1.000 Euro + (3.000 Euro – 1.000 Euro) = 3.000 Euro).
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e) Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese allgemeinen Prinzipien nicht auch bei der Festsetzung des Verfahrenswertes im Falle einer nachträglich erweiterten Unterhaltsforderung zu berücksichtigen. Bezogen auf den Zeitpunkt des Eingangs der Antragserweiterung sind die zu diesem Zeitpunkt fälligen Beträge in der Differenz zu den mit der ersten Antragstellung geltenden Beträgen sowohl hinsichtlich der fälligen als auch der zukünftigen Beträge zu berücksichtigen, soweit sich die zu berücksichtigenden Zeiträume überschneiden. Soweit der erweiternde Antrag den Zwölfmonatszeitraum, der schon aufgrund des ersten Antrags berücksichtigt wurde, überschreitet, sind die mit ihm geltend gemachten Beträge solange in der Differenz zum ursprünglichen Antrag zu berücksichtigen, bis wieder der Zeitraum von 12 Monaten ab Antragserweiterung erreicht ist.
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Es ist zuzugeben, dass die Berechnung des Verfahrenswertes dadurch im Einzelfall schwieriger werden kann. Angesichts des Wortlautes und der Systematik der Vorschriften ist das aber ein Problem, das nur der Gesetzgeber lösen kann.
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Letzteres gilt auch, soweit man gegen diese Berechnungsweise einwenden kann, dass derjenige, der bereits zu Beginn des Verfahrens eine unterhaltserhöhende Änderung in der Zukunft (kurz vor oder sogar nach dem Ablauf der ersten 12 Monate nach dem ersten Antrag) in seinen Antrag aufnimmt, bei der Bemessung des Verfahrenswertes auf die ersten 12 Monate begrenzt wird, während derjenige, der die Erhöhung erst später im Verfahren geltend macht, einen höheren Verfahrenswert auslöst.
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Bei der hier vertretenen Ansicht kommt es aber zu keinem Wertungswiderspruch bei Vergleich mit der Festsetzung des Verfahrenswertes in einem nachfolgenden Abänderungsverfahren. Ist das erste Verfahren nämlich vor Ablauf der ersten 12 Monate nach Antragseinleitung beendet, müssen unterhaltserhöhende Tatsachen in einem nachfolgenden Abänderungsverfahren geltend gemacht werden. In diesem Verfahren würde sich der Verfahrenswert dann auch aus der zwölfmonatigen Differenz zum bereits titulierten Unterhaltsbetrag berechnet, und zwar sowohl hinsichtlich der zukünftigen Beträge als auch hinsichtlich derer, bei der das Vorliegen der Abänderungsvoraussetzungen schon für die Vergangenheit geltend gemacht wird. Verfahrenswertmäßig kann es keinen Unterschied machen, ob die Erhöhung noch im laufenden oder erst in einem Abänderungsverfahren geltend gemacht wird.
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3. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall:
41
a) Für den Verfahrensgegenstand Trennungsunterhalt ist im Zeitraum der ersten 12 Monate nach erster Antragstellung (Mai 2019 – April 2020) ein Verfahrenswert in Höhe von 12 x 1.157 Euro zu berechnen. Dies ergibt 13.884 Euro.
42
Dem Wert sind die bei Antragstellung fälligen Beträge in Höhe von 2.851 Euro gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG hinzurechnen, so dass sich ein Wert von 16.735 Euro ergibt.
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Für Wertbemessung des zweiten erweiternden Antrags vom 07.01.2020 ist zu beachten, dass sich der Antrag sowohl hinsichtlich der die nächsten 12 Monate geltend gemachten Beträge als auch hinsichtlich der Beträge, die bis Januar 2020 schon fällig sind, nur in der Differenz zu den schon mit dem ersten Antrag geltend gemachten Unterhaltsbeträgen wirtschaftlich unterscheidet. Somit sind sie auch nur insofern gemäß § 34 S. 1 FamGKG zusätzlich zu berücksichtigen.
44
Für die Wertbemessung nach dem zukünftigen 12 – Monatswert bedeutet das, dass für den Zeitraum Februar – April 2020 die Differenz zwischen dem zunächst geltend gemachten Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.157 Euro und dem neu geltend gemachten Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.425 Euro, also dreimal 268 Euro, zu berechnen sind (= 804 Euro). Insofern überschneiden sich die Anträge. Weil für den zweiten Antrag damit der 12 Monatszeitraum noch nicht ausgeschöpft ist, ist diese Differenz weitere 9 Mal hinzuzurechnen (= 2.412 Euro). Damit ergibt sich für den zukünftigen zwölfmonatigen Verfahrenswert ein Betrag in Höhe von 3.216 Euro.
45
Dem sind dann wieder die zum Zeitpunkt 07.01.2020 fälligen Beträge in der Differenz zum ursprünglichen Antrag gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG hinzuzurechnen.
46
Das sind im vorliegenden Fall:
für den Zeitraum Oktober 2018 – Mai 2019: 0 Euro,
für Juni 2019: 1642 Euro – 1157 Euro = 485 Euro,
für Juli 2019 – September 2019: 3 x (1646 Euro – 1157 Euro) = 3 x 489 Euro = 1.467 Euro,
für Oktober 2019 – Dezember 2019: 3 x (1442 Euro – 1157 Euro) = 3 x 285 Euro = 855 Euro,
für Januar 2020: 1425 Euro – 1157 Euro = 268 Euro, also insgesamt 3.075 Euro.
47
Damit ergibt sich für den zweiten Antrag ein gesamter Verfahrenswert in Höhe von 6.291 Euro.
48
Addiert nach § 33 FamGKG ergibt sich somit für beide Anträge ein Verfahrenswert in Höhe von 16.735 Euro + 6.291 Euro = 23.026 Euro.
49
Vereinfacht kann man im Ergebnis soweit sich die Monate innerhalb des durch den ersten Antrag ausgelösten 12 Monatszeitraum überschneiden, in einem ersten Schritt auch nur die in diesem Zeitraum erhöht geltend gemachten Beträge zusammenrechnen:
Mai 2019 1157 Euro
Juni 2019 1642 Euro
Juli 2019 1646 Euro
August 2019 1646 Euro
September 2019 1446 Euro
Oktober – Dezember 2019 1442 Euro
Januar 2020 – April 2020 1425 Euro
Gesamt: 17.763 Euro
50
Dem Wert von 17.763 Euro sind die bei der ersten Antragstellung fälligen Beträge in Höhe von 2.851 Euro gemäß § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG hinzurechnen, so dass sich ein Wert von 20.614 Euro ergibt.
51
Dem sind dann noch für die 9 x 268 Euro hinzuzurechnen, da sich der erweiterte Antrag nur um drei Monate mit dem ursprünglichen Antrag überschneidet (= 2.412 Euro), um den vollen weiteren 12 Monatszeitraum abzubilden.
52
Rechnet man diese Werte zusammen ergibt sich wieder ein Verfahrenswert in Höhe von 23.026 Euro.
53
b) Bezüglich der beiden Verfahrensgegenstände Kindesunterhalt ist zu berücksichtigen, dass hier Unterhalt nach § 1612 a – § 1612 c BGB, also Unterhalt als Prozentsatz vom Mindestunterhalt verlangt wurde. Für diesen Fall bestimmt § 51 Abs. 1 S. 2 FamGKG, dass dem 12- fachen Wert nach § 51 S. 1 FamGKG der Monatsbetrag des zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags geltenden Mindestunterhalts nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Altersstufe zugrunde zu legen ist. Es wird hier nicht dynamisch auf die der Antragseinreichung folgenden zwölf Monate abgestellt, vielmehr haben hier nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nachfolgende Veränderungen keinen Einfluss auf den Wert (Schneider in: Schneider/ Volpert/Fölsch, FamGKG, 4. Auflage, § 51 Rn. 21).
54
Der Berechnung des Verfahrenswertes bezüglich des Kindesunterhalts hat das Amtsgericht demnach korrekt das Abänderungsinteresse in Bezug auf den bereits titulierten Unterhalt in Höhe von 115% des Mindestunterhalts sowie die geltend gemachten fälligen Beträge von Oktober 2018 – April 2019 zugrunde gelegt, so dass bezüglich des Kindesunterhalts ein Verfahrenswert in Höhe von insgesamt 3.951,16 Euro festzusetzen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung im Beschluss vom 12.09.2024 Bezug genommen.
55
Die teilweise Antragsrücknahme hinsichtlich des für die Monate Juni – September 2019 nicht mehr verlangten und ab Oktober 2019 auf 10 Euro reduzierten Mehrbedarfs spielt für die Bemessung des Verfahrenswertes keine Rolle.
56
Damit ergibt sich insgesamt ein Verfahrenswert in Höhe von 26.977,16 Euro (23.026 Euro + 3.951,16 Euro, § 33 FamGKG).
III.
57
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
58
Die Beschwerdeentscheidung ist nicht anfechtbar (§ 59 Abs. 1 Satz 5, § 57 Abs. 7 FamGKG).