Inhalt

LG Regensburg, Anerkenntnisurteil v. 12.03.2025 – 1 HK O 2309/24
Titel:

Elektronisches Dokument, Anlaß zur Klage, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Nahrungsergänzungsmittel, Streitwert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Sachverständigenbeweis, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Anerkenntnisurteil, Qualifizierte elektronische Signatur, Sekundäre Darlegungslast, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Novel-Food-Verordnung, Rechtsbehelfsbelehrung, Ordnungshaft, Kosten des Rechtsstreits, Abmahnung

Schlagworte:
Anerkenntnisurteil, Verzug, Abmahnung per E-Mail, Zugang von Willenserklärungen, Beweislast, Klageanlass, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.04.2025 – 3 W 712/25 UWG
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18122

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr
1.1.1.1.1.1.
das Produkt „...“ als Lebensmittel zu vertreiben und/oder zu bewerben, sofern für dieses Produkt keine Zulassung nach der Novel-Food-Verordnung (EU) 2015/2283 besteht,
insbesondere zu bewerben:
1.1. „Auch als Nahrungsergänzungsmittel und Lebensmittel beliebt“,
1.2. „Es ist ... auch zur inneren Anwendung als Nahrungsergänzungsmittel beliebt“,
1.3. „Als Nahrungsergänzungsmittel kommt das ... aufgrund ... Bestandteile sowie der hohen Menge an ... in Frage“,
1.4. „Anwendung als Nahrungsergänzungsmittel ... wird aufgrund des enthaltenen ... gerne bei Beschwerden in den Wechseljahren eingesetzt, um den Hormonhaushalt auf natürliche Weise zu regulieren. Außerdem haben die ... eine entgiftende Wirkung auf den Körper. Des Weiteren begeistert der hohe Gehalt der ...,
2.2.2.
für das Produkt „...“ zur äußerlichen Anwendung zu werben:
2.1. „Weiterhin kann äußerlich angewendetes ... Sonnenbrand und Schürfwunden lindern“,
2.2. „... wird sogar gegen Haarausfall eingesetzt“,
jeweils wenn dies geschieht wie in der Anlage K 4 wiedergegeben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 357,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.01.2025 zu zahlen.
III. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

– von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313 b ZPO abgesehen –
1
1. Das Urteil beruht in der Hauptsache auf dem Anerkenntnis des Beklagten, § 307 S. 1 ZPO.
2
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO, da der Beklagte unterliegt.
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Die Voraussetzungen des § 93 ZPO, nach dem die Prozesskosten dem Kläger auferlegt werden können, liegen nicht vor.
4
a) Zwar liegt ein Anerkenntnis nach § 307 S. 1 ZPO vor, welches auch sofort im Sinne des § 93 ZPO stattfand. Vorliegend hat der Beklagte den Anspruch des Klägers bereits in der Klageerwiderungsschrift am 30.01.2025 anerkannt.
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b) Der Beklagte kann aber nicht nachweisen, dem Kläger keinen Anlass zur Klage gegeben zu haben.
6
Der Kläger hat nach seinem Vortrag dem Beklagten am 15.10.2024 eine Mail geschrieben und ihn damit zur Abgabe einer Unterlassungserklärung innerhalb einer Frist bis zum 25.10.2024 aufgefordert. Der Beklagte hat auf diese Mail nicht reagiert. Mit Ablauf der in der E-Mail gesetzten Frist befand sich der Beklagte in Verzug und hat damit Anlass zur Klage gegeben.
7
Ein sich in Verzug befindender Beklagter gibt grundsätzlich Anlass zur Klage, da das Nichtreagieren des Beklagten auf die Mahnung dem Kläger signalisiert, er werde nicht freiwillig leisten. Eine Klageerhebung war somit aus Sicht des Klägers geboten.
8
Eine Abmahnung per E-Mail zu versenden ist grundsätzlich zulässig, da diese keine bestimmte Form voraussetzt (vgl. auch § 286 BGB). Der Kläger hat dargelegt, dass die mit der E-Mail verschickte Abmahnung derart in den Machtbereich des Beklagten gelangt ist, dass dieser auch nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen konnte. Zu diesem Machtbereich des Beklagten gehört auch sein E-Mail-Postfach. Vollendet ist der Zugang dann, wenn die Kenntnisnahme durch den Beklagten möglich und nach der Verkehrsanschauung auch zu erwarten ist. Ob der Beklagte die E-Mail dann wirklich geöffnet und gelesen hat, ist irrelevant. Die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme reicht somit aus.
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Der Beklagte kann sich dagegen nicht mit Erfolg darauf berufen, die Abmahnung nicht erhalten zu haben. Für den Nichtzugang wäre im Rahmen des § 93 ZPO der Beklagte beweisbelastet (vgl. Zöller-Herget, ZPO, § 93 Rn. 6.11 mit zahlreichen Nw.); diesen Beweis führt er aber nicht.
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Der Kläger hat das Absenden, sowie die Übertragung der E-Mail an die Mailadresse des Beklagten hinreichend dargelegt. Ein entsprechender Logbuchauszug, welcher die Übertragung der E-Mail an die Mailadresse des Beklagten darlegt, sowie die entsprechende E-Mail wurden dem Gericht vorgelegt. Damit ist dargelegt, dass die Mahnung in den Machtbereich des Klägers übertragen wurde und dieser somit die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte. Der Kläger hat somit einer ggf. bestehenden sogenannten sekundären Darlegungslast genügt.
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Wenn die Beklagtenseite nun (Schriftsatz vom 11.03.2025) vorträgt, ein Logfile könne manipuliert sein, und es bestehe technisch die Möglichkeit, dass die Mail das Postfach des Empfängers trotz Server-Logins nicht erreicht habe, und hierzu Sachverständigenbeweis angeboten wird, ist dies für sie unbehelflich. Der Erfolg dieser Behauptungen, so sie als erwiesen erachtet würde, wäre lediglich, dass der Zugang der Mail nicht bewiesen wäre, aber nicht, dass der Nichtzugang bewiesen wäre. Dies würde der Beweislast des Beklagten aber nicht genügen.
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3. Das Urteil ist nach § 708 Nr. 1 ZPO vorläufig vollstreckbar.