Titel:
Nachweiserfordernis für Haftung eines Fußballspielers bei Regelverstoß
Normenkette:
BGB § 823
Leitsätze:
1. Teilnehmer eines sportlichen Kampfspiels mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential – namentlich eines Fußballspiels –, bei dem typischerweise selbst bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder bei geringfügigen Regelverstößen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, nehmen grundsätzlich Verletzungen durch einen anderen – regelmäßig der Gegenpartei angehörenden – Spieler in Kauf, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden sind. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Damit greift ein Haftungsausschluss bei sportlicher Betätigung für den Fall, dass kein oder kein gewichtiger Regelverstoß bzw. kein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers feststellbar ist; dabei ist ein besonderer, durch die Eigenart des Sports – hier: Fußball – geprägter Maßstab anzulegen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Zweikampf um den Ball, bei dem ein oder beide Spieler mitunter zu Fall kommen, gehört zum Wesen eines Fußballspiels und begründet deshalb für sich genommen keinen Sorgfaltspflichtverstoß. Auch alleine aus der Tatsache, dass dabei der Unterschenkel des Gegenspielers getroffen wird, kann ebenso wenig ein regelwidriges Verhalten hergeleitet werden wie ein sog. „Grätschsprung“ für sich noch nicht den Schluss auf ein haftungsrelevantes Verschulden gestattet. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es kommt für die Frage der Haftung entscheidend darauf an, ob der Angriff eines Spielers darauf gerichtet war, den Ball zu treffen und dadurch der Kontrolle des Gegenspielers zu entziehen, dabei aber absichtslos fehlgegangen ist, oder ob eine Spielsituation vorgelegen hat, bei der es aus Sicht des Spielers als aussichtslos erscheinen musste, den Ball noch zu treffen, und sein Angriff daher tatsächlich nur noch dem Gegenspieler selbst gelten konnte in der Absicht, ihn dadurch an der weiteren Ballführung zu hindern. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
5. Beweispflichtig für einen Regelverstoß ebenso wie für dessen Gewicht und die grobe Fahrlässigkeit des Schädigers insoweit ist der Geschädigte. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fußballspiel, Haftung, Verletzung, Regelverstoß, Foul
Vorinstanz:
LG München II, Endurteil vom 05.09.2024 – 8 O 5274/20
Fundstellen:
SpuRt 2025, 180
LSK 2025, 1811
BeckRS 2025, 1811
Tenor
I. Der Senat weist nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 05.09.2024, Az. 8 O 5274/20, gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
II. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger macht gegen den Beklagten materielle und immaterielle Schadenersatzansprüche geltend aufgrund einer bei einem Amateur-Fußballspiel am 08.10.2017 in W... erlittenen Verletzung am rechten Unterschenkel, an dem die Parteien jeweils als Spieler gegnerischer Mannschaften teilnahmen.
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Im Kern behauptet der Kläger, selbst Spieler des A... e.V., aus der Abwehr der gegnerischen Mannschaft, des W... e.V., sei ein hoher Ball geschlagen worden, den er versucht habe, zu erreichen. Er sei in Richtung des Balles und des Tores seiner Mannschaft gelaufen. Er habe den Beklagten, Gegenspieler des W... e.V., nicht gesehen. Ohne dass der Beklagte eine Chance gehabt habe, den Ball zu treffen, sei dieser dem Kläger hinterher gelaufen und habe ihm von recht hinten mit gestrecktem Bein gegen das rechte Schien- und Wadenbein getreten. Der Beklagte habe nicht nur keine Chance gehabt, den Ball zu erreichen, sondern ein schweres vorsätzliches Foul (sog. „Blutgrätsche“) begangen. Der Fußschlag des Beklagten sei nicht gegen den Ball gerichtet gewesen, sondern nur gegen den Körper des Klägers.
3
Dagegen behauptet der Beklagte im Wesentlichen, der hohe Ball zu Beginn der zweiten Halbzeit sei durch einen hohen Abschlag des Torwarts des A... e.V. in Richtung Mittellinie entstanden und nicht aus der Abwehr W... e.V. heraus. Der Beklagte sei daraufhin dem sich absenkenden Ball entgegen gelaufen. Auch der Kläger sei aus Sicht des Beklagten von rechts kommend in Richtung des Balls gelaufen. Beide hätten zunächst nach oben geblickt, um die Flugbahn des Balls zu verfolgen. Der Beklagte sei als erster an den Ball gekommen und habe diesen in Richtung Seitenaus geschossen. Dem Kläger sei es nicht gelungen, den Ball zu spielen. Der Kläger sei vielmehr bei dem Versuch, den Ball zu erreichen, gestürzt und mit seinem Bein auf den Unterschenkel des Beklagten gefallen. Ein sog „Abgrätschen“ durch den Beklagten – das im Übrigen ein übliche und durchaus erlaubte Technik im Fußballspiel sei, soweit sie dem Ball und nicht dem Gegner gelte – habe es nicht gegeben.
4
Der Kläger wies nach dem Spielvorfall am rechten Unterschenkel einen offenen Schien- und Wadenbeinbruch in der Mitte (komplette distale Unterschenkelfraktur rechts), anschließend eine Großzehenheberschwäche und ein posttraumatisches Kompartmentsyndrom auf. Er befand sich deswegen mehrfach stationär zur Behandlung in unterschiedlichen Kliniken. Der Kläger behauptet zudem weitere unfallkausale physische und psychische Folgeschäden.
5
Wegen des Sachverhalts und des erstinstanzlichen Parteivortrages im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts (Bl. 259 ff. d. LG-Akte) verwiesen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO. Änderungen oder Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
6
Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit Bezug genommen wird, die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe den von ihm dargestellten objektiv groben Regelverstoß bei subjektiv mindestens grober Fahrlässigkeit des Beklagten nicht zu seiner Überzeugung nachweisen können. Daher sei das Landgericht nicht von der klägerischen Version der regelwidrigen „Blutgrätsche“ überzeugt. Stattdessen hält das Landgericht einen regelkonformen sog. „Pressschlag“ im Kampf um den Ball, d.h. einen gleichzeitigen Versuch der beiden Spieler, den Ball zu spielen bzw. zu schießen, für am wahrscheinlichsten.
7
Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 04.10.2025 (Bl. 1 f. d. OLG-eAkte) eingelegte und mit Schriftsatz vom 02.12.2025 (Bl. 11 ff. d. OLG-eAkte) begründete Berufung des Klägers. Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen die ihm nachteilige Beweiswürdigung des Landgerichts. Es gebe konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründeten und deshalb eine erneute Feststellung durch den Senat gebieten würden.
8
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und zu erkennen wie folgt:
- 1.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 35.000 € aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Klageerhebung zu bezahlen.
- 2.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag von 63.832,79 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klageerhebung zu bezahlen.
- 3.
-
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Kosten in Höhe von 1.832 € zu bezahlen.
- 4.
-
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die dem Kläger aus dem Vorfall vom 08.10.2017 entstanden sind beziehungsweise noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Versicherungsträger oder einen Dritten übergegangen ist.
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Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 02.12.2025 (Bl. 11 ff. d. OLG-eAkte), die Berufungserwiderung vom 23.01.2025 (Bl. 36 ff. d. OLG-eAkte) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
11
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung des Klägers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
12
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die angefochtene Entscheidung des LG München II lässt einen entscheidungserheblichen Rechtsfehler zu Lasten des Klägers nicht erkennen. Das Landgericht ist mit zutreffender und überzeugender Begründung davon ausgegangen, dass sich der Beklagte nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht gemäß § 823 Abs. 1, 2 i.V.m. § 223 Abs. 1 StGB, § 249 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, § 253 Abs. 2 BGB schadensersatzpflichtig gemacht hat.
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Anzumerken bleibt nur Folgendes:
15
1. a) Sport hat sich aus den Kampfübungen und -spielen von Kriegergesellschaften entwickelt und ist deshalb seit jeher keine ungefährliche Tätigkeit, wenn die Sportausübung heute auch nicht mehr der Einübung von Kampftechniken dient, sondern die Sehnsucht nach kontrolliertem Ausbrechen aus dem weitgehend gefahrlosen Alltag befriedigt; folgerichtig kommt es bei der Sportausübung immer wieder zu Unfällen und anschließenden Haftungsprozessen (Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 823 Rz. 893).
16
Dabei stellt sich die zentrale Frage, ob der Umstand der freiwilligen Teilnahme an sportlichen Aktivitäten unter Inkaufnahme der damit verbundenen Verletzungsrisiken die Haftung mindert oder ausschließt. Dabei ist stets darauf zu achten, die Sorgfaltsanforderungen nicht zu überspannen, sondern an der tatsächlichen Situation und an den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer auszurichten (BGH, Urteil v. 02.02.2022, Az. XII ZR 46/21, Rz. 19; Urteil v. 27.10.2009, Az. VI ZR 296/08, Rz. 10; Wagner in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl., § 823 Rz. 893; Voigt in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.11.2024, § 823 BGB Rz. 550).
17
Ob und in welchem Umfang bei Sportveranstaltungen die Haftung der Teilnehmer untereinander mit Blick auf sportartspezifische und von den Teilnehmern jedenfalls konkludent hingenommene Gefahren eingeschränkt oder ausgeschlossen ist, wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur in mannigfaltiger Weise – namentlich unter den Gesichtspunkten eines spezifischen (eingeschränkten) Fahrlässigkeitsmaßstabs, eines stillschweigenden Haftungsausschlusses, eines Handelns auf eigene Gefahr, einer Einwilligung oder der Treuwidrigkeit der Inanspruchnahme des Sportkameraden – diskutiert (vgl. statt vieler bspw. Höpfner in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2021, § 254 Rz. 66; Voigt in: beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.11.2024, § 823 BGB Rz. 550 ff.; Oetker in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. § 254 Rz. 68; Wilhelmi in: Erman, BGB, 17. Aufl., § 823 Rz. 102 ff; Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 254 Rz. 33; Sprau in: Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 823 Rz. 190 ff.; Zoll/Fad/Zapf/Kürschner/Rüge/Fahl/vom Brocke/Schumacher/Sapp/Reul in: Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 17. Aufl., § 2 Rz. 134 ff.).
18
Nach der Rechtsprechung nehmen Teilnehmer eines sportlichen Kampfspiels mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential – namentlich eines Fußballspiels –, bei dem typischerweise selbst bei Einhaltung der Wettkampfregeln oder bei geringfügigen Regelverstößen die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügung besteht, grundsätzlich Verletzungen durch einen anderen – regelmäßig der Gegenpartei angehörenden – Spieler in Kauf, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden sind (BGH, Urteil v. 01.04.2003, Az. VI ZR 321/02, juris Rz. 23; Urteil v. 05.11.1974, Az. VI ZR 100/73, juris Rz. 7; OLG Hamm, Beschluss v. 04.07.2005, Az. 34 U 81/05, juris Rz. 4; OLG Hamburg, Urteil v. 18.12.2000, Az. 8 U 116/00, juris Rz. 3; OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.11.1991, Az. 10 U 80/91, juris Rz. 4).
19
Damit greift ein Haftungsausschluss bei sportlicher Betätigung für den Fall, dass kein oder kein gewichtiger Regelverstoß bzw. kein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers feststellbar ist (OLG Karlsruhe, Urteil v. 19.03.2004, Az. 23 U 6/03 BSch, juris Rz. 18). Dabei ist ein besonderer, durch die Eigenart des Sports – hier Fußball – geprägter Maßstab anzulegen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 29.11.1996, Az. 22 U 114/96, juris Rz. 10).
20
Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Haftungsrisiko eines Fußballspielers überschaubar und in wirtschaftlich tragbarer Weise versicherbar sein muss (BGH, Urteil v. 05.11.1974, Az. VI ZR 125/73, juris Rz. 10; Urteil v. 05.11.1974, Az. VI ZR 100/73, juris Rz. 12; OLG Hamburg, Urteil v. 18.12.2000, Az. 8 U 116/00, juris Rz. 3).
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Für die Frage des Verschuldens sind die Besonderheiten eines Fußballspiels als schnellem und bisweilen hektischem Kampfspiel zu berücksichtigen. Das Spielgeschehen fordert von dem einzelnen Spieler oft Entscheidungen und Handlungen, bei denen er in Bruchteilen einer Sekunde Chancen abwägen und Risiken eingehen muss, um dem Spielzweck erfolgreich Rechnung zu tragen. Bei einem so angelegten Spiel darf der Maßstab für einen Schuldvorwurf nicht allzu streng bemessen werden (insg. hierzu OLG Köln, Beschluss v. 16.08.2010, Az. 11 U 96/10, juris Rz. 2; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil v. 11.07.2000, Az. 10 U 59/00, juris Rz. 2).
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Bei geringfügigen Regelverstößen in wettbewerbstypischen Risikolagen – wie zum Beispiel bei noch verständlichem, übereifrigem Spieleinsatz, bei bloßer Unüberlegtheit, bei wettkampfbedingter Übermüdung oder im Zusammenhang mit einem (leicht) fahrlässigen technischen Versagen – scheidet danach eine Inanspruchnahme des Schädigers regelmäßig aus (OLG Hamm, Beschluss v. 04.07.2005, Az. 34 U 81/05, juris Rz. 4).
23
Verhaltensweisen eines Mitspielers, die sich noch im Grenzbereich zwischen kampfbetonter Härte und unzulässiger Unfairness bewegen, begründen daher trotz des Vorliegens eines objektiven Regelverstoßes keine Schadensersatzansprüche (OLG Hamm, Urteil v. 07.02.2017, Az. I-9 U 197/15, juris Rz. 18; OLG München, Urteil v. 25.02.2009, Az. 20 U 3523/08, juris Rz. 38; OLG Hamm, Beschluss v. 04.07.2005, Az. 34 U 81/05, juris Rz. 4; OLG Hamburg, Urteil v. 18.12.2000, Az. 8 U 116/00, juris Rz. 3; OLG Stuttgart, Urteil v. 09.03.2000, Az. 7 U 166/99, juris Rz. 3).
24
Der Zweikampf um den Ball, bei dem ein oder beide Spieler mitunter zu Fall kommen, gehört zum Wesen eines Fußballspiels und begründet deshalb für sich genommen keinen Sorgfaltspflichtverstoß (BGH, Urteil v. 27.10.2009, Az. VI ZR 296/08, Rz. 13). Auch alleine aus der puren Tatsache, dass dabei der Unterschenkel des Gegenspielers getroffen wird, kann ebenso wenig ein regelwidriges Verhalten hergeleitet werden (OLG Stuttgart, Urteil v. 11.07.2000, Az. 10 U 59/00, juris Rz. 2) wie ein sog. „Grätschsprung“ für sich noch nicht den Schluss auf ein haftungsrelevantes Verschulden gestattet (OLG Köln, Beschluss v. 16.08.2010, Az. 11 U 96/10, juris Rz. 3), da dies eine allgemein anerkannte Abwehrmethode darstellt, die jedenfalls dann nicht zu beanstanden ist, wenn der Angriff dem Ball und nicht dem Gegenspieler gilt, auch wenn dieser dabei zu Boden geht (OLG Nürnberg, Urteil v. 09.06.1997, Az. 5 U 439/97, juris Rz. 7).
25
Es kommt für die Frage der Haftung vorliegend darauf an, ob der Angriff des Beklagten darauf gerichtet war, den Ball zu treffen und dadurch der Kontrolle des Klägers zu entziehen, dabei aber absichtslos fehlgegangen ist, oder ob eine Spielsituation vorgelegen hat, bei der es aus Sicht des Beklagten als aussichtslos erscheinen musste, den Ball noch zu treffen, und sein Angriff daher tatsächlich nur noch dem Kläger selbst gelten konnte in der Absicht, ihn dadurch an der weiteren Ballführung zu hindern (vgl. hierzu OLG Köln, Beschluss v. 16.08.2010, Az. 11 U 96/10, juris Rz. 3; OLG Stuttgart, Urteil v. 09.03.2000, Az. 7 U 166/99, juris Rz. 6).
26
b) Beweispflichtig für einen Regelverstoß ebenso wie für dessen Gewicht und die grobe Fahrlässigkeit des Schädigers insoweit ist der Geschädigte – mithin vorliegend der Kläger (BGH, Urteil v. 27.10.2009, Az. VI ZR 296/08, Rz. 10 f.; Urteil v. 01.04.2003, Az. VI ZR 321/02, juris Rz. 23; OLG Celle, Urteil v. 16.10.2008, Az. 5 U 66/08, juris Rz. 29; OLG Dresden, Urteil v. 09.09.2008, Az. 5 U 762/08, juris Rz. 13; OLG Stuttgart, Urteil v. 11.07.2000, Az. 10 U 59/00, juris Rz. 2; OLG Hamm, Urteil v. 22.05.1997, Az. 6 U 56/96, juris Rz. 11).
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2. Diesen Nachweis vermochte der Kläger jedoch nicht zu erbringen.
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a) Tatsachen, welche die rechtliche Beurteilung erlauben würden, der Beklagte habe schuldhaft und in grober Weise gegen eine dem Schutz des Klägers dienende Spielregel oder gegen das Fairnessgebot verstoßen, hat das Landgericht nicht feststellen können.
29
Es ist nach eigener Beweiswürdigung in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Aussagen der von den beiden Parteien benannten Zeugen gegenüberstehen, so dass es keinen sicheren Schluss für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers zu ziehen vermöge.
30
Das Landgericht konstatiert, dass bei den Angaben der von ihm vernommenen Zeugen durchgehend auffalle, dass die Zeugen, die mit dem Sportverein des Klägers – dem A... e.V. – verbunden seien, die Version des Klägers bestätigten und die Zeugen, die mit dem Sportverein des Beklagten – dem W... e.V. – verbunden seien, mehr oder weniger die Version des Beklagten berichteten, jedenfalls nicht die vom Kläger behauptete „Blutgrätsche“. Daher erachtet es das Landgericht für wahrscheinlich, dass für die Zeugen die Verbundenheit mit dem eigenen Mannschaftsmitglied wesentlich höher bewertet worden sei als die Wahrheit. Lediglich der Zeuge E... habe als Mitglied der W... Mannschaft die – von keiner Partei behauptete – Version eines „Pressschlages“ angegeben. Der einzig neutrale Zeuge, der Schiedsrichter M..., habe ebenfalls einen „Pressschlag“ im Kampf um den Ball bestätigt. Das Landgericht vermag keinen vernünftigen Grund zu erkennen, warum es gerade von diesem neutralen Zeugen mit der Unwahrheit bedient worden sein sollte. Der Zeuge M... habe seine Angaben erkennbar aus der Erinnerung heraus, sachlich, ruhig und ohne Belastungseifer gemacht und vor allem den Eindruck erweckt, sich in seiner schiedsrichterlichen Unabhängigkeit grundsätzlich nicht beeinträchtigen zu lassen.
31
Das Landgericht stellt in seine Überlegungen zudem ein, dass der Beklagte selbst sich gar nicht mit der Version „Pressschlag“ verteidigt habe, sondern mit einer „wachsweichen und unpräzisen Spielablaufschilderung“, die nach sachverständiger Beratung biomechanisch erwiesenermaßen gerade nicht zur gegenständlichen Verletzung geführt haben könne.
32
Das Landgericht vermag daraus allerdings nicht den zwingenden Rückschluss zu ziehen, dass, falls man dem Beklagten nicht glaube, dann nur die klägerische Sachverhaltsschilderung einer „Blutgrätsche“ richtig sein könne, wenn doch der aus seiner Sicht glaubwürdige Zeuge M... in glaubhafter Weise von einem wiederum ganz anderen Sachverhalt berichtet habe: einem „Pressschlag“ im Kampf um den Ball.
33
Nach dem verletzungsmechanischen Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. S... könne die vorliegende Unterschenkelfraktur des Klägers nachvollzogen werden sowohl als direkte Kontaktverletzung als auch durch einen „Pressschlag“. Damit habe der Gutachter den – vom Kläger behaupteten – Schlag von hinten rechts nicht beweissicher fixieren können. Aber selbst gänzlich andere Szenarien mit einem Kontakt am rechten Unterschenkel bei einer Rotationsbewegung des Klägers und fixiertem Fuß könnten aus biomechanischer Sicht nachvollzogen werden. Eine sichere Sachaufklärung ohne weitere Anknüpfungspunkte sei dem Gutachter nicht möglich gewesen. Zweifel an der fachlichen Richtigkeit der Ergebnisse und Bewertungen des Sachverständigen Dr. S... bestehen für das Landgericht nicht. Der Gutachter habe die gesamten ihm zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen erhoben und ausgewertet. Die Ergebnisse seiner Untersuchung habe er umfassend dokumentiert und anschaulich gemacht. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung habe der Sachverständige die Fragen der Parteien klar, verständlich und überzeugend beantwortet.
34
Unter Würdigung aller dieser Umstände kommt das Landgericht nicht zur Überzeugung, dass der Kläger durch die von ihm behauptete „Blutgrätsche“ des Beklagten verletzt wurde.
35
b) Daran ist der Senat gebunden.
36
aa) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten.
37
Die zivilrechtliche Berufung ist keine vollwertige zweite Tatsacheninstanz, sondern dient in erster Linie der Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils auf korrekte Anwendung des materiellen Rechts sowie auf Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen und Beseitigung etwaiger Fehler. Die Konzentration der Tatsachenfeststellungen in erster Instanz wird dadurch bewirkt, dass das Berufungsgericht grundsätzlich an die fehlerfrei gewonnenen Erkenntnisse der ersten Instanz gebunden ist (BGH, Beschluss v. 24.11.2009, Az. VII ZR 31/09, Rz. 8; Senatsbeschluss vom 02.01.2023, Az. 19 U 3350/22, juris Rz. 79; OLG Naumburg, Urteil v. 12.01.2007, Az. 10 U 42/06, juris Rz. 54).
38
Der Senat hat insbesondere diejenigen Tatsachen als festgestellt anzusehen, zu denen das Landgericht aufgrund einer freien Beweiswürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Entscheidung getroffen hat, dass sie als wahr oder nicht wahr zu erachten seien (BGH, Urteil v. 19.03.2004, Az. V ZR 104/03, juris Rz. 14; Senatsbeschluss vom 02.01.2023, Az. 19 U 3350/22, juris Rz. 80). Dies bewirkt eine Einschränkung der berufungsrechtlichen Kontrolle der erstgerichtlichen Beweiswürdigung (Nober in: Anders/Gehle, ZPO, 83. Aufl., § 286 Rz. 13).
39
Die Wiederholung der Beweisaufnahme steht nicht im reinen Ermessen des Berufungsgerichts (Senatsbeschluss vom 02.01.2023, Az. 19 U 3350/22, juris Rz. 81). Sie ist im Sinne eines gebundenen Ermessens vielmehr nur dann zulässig, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen begründen (OLG Schleswig, Beschluss v. 18.11.2024, Az. 7 U 66/24, juris Rz. 31; Beschluss v. 10.02.2021, Az. 7 U 200/20, juris Rz. 6). Zweifel i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO sind dann begründet, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschluss v. 21.03.2018, Az. VII ZR 170/17, Rz. 15; Urteil v. 03.06.2014, Az. VI ZR 394/13, Rz. 10; Urteil v. 15.07.2003, Az. VI ZR 361/02, juris Rz. 6).
40
Konkrete Anhaltspunkte hierfür lägen etwa vor, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich wäre oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen würde (BGH, Urteil v. 16.04.2013, Az. VI ZR 44/12, Rz. 13; Urteil v. 08.07.2008, Az. VI ZR 274/07, Rz. 7; Urteil v. 01.10.1996, Az. VI ZR 10/96, juris Rz. 21; OLG Koblenz, Beschluss v. 25.01.2018, Az. 2 U 664/16, juris Rz. 24; OLG Karlsruhe, Urteil v. 21.10.2008, Az. 17 U 212/07, juris Rz. 20; KG, Beschluss v. 30.05.2014, Az. 6 U 54/14, juris Rz. 4).
41
bb) Solche konkreten Anhaltspunkte werden weder vom Kläger mit der Berufung vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Die Beanstandung der Beweiswürdigung durch den Kläger ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Beweiswürdigung des Landgerichts aufzuzeigen.
42
aaa) Bereits die Grundannahme des Klägers in der Berufungsbegründung, laut dem Sachverständigen Dr. S... kämen angeblich als mögliche Ursachen für die Verletzungen des Klägers nur entweder der vom Kläger geschilderte Sachverhalt oder aber ein „Pressschlag“ zwischen den beiden Fußballspielern in Betracht, liegt neben der Sache.
43
Im dessen Gutachten vom 14.12.2023 (Bl. 163 ff. d. LG-Akte) ist ausdrücklich ausgeführt (S. 39 ff. = Bl. 201 ff. d. LG-Akte), dass über den vom Kläger behaupteten Schlag des Beklagten von der rechten Seite auf das körpergewichtsbelastete rechte Bein einerseits oder einen „Pressschlag“ der Parteien andererseits hinaus andere Szenarien mit einem Kontakt am rechten Unterschenkel des Klägers bei einer Rotationsbewegung des Klägers und fixiertem Fuß aus biomechanischer Sicht nachvollzogen werden könnten. Mangels weiterer Anknüpfungstatsachen zur Bewegung, zum Kontakt und zur Endlagesituation der Parteien zueinander könne eine weitere Sachaufklärung indessen nicht erfolgen. Lediglich der vom Beklagten behauptete Geschehensablauf könne nicht widerspruchsfrei die diagnostizierten Verletzungen des Klägers erklären.
44
bbb) Der klägerische Einwand, das Landgericht habe in seinen Entscheidungsgründen die Beweiswürdigung des Klägers unberücksichtigt gelassen habe, geht fehl.
45
Nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Tatgericht selbst unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Gemäß § 286 Abs. 1 S. 2 ZPO sind in dessen Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Die Beweiswürdigung ist dabei stets von dem erkennenden Gericht, dem die Entscheidung in der Sache obliegt – hier dem Landgericht –, vorzunehmen (Nober in: Anders/Gehle, ZPO, 83. Aufl., § 286 Rz. 8). Die Beweiswürdigung ist folglich ureigene Aufgabe des Tatrichters. Welche Beweiswürdigung der Kläger vornimmt, und ob diese sich aus seiner eigenen Sicht als „logische“ und „nachvollziehbare“ darstellt, ist dabei ohne Belang.
46
ccc) Selbst das vom Kläger postulierte Beweisergebnis unterstellt, dass der für die Annahme eines „Pressschlages“ notwendige gegenläufige Bewegungsablauf der beteiligten Spieler von keinem der Zeugen habe bestätigt werden können – was angesichts der insoweit gegenteiligen Aussagen der Zeugen M... und E... fern liegt –, führte dies nicht zu der vom Klägers als zwangsläufig betrachteten Schlussfolgerung, dass demnach nur der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf als einzig mögliche Ursache für seine erlittenen Verletzungen in Betracht komme und richtigerweise habe der Entscheidung des Landgerichts zu Grunde gelegt werden müssen.
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Wie oben ausgeführt, beruht dies aus einem fehlerhaften Verständnis der Ausführungen des gerichtlichen Gutachters durch den Kläger. Danach können auch andere Abläufe bei dem Zweikampf der Parteien zur diagnostizierten Unterschenkelfraktur des Klägers geführt haben, was mangels weiterer Anknüpfungstatsachen nicht mehr aufklärbar ist.
48
ddd) Zudem ist der klägerische Berufungsvortrag falsch, dass das Landgericht seine Entscheidung und damit die Abweisung der Klage allein auf die Annahme eines möglichen „Pressschlages“ stützt.
49
Es geht zwar von einer (hohen) Wahrscheinlichkeit eines derartigen Sachverhalts aus. Das Ersturteil stützt sich jedoch tragend darauf, dass das Landgericht nicht von der klägerischen Version der „Blutgrätsche“ überzeugt ist, was der oben dargestellten Beweislastverteilung entspricht. Der Beklagte ist weder verpflichtet, seine Darstellung des Geschehens zu beweisen, noch eine dritte, von Zeugen ins Spiel gebrachte Version, die er sich auch nach dem Klagevortrag überhaupt nicht zu eigen gemacht hat. Dagegen obliegt es dem Kläger als Anspruchsteller, zur gerichtlichen Überzeugung darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklage mindestens grob fahrlässig den behaupteten gewichtigen Regelverstoß beging. Gelingt ihm das nicht, bleibt er – wie hier – beweisfällig.
50
eee) Wenn der Kläger bemängelt, das Landgericht würdige die Aussagen der vernommenen Zeugen falsch, da den Aussagen der klägerischen Zeugen „ein hoher Beweiswert“ zukomme, während im Gegensatz dazu der „fehlende Beweiswert“ der Aussagen der Zeugen des Beklagten stehe, so vermag dies der klägerischen Berufung ebenso nicht zum Erfolg zu verhelfen.
51
Der Kläger versucht damit lediglich – berufungsrechtlich unbehelflich – seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Landgerichts zu setzen, was, wie der Beklagte zutreffend vorträgt, „menschlich nachvollziehbar“ sein mag, rechtlich indes unerheblich ist.
52
fff) Das Landgericht hat nicht durch das Übergehen eines klägerischen Beweisangebots dessen Recht auf rechtliches Gehör verletzt.
53
a) Aus dem Recht der Parteien auf Beweis und ihrem Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ergibt sich grundsätzlich die Pflicht der Gerichte, die von den Parteien angebotenen entscheidungserheblichen Beweismittel auszuschöpfen. Die Nichtberücksichtigung eines als erheblich anzusehenden Beweisangebots verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerfG, Beschluss v. 01.08.2017, Az. 2 BvR 3068/14, Rz. 48; Beschluss v. 08.11.1978, Az. 1 BvR 158/78, juris Rz. 11).
54
Der Tatrichter darf entsprechend § 244 Abs. 3 S. 3 StPO von der Erhebung zulässiger und rechtzeitig angetretener Beweise nur absehen, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder die Richtigkeit der unter Beweis gestellten Tatsache bereits erwiesen oder zugunsten des Antragstellers zu unterstellen ist; dabei ist größte Zurückhaltung geboten (BGH, Urteil v. 19.06.2000, Az. II ZR 319/98, juris Rz. 25; Urteil v. 19.05.1998, Az. XI ZR 216/97, juris Rz. 20).
55
Die Ablehnung eines Beweisantrages im Zivilprozess bedarf – anders als im Strafprozess (§ 244 Abs. 6 StPO) – keiner besonderen Form, insbesondere braucht sie nicht ausdrücklich zu geschehen.
56
β) Der Antrag auf Vernehmung des (sachverständigen) Zeugen Dr. G... ist völlig ungeeignet, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO analog.
57
Benannt wird er zum Beweisthema, dass aus biophysikalischer Sicht und unter Berücksichtigung unfallchirurgischer und orthopädische Gesichtspunkte ein anderer Schadenshergang wie geschildert nicht denkbar gewesen sei: ohne den festen Tritt in der Höhe der Mitte des Wadenbeines von hinten wäre es nicht zu einer offenen Unterschenkelfraktur in Form einer Durchspießungsfraktur gekommen.
58
Dabei verkennt der Kläger das Wesen des Zeugenbeweises, § 373 ZPO. Gegenstand auch der Vernehmung eines sachverständigen Zeugen (s. § 414 ZPO) sind nur dessen Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände. Tatsachen in diesem Sinne sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens (BGH, Urteil v. 25.11.1997, Az. VI ZR 306/96, juris Rz. 29; Anders/Gehle, ZPO, 83. Aufl., § 373 Rz. 12). Hierzu wird der Zeuge Dr. G. jedoch nicht benannt.
59
Mit dem Beweisangebot begehrt der Kläger nicht die Ermittlung von vergangenen Tatsachen und Zuständen, sondern die objektive Bewertung eines im Wesentlichen feststehenden Sachverhalts, weshalb der Zeugenbeweis hierzu ungeeignet und stattdessen ein Sachverständigengutachten einzuholen war (vgl. BGH, Urteil v. 10.11.2022, Az. I ZR 16/22, Rz. 47; Urteil v. 09.10.2013, Az. VIII ZR 224/12, Rz. 20; Urteil v. 18.03.1993, Az. IX ZR 198/92, juris Rz. 9), was das Landgericht machte.
60
Auch war der Zeuge Dr. G... bei dem Spielgeschehen nicht zugegen, konnte daher zur Aufklärung der Spielsituation nichts beitragen – wozu er indessen auch nicht benannt wurde.
61
ggg) Alles ist allem ist daher – im Gegensatz zu Ansicht des Klägers – durchaus eine Non-liquet-Lage gegeben und der Kläger bleibt beweisfällig für sein anspruchsbegründendes Vorbringen – was das Landgericht im Ergebnis richtig sieht.
62
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht oder die Zulassung der Revision (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
63
Es handelt sich hier um eine Einzelfallentscheidung (vgl. BGH, Beschluss v. 14.08.2013, Az. XII ZB 443/12, Rz. 6), über welche hinaus die Interessen der Allgemeinheit nicht nachhaltig berührt werden, weswegen eine höchstrichterliche Leitentscheidung notwendig wäre (s. dazu BGH, Beschluss v. 25.05.2003, Az. VI ZB 55/02, juris Rz. 8; Beschluss v. 29.05.2002, Az. V ZB 11/02, juris Rz. 10).
64
Dazu ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), da keine besonderen Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspräche.
65
Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen, was eine Ermäßigung der Gebühren für das „Verfahren im Allgemeinen“ von 4,0 (Nr. 1220 GKG-KV) auf 2,0 (Nr. 1222 GKG-KV) mit sich brächte.
66
Zu diesen Hinweisen besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
67
Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, falls sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal drei weitere Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock, Beschluss v. 27.05.2003, Az. 6 U 43/03, juris Rz. 7 ff.).
68
Eine Fristverlängerung um insgesamt mehr als einen Monat ist daneben entsprechend § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO nur mit Zustimmung des Gegners möglich.