Inhalt

AG München, Beschluss v. 05.02.2025 – 722 III 175/24
Titel:

Berichtigung der Namensführung des Kindes

Normenketten:
PStG § 48, § 49
EGBGB Art. 47
GFK Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Namensführung des Vaters richtete sich zum Zeitpunkt der Geburtsbeurkundung aufgrund der Anerkennung als Flüchtling ebenfalls nach deutschem Recht (Art. 12 Abs. 1 GFK). Dem Berichtigungsantrag des Standesamtes in Bezug auf die Namensführung des Vaters und des Kindes kann nicht gefolgt werden, da die Eintragung eines mehrgliedrigen Familiennamens den Grundsätzen des – jedenfalls noch geltenden – deutschen Namensrechts nicht entspricht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Höchstrichterlich ist durch den BGH entschieden worden, dass in solchen Fällen, in denen nach einem Statutenwechsel zum deutschen Namensrecht keine Angleichungserklärung gem. Art. 47 EGBGB abgegeben wird, im Interesse der Rechtsklarheit grundsätzlich beim erstmaligen Eintrag der betreffenden Person in einem deutschen Personenstandsregister eine objektive Angleichung zu erfolgen habe, mithin durch das auch für die Entgegennahme der Angleichungserklärung zuständige Standesamt. Erforderlichenfalls erfolge die objektive Angleichung aufgrund gerichtlicher Entscheidung nach § 49 PStG oder könne auch im Rahmen einer Berichtigung nach § 48 PStG vorgenommen werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Namensführung, Geburtsbeurkundung, Berichtigungsantrag, Standesamt, objektive Angleichung, Angleichungserklärung, Einbürgerung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1808

Tenor

Gemäß § 48 des Personenstandsgesetzes wird nach Anhörung der Beteiligten und nach Äußerung der Stadtverwaltung – Standesamtsaufsicht – München gebührenfrei angeordnet:
Dem Geburtenregistereintrag beim Standesamt München Nr. G …2024 vom 106.2024 ist folgender Vermerk beizuschreiben:
Berichtigung der Namensführung des Kindes:
Vorname(n): Ya…
Der Berichtigungsantrag des Standesamtes München wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Die Eltern des am ….05.2024 geborenen Kindes gaben im Namensgebungsblatt vom ….05.2024 den Vornamen „Ya…“ und die Familiennamen „Mu… Sc…“ an. Mit E-Mail vom 31.05.2024 teilte ihnen die Standesbeamtin mit, dass der gewünschte Familienname nicht möglich sei, das Kind könne kraft Gesetzes nur den Familiennamen „Sc…“ erhalten. Sie forderte die Eltern dazu auf, eine neue Namensgebung auf den Familiennamen „Sc…“ auszufüllen, und teilte mit, dass der Name „Mu…“ gerne in die Zeile hinter den Vornamen eingetragen werden könne. Die Eltern füllten daraufhin am 31.05.2024 und am 01.06.2024 neue Namensgebungsblätter aus, in denen sie die Vornamen „Ya… Mu…“ bzw. „Ya… M…“ und den Familiennamen „Sch…“ angaben.
2
Das Standesamt München beurkundete am 03.06.2024 die Namensführung des Kindes im Geburtenregister Nr. G …/2024 wie folgt: Geburtsname: Sch…, Vomame(n): Ya … Mu…. Als Recht der Namensführung wurde „deutsch“ eingetragen. Die Mutter des Kindes war bereits am 14.03.2024 eingebürgert worden.
3
Der Vater des Kindes war zum Zeitpunkt der Geburtsbeurkundung als ausländischer Flüchtling anerkannt. In seinem Reiseausweis vom 15.07.2022 ist als Vorname „His…“ und als Familienname „Mu… Sc…“ eingetragen. Aus den vorgelegten irakischen Dokumenten geht „Mu…“ als Vatersname und „Sc…“ als Großvatersname hervor. Im Geburtenregister wurde die Namensführung des Vaters wie folgt eingetragen: Familienname: Sch…, Vomame(n): His… Mu… Am 02.07.2024 erklärte der Vater gegenüber dem Standesamt nach Art. 47 Abs. 1 EGBGB die Angleichung auf den neuen Namen „Hi… Sch…“. Am 23.07.2024 wurde er eingebürgert.
4
Die Eltern beantragen Berichtigung des Geburtenregisters dahingehend, dass beim Kind der zweite Vorname „Mu…“ entfällt. Sie geben an, dass das Kind von Anfang an nur den Vornamen „Ya…“ erhalten sollte und der zweite Vorname „Mu…“ nur widerwillig auf Anraten der Standesbeamtin gewählt worden sei.
5
Das Standesamt München beantragt Berichtigung der Namensführung des Kindes und des Vaters wie folgt:
„Kind: Geburtsname: Mu… Sch…, Vomame(n): Ya …“
Vater: Familienname: Mus… Sch…, Vomame(n): Hi…
6
Der Antrag wird damit begründet, dass die Ausländerbehörde den Namen des Vaters objektiv angeglichen habe und das Standesamt bis zur Abgabe der Erklärung nach Art. 47 EGBGB daran gebunden sei.
II.
7
Der Berichtigungsantrag der Eltern ist zulässig und begründet. Der zulässige Berichtigungsantrag des Standesamtes München ist unbegründet.
8
Der Vorname des Kindes war auf „Ya…“ zu berichtigen.
9
Die Kindeseltern haben glaubhaft geschildert und durch die vorgelegten Nachweise, namentlich das erste Namensgebungsblatt vom ….05.2024, das Namensschild aus der Klinik und das Armbändchen, belegt, dass das Kind von Anfang an ausschließlich den Vornamen „Ya…“ erhalten sollte. Das Gericht geht insoweit von einem Erklärungsirrtum der Eltern aus. Dabei wurde auch berücksichtigt, dass es sich bei dem Vornamen „Mu…“, dem Vatersnamen des Vaters, um einen rein männlichen Vornamen handelt, der nach deutscher Tradition nicht ohne Weiteres als Vorname für ein weibliches Kind zur Verfügung steht, und dass ein zweiter Vorname ebenso wenig vollständig der irakischen Tradition entspricht.
10
Der Berichtigungsantrag des Standesamtes war zurückzuweisen. Hinsichtlich des Vaters verbleibt es bei der beurkundeten Eintragung.
11
Die Namensführung des Vaters richtete sich zum Zeitpunkt der Geburtsbeurkundung aufgrund der Anerkennung als Flüchtling ebenfalls nach deutschem Recht (Art. 12 Abs. 1 GFK). Dem Berichtigungsantrag des Standesamtes in Bezug auf die Namensführung des Vaters (und des Kindes) kann nicht gefolgt werden, da die Eintragung eines mehrgliedrigen Familiennamens den Grundsätzen des – jedenfalls noch geltenden – deutschen Namensrechts nicht entspricht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2013, Az. 15 W 46/12).
12
Der BGH hat mit Beschluss vom 05.07.2023, Az. XII ZB 155/20, entschieden, dass in solchen Fällen, in denen nach einem Statutenwechsel zum deutschen Namensrecht keine Angleichungserklärung gemäß Art. 47 EGBGB abgegeben wird, im Interesse der Rechtsklarheit grundsätzlich beim erstmaligen Eintrag der betreffenden Person in einem deutschen Personenstandsregister eine objektive Angleichung zu erfolgen habe, mithin durch das auch für die Entgegennahme der Angleichungserklärung zuständige Standesamt. Erforderlichenfalls erfolge die objektive Angleichung aufgrund gerichtlicher Entscheidung nach § 49 PStG oder könne auch im Rahmen einer Berichtigung nach § 48 PStG vorgenommen werden.
13
Die Entscheidung des BGH wird so verstanden, dass – abgesehen von gerichtlichen Entscheidungen nach §§ 48, 49 PStG im Einzelfall – grundsätzlich allein das Standesamt für objektive Angleichungen zuständig ist. Dies erscheint auch sachgerecht. Denn der namensrechtliche Sachverstand ist traditionell bei den Standesämtern konzentriert (vgl. Hepting, StAZ 2008, 161, 176). Anders als die Einbürgerungs- oder Ausländerbehörden, die nach dem Statutenwechsel regelmäßig als Erste mit dem Namen des bisherigen Ausländers befasst sind, sind die Standesämter mit namensrechtlichen Fragen und namentlich auch mit Angleichungsproblemen besonders vertraut (vgl. Solomon, StAZ 2018, 265, 274, der daher eine Konzentration der Entscheidung über eine objektive Angleichung nach dem Vorbild des Art. 47 EGBGB bei den Standesämtern wenn auch nur de lege ferenda für vorzugswürdig hält).
14
Der Auffassung des Standesamtes München, das von einer zuvor erfolgten objektiven Angleichung durch die Ausländerbehörde mit für das Standesamt bindender Wirkung ausgeht, ist mithin nicht zu folgen. Bei der gegenständlichen Geburtsbeurkundung vom 03.06.2024 handelt es sich um den erstmaligen Eintrag auch der Eltern in einem deutschen Personenstandsregister. Eine objektive Angleichung der Namen von Eltern und Kind durch das zuständige Standesamt ist mit diesem Eintrag, der den Grundsätzen des deutschen Namensrechts entspricht, erfolgt.
15
Die Fortschreibung des Geburtenregisters des Kindes hinsichtlich der Namensführung des Kindes und der Eltern nach Angleichung mit Wirkung vom 02.07.2024 wird das Standesamt München nach Abschluss des Verfahrens in eigener Zuständigkeit vornehmen können.
16
Der BGH hat in seinem Beschluss offengelassen, ob die objektive Angleichung Bindungswirkung entfaltet. Nach richtiger Auffassung ist eine Bindungswirkung mit Blick auf die grundsätzlich unbefristet zulässige Angleichungserklärung nach Art. 47 EGBGB zu verneinen. Es existiert keine gesetzliche Regelung, aus der sich eine Bindung an die durch eine Behörde bewirkte objektive Angleichung ableiten ließe (vgl. Solomon, a.a.O.). Eine von der objektiven Angleichung abweichende spätere Angleichungserklärung bleibt möglich (vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 3. Aufl. 2019, II-392). Die objektive Angleichung gilt somit lediglich bis zur Abgabe einer Angleichungserklärung nach Art. 47 EGBGB. Ihr kommt nur der Charakter einer für den Namensträger unverbindlichen „Erstsortierung“ zu (vgl. Solomon, StAZ 2018, 265, 275). Im Sinne des inländischen staatlichen Ordnungsinteresses ermöglicht sie eine mit den Grundsätzen des deutschen Namensrechts konforme, rechtlich und fachlich durch das Standesamt abgesicherte „Arbeitsidentität“.