Titel:
Kein Schadensersatz und Schmerzensgeld nach Corona-Schutzimpfung
Normenketten:
ZPO § 32, § 256 Abs. 1
AMG § 10,§ 11,§ 11a,§ 77 Abs. 2,§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 84a Abs. 1,§ 94a Abs. 1
VO (EG) 726/2004 Art. 14a Abs. 3, Abs. 5, Abs. 8, 56 Abs. 1 a) aa), Ert. 61 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 7, Art. 61a Abs. 3
AEUV Art. 267 Abs. 1 lit. a, lit. b, Abs. 3
IfSG § 2 Nr. 9
BGB § 823 Abs. 1, Abs. 2, § 826
Leitsätze:
1. Ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis iSd § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG für einen Impfstoff folgt aus der Tatbestandswirkung eines Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission zur unbedingten Zulassung des Impfstoffs, denn die Zulassungsentscheidung bindet die Zivilgerichte (OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2025, 2209). (Rn. 25 und 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis iSd § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG liegt vor, wenn auf Grundlage der Bewertung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) als Expertengremien das Nutzen-Risiko-Verhältnis eines Impfstoffs als positiv bewertet wird (OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2025, 2209). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Einschätzungen des Ausschusses für Humanarzneimittel der EMA (CHMP), des Ausschusses der EMA für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) und des PEI stehen einer sachverständigen Begutachtung gleich (OLG Koblenz BeckRS 2024, 16169). (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Ursachenzusammenhang zwischen einer fehlerhaften Information und einer Gesundheitsverletzung ist nur zu bejahen, wenn die Gesundheitsverletzung bei ordnungsgemäßer Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (OLG Koblenz BeckRS 2024, 16169). Hierfür kann auch ein Entscheidungskonflikt genügen (OLG München BeckRS 2024, 36083). (Rn. 65 und 66) (redaktioneller Leitsatz)
5. Voraussetzung des Auskunftsanspruchs aus § 84a Abs. 1 AMG ist, dass der Antragsteller Tatsachen darlegt und gegebenenfalls beweist, aus welchen sich die plausible Annahme begründet, dass ein bestimmtes Arzneimittel den geltend gemachten Schaden kausal verursacht hat, wobei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt (OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2025, 2209). (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Schutzimpfung, Comirnaty, Schadensersatz, Auskunft, Nutzen-Risiko-Verhältnis, Zulassungsentscheidung, Bindungswirkung, EMA, CHMP, PRAC, PEI, SARS-CoV-2, Produktinformation, Nebenwirkung, Kausalität, Entscheidungskonflikt, Vorerkrankung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18061
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 132.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld sowie Auskunft im Zusammenhang mit bei ihr durchgeführter Corona-Schutzimpfungen geltend und begehrt zudem die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige materielle und immaterielle Schäden, die aus den Impfungen mit dem Impfstoff der Beklagten resultieren sowie die Zahlung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
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Die Klägerin erhielt zwei Corona-Schutzimpfungen (am ... 05.2021 und am ... 06.2021) mit dem Impfstoff Comirnaty des Herstellers BioNTech/Pfizer, der von der Beklagten in Verkehr gebracht wurde.
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Der streitgegenständliche Impfstoff Comirnaty erhielt nach Prüfung durch die Europäische Arzneimittelbehörde („EMA“) am 21.12.2020 von der Europäischen Kommission die zentrale arzneimittelrechtliche Zulassung, die automatisch in allen 27 EU-Ländern Gültigkeit hat. Am 16.09.2022 empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der EMA (Committee for Medicinal Products for Human Use, „CHMP“), die bedingte Zulassung von Comirnaty in eine Standardzulassung umzuwandeln, die nicht jährlich erneuert werden muss, was mit Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 erfolgt ist. Zuletzt empfahl die EMA der Europäischen Kommission am 30.08.2023, den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Comirnaty-Impfstoff zuzulassen. Dieser Empfehlung schloss sich die Europäische Kommission an und ließ den auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB.1.5 angepassten Comirnaty-Impfstoff am 31.08.2023 ebenfalls zu.
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Die Klägerin behauptet, sie leide infolge der Impfungen an Adulter Morbus Still und Hämophagozystose, ihre Entzündungswerte seien infolge der Impfung erhöht, zudem bestünden bei ihr aufgrund der Impfung eine enorme Konzentrationsschwäche und Leistungsunfähigkeit sowie Schlafstörungen und ein Trauma. Die durch die Impfung erlangte Krankheit erzeuge in ihr immer wiederkehrende Todesangst und Panikattacken, ebenso habe sie eine Krankenhausphobie entwickelt. Zusätzlich leide sie an extremen Kälteattacken und schweren Beinen sowie Gelenkschmerzen und zunehmendem Haarausfall. Vor den Impfungen habe sie an keinen Vorerkrankungen gelitten, die Symptome seien für sie als zuvor kerngesunde Person noch jungen Alters von 57 Jahren untypisch. Etwa fünf Wochen nach der zweiten Impfung habe sie hohes Fieber, erhöhte Entzündungswerte und Gelenkschmerzen erlitten.
5
Der Impfstoff der Beklagten sei geeignet, die streitgegenständlichen Gesundheitsschäden zu verursachen. Die Klägerin trägt weiter vor, der streitgegenständliche Impfstoff weise kein positives Nutzen-Risiko-Profil auf, da es dem Impfstoff bereits an Langzeitstudien fehle. Zudem schütze eine Impfung mit dem streitgegenständlichen Impfstoff nicht wirksam vor einer Erkrankung durch das Coronavirus in Form der aktiven Immunisierung und dessen Übertragung, was zunächst bewusst irreführend vermittelt worden sei. Es läge daher auch vor diesem Hintergrund ein geringer therapeutischer Nutzen vor. Aus zahlreichen wissenschaftlichen Aufsätzen ergebe sich zudem das abstrakte Schadenspotential des Impfstoffs.
6
Weiterhin behauptet die Klägerin, die Produktinformationen des streitgegenständlichen Impfstoffs zum maßgeblichen Zeitpunkt hätten nicht dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprochen und die Rechtsgutsverletzung der Klägerin sei gerade infolge dieser unzureichenden Information eingetreten. Die Beklagte habe trotz Kenntnis der streitgegenständlichen Gesundheitsschäden und der Wahrscheinlichkeit ihres Eintritts die Öffentlichkeit nicht hinreichend informiert. Bereits zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Impfstoffs hätten die Hersteller um die Gefährlichkeit und die Schadwirkung des Impfstoffs gewusst. Die Klägerin behauptet weiter, hätte die Beklagte entsprechend ihrer Warnpflicht über die möglichen erheblichen Nebenwirkungen informiert, so hätte sie sich gegen eine Impfung entschieden.
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Die Klägerin meint, für den Anspruch aus § 84 AMG genüge die Mitursächlichkeit der Arzneimittelanwendung, weshalb angesichts der generellen Schadenseignung des Impfstoffs Comirnaty, des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Schadenseintritt, des Schadensbilds, des Gesundheitszustands der Klägerin bei den Impfungen eine konkrete Kausalität im Einzelfall vermutet werde.
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Die Klägerin ist der Auffassung, ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld bestehe aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB, § 826 BGB, § 84 Abs. 1 AMG i.V.m. § 87 AMG, ein Auskunftsanspruch bestehe gem. § 84a Abs. 1 S. 1 AMG. Für Letzteren genüge bereits ein niedriger Grad der Wahrscheinlichkeit der Annahme der Schadensverursachung durch das betroffene Arzneimittel.
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Nach Erweiterung ihrer Klage um den Auskunftsanspruch mit Schriftsatz vom 22.01.2024 stellte die Klägerin diesen mit Schriftsatz vom 22.08.2024 um.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
- 1.
-
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch 80.000,00 € nicht unterschreiten soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, die aus den Impfungen mit dem Impfstoff Comirnaty am ... 05.2021 und am ... 06.2021 entstehen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergehen.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin als Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten einen weiteren Betrag in Höhe von 2.293,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit mit der Maßgabe zu zahlen, dass von diesem Betrag 2.143,25 € an die ... zu der Schadensnummer ... zu zahlen sind.
- 4.
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Die Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über die im Zeitraum vom 20.12.2020 bis zur mündlichen Verhandlung bei der Beklagten bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen sowie sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Impfstoffs Comirnaty der Beklagten von Bedeutung sein können, soweit sie eine hämorrhagische Diathese iS. einer Hemmkörperhämophilie und Spontanhämatome sowie Konzentrationsstörungen betreffen.
11
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte trägt vor, es bestehe schon kein Kausalzusammenhang zwischen den streitgegenständlichen Impfungen und den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin. Der klägerische Vortrag hinsichtlich der körperlichen Beschwerden der Klägerin und der Kausalität der Impfung sei unsubstantiiert. Der zeitliche Zusammenhang zur Impfung, welcher unklar sei, belege für sich genommen keine Kausalität, zumal die Klägerin unter zahlreichen Vorerkrankungen gelitten habe, welche ebenfalls Alternativursachen sein könnten. Auslöser für die Krankheit Morbus Still seien Infektionen oder genetischen Ursprungs, eine Impfung mit Comirnaty sei hingegen nicht geeignet, diese Krankheit hervorzurufen. Auch werde durch die Impfung lediglich vorübergehend das Spike-Protein gebildet, woraufhin das Immunsystem Antikörper entwickele, um später das echte Virus abwehren zu können, dieses werde kurz nach der Impfung abgebaut, der Impfstoff sei nicht generell schadensgeeignet.
13
Unabhängig davon weise der streitgegenständliche Impfstoff jedoch auch durchgehend ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auf. Dies stehe im Einklang mit der von der zuständigen Aufsichts- und Zulassungsbehörde ausgesprochenen Marktzulassung für den Impfstoff, im Rahmen welcher ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis vorausgesetzt werde. Auch die Fach- und Gebrauchsinformationen des streitgegenständlichen Impfstoffs hätten stets dem jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft entsprochen. Ferner sei selbst bei Verletzung der Instruktionspflicht diese nicht kausal für den Schadenseintritt gewesen, da die zum Zeitpunkt der Impfungen maßgeblichen Informationen Hinweise auf potentiell lebensbedrohliche Reaktionen enthalten hätten und die Klägerin selbst beim Lesen der Informationen diese Risiken bewusst in Kauf genommen habe.
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Die Beklagte ist der Auffassung, eine Haftung nach § 84 AMG scheide mangels Vorliegens der Voraussetzungen eines negativen Nutzen-Risiko-Verhältnisses und eines Instruktionsfehlers gem. § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 AMG schon unabhängig vom Nachweis eines Kausalzusammenhangs im Streitfall aus. Ohnehin scheide aber auch die Kausalitätsvermutung mangels Eignung des Impfstoffs zur Auslösung der streitgegenständlichen Schäden aus. Für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB fehle es sowohl an der Kausalität als auch an einem Verschulden, da der Impfstoff durch die Beklagte fortwährend und sorgfältig überwacht worden sei, ebenso liege keine Pflichtverletzung vor.
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Der Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gem. § 826 BGB ginge ins Blaue hinein, da die Beklagte weder Studien manipuliert noch mit Eventualvorsatz Menschen an der Gesundheit geschädigt habe. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch bestehe nicht, da ein Schadensersatzanspruch, der hiermit vorbereitet werden solle, offensichtlich ausgeschlossen sei. Auch habe die Klägerin hierfür die Plausibilität der Schadensverursachung durch den Impfstoff nicht nachweisen können, zumal mögliche Alternativursachen vorlägen.
16
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden. Das Gericht hat die Klägerin informatorisch angehört.
17
Auf das Sitzungsprotokoll vom 03.04.2025 wird verwiesen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18
Die zulässige Klage ist unbegründet.
19
Die Klage ist zulässig.
20
I. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist sachlich und nach § 32 ZPO bzw. § 94a Abs. 1 AMG auch örtlich zuständig.
21
II. Es kann dahin stehen, ob für den geltend gemachten Feststellungsantrag ein besonderes Feststellungsinteresse i. S. d. § 256 Abs. 1 ZPO besteht, weil die Klage unbegründet ist (vgl. BeckOK ZPO/Bacher, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 256 Rn. 16). B.
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Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen keine Ansprüche auf Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld zu (I.). Ebenso hat sie keinen Anspruch auf Erteilung der gewünschten Auskunft (II.). Weiterhin scheidet ein Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus (III.).
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I. 1. Es besteht kein Schadensersatzanspruch nach § 84 Abs. 1 AMG.
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Dabei kann dahinstehen, ob der Sachvortrag der Klägerin hinsichtlich des Vorliegens eines Gesundheitsschadens hinreichend substantiiert war, da die übrigen Voraussetzungen einer Ersatzpflicht gem. § 84 Abs. 1 AMG nicht vorliegen. Es ist nämlich weder ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis des Impfstoffs gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG (a.) noch ein kausaler Instruktionsfehler nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AMG (b.) ersichtlich. Auf die Frage der Kausalität der Impfung für die geltend gemachten Gesundheitsschäden kommt es daher vorliegend nicht an.
25
a) Ein Anspruch gem. § 84 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AMG besteht nicht, da der Impfstoff kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist.
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Gem. § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG müsste das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
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aa) Die Nutzen-Risiko-Abwägung hat abstrakt-generellen Charakter, im Rahmen der Abwägung müssen sämtliche schädlichen Wirkungen für die vollständige anvisierte Patientengruppe berücksichtigt werden, wobei nicht auf den individuell Geschädigten oder Untergruppen innerhalb der durch die Indikation angesprochenen Patientengruppe abgestellt wird (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 738/24, BeckRS 2025, 2026). Dabei fließen Erfahrungen aus Einzelfällen allerdings in Folge der Schwere, Art und statistischen Häufigkeit von unerwünschten Nebenwirkungen in die Gesamtabwägung ein. Hierbei gilt: Je schwerwiegender die Erkrankung ohne Impfung und je besser der therapeutische Nutzen, desto eher können auch gravierende schädliche Wirkungen akzeptiert werden. Damit werden Risiken für den Einzelnen hingenommen, wenn der Nutzen im Bezug auf die Gesamtheit der potentiellen Anwender in der Verhältnismäßigkeitsabwägung höher ausfällt (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 10.7.2024 – 5 U 1375/23 mwN.; OLG Frankfurt a. M. Urt. V. 19.2.2025 – 23 U 13/24 mwN.).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Nutzen-Risiko-Abwägung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, wobei zu prüfen ist, ob der Impfstoff hätte zugelassen werden dürfen, wenn die nunmehr vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse damals schon vorgelegen hätten (OLG Koblenz Urt. v. 10. 07. 2024 – 5 U 1375/23)
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bb) Hieran gemessen ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Impfstoff der Beklagten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als positiv zu bewerten.
30
(1) Dies folgt schon aus der Tatbestandswirkung des Durchführungsbeschlusses der Europäischen Kommission vom 10.10.2022 zur unbedingten Zulassung des Impfstoffs, der den Beschluss vom 21.12.2020 über die bedingte (außerordentliche) Zulassung bestätigt. Mit der Zulassungsentscheidung wurde zugleich das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis mit Bindungswirkung auch für die Zivilgerichte festgestellt.
31
In diesem Zusammenhang schließt sich das Gericht den überzeugenden Ausführungen des OLG Frankfurt a. M. in seinem Urt. v. 19.2.2025 – 23 U 13/24, BeckRS 2025, 2209, an:
„Die Prüfung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses war nämlich eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die bedingte als auch für die unbedingte Zulassung des Impfstoffs. Die bedingte (außerordentliche) Zulassung, die für den streitgegenständlichen Impfstoff am 21.12.2020 erteilt worden war, setzt gemäß Art. 14-a Abs. 3 Verordnung (EG) 726/2004 und Art. 4 Abs. 1 Satz 1 lit. a) Verordnung (EG) 507/2006 zwingend voraus, dass „das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Arzneimittels positiv ist“. Mit der bedingten Zulassung wurden dem Arzneimittelhersteller gemäß Art. 14-a Abs. 4 Verordnung (EG) 726/2004 „besondere Verpflichtungen“ auferlegt, die nach Abs. 5 darin bestehen, „laufende Studien abzuschließen oder neue Studien einzuleiten, um das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis zu bestätigen.“ Das Vorliegen eines positiven Nutzen-Risiko-Verhältnisses war dann gemäß § 14-a Abs. 8 Verordnung (EG) 726/2004 erneut nachzuweisen, um eine ordentliche, fünf Jahre gültige Zulassung zu erhalten“
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In Erwägungsgrund Nr. 2 des Durchführungsbeschlusses für die unbedingte Zulassung des streitgegenständlichen Impfstoffs vom 10. 10. 2022 wird von der EU-Kommission festgestellt, dass die Beklagte die spezifischen Auflagen der bedingten Zulassung angesichts der am 17.06.2022 vorgelegten Daten erfüllt hat (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 19.2.2025 – 23 U 13/24, BeckRS 2025, 2209).
33
Diese Bindungswirkung besteht unverändert fort, die unbedingte Zulassung wurde bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder geändert noch ausgesetzt oder widerrufen, zudem wurde die Verwendung des Impfstoffs nicht durch die Kommission ausgesetzt (vgl. OLG Koblenz, Urt. V. 10.7.2024 – 5 U 1375/23 sowie OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 19.2.2025 – 23 U 13/24, BeckRS 2025, 2209).
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Soweit die Klagepartei eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV beantragt hat, ist diese Vorlage aus Sicht des Gerichts nicht veranlasst, da weder konkret die Auslegung der Verträge (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. a) AEUV) noch die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union (vgl. Art. 267 Abs. 1 lit. b) AEUV) in Frage gestellt wird. Wie ausgeführt, besteht die Gültigkeit der Zulassungsentscheidung mangels Widerrufs unverändert fort (vgl. OLG Koblenz, Urt. V. 10.7.2024 – 5 U 1375/23). Zudem war die Vorlage auch deshalb nicht erforderlich, da keine letztinstanzliche Entscheidung vorliegt (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
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(2) Auch unabhängig von einer Bindungswirkung der Zulassungsentscheidung liegt kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis vor:
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Schon auf Grundlage der Bewertung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und die EMA als Expertengremien mit herausragender Fachkompetenz ist davon auszugehen, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs nach den von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, projiziert auf den Zeitpunkt der Impfung, positiv ist (vgl. OLG Koblenz, Urt. V. 10.7.2024 – 5 U 1375/23; OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 19.2.2025 – 23 U 13/24, BeckRS 2025, 22099.
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Sowohl der Ausschuss für Humanarzneimittel der EMA (CHMP) als auch das PEI gelangten auf der Basis aller bis dahin bekannten und gemeldeten Nebenwirkungen und Impfkomplikationen zu dem Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Erteilung der Standardzulassung für den streitgegenständlichen Impfstoff am 10.10.2022 das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv war und die am 21.12.2020 erteilte bedingte Zulassung in eine unbedingte Zulassung umgewandelt werden kann. Im Rahmen der am 31.08.2023 erfolgten Zulassung des auf die COVID-19-Subvariante Omikron XBB. 1.5 angepassten Impfstoffs der Beklagten durch die Europäische Kommission wurde das Nutzen-Risiko-Verhältnis erneut bestätigt.
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Diese Institutionen wirken nicht von politischer, sondern von fachlicher Seite im Rahmen des Zulassungsverfahrens mit wissenschaftlichen Bewertungen und Beiträgen mit. So erstellt der Ausschuss der EMA für Humanarzneimittel (CHMP) die Gutachten der EMA zur Beurteilung von Humanarzneimitteln (Art. 56 Abs. 1 a) VO (EG) 726/2004), wobei er sich gemäß Art. 61 Abs. 1 VO (EG) 726/2004 aus je einem fachkundigen Vertreter jedes Mitgliedstaates zusammensetzt, nach Art. 61 Abs. 3 VO (EG) 726/2004 ist zudem die Hinzuziehung spezialisierter Sachverständiger aus Wissenschaft oder Technik möglich. Der CHMP hat seine Entscheidung für die Impfstoffzulassung einheitlich gefasst. Hätten erhebliche Bedenken bestanden, wäre nämlich ein Gutachten mit dem Standpunkt der Mehrheit der Mitglieder und abweichender Standpunkte nach § 61 Abs. 7 VO (EG) 726/2004 erforderlich geworden. Der Ausschuss der EMA für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) gibt wiederum Empfehlungen an den CHMP und die Koordinierungsgruppe zu Pharmakovigilanz-Maßnahmen und überwacht die Wirksamkeit von Risikomanagement-Systemen (Art. 56 Abs. 1 a) aa) VO (EG) 726/2004). Der Ausschuss setzt sich aus wissenschaftlichen Experten, Vertretern der Heilberufe und Patientenorganisationen zusammen, welche auf Grundlage ihres einschlägigen Fachwissens in Pharmakovigilanz und Risikobewertung von Humanarzneimitteln ausgewählt werden, um die höchsten fachlichen Qualifikationen und eine breite Expertise sicherzustellen (Art. 61a Abs. 3 VO (EG) 726/2004) (vgl. zu alledem: OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24).
39
Das PEI als deutsches Pendant zur EMA (§ 77 Abs. 2 AMG) überwacht federführend national die Entwicklung, Zulassung, Bewertung und Überwachung von Impfstoffen durch Erfassung und Auswertung impfinduzierter Risiken (vgl. OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24). Es forscht u.a. in den Bereichen Virologie, Immunologie sowie Bakteriologie und berät nationale sowie globale Gremien im Bereich der Impfstoffe (OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24).
40
Die Einschätzungen des CHMP, des PRAC und des PEI, die dem Impfstoff allesamt ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis attestiert haben, stehen einer sachverständigen Begutachtung gleich, da bereits die gesetzlichen Vorgaben für deren Besetzung sie als sachverständige Quellen qualifizieren (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23). Angesichts des größtmöglichen Fachwissens in den Expertengremien sind auch andere Erkenntnisse durch die Begutachtung durch einen Sachverständigen im vorliegenden Einzellfall nicht zu erwarten: Es wäre lebensfremd anzunehmen, ein einzelner Sachverständiger könnte über weitere Quellen, eine größere Datengrundlage und umfangreicheres Wissen verfügen als die genannten Expertengremien (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23).
41
Die durchgängig gleichlautenden Entscheidungen der Expertengremien bezogen auf das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis sind jedenfalls ein gewichtiges Indiz im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung, ob eine ermessensfehlerhafte Bewertung auf europäischer Ebene bei der Zulassungsentscheidung vorlag (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23).
42
Hierbei muss auch berücksichtigt werden, dass die Zulassung auch auf Grundlage der laufend ergänzten Datengrundlage nicht geändert, aufgehoben oder widerrufen wurde, obwohl mittlerweile Fälle von Nebenwirkungen wie zum Beispiel Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündung, Gesichtslähmung, allergische Sofortreaktionen (Anaphylaxie) oder möglicherweise zum Tod führende Lungenentzündungen, Thrombozytopenie und Gerinnungsstörungen bekannt wurden (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23).
43
(3) Relevante medizinische Anhaltspunkte, die von den Expertengremien vor der Empfehlung für die Zulassung nicht berücksichtigt worden sein sollen und die gegen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis sprechen könnten, oder solche, die nach der Zulassung bekannt geworden sind und eine andere Zulassungsentscheidung begründet hätten, wären sie schon zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen, sind nicht ersichtlich.
44
Dabei schließt sich das Gericht der bislang einheitlichen obergerichtlichen Rechtsprechung in vergleichbaren Parallelverfahren an, die sich bereits umfassend mit den Einwendungen der jeweiligen Klagepartei gegen ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis auseinandergesetzt haben (vgl. z. B. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23-, juris Rn. 74-104; OLG Frankfurt a. M. Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24 –, juris Rn. 261-335; OLG München, Verfügung vom 12.12.2024 – 14 U 3100/24 e).
45
Insbesondere greifen nach der überzeugenden Argumentation der zitierten Rechtsprechung folgende Einwendungen nicht durch:
46
(a) Der überwiegende Nutzen des streitgegenständlichen Impfstoffs kann nicht deshalb angezweifelt werden, weil dieser nicht hundertprozentig vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 oder vor einem schweren Verlauf der Erkrankung Covid-19 schützt. Beides war der EU-Kommission bereits vor der bedingten Zulassung bekannt und wurde von dieser im Rahmen der Abwägung des Nutzens zu den Risiken hingenommen. Dieser Aspekt kann daher im Nachhinein eine andere Entscheidung nicht rechtfertigen (vgl. OLG München, Hinweisbeschluss vom 05.11.2024 – 14 U 2313/24 e, BeckRS 2024, 31623 Rn. 381 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23-, juris Rn. 86 ff.).
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(b) Soweit die Klagepartei die Berechnung der Wirksamkeit des Impfstoffs durch die Beklagte auf Grundlage der RRR („Relative Risiko-Reduktion“) unter Vergleich des Risikos der Behandlungsgruppe mit der Placebogruppe angreift, ist nicht substantiiert vorgetragen und sonst ersichtlich, dass diese Berechnungsmethode nicht hätte angewandt werden dürfen, zumal angesichts der obigen Ausführungen zu der Überprüfung der Risiken durch Expertengremien im Rahmen der Zulassungsentscheidungen offenbar keine Bedenken gegen diese Berechnungsmethode bestanden (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24 –, juris Rn. 296).
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(c) Ferner ergibt sich die Nutzlosigkeit auch nicht daraus, dass der Impfstoff der Beklagten die Übertragung des Virus nicht verhindert. Dies lässt die Eigenschaft als Schutzimpfung schon nach der Definition des § 2 Nr. 9 IfSG, die eine solche Einschränkung nicht vorsieht, nicht entfallen. Die Norm setzt den Schutz vor einer (übertragbaren) Krankheit voraus und nicht den Schutz vor der Übertragung einer Krankheit. Auch lässt der Umstand, dass ein Infektionsschutz über die Zeit nachlässt und das Neuansteckungsrisiko (v.a. auch nach Mutationen) steigt, nicht auf einen fehlenden Nutzen des bereits verimpften Impfstoffs schließen (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24 –, juris Rn. 302 ff.).
49
(d) Weiterhin bestehen für den Vortrag der Klagepartei hinsichtlich der behaupteten Toxizität der Spike-Proteine, für welche der Impfstoff der Beklagten einen Bauplan liefert, keine hinreichenden Anhaltspunkte. Auch die Veröffentlichung „Spikeopathy“ (Anlage K 124) ist nicht geeignet, die Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses, in Frage zu stellen (vgl. OLG München, Verfügung vom 12.12.2024 – 14 U 3100/24 e, BeckRS 2024, 36083 Rn. 202 ff.).
50
Im Übrigen bestätigten auch schon in einem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht verschiedene Sachverständige und Fachleute, dass die Behauptungen, es entstünden freie Spike-Proteine mit schädlicher Wirkung und der Impfstoff sei zur Änderung der menschlichen DANN geeignet, nicht zutreffen (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 29.4.2025 – 23 W 25/24, BeckRS 2025, 8741).
51
(e) Auch aus den von der Klagepartei angeführten Meldungen von Verdachtsfällen von Nebenwirkungen kann nicht auf ein negatives Nutzen-Risikoverhältnis geschlossen werden. Die Klagepartei bezieht sich auf die Auswertung unterschiedlicher Quellen über Verdachtsfälle, etwa die Meldungen beim PEI oder der EMA. Von diesen Verdachtsfällen sind auch Meldungen von Privatpersonen erfasst, bei denen nicht überprüfbar ist, ob die Daten zutreffend angegeben wurden und ob das subjektive Krankheitsempfinden objektivierbar ist. Gesicherten Aussagen zur Kausalität der Impfungen mit den gemeldeten Nebenwirkungen können hieraus gerade nicht getroffen werden (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 10.07.2024 – 5 U 1375/23-, juris Rn. 96 f.; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24 –, juris Rn. 210).
52
(f) Auch die Einwendungen der Klagepartei zu zahlreichen Mängeln im Zulassungsverfahren, wie etwa zur fehlenden Erfüllung von Zulassungsbedingungen oder der Manipulation von Studien seitens der Beklagten, können das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht erschüttern. Diesbezüglich wird auf die ausführlichen und überzeugenden Ausführungen in den Entscheidungen des OLG Frankfurt am Main und des OLG Koblenz auf Grundlage des im Wesentlichen gleichlautenden Vortrags der Parteien verwiesen, denen sich das Gericht aus eigener Überzeugungsbildung anschließt (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24 –, juris Rn. 263 ff.; OLG Koblenz, Urt. v. 10.07.2024 – 5 U 1375/23,- juris Rn. 75 ff.).
53
(g) Auch weitere Argumente der Klägerin gegen das positive Nutzen-Risiko-Verhältnis des streitgegenständlichen Impfstoffs anhand von Einzelstimmen können im Rahmen der Gesamtabwägung vor dem Hintergrund der auf zahlreichen und umfangreichen Studien basierenden gegenteiligen Einschätzung der Europäischen Arzneimittelagentur bzw. der Europäischen Kommission sowie der oben genannten Expertengremien ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis im Sinne des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG nicht begründen (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024 – 5 U 1375/23).
54
b) Auch der Haftungstatbestand des § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG ist nicht erfüllt.
55
aa) Hiernach besteht eine Ersatzpflicht nur dann, wenn der Schaden infolge einer nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung (§ 10 AMG), Gebrauchsinformation (= Packungsbeilage, § 11 AMG) oder Fachinformation (§ 11a AMG) eingetreten ist. Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Produktinformationen nicht dem damaligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprach. Hierfür genügt es, wenn ein ernst zu nehmender Verdacht, solange dieser auf validen, wissenschaftlichen Daten beruht, nicht in die Informationsträger aufgenommen wurde, nur eine entfernte Möglichkeit eventueller Nebenwirkungen hingegen reicht nicht aus (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 738/24, BeckRS 2025, 2026).
56
Inwiefern die Produktinformationen (Kennzeichnung, Packungsbeilage und Fachinformationen) im Hinblick auf die bei ihr eingetretenen Gesundheitsbeeinträchtigungen falsch gewesen seien, wird seitens der Klägerin nicht vorgetragen. Vielmehr wird klägerseits allgemein behauptet, der Beklagten seien von Tag zu Tag viele weitere Krankheitsbilder wie Autoimmunerkrankungen, Nervenerkrankungen, Post-Vakzin-Syndrom, Thrombosen, koronare Herzkrankheiten und Fatigue-Syndrom bekannt gewesen, dennoch habe sie in dem bei der Impfung geltenden Aufklärungsblatt (K 14) allein auf vier Fälle akuter Gesichtslähmung, die sich jedoch nach einigen Wochen wieder zurückbilden würden, sowie mögliche allergische Reaktionen wie Nesselsucht oder Schwellung des Gesichts und sehr seltene Fälle allergischer Sofortreaktionen bis hin zum Schock hingewiesen. Die Beklagte hätte über die bekannten Nebenwirkungen aufklären müssen.
57
Welche konkreten Nebenwirkungen zu welchem Zeitpunkt in welchem Informationsmedium – Kennzeichnung, Gebrauchsinformation oder Fachinformation – nicht enthalten gewesen sein soll, obwohl dies den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprochen hätte, und ab wann es einen ernst zu nehmenden Verdacht hinsichtlich dieser Nebenwirkungen gab, der die Beklagte zur Anpassung ihrer Informationen veranlasst hätte, ist diesem Vortrag nicht zu entnehmen (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 738/24, BeckRS 2025, 2026).
58
Auch der Verweis auf die heutige Gebrauchsinformation (K 118) aus Juli 2023 zu darin nun angegebenen möglichen Nebenwirkungen ist ohne Vortrag dazu, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte Kenntnis über die genannten potentiellen Nebenwirkungen in Form eines ernst zu nehmenden Verdachts gehabt haben soll, unsubstantiiert (vgl. OLG Koblenz Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 738/24, BeckRS 2025, 2026).
59
Soweit die Klagepartei die Angaben der Beklagten zur Wirksamkeit bzw. zur Wirkweise für fehlerhaft oder unzureichend erachtet, bestehen hierfür nach den obigen Ausführungen schon keine hinreichenden Anhaltspunkte.
60
Auch die fehlende Aufnahme der in Anlage K 115 und K 116 aufgeführten Verdachtsfälle kann vorliegend nicht überzeugen. Denn auch hierfür wurde seitens der Klägerin nicht dargelegt, inwieweit hinsichtlich der darin gemeldeten Verdachtsfälle zum Zeitpunkt der Impfung bzw. des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Impfung ein auf wissenschaftlichen Daten basierender ernst zu nehmender Verdacht bestand. Vielmehr geht aus Anlage K 116_1, welche datiert ist auf April 2022, deutlich hervor, dass es sich um Fallmeldungen handelt, welche teils medizinisch bestätigt und teils nicht medizinisch bestätigt wurden. Dies lässt keine ernst zu nehmende wissenschaftliche Grundlage erkennen, auch geht nicht hervor, inwiefern ein ernst zu nehmender Verdacht damit schon im Jahr 2021 bestanden haben soll.
61
Für den Vorwurf der Klagepartei, die Beklagte habe eine faktische Nebenwirkungsfreiheit suggeriert, bestehen ebenso keine greifbaren Anhaltspunkte. Soweit sie in diesem Zusammenhang eine allgemeine Verharmlosung durch Politiker oder in den Medien (z.B. Anlage K 1) beanstandet, fehlt bereits konkreter Vortrag zu bestimmten Aussagen und dem zeitlichen Zusammenhang mit den Impfungen der Klägerin. Im Übrigen ist auch nicht substantiiert vorgetragen und nicht ersichtlich, warum diese der Beklagten zuzurechnen sein sollen. Öffentliche Darstellungen eines Politikers bzw. der Medien fallen nicht unter den Begriff der „Fach- und Gebrauchsinformationen“, auch besteht insoweit keine Garantenpflicht der Beklagten (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24, juris Rn. 358).
62
Die Beklagte traf auch keine weitergehende Aufklärungspflicht, insbesondere nicht durch das verimpfende Personal (zur Differenzierung: OLG Koblenz, Urt. v. 25.09.2024 – 5 U 379/24 = BeckRS 2024, 25753 Rn. 102). Auf die Frage, in welchem Umfang die Klägerin insoweit über mögliche Risiken aufgeklärt wurde, kommt es daher nicht an (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 19.02.2025 – 23 U 13/24 –, juris Rn. 358).
63
bb) Selbst bei Annahme, die Produktinformationen seien fehlerhaft, besteht kein Anspruch gem. § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG, da die Klägerin das Beruhen ihrer behaupteten Gesundheitsverletzungen auf der angeblich falschen Packungsbeilage oder Fachinformation nicht hinreichend darlegen konnte. Die Haftung nach § 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG setzt eine doppelte Kausalität voraus.
64
Die Rechtsgutverletzung muss auf der Anwendung des Arzneimittels beruhen und zugleich infolge der unzureichenden Arzneimittelinformation – Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation- eingetreten sein. Die Klägerin hat darzulegen und zu beweisen, dass der Schaden nicht eingetreten wäre, wenn die Fach- und Gebrauchsinformation erschöpfend und zutreffend gewesen wäre (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024, 5 U 1375/23).
65
Ein Ursachenzusammenhang zwischen der fehlerhaften Information und der Gesundheitsverletzung der Klägerin ist nur zu bejahen, wenn die Gesundheitsverletzung bei ordnungsgemäßer Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 10.07.2024, 5 U 1375/23).
66
Hierfür genügt auch ein Entscheidungskonflikt, da es sich um einen Fall der psychisch vermittelten Kausalität im Rahmen des § 84 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AMG handelt (vgl. LG Wuppertal, Urt. v. 28.03.2024 – 16 O 104/23, BeckRS 2024, 9667). Hierfür müsste die Klägerin glaubhaft vortragen, dass sie von der Impfung Abstand genommen hätte, wenn sie darüber aufgeklärt worden wäre, sie könne infolge der Impfung jene Beschwerden erleiden, die sie nun behauptet, wobei sie bei fehlerfreier Information jedenfalls „ins Zweifeln geraten wäre“ (vgl. hierzu OLG München Verfügung v. 12.12.2024 – 14 U 3100/24, BeckRS 2024, 36083).
67
Dies ist nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin nicht ersichtlich. Dieser gab im Rahmen ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2025 vor, sie habe sich über Risiken insofern informiert, als dass sie das Aufklärungsblatt gelesen habe. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer kurzzeitigen Gesichtslähmung habe ihr zwar kurzzeitig Angst gemacht, sie habe sie dennoch impfen lassen. Über Fach- und Gebrauchsinformationen, beispielsweise im Internet, habe sie sich nicht informiert. Sie habe letztlich darauf vertraut, dass nichts weiter passieren werde, zumal sie zuvor nie ernsthaft krank gewesen sei und gedacht habe, ihr Immunsystem werde eine Impfung schon verkraften.
68
Das vorgelegte Aufklärungsblatt zum Zeitpunkt der Impfungen (K 14) weist neben der Möglichkeit einer Gesichtslähmung auch auf mögliche allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock, sowie das Risiko bisher unbekannter Komplikationen hin, ohne dass dies die Klägerin von der Impfung abgehalten hätte. Auch hat diese sich trotz des Hinweises auf das Risiko bislang unbekannter Komplikationen nicht weitergehend über das Aufklärungsblatt hinaus informiert. Vor diesem Hintergrund erscheint es unglaubhaft, wenn die Klägerin vorträgt, sie hätte die streitgegenständlichen Impfungen nicht durchführen lassen, wenn sie auf die Möglichkeit des Eintritts der von ihr behaupteten Impffolgen hingewiesen worden wäre, zumal sie nach eigenem Vortrag auf ihr intaktes Immunsystem und darauf, dass schon nichts passieren werde, vertraut habe. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin bereits in der Vergangenheit eine Immunschwäche diagnostiziert wurde (K 201), offenbar also entgegen deren Angaben eine Anfälligkeit bestand, sodass eine besondere Vorsicht zu erwarten gewesen wäre.
69
2. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 826 BGB.
70
a) Ein Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB scheidet sowohl mangels Pflichtverletzung als auch mangels Kausalität aus.
71
Eine Pflichtverletzung in Form der mangelnden Produktbeobachtung bzw. Unterlassung der Anpassung der Informationen liegt nach den obigen Ausführungen nicht vor. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Haftung des § 823 Abs. 1 BGB strenger sein sollte als nach § 84 Abs. 1 AMG (vgl. OLG München, Verfügung v. 12.12.2024 – 14 U 3100/24 e, BeckRS 2024, 36083 und OLG Koblenz Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 738/24, BeckRS 2025, 2026).
72
Ebenso scheitert auch der Anspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB am fehlenden Nachweis der Kausalität, da die Klägerin auch in diesem Rahmen den ihr obliegenden Beweis nicht erbringen konnte. Auch bei Instruktionsfehlern wie bei der Verletzung von Produktbeobachtungs- und Warnpflichten liegt die Kausalität nur dann vor, wenn der Schaden bei pflichtgemäßem Handeln mit Sicherheit vermieden worden wäre (OLG München, Verfügung v. 12.12.2024 – 14 U 3100/24 e, BeckRS 2024, 36083 und OLG Koblenz Urt. v. 12.2.2025 – 5 U 738/24, BeckRS 2025, 2026). Dies ist vorliegend nicht ersichtlich, da seitens der Klägerin nicht dargelegt wurde, dass sie selbst die Packungsbeilage vor ihrer Impfung gelesen hat bzw. der sie impfende Arzt die Fachinformationen zur Kenntnis genommen hat.
73
b) Für einen Anspruch aus § 826 BGB bestehen auf Grundlage der obigen Ausführungen keinerlei greifbare Anhaltspunkte. Insbesondere ist eine sittenwidrige vorsätzliche Schadenszufügung i. S. d. § 826 BGB nicht ersichtlich, da die Entwicklung eines Impfstoffs mit einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis auf Grundlage wissenschaftliche Erkenntnisse auch in Anbetracht etwaiger schädlicher Nebenwirkungen nicht verwerflich sein kann (LG Würzburg Endurteil v. 16.7.2024 – 14 O 1230/23, BeckRS 2024, 18985). Ferner scheitert ein solcher Anspruch am fehlenden Schädigungsvorsatz, ein vorsätzliches Manipulieren von Studien und Zufügen von Gesundheitsschäden aus Habgier erscheint angesichts des allgemeinen Nutzens des Impfstoffs fernliegend (LG Würzburg aaO).
74
3. Mangels Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich künftiger Schäden.
75
II. Die Klägerin kann auch keine Auskunft nach § 84a Abs. 1 AMG verlangen.
76
Gegenstand eines Auskunftsanspruchs nach § 84 a Abs. 1 AMG sind die dem pharmazeutischen Unternehmer bekannten Neben-, Wechsel- und Wirkungen nebst etwaiger Verdachtsfälle sowie sämtliche weiteren Erkenntnisse, die einen Bezug zum Krankheitsbild des Auskunftsberechtigten aufweisen und für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Bedeutung sein können (Kügel/Müller/Hofmann/Brock, 3. Aufl. 2022, AMG § 84 a Rn. 32, 35, 38).
77
Voraussetzung des Auskunftsanspruchs aus § 84a Abs. 1 AMG ist, dass der Antragsteller Tatsachen darlegt und ggf. beweist, aus welchen sich die plausible Annahme begründet, dass ein bestimmtes Arzneimittel den geltend gemachten Schaden kausal verursacht hat, wobei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl. OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 19.2.2025 – 23 U 13/24, BeckRS 2025, 2209). Für die Plausibilität, dass das Arzneimittel wahrscheinlicher den Schaden verursacht hat als dass es ihn nicht verursacht hat, ist beispielsweise der Vortrag eines zeitlichen Zusammenhangs, vergleichbarer Schadenseintritte sowie des Ausschlusses anderer schadensgeeigneter Faktoren zu berücksichtigen (OLG Frankfurt aaO). Hierbei gilt, dass der Arzneimittelanwender im Rahmen seiner erweiterten Darlegungslast den gesamten Lebenssachverhalt vortragen muss, der zur Beurteilung des Kausalzusammenhangs relevant ist, da der pharmazeutische Unternehmer anderweitig keine Kenntnis über Umstände in der Sphäre des Anwender haben kann (BeckOGK/Franzki, 1.2.2025, AMG § 84a Rn. 11).
78
Die durch die Klägerin vorgelegten Unterlagen zu ihrem Gesundheitszustand vor den streitgegenständlichen Impfungen sind hierzu unzureichend. Wenngleich im Nachgang zur Impfung eine umfangreiche Dokumentation stattfand, sind auch die Unterlagen zu der Zeit davor angesichts möglicher Alternativursachen vollständig vorzulegen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests vom 01.04.2025 mit einer Aufstellung von Diagnosen mitsamt Datum ab 2010 bis 2017 (K 201) ebenso wie die Karteikarte des Hausarztes von 2019 bis 2021 ohne weitere konkrete Unterlagen hierzu genügt dem angesichts der erfolgten Impfungen erst im Jahr 2021 nicht.
79
Jedoch lassen sich auch den vorgelegten Unterlagen schon zahlreiche Alternativursachen für die geltend gemacht Gesundheitsschäden entnehmen. Nach den von der Klägerin vorgelegten medizinischen Unterlagen kann ein kausaler Zusammenhang zwischen den Impfungen mit dem streitgegenständlichen Impfstoff der Beklagten und den vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin daher aus Sicht des Gerichts nicht als überwiegend wahrscheinlich erachtet werden.
80
Im Rahmen der Erstdiagnose Morbus Still mit Arztbrief vom 22.09.2021 wurden als Vordiagnosen Hashimoto-Thyreoiditis, Adipositas und eine Penicilin-Unverträglichkeit (K 6 S. 2) festgestellt.
81
Im Übrigen geht auch aus der rudimentären Aufstellung für die Zeit vor der Impfung (K 201) bereits hervor, dass bei der Klägerin schon im Jahr 2010 eine Schlafstörung sowie ein Überlastungssyndrom, im Jahr 2011 z.B. eine Immunschwäche und eine Infektanfälligkeit, im Jahr 2012 eine Depression diagnostiziert wurde. Diagnosen wie ein Erschöpfungssyndrom sowie ein Wirbelsäulensyndrom wurden bis zum Jahr 2016 mehrfach neben einer Vielzahl anderer Diagnosen gestellt.
82
Ebenso gab diese ausweislich der Karteikarte ihres Hausarztes (K 200) diesem gegenüber schon im Jahr 2020 an, dass sie sich nicht mehr richtig belastbar und überfordert fühle, unter Schlafstörungen leide und wegen Angstzuständen aufwache.
83
Zudem litt diese ausweislich der Unterlagen nach eigenem Vortrag gegenüber dem behandelnden Arzt im Mai 2022 schon seit 20 Jahren an Schmerzen (Anlage K 8 S. 4).
84
Allein aus den vorgelegten Unterlagen geht daher bereits deutlich hervor, dass die Klägerin im Gegensatz zu ihrer Darstellung vor den Impfungen nicht gesund war, sondern stattdessen vielfach unter Erkrankungen gelitten hat.
85
Diese Vorerkrankungen können auch mit den nun geltend gemachten streitgegenständlichen Beschwerden der Klägerin in Einklang gebracht werden:
86
Adulter Morbus Still stellt eine Autoimmunerkrankung dar, auch die geltend gemachten erhöhten Entzündungswerte können angesichts der bereits vor den Impfungen bei der Klägerin diagnostizierten Infektanfälligkeit und Immunschwäche ebenso gut auf andere Umstände als die Impfung zurückzuführen sein.
87
Schlafstörungen und Angstzustände bestanden ausweislich der ärztlichen Unterlagen bereits vor der Impfung bei der Klägerin.
88
Auch die geltend gemachte Konzentrationsschwäche sowie Leistungsunfähigkeit und Todesangst mit Panikattacken, welche allesamt Beeinträchtigungen psychischer Natur sind, können angesichts der Vorerkrankung an einer Depression auch ohne Weiteres anderweitige Hintergründe als die Impfungen haben.
89
Damit ist aus Sicht des Gerichts nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Beschwerden vom Impfstoff der Beklagten herrühren können, wie es § 84a AMG verlangt.
90
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Privatgutachten vom 24.08.2024 (K 171). Aus diesem ergibt sich bereits nicht, welche Unterlagen zum Gesundheitszustand der Klägerin vor den Impfungen dem Gutachter bekannt waren. Auf den konkreten Einzelfall wird in der Folge erstaunlich wenig abgestellt, vielmehr wird im Wesentlichen auf das Vorliegen der Krankheit und die ungewöhnlich hohen Fallzahlen der Erkrankung Morbus Still sowie das ungewöhnliche Auftreten der Erkrankung im Alter von 55 Jahren Bezug genommen. Das Gutachten lässt seine Sachlichkeit auch angesichts der darin vorgenommenen rechtlichen Wertungen vermissen.
91
Gegen einen Auskunftsanspruch gem. § 84a AMG kann der Hersteller auch die mangelnde Erforderlichkeit einwenden, wenn ein Anspruch nach § 84 Abs. 1 AMG eindeutig nicht besteht (BeckOGK/Franzki, 1.2.2025, AMG § 84a Rn. 15). Nach den obigen Ausführungen liegen die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 84 Abs. 1 AMG, dessen Vorbereitung der Auskunftsanspruch dienen könnte, nicht vor.
92
III. Mangels Anspruchs in der Hauptsache scheidet auch ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus.
93
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
94
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
95
Der Streitwert folgt aus § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO (Zahlungsantrag: 80.000 EUR, Feststellungsantrag: 30.000 EUR, Auskunftsantrag: 22.000 EUR (= 20% von 110.000 EUR)).