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VG München, Beschluss v. 08.07.2025 – M 26b E 24.7321
Titel:

Rundfunkbeitrag, Beitragsblocker, Zwangsvollstreckung, Erfolgloser Eilantrag, Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, Anforderungen an den Anordnungsgrund bei Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen

Normenketten:
RBStV
VwGO § 123
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Beitragsblocker, Zwangsvollstreckung, Erfolgloser Eilantrag, Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, Anforderungen an den Anordnungsgrund bei Vollstreckung von Rundfunkbeiträgen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 17932

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 199,47 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung von Rundfunkbeiträgen.
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Die Antragstellerin wird vom Antragsgegner unter der Beitragsnummer …  zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für eine Wohnung herangezogen. Der Antragsgegner setzte durchgehend seit November 2017 die jeweils fälligen Rundfunkbeiträge und Säumniszuschläge durch Festsetzungsbescheide fest. Insbesondere setzte der Antragsgegner mit Festsetzungsbescheid vom 1. November 2023 zu Lasten der Antragstellerin für den Zeitraum 03/2020 bis 08/2023 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 756,50 EUR (Blatt 214-219 der Behördenakte) und mit Festsetzungsbescheid vom 1. März 2024 für den Zeitraum 09/2023 bis 11/2023 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 63,08 EUR fest (Blatt 170-173 der Behördenakte). Den gegen den Bescheid vom 1. November 2023 erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2024 zurück.
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Mit Mahnschreiben vom 16.5.2025, zur Post gegeben am 21. Mai 2024, mahnte der Antragsgegner die noch ausstehenden Zahlungen für die Festsetzungsbescheide vom 1. November 2023 und vom 1. März 2024 an (Blatt 161-164 der Behördenakte).
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Mit Vollstreckungsersuchen vom 1. August 2024 beauftragte der Antragsgegner das Amtsgericht Pfaffenhofen mit der Vollstreckung der Festsetzungsbescheide vom 1. November 2023 und 1. März 2024 (Blatt 95-103 der Behördenakte).
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Mit weiterem Festsetzungsbescheid vom 1. August 2024 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum 03/2024 bis 05/2024 Rundfunkbeiträge in Höhe von 55,08 EUR fest (Blatt 91-94 der Behördenakte).
6
Mit Schreiben vom 5. September 2024 lud die Obergerichtsvollzieherin die Antragstellerin im Hinblick auf das Ausstandsverzeichnis vom 1. August 2024 zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 26. September 2024 (Blatt 80 und 32 der Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 8. September 2024 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner auf, die Zwangsvollstreckung spätestens innerhalb einer Woche einstweilen einzustellen, bat um Übersendung des Vollstreckungsersuchens und wies darauf hin, dass keine Mahnung vorliege (Blatt 49 der Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 24.09.2025 hob die Obergerichtsvollzieherin den Termin vom 26. September 2024 auf und bestimmte im Hinblick auf das Ausstandsverzeichnis vom 1. August 2024 die Antragstellerin zur Abgabe der Vermögensauskunft für den 17. Oktober 2024. Nach diesem Schreiben habe die Antragstellerin eine Forderung in Höhe von 751,38 EUR zzgl. Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von 46,50 EUR, insgesamt 797,88 EUR zu zahlen (Blatt 23-25 der Behördenakte)
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Mit Schreiben vom 5. November 2024 erhob die Antragstellerin Erinnerung gegen die Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht Pfaffenhofen a.d.Ilm (Blatt 14-20 der Behördenakte).
10
Mit Schreiben vom 29. November 2024, bei Gericht eingegangen am 6. Dezember 2024, wandte sich die Antragstellerin mit einem „Antrag nach § 123 VwGO“ an das Verwaltungsgericht München. Sie beantragt,
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„1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die gegenüber der Beizuladenden in dem Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom 26.09.2024 ausgestellte Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit der Forderung in Höhe von 797,88 € zur Beitragsnummer … für gegenstandslos zu erklären.
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2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die gegen den Antragsteller eingeleitete Zwangsvollstreckung aus dem Festsetzungsbescheid / den Festsetzungsbescheiden des Antragsgegners vom 01.08.2024 sowie von Mahngebühren einzustellen.“
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Die Antragstellerin macht im Wesentlichen zur Begründung geltend, dass die vom Antragsgegner betriebene Zwangsvollstreckung unzulässig sei, da die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Die Antragstellerin habe vor Einleitung der Zwangsvollstreckung nie eine Mahnung erhalten. Die Beizuladende setze die Zwangsvollstreckung trotz nicht vorliegender Vollstreckungsvoraussetzungen fort, weil der Antragsgegner ihr eine Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit der Forderung ausgestellt habe, die unrichtig sei, weil die Antragstellerin nicht gemahnt worden sei. Der Antrag richte sich nicht unmittelbar gegen die Zwangsvollstreckung an sich, sondern verfolge das Begehren, der Antragsgegner möge die Vollstreckbarkeitsbescheinigung für kraftlos erklären, da die Vollstreckung gen Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG (Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz) verstoße und daher unzulässig sei.
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Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2024 zum Eilantrag Stellung. Er beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Es seien weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund ersichtlich. Es gebe kein Vollstreckungsersuchen vom 26. September 2024. Der Festsetzungsbescheid vom 1. August 2024 werde auch noch nicht vollstreckt. Im Übrigen sei die Zwangsvollstreckung der Festsetzungsbescheide vom 1. November 2023 und 1. März 2024 rechtmäßig. Diese seien mit Schreiben vom 16. Mai 2024 ordnungsgemäß gemahnt worden. Das Bestreiten des Zugangs dieser Mahnung sei nicht glaubhaft. Bei den Schriftsätzen der Antragstellerin handle es sich um formularartig vorbereitete Musterschriftsätze organisierter Gegner des Rundfunkbeitrags namens „Beitragsblocker“, die gegen Zahlung verfügbar seien und vom Betreffenden nur noch mit den persönlichen Daten und einem Datum versehen werden müssten. Ein individueller Sachvortrag finde nicht statt. Es auch nicht substantiiert vorgetragen oder ersichtlich, weshalb vorliegend eine Eilbedürftigkeit bestehen soll.
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Mit Beschluss vom 12. Juni 2025 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (auch im Verfahren M 26b K 24.5017) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
19
1. Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1.1. Das Gericht legt den gestellten Antrag unter Beachtung der Grenzen des § 88 i.V.m. § 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend aus, dass die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO zum vorläufigen Schutz vor der Zwangsvollstreckung der Festsetzungsbescheide vom 1. November 2023 und 1. März 2024 begehrt. Dem liegt zugrunde, dass ein Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom 26. September 2024 von der Antragstellerin weder übermittelt wurde noch sich der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakte entnehmen lässt. Ebenso wenig ist für das Gericht erkennbar, dass die Zwangsvollstreckung des Festsetzungsbescheides vom 1. August 2024 bereits begonnen hat. An dem von der Antragstellerin angegebenen Datum 1. August 2024 hat der Antragsgegner jedoch das Vollstreckungsersuchen für die beiden Festsetzungsbescheide vom 1. November 2023 und 1. März 2024 erlassen. Zudem hatte die Obergerichtsvollzieherin in ihrem Schreiben vom 26. September 2024 der Antragstellerin mitgeteilt, dass für die Vollstreckung dieser beiden Festsetzungsbescheide vom 1. November 2023 und 1. März 2024 inklusive der Vollstreckungskosten insgesamt 797,88 EUR zu zahlen sind.
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1.2. Soweit in der Antragsbegründung von einer Beiladung die Rede ist, dürfte die Beiladung der (Ober-)Gerichtsvollzieherin gemeint sein. Eine Beiladung (§ 65 VwGO) ist im vorliegenden Fall nicht veranlasst, weil die Verantwortung für die Frage, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, allein der Antragsgegner trägt (vgl. BayVGH, B. v. 07.03.2024 – 7 CE 23.1749 – beckonline – Rn. 5-8).
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1.3. Der so verstandene Antrag ist zulässig.
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Der Antrag mit dem Ziel, eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erwirken, ist statthaft, weil in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre (§ 123 Abs. 5 VwGO). Rechtsschutz gegen die Vollstreckung eines Leistungsbescheids (hier: des Beitragsfestsetzungsbescheids) findet in Bayern dergestalt statt, dass der Betroffene sich mit seinen Einwendungen zunächst an die Anordnungsbehörde (hier: die Rundfunkanstalt) wenden und dort die Einstellung der Vollstreckung beantragen muss (Art. 21 und 22 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG). Gegen die Ablehnung eines solchen Antrags oder die nicht rechtzeitige Entscheidung über einen solchen Antrag ist dann eine Verpflichtungsklage erheben mit dem Ziel, die Vollstreckung für unzulässig zu erklären (vgl. BayVGH, B. v. 07.03.2024 – 7 CE 23.1749 – beckonline – Rn. 8; B.v. 19.8.2024 – 1 ZB 24.248 – beckonline Rn. 12).
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Dem Antrag fehlt auch nicht etwa wegen mangelnder Vorbefassung des Antragsgegners das Rechtsschutzbedürfnis. Im vorliegenden Fall hat sich die Antragstellerin zunächst mit Schreiben vom 8. September 2024 mit einem Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung an den Antragsgegner gewandt.
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1.4. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
26
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Regelungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Sicherungsanordnung). Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO). Der Antrag kann nur Erfolg haben, wenn und soweit sich sowohl Anordnungsanspruch als auch -grund aufgrund der Bezeichnung und Glaubhaftmachung als überwiegend wahrscheinlich erweisen (BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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Es kann hier im Rahmen des Eilverfahren dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, weil die Antragstellerin mit den gerichtsbekannten Formularschriftsätzen erfolgreich den Zugang der Mahnung vom 16. Mai 2024 bestreiten kann, kommt es für die Entscheidung im Eilverfahren nicht an.
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Die Antragstellerin hat jedenfalls einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
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Ein Anordnungsgrund liegt gemäß § 123 Abs. 1 VwGO vor, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Ein Anordnungsgrund setzt daher voraus, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen nicht zumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
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Dabei ist im Hinblick darauf, dass Rundfunkbeitragsbescheide gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (öffentliche Abgaben) kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind und grundsätzlich zunächst bezahlt werden müssen, bevor deren Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren geklärt wird, ein strenger Maßstab anzulegen. Ein Anordnungsgrund liegt etwa dann vor, wenn der Betroffene substantiiert vorträgt und glaubhaft macht, dass ihm angesichts der Höhe der des zu vollstreckenden Betrags und seiner eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit eine wirtschaftliche Überforderung im Sinne einer Existenzvernichtung, eine Existenzgefährdung oder einer unwirtschaftlichen Vermögensverwertung droht, und es ihm daher unzumutbar ist, die Geldforderung zunächst zu begleichen und sich den Betrag, sollte sich die Vollstreckung im Hauptsacheverfahren als unzulässig erweisen, gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 1 VwZVG wieder zurückerstatten zu lassen (vgl. BayVGH, B. v. 12.5.2023 – 15 CS 23.606 – beckonline Rn. 31 m.w.N.; BayVGH, B. v. 26.07.2006 – 23 CE 06.1199 – beckonline; Kuhla in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 71. Ed. 1.7.2024, § 123 Rn. 135.48; Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 123 Rn. 26).
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Die Antragstellerin hat nicht ansatzweise dazu vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass ihr das Abwarten einer Entscheidung über eine noch zu erhebende Hauptsacheklage in ihrem konkreten Fall unzumutbar wäre.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025 und wird auf ein Viertel des nach der Antragsschrift zu vollstreckenden Betrags festgesetzt.