Titel:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Türkei, Antragsablehnung mit Maßgabe, dass Abschiebung nur zusammen mit ausreisepflichtiger Mutter, in Deutschland geborenes sechsjähriges Mädchen, Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, Vorbringen ohne konkreten Belang für internationalen Schutz, keine eigenen Gründe, Existenzminimum gewährleistet, keine relevanten gesundheitlichen Gründe, familiäre Aspekte und Kindeswohl durch zulässige Maßgabeentscheidung gewahrt
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 4
AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 1
AsylG § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
AsylG § 36 Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AufenthG § 60a Abs. 2c S. 2
Schlagworte:
Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Türkei, Antragsablehnung mit Maßgabe, dass Abschiebung nur zusammen mit ausreisepflichtiger Mutter, in Deutschland geborenes sechsjähriges Mädchen, Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, Vorbringen ohne konkreten Belang für internationalen Schutz, keine eigenen Gründe, Existenzminimum gewährleistet, keine relevanten gesundheitlichen Gründe, familiäre Aspekte und Kindeswohl durch zulässige Maßgabeentscheidung gewahrt
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1791
Tenor
I. Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Antragstellerin nur zusammen mit ihrer Mutter abgeschoben werden darf.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Sofortvollzug der Androhung der Abschiebung in die Türkei infolge der Ablehnung ihres Asylantrages durch die Antragsgegnerin als offensichtlich unbegründet.
2
Die Antragstellerin ist eine am … … 2018 in Deutschland geborene türkische Staatsangehörige, die durch ihre allein sorgeberechtigte Mutter vertreten wird. Ihr Vater hält sich in Griechenland auf.
3
Am 12. März 2024 wurde ein Asylantrag mit Eingang des Schreibens der Ausländerbehörde als gestellt erachtet. Die gut sechsjährige Antragstellerin machte keine eigenen individuellen Gründe geltend. Es erfolgte vielmehr nur eine allgemeine Bezugnahme auf die Asylgründe der Eltern bzw. der Mutter.
4
Der Asylantrag der Mutter wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2023 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ein Sofortantrag blieb erfolglos (VG A …, B.v. 22.12.2023 – AN 4 S 23. …). Das VG A … hob mit Urteil vom 24. September 2024 (AN 4 K 23. …*) die Nummern 5 und 6 des Bescheides hinsichtlich der Abschiebungsandrohung und des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf und wies die Klage im Übrigen ab.
5
Mit Bescheid vom 16. Januar 2025 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) für die Antragsgegnerin den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen Staat, in den die Antragsteller einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, wurde angedroht. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der Klagefrist und im Falle der fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG offensichtlich unbegründet, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht habe, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang seien. Eine Anerkennung im Rahmen eines sogenannten Familienflüchtlingsschutzes oder Familienasyls sei angesichts der Tatsache, dass der Asylantrag der Mutter der Antragstellerin vollumfänglich als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei, nicht möglich. Sonstige Gründe seien nicht geltend gemacht worden und auch nicht sonst ersichtlich. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Bei realitätsnaher Betrachtung sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin zusammen mit ihrer Kernfamilie, also hier der Antragstellerin zusammen mit ihren Eltern bzw. ihrer Mutter, zurückkehre. Wie bereits im Bescheid der Mutter vom 7. Dezember 2023 erläutert, sei nicht ersichtlich, warum es der Mutter bei einer Rückkehr in die Türkei, auch gemeinsam mit der Antragstellerin, nicht gelingen sollte die Existenz zu sichern. Vor allem für Rückkehrer, die über Qualifikationen und Sprachkenntnisse verfügten, bestehe die Möglichkeit, Arbeit zu finden. Es könne daher erwartet werden, dass sich die Mutter in der Türkei landesweit erneut um eine Arbeit bemühe und sich in der Türkei eine Existenz schaffe. Darüber hinaus bestehe aufgrund der Vaterschaftsanerkennung die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber der Mutter, auf die sich auch die Antragstellerin berufen könne.
6
Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gehe davon aus, dass in aller Regel das Wohl des Kindes am besten durch seine Eltern verwirklicht werde. Im Regelfall entspreche es dem Wohl des Kindes und auch seinem Willen, dass es mit seinen Eltern (und minderjährigen Geschwistern) zusammenbleibe, so dass das Kindeswohl regelmäßig auch dann gewahrt ist, wenn der Familienverband im Herkunfts- oder in einem anderen Staat wiederhergestellt werde. Im Fall der Antragstellerin lägen keine überwiegenden schutzwürdigen familiären Belange vor, die wegen der möglicherweise aus der Asylentscheidung folgenden (räumlichen) Trennung von Teilen der Kernfamilie einer künftigen Abschiebung der Antragsteller entgegenstehen könnten. Die Mutter der Antragstellerin sei abgelehnt worden. Sie verfüge nicht über einen berechtigten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Mangels vorliegender oder zureichender Erkenntnisse zu berücksichtigungsfähigen Individualinteressen der Antragstellerin gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG könne ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis nicht festgestellt werden. Zu berücksichtigen sei dabei die gesetzgeberische Wertung, wonach die regelmäßige Folge einer vollablehnenden Entscheidung über den Asylantrag die Aufenthaltsbeendigung sei. Zugrunde liege die Maßgabe, dass eine wirksame Rückkehrpolitik als notwendiger Bestandteil einer gut geregelten Migrationspolitik die Beendigung des illegalen Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen vorsehen müsse.
7
Ferner lägen dem Bundesamt im Zeitpunkt der Asylentscheidung keine Anhaltspunkte zum Gesundheitszustand der Antragstellerin vor, die gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG als inlandsbezogenes Abschiebungshindernis zu berücksichtigen wären. Die fehlende Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG spreche als starkes Indiz dafür, dass nicht von der Realisierung einer unmenschlichen Behandlung bei einer künftigen Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung ausgegangen werden könne. Gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG entscheide die Ausländerbehörde über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung zur Ermöglichung einer gemeinsamen Ausreise zusammen mit Familienangehörigen. Mit Bestandskraft bzw. Rechtskraft der ablehnenden Entscheidung endet das Asylverfahren. Als Folge dessen erlösche die Aufenthaltsgestattung. Die Ausländerin sei nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig. Für weitere aufenthaltsrechtliche Maßnahmen sei ab diesem Zeitpunkt die Ausländerbehörde zuständig. Dies umfasse auch die Frage, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens entfallen seien, weil zwischenzeitlich ein von der Ausländerbehörde zu berücksichtigendes sogenanntes inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis vorliege.
8
Am 28. Januar 2025 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 25. … Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen die Abschiebungsanordnung wiederherzustellen.
9
Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen ausführen: Die Antragstellerin sei in der Bundesrepublik Deutschland geboren. Bereits deswegen stehe ihr ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu. Denn sie sei hier integriert, spreche Deutsch etc. Überall, auch in der Türkei werde sie als „Deutsche“ behandelt werden. Überall auf der Welt, auch in Deutschland, sei für die Normalbevölkerung die Staatsangehörigkeit immer an den Geburtsort geknüpft. Die Antragstellerin sei sechs Jahre alt und immer noch vulnerabel. Eine Abschiebung würde eine erhebliche Belastung für das Kind sein und könnte sie womöglich traumatisieren. Kinder stünden in Deutschland und Europa unter besonderem Schutz.
10
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beantragte für die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 29. Januar 2025, den Antrag abzulehnen.
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der des Klageverfahrens W 8 K 25. …) sowie die beigezogenen Behördenakten (einschließlich der Akten ihrer Mutter) Bezug genommen.
12
Der Antrag, der als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf die Abschiebungsandrohung unter Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids zu verstehen ist (§ 88 VwGO i.V.m. § 122 VwGO), hat – unter Berücksichtigung der tenorierten Maßgaben – keinen Erfolg.
13
Der Antrag ist zulässig, aber im Ergebnis unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
14
Der Antrag ist zulässig.
15
Der Antrag ist gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1, § 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 VwGO statthaft, soweit er sich gegen die gemäß § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung wendet. Des Weiteren wurden Sofortantrag und Klage innerhalb der Wochenfrist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG bei Gericht gestellt.
16
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
17
Im Rahmen des Aussetzungsverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der gemäß § 36 Abs. 3, § 75 Abs. 1 AsylG sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung an, wenn das persönliche Interesse des Asylsuchenden, von der sofortigen Aufenthaltsbeendigung vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Durchsetzung übersteigt. Dabei darf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nur bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes erfolgen. „Ernstliche Zweifel“ im Sinne der genannten Vorschrift liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166, 189 ff. – juris Rn. 99).
18
Das Gericht darf sich dabei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht auf eine summarische Prüfung beschränken, wenn dem Antragsteller im Falle der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes bereits eine endgültige Verletzung seiner Rechte droht und insoweit auch Grundrechtspositionen von Gewicht in Rede stehen (BVerfG, B.v. 23.7.2020 – 2 BvR 939/20 – juris m.w.N.). Insoweit fordert der effektive Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG, dass sich das Verwaltungsgericht nicht mit einer bloßen Prognose zur voraussichtlichen Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils begnügen darf, sondern die Frage der Offensichtlichkeit – wenn es sie bejahen will – erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren klären und insoweit über eine summarische Prüfung hinausgehen muss (BVerfG, B.v. 23.7.2020 – 2 BvR 939/20 – juris; B.v. 25.2.2019 – 2 BvR 1193/18 – juris Rn. 21). Das Verwaltungsgericht muss dabei überprüfen, ob das Bundesamt aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihm vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihm vorliegenden oder zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag nicht als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, ferner, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 25.2.2019 – 2 BvR 1193/18 – juris Rn. 21 m.w.N.). Des Weiteren darf die Verneinung relevanter inlandsbezogener Abschiebungshindernisse gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 AsylG keinen ernstlichen Zweifel unterliegen.
19
Bei der Prüfung bleiben von den Beteiligten nicht angegebene und nicht gerichtsbekannte Tatsachen und Beweismittel gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG unberücksichtigt (BVerfG, B.v. 23.7.2020 – 2 BvR 939/20 – juris). Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 AsylG im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie dort nicht angegebene Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2 AsylG kann das Gericht gemäß § 36 Abs. 4 Satz 3 AsylG unberücksichtigt lassen, wenn anderenfalls die Entscheidung verzögert würde.
20
Gemessen an diesem Maßstab begegnet die Entscheidung des Bundesamtes, die Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzulehnen, Abschiebungsverbote zugunsten der Antragsteller nicht festzustellen und die Abschiebung in die Türkei anzudrohen, keinen ernstlichen Zweifeln.
21
Das Gericht folgt hierbei den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 3 AsylG). Die Ausführungen im Bescheid decken sich mit der bestehenden Erkenntnislage, insbesondere mit dem Lagebericht des Auswärtigen Amts (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 20.5.2024, Stand: Januar 2024; vgl. ebenso BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Türkei vom 18.10.2024).
22
Ergänzend wird lediglich Folgendes ausgeführt:
23
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Asylanträge zu Recht als offensichtlich unbegründet im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG abgelehnt wurde. Die Ablehnung als offensichtlich unbegründet beruht auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Danach ist ein Offensichtlichkeitsanspruch gerechtfertigt, wenn die Antragsteller im Asylverfahren nur asylfremde Umstände vorgebracht haben, die für die Prüfung des Asylantrages nicht von Belang sind. Nicht von Belang ist ein Vortrag dann, wenn aus diesem auch bei Wahrunterstellung rechtlich klar kein Schutzstatus nach § 3 oder § 4 AsylG folgen kann (vgl. Auslegung im Sinne von Art. 31 Abs. 8 lit. g Asylverfahrens-RL 2013/32/EU). Eine asylrechtliche Relevanz ergibt sich dabei auch nicht, wenn offenkundig Möglichkeiten des landesinternen Schutzes oder einer inländische Fluchtalternative (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. §§ 3d und 3e AsylG) bestehen und der Antragsteller sich darauf verweisen lassen muss (VG Düsseldorf, B.v. 11.12.2024 – 28 L 3525/24.A – juris Rn. 13 ff., 17; VG Köln, B.v. 12.8.2024 – 22 Lm1505/24.A – juris Rn. 14; VG Augsburg, U.v. 28.6.2024 – Au 6 K 24.30308 – juris Rn. 20 ff., 31 sowie VG Dresden, B.v. 16.4.2024 – 3 L 186/24.A – juris Rn. 20; kritisch VG Düsseldorf, B.v. 18.7.2024 – 7 L 1825/24.A – juris Rn. 28 f.).
24
Auch verfassungsrechtlich ist die Annahme einer offensichtlichen Unbegründetheit nicht zu beanstanden, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre die Ablehnung des Antrag geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris Rn. 20).
25
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das VG A … (U.v. 24.9.2024 – … 6 K 23. …) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bundesamtes bezüglich der Ablehnung des Asylantrags der Mutter der Antragstellerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft usw. als offensichtlich unbegründet hatte. Die Antragstellerin hat erst Recht keine eigenen individuellen asyl- oder flüchtlingsrelevanten Gründe vorgebracht, noch sind solche sonst ersichtlich.
26
Des Weiteren bestehen im Rahmen des Sofortverfahrens auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Feststellung in Nr. 4 des angefochtenen Bescheides, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Auch insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung abgesehen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
27
Soweit die Antragstellerin gesundheitliche Probleme (vulnerabel, mögliche Traumatisierung) geltend macht, hat sie keine qualifizierte Bescheinigung gemäß § 60 Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG vorgelegt. Zudem hat die Antragstellerin, abgesehen von diesen sehr allgemeinen Ausführungen über eine mögliche Belastung für das Kind und eine mögliche Traumatisierung nichts weiter konkretisiert, insbesondere über irgendwelche bestehenden Erkrankungen bzw. Behandlungen in Deutschland. Vielmehr ist zu betonen – wie auch die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt hat –, dass es dem Kindeswohl gerade dient, zusammen mit der Mutter zu bleiben. Folglich bleibt es bei der Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Abgesehen davon ist auch in der Türkei die Behandlung eventueller Erkrankungen möglich und erreichbar (vgl. nur BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Türkei vom 18.10.2024, S. 309 f.).
28
Die Geburt der Antragstellerin auf deutschem Staatsgebiet rechtfertigt für sich von Rechts wegen – anders als der Prozessbevollmächtigte meint – keine andere Beurteilung, weil für die Antragstellerin in Deutschland das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) gilt – wonach sie als Kind einer türkischen Mutter die türkische Staatsangehörigkeit besitzt – und nicht das Geburtsortprinzip (ius soli).
29
Ernstliche Zweifel bestehen im Ergebnis auch nicht an der Rechtmäßigkeit der auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 AufenthG gestützten Abschiebungsandrohung. Insbesondere stehen der Abschiebung weder das Kindeswohl der Antragstellerin noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand entgegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG), weil durch die tenorierte Maßgabenentscheidung gerade dem Kindeswohl und den familiären Bindungen Rechnung getragen wird.
30
Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz vom 21.2.2024 – BGBl. I Nr. 54) hat der Gesetzgeber § 34 AsylG geändert. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 erlässt das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 des AufenthG eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn der Abschiebung weder das Kindeswohl noch familiäre Bindungen noch der Gesundheitszustand des Ausländers entgegenstehen. Mit dieser Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union reagiert, wonach die bisherigen Regelungen für den Erlass einer Abschiebungsandrohung teilweise nicht den Anforderungen der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) genügten (EuGH, B.v. 15.2.2023 – C-484/22 – juris Rn. 23 ff.). Mit § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG werden die Anforderungen des Art. 5 Rückführungsrichtlinie in das nationale Recht übernommen, der verlangt, dass bei Erlass einer Rückkehrentscheidung die dort genannten Belange gebührend berücksichtigt werden (EuGH, U.v. 14.1.2021 – 4 C-441/19 – juris Rn. 60; EuGH, U.v. 8.5.2018 – C-82/16 – juris Rn. 102; EuGH, U.v. 11.12.2014 – C-249/13 – juris Rn. 48).
31
Damit hat das Bundesamt als die für die Abschiebungsandrohung gemäß § 34 AsylG zuständige Behörde die in § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG genannten Belange und ihr Gewicht bei Erlass der Androhung zu prüfen. Im Rahmen der Kontrolle haben die Verwaltungsgerichte im maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG das Vorliegen von (möglicherweise auch erst nach Erlass der Androhung entstandenen) Belangen zu prüfen und eine eigene Abwägung vorzunehmen. In diesem Rahmen sind daher das Wohl des Kindes und die familiären Bindungen gebührend zu berücksichtigen. Die familiären Bindungen sind im Rahmen der Abschiebungsandrohung auch dann zu berücksichtigen, wenn Adressat der Entscheidung nicht die Minderjährige, sondern ein Elternteil der Minderjährigen ist, soweit die Minderjährige über ein Aufenthaltsrecht im betreffenden Mitgliedstaat verfügt. Es kommt also nicht darauf an, ob die Rückkehrentscheidung gegen eine Minderjährigen oder gegen einen Elternteil ergeht (EuGH, U.v. 11.3.2021 – C-112/20 – juris Rn. 33; VG Berlin, U.v. 6.4.2023 – 34 K 21/22 A – juris Rn. 23; VG Köln, U.v. 22.2.2024 – 8 K 206/19.A – juris Rn. 164).
32
Im Rahmen der Prüfung des Wohls des Kindes und der familiären Bindungen gemäß Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG ist die darin enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm zu berücksichtigen, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat. Dies verpflichtet die Antragsgegnerin, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den Verbleib begehrenden Ausländers an Personen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei sind die Belange des Elternteils und des Kindes im Einzelfall umfassend zu berücksichtigen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu beiden Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht (BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 17 und Rn. 25 f.). Auch eine möglicherweise nur vorübergehende Trennung würde kleine Kinder erheblich belasten, weil sie den möglicherweise nur vorübergehenden Charakter der räumlichen Trennung von einem Elternteil nicht begreifen können (BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 22).
33
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze wird durch der tenorierten Maßgabe, dass die Antragstellerin gerade nicht ohne ihre Mutter, sondern nur gemeinsam mit ihrer Mutter abgeschoben werden darf, dem Kindeswohl und familiären Bindungen entsprechend Rechnung getragen. Denn dadurch wird auch nur eine vorübergehende Trennung der sechsjährigen Antragstellerin von ihrer Mutter verhindert. Das VG A … hatte in seinem zitierten Urteil vom 24. September 2024 die dortige Nr. 5 des Bescheides der Mutter aufgehoben, weil die minderjährige Antragstellerin sich damals noch im laufenden Asylverfahren befunden habe und im Besitz einer Aufenthaltsgestattung gewesen sei und es aus seiner Sicht nicht ausgeschlossen gewesen sei, dass der unterschiedliche Verlauf der Asylverfahren von Familienmitgliedern zu einer Trennung auf unabsehbare Zeit hätte führen können. Der minderjährigen Antragstellerin könne nicht zugemutet werden von ihrer Mutter (der Klägerin im A … Verfahren) die familiäre Lebensgemeinschaft dadurch fortzuführen, dass sie freiwillig mit ihrer Mutter ausreise, bevor ihr Asylantrag von der Antragsgegnerin geprüft worden sei, stehe der Antragstellerin zu, das Asylverfahren im Bundesgebiet durchzuführen, ohne die familiäre Einheit aufgeben zu müssen. Die familiären Belange überwögen daher vorliegend den asyl- und einwanderungspolitischen Belangen (siehe VG A* …, U.v. 24.9.2024 – … 6 K 23. … – UA S. 10/11).
34
Diesen Einwänden ist durch den streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid Rechnung getragen. Der Asylantrag der Antragstellerin wurde als offensichtlich unbegründet abgelehnt und ihr die Abschiebung in die Türkei angedroht. Gleichzeitig ist der Asylantrag ihrer Mutter bestandskräftig abgewiesen. Die Mutter ist auch ausreisepflichtig, so dass einer gleichzeitigen Ausreise unter diesem Aspekt nichts entgegensteht. Der Vater der Antragstellerin hält sich ohnehin nicht in Deutschland, sondern in Griechenland auf.
35
Durch die tenorierte Maßgabe ist zur Verdeutlichung explizit verbindlich angeordnet, dass die Antragstellerin nur gemeinsam mit ihrer Mutter abgeschoben werden darf. Es ist davon auszugehen, dass eine erneute Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung gegen die Mutter der Antragstellerin zeitnah erfolgen kann und wird, weil die im A … Verfahren noch vorliegenden Gründe nunmehr weggefallen sind.
36
Die tenorierte Maßgabe ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO zulässig, weil eine entsprechende „Auflage“ auch bei ablehnenden Eilentscheidungen nach herrschender Meinung möglich ist. Denn die Zulassung einer entsprechenden Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO ermöglicht einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Polen einer völligen Begründetheit bzw. Unbegründetheit des Aussetzungsantrags und ermöglicht weiter einen entsprechenden Ausgleich zwischen den Interessen der Antragstellerin an einem effektiven Rechtsschutz und dem staatlichen Vollziehungsinteresse. „Auflagen“ im Sinne von § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO sind dabei nicht selbständig vollstreckbare Anordnungen gemäß Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, sondern spezielle auf die Zwecke des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens zugeschnittene Nebenbestimmungen (vgl. im Einzelnen Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 80 Rn. 169 m.w.N.). Demgemäß wird mit der vorliegenden Maßgabeentscheidung einerseits dem Wohl und den Belangen des minderjährigen Kindes und seiner Mutter Rechnung getragen, nicht auch nur für kurze Zeit getrennt zu werden, und andererseits wird dem Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einer Vollstreckung der Rückkehrverpflichtung bei Drittstaatsangehörigen ohne berechtigten Aufenthalt im Bundesgebiet Genüge getan.
37
Nach alledem hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg.
38
Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.