Titel:
Voraussetzungen für einen Untersagungsanspruch der Nutzung von iPads und MacBooks im Schulbetrieb
Normenkette:
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Der Anordnungsanspruch auf den Ausschluss von Apple-Geräten im Schulunterricht aufgrund genetisch bedingter Störungen im Entgiftungsstoffwechsel und einer daraus resultierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen muss glaubhaft gemacht werden, insbesondere durch den Nachweis, dass die Nutzung der Geräte durch Mitschüler ursächlich für die Erkrankungen ist. Ärztliche Atteste müssen einen wissenschaftlich fundierten Kausalitätsnachweis liefern und eine klare Diagnose oder den Ausschluss anderer Ursachen beinhalten. (Rn. 7 – 13 und 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst wenn die Erkrankungen der Antragstellerin durch die Nutzung von iPads und MacBooks verursacht wären, bestünde ein Anspruch auf Untersagung der Geräte nur, wenn diese Maßnahme für alle anderen unzumutbar wäre und der Gesundheitsschutz die Interessen der Schule am digitalen Unterricht eindeutig überwiegt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Glaubhaftmachung, Gesundheitsbeeinträchtigung durch Appel-Geräte, Attest, digitaler Unterricht
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 28.10.2024 – M 3 E 24.5919
Fundstelle:
BeckRS 2025, 179
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die 13-jährige Antragstellerin besucht die Jahrgangsstufe 7 der Staatlichen Realschule V., die am Projekt „Digitale Schule der Zukunft“ teilnimmt. Sie begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Beschulung ohne den Einsatz von Tablets und Laptops der Marke Apple (iPads, MacBooks) durch andere Schülerinnen und Schüler. Zur Begründung wird vorgebracht, der Einsatz von diesen Geräten führe bei ihr aufgrund einer genetisch bedingten Störung des Entgiftungsstoffwechsels zu Vergiftungssymptomen und mehrtägigen Erkrankungen mit Schulabwesenheit.
2
Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der beantragten Anordnung mit Beschluss vom 28. Oktober 2024 abgelehnt, weil nicht hinreichend dargelegt sei, dass bei der Antragstellerin eine genetisch bedingte Störung im Entgiftungsstoffwechsel vorliege und die geschilderten Symptome (nur) auf den Einsatz von Geräten der Marke Apple zurückzuführen seien.
3
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
5
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
6
Das Verwaltungsgericht hat den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung zu Recht mangels Anordnungsanspruchs abgelehnt. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat nach Maßgabe von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung des angegriffenen Beschlusses. Der Senat lässt es offen, auf welche Rechtsgrundlage das Begehren der Antragstellerin gestützt werden könnte und ob bzw. inwieweit bei der Antragstellerin von einer genetisch bedingten Störung im Entgiftungsstoffwechsel auszugehen ist. Denn es wurde schon nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Nutzung der genannten Apple-Geräte durch andere Schülerinnen und Schüler zu Erkrankungen der Antragstellerin führt (1.). Selbst bei unterstelltem Zusammenhang zwischen Erkrankungen der Antragstellerin und dem Einsatz von iPads bzw. MacBooks durch andere Schülerinnen und Schüler scheidet unabhängig davon die beantragte einstweilige Anordnung auch deswegen aus, weil nicht glaubhaft gemacht wurde, dass jede andere Entscheidung als die begehrte Maßnahme ermessensfehlerhaft bzw. für die Antragstellerin unzumutbar wäre (2.).
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1. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass der Einsatz von Tablets und Laptops der Marke Apple (iPads, MacBooks) durch andere Schülerinnen und Schüler in der Realschule V. kausal für Erkrankungen der Antragstellerin ist. Zutreffend sieht das Verwaltungsgericht die vorgelegten ärztlichen Atteste als nicht geeignet an, um einen solchen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang annehmen zu können.
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a) In dem fachärztlichen Attest des Prof. Dr. B. vom 28. Juni 2023, Kinder- und Jugendarzt sowie Umweltmediziner am Institut und P. für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin des Klinikums der Universität M. , wird zwar berichtet, dass aus Kommunikationsendgeräten je nach Alter und Hersteller unterschiedliche flüchtige organische Kohlenwasserstoffverbindungen, u.a. auch Flammschutzmittel ausdünsten könnten, die als mögliche Auslöser von Symptomen in Betracht kämen. Im Erwachsenenbereich gebe es diese Beobachtungen häufiger, im Kinder- und Jugendbereich sei dies eine Seltenheit. Fachärztlich wird jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein exakter Pathomechanismus nicht bekannt sei. Das Attest belegt somit gerade nicht die erforderliche Kausalität zwischen dem Einsatz von iPads bzw. MacBooks durch andere Schülerinnen und Schüler und den Erkrankungen der Antragstellerin.
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b) Die Atteste der Ärztin G. vom 17. September 2024 und des Internisten Dr. H. vom 24. Mai 2024, beide nach Aktenlage weder Pädiater noch Umweltmediziner, gehen zwar von einem solchen Ursachenzusammenhang aus, stellen diesen aber bereits nicht substantiiert und plausibel dar.
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Das Attest der Ärztin G. vom 17. September 2024 beschreibt die auf den Einsatz von iPads/MacBooks zurückgeführten Erkrankungen der Antragstellerin, deren Symptome und deren Ablauf wie folgt: Zunächst Abgeschlagenheit, Husten mit Erbrechen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, reduzierte Nahrungsaufnahme, dann Rhinitis, daraufhin Abschwächung des Hustens und Abklingen/Ende der Beschwerden bis zum 10./11. Tag. Die Ursächlichkeit der Emissionen der Apple-Geräte für die Erkrankungen der Antragstellerin wird damit begründet, dass die Erkrankungen dann aufgetreten seien, wenn die Antragstellerin sich vorher in einem Raum mit iPads bzw. MacBooks befunden habe. Wegen der gehäuften Vorfälle sei die Ursächlichkeit eindeutig. Ein Beleg sei auch der zeitliche Zusammenhang und der Umstand, dass bei Beseitigung der Exposition die Vergiftungssymptome nicht mehr vorgelegen hätten.
11
Das Attest des Dr. H. vom 24. Mai 2024 führt aus, dass aufgrund der Familienanamnese und des von der Hausärztin Frau Dr. G. beschriebenen Bildes bei der Antragstellerin von einem Polymorphismus bezüglich des Entgiftungsstoffwechsels auszugehen sei. Aus wiederholten Beobachtungen in der Vergangenheit, sowohl im privaten Umfeld als auch in der Schule, könne aufgrund der zeitlichen Nähe der Erkrankungen und des Kontakts mit elektronischen Endgeräten ein Zusammenhang hergestellt werden und sei von der Ärztin G. attestiert worden.
12
Die in den Attesten vorgenommene Kausalitätsbegründung ist nicht hinreichend nachvollziehbar. Etwaige Studien oder sonstige wissenschaftliche Erkenntnisse zu Emissionen von Apple-Geräten werden weder benannt noch in Bezug genommen. Die pathologischen Auswirkungen für die Antragstellerin werden nicht mit medizinischen Untersuchungsergebnissen konkret belegt. Das Attest von Dr. H. lässt bereits offen, aufgrund welcher eigenen Diagnostik er zu dem von ihm gezogenen Ursachenzusammenhang kommt. Die Atteste stützen die Kausalität im Wesentlichen auf die Beobachtungen der Antragstellerin bzw. ihrer Eltern sowie auf die bei der Antragstellerin angenommene, genetisch bedingte Entgiftungsstörung. In beiden Attesten wird nicht substantiiert darauf eingegangen, wann genau, wie oft und unter welchen näheren Umständen die Antragstellerin bislang die geschilderten Erkrankungen erlitten hat und welche Diagnostik angestellt wurde, um die Ursachen der jeweiligen Erkrankungen zu finden. Da es im ärztlichen Attest von Dr. H. heißt, es bestehe keine Möglichkeit, im Vorfeld z.B. über einen Labortest zu ermitteln, auf welche Stoffe in welchen Endgeräten die Antragstellerin reagiere, hätte es einer umfassenden Darlegung bedurft, welche anderen Ursachen für die angeführten Symptome der Antragstellerin diagnostisch ausgeschlossen werden konnten. Der pauschale Verweis auf exemplarisch angeführte Ereignisse in der Grund- und Realschule sowie im privaten Umfeld reicht nicht aus, um einen nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen den Erkrankungen der Antragstellerin und den Emissionen der Apple-Geräte zu belegen. Aus beiden Attesten geht bereits nicht hinreichend hervor, in welchem zeitlichen Abstand die Symptome nach der Exposition mit einem iPad oder MacBook aufgetreten sind. In dem Attest des Internisten Dr. H. vom 24. Mai 2024 ist völlig vage von einer „zeitlichen Nähe“, in dem der Ärztin G. ohne Begründung von einem „eindeutigen zeitlichen Zusammenhang“ die Rede. Auch die Feststellung, bei Vermeidung der Exposition mit Tablets und Laptops der Marke Apple sei keine Erkrankung der beschriebenen Art erfolgt, begründet keinen hinreichenden Kausalitätszusammenhang. Denn dies würde voraussetzen, dass in den Räumen, in denen die Antragstellerin nachweislich Kontakt mit Emissionen von Apple-Geräten hatte, keine anderweitigen die Antragstellerin krankmachenden Stoffe, Viren und/oder Bakterien vorhanden waren bzw. sie in der Zeit, bevor sie die Räume aufgesucht und nachdem sie sie verlassen hatte, nicht anderweitig mit derartigen Stoffen bzw. Bakterien oder Viren in Kontakt gekommen sein kann. Die Möglichkeit anderer Ursachen für die Erkrankungen der Antragstellerin wird auch durch den vorgelegten unauffälligen Blut- und Allergietest nicht ausgeschlossen.
13
Ein Anordnungsanspruch für die beantragte Anordnung, die Antragstellerin zum Schutz vor Erkrankungen vorläufig ohne den Einsatz von Tablets und Laptops der Marke Apple durch andere Schülerinnen und Schüler zu beschulen, ist nach alledem bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
14
2. Aber selbst wenn unterstellt werden könnte, dass die Erkrankungen der Antragstellerin ausschließlich durch die Nutzung von iPads und MacBooks im Schulbetrieb verursacht werden, hat ihr Antrag auf einstweiligen Rechtschutz keinen Erfolg. Denn einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der von ihr geforderten Weise hätte die Antragstellerin nur dann, wenn jede andere Maßnahme als die Untersagung der Nutzung von iPads und MacBooks durch andere Schülerinnen und Schüler ermessensfehlerhaft bzw. für die Antragstellerin unzumutbar wäre. Hierfür müsste feststehen, dass der Anspruch der Antragstellerin auf Gesundheitsschutz die Interessen der Schule an der Durchführung eines digitalen Unterrichts sowie die Interessen der Schülerinnen und Schüler an der Nutzung von (bereits beschafften) Endgeräten der Marke Apple zwingend zurückdrängt. Dass dem so ist, wurde auch im Beschwerdeverfahren in keiner Weise glaubhaft gemacht.
15
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
16
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).