Titel:
Datenschutzrechtlichen Berichtigungsanspruch
Normenkette:
DSGVO Art. 4 Nr. 1, Art. 12 Abs. 5 S. 2, Art. 16
Leitsatz:
Bestrittene Sachverhaltsdarstellungen in Gutachten und Stellungnahmen unterliegen regelmäßig nicht dem datenschutzrechtlichen Berichtigungsanspruch. Ebenso sind fachliche Entscheidungen einer Behörde nach den fachrechtlichen Maßstäben zu beurteilen und unterliegen regelmäßig nicht der datenschutzrechtlichen Aufsichtskompetenz. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berichtigung von Jugendamtsakten, Datenschutz, Berichtigungsanspruch, personenbezogene Daten
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 16.10.2024 – W 6 K 24.500
Fundstelle:
BeckRS 2025, 178
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
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1. Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und deshalb kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe besteht (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
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a) Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, die Erfolgsaussichten des Klagebegehrens also zumindest offen sind. Es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die bereits gegeben ist, wenn ein Obsiegen ebenso in Frage kommt wie ein Unterliegen. Allerdings genügt eine nur entfernte, theoretische Wahrscheinlichkeit des Obsiegens nicht. In tatsächlicher Hinsicht genügt eine Glaubhaftigkeit der tatsächlichen Angaben (vgl. § 118 Abs. 2 S. 1 ZPO). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde (BVerfG, B.v. 8.12.2020 – 1 BvR 149/16 – juris Rn. 14), ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26).
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b) In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die vom Kläger erhobene Klage auf Berichtigung von Akteninhalten Erfolg haben könnte.
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aa) Das Verwaltungsgericht hat die Erfolgsaussichten der Klage schon deshalb verneint, weil der Kläger seinen Anspruch vor Erhebung der Klage nicht bei dem Beklagten geltend gemacht habe. Dieser habe in der Vergangenheit durch die Korrektur von Akteninhalten gezeigt, dass er bereit sei, berechtigte Ansprüche des Klägers zu erfüllen. Der Klage fehle es daher bereits am Rechtschutzbedürfnis (BA S. 3). Dagegen bringt die Bevollmächtigte des Klägers auch in der Beschwerdeschrift nichts vor, sondern verweist nur auf ein „Feststellungsinteresse“ aufgrund der „Rehabilitierung des Klägers und seinen Kindern“. Auch der Klagebegründung ist nicht näher zu entnehmen, welche konkreten Akteninhalte beanstandet werden sollen und wann der Beklagte erfolglos zu deren Korrektur aufgefordert wurde. Ob seit dem letzten Antrag des Klägers bereits drei Jahre vergangen sind, was dieser unter Hinweis auf seine E-Mail-Korrespondenz vom Januar 2024 mit dem Datenschutzbeauftragten des Beklagten bestreitet, kann offenbleiben, weil der Beklagte keinen Anlass zu der Vermutung gegeben hat, er hätte im Falle eines konkreten Berichtigungsantrags ein Tätigwerden gem. Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO verweigert.
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bb) Auch in der Sache ergibt sich aus dem bisherigen Vortrag des Klägers nicht, inwiefern ihm unerfüllte Ansprüche auf Auskunft und/oder Berichtigung zustehen könnten. Anspruchsgrundlage für einen Berichtigungsanspruch könnte vorliegend allenfalls Art.16 Satz 1 DSGVO sein. Danach hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Nach den Ausführungen seiner Prozessbevollmächtigten (S. 98 der Verwaltungsgerichtsakte) versucht der Kläger mit der Klage in erster Linie, „die Versäumnisse bzw. das Versagen der Behörden aufzuzeigen mit dem Ziel, dass sich die Behörde bei ihren nächsten Verfahren im Klaren ist, welche Folgen ihr Handeln hat“. In der Sache will der Kläger damit offenbar die Einschätzungen und Feststellungen des Jugendamts im Rahmen eines vor Jahren abgeschlossenen Sorgerechtsstreits bezüglich seiner mittlerweile volljährigen Kinder nunmehr einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterziehen. Dies kann er mit Auskunfts- und Berichtigungsansprüchen nach der Datenschutz-Grundverordnung nicht erreichen.
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(1) Der Inhalt der Jugendamtsakten wird nicht schon alleine wegen des Kindschaftsverhältnisses vollumfänglich zum personenbezogenen Datum des Klägers im Sinn des Art. 4 Nr. 1 DSVO mit der Folge, dass ihm hinsichtlich jeglichen Akteninhalts Auskunfts- und Berichtigungsansprüche zustünden. Soweit dies in der Vergangenheit punktuell der Fall war (etwa hinsichtlich der vormals unrichtigen Angaben hinsichtlich des klägerischen Antrags auf Übertragung der elterlichen Sorge), hat der Beklagte dies ausweislich des Schreibens des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz vom 25. März 2023 korrigiert (Bl. 146 d. GA).
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(2) Auch soweit Akteninhalte einen konkreten Personenbezug zum Kläger aufweisen sollten, kann der Kläger nicht ohne weiteres „falsche Akteninhalte“ rügen, sondern muss eine konkrete Berichtigung fordern, für deren Richtigkeit er zudem die Beweislast trägt (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2022 – 6 C 7/20 – juris Rn. 52). Dazu trägt der Kläger nichts Substantiiertes vor. Soweit es sich bei den gerügten Akteninhalten um Werturteile und nicht um Tatsachen handelt, wäre außerdem zu berücksichtigen, ob diese von einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt sind; in diesem Fall ist die Abgabe eines Werturteils rechtmäßig und auch keiner Korrektur über Art. 16 DSGVO zugänglich (vgl. Worms in BeckOK, Datenschutzrecht, Stand: 1.9.2023, DSGVO, Art. 16 Rn. 55). Beispielhaft sei im hier relevanten Kontext die Vorschrift des § 8a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genannt, die das Jugendamt bei Bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen.
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Aus diesen Gründen verwies auch der Landesbeauftragte in seinem Schreiben vom 25. März 2023 (a.a.O.) zutreffend darauf, dass „bestrittene Sachverhaltsdarstellungen in Gutachten und Stellungnahmen […] regelmäßig nicht dem datenschutzrechtlichen Berichtigungsanspruch unterliegen, sondern im laufenden Verfahren Anlass für Gegendarstellungen […] sein können. Ebenso sind fachliche Entscheidungen einer Behörde nach den fachrechtlichen Maßstäben zu beurteilen und unterliegen regelmäßig nicht meiner datenschutzrechtlichen Aufsichtskompetenz.“
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz ist das Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen kostenpflichtig.
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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).