Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 08.01.2025 – W 3 S 24.1788
Titel:

Rundfunkbeitrag, Eilantrag (unzulässig), Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, Bestimmtheit des Eilantrags, Offensichtlich unzulässiger Widerspruch, Verfristeter Widerspruch, Doppelte Widerspruchseinlegung, Zugang von Festsetzungsbescheiden, Teilabhilfe, Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses

Normenketten:
VwGO § 70 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1
VwGO § 88
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Eilantrag (unzulässig), Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs, Bestimmtheit des Eilantrags, Offensichtlich unzulässiger Widerspruch, Verfristeter Widerspruch, Doppelte Widerspruchseinlegung, Zugang von Festsetzungsbescheiden, Teilabhilfe, Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1777

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 187,75 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner führt unter der Beitragsnummer ... ein Beitragskonto im privaten Bereich auf den Namen des Antragstellers für eine Wohnung unter der Anschrift ... . Des Weiteren führte der Antragsgegner unter der Beitragsnummer ... ein Beitragskonto im privaten Bereich auf den Namen des Antragstellers für eine Wohnung unter der Anschrift ... . Dieses Beitragskonto meldete der Antragsgegner im Jahr 2019 rückwirkend ab 1. Januar 2016 an; es wurde im Februar 2024 rückwirkend mit Ablauf des 31. Dezember 2018 abgemeldet.
2
Ausweislich einer vom Antragsteller vorgelegten Meldebescheinigung vom 16. Oktober 2023 war der Antragsteller vom 1. Januar 2012 bis 7. Dezember 2018 in A. polizeilich gemeldet.
3
Mit Bescheid vom 4. Juni 2019, zur Post gegeben am 6. Juni 2019, setzte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller unter der Beitragsnummer ... für den Zeitraum 1. Januar 2016 bis 31. März 2019 Rundfunkbeiträge einschließlich eines Säumniszuschlags von insgesamt 690,50 EUR fest.
4
Am 17. Juni 2019 wandte sich der Antragsteller zunächst fernmündlich im Rahmen eines Anrufs beim Beitragsservice von A., Z. und D.-radio und sodann mit Mitteilung vom 21. Juni 2019 gegen den Bescheid vom 4. Juni 2019. In dem Schreiben vom 21. Juni 2019 gab er an, dass er zwar Eigentümer der Wohnung in A. sei, er dort aber nicht wohne.
5
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2019 teilte der Beitragsservice dem Antragsteller mit, dass er gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RBStV als Wohnungsinhaber gelte und daher beitragspflichtig sei.
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Mit weiterem Bescheid vom 1. November 2019, zur Post gegeben am 11. November 2019, setzte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller unter der Beitragsnummer ... für den Zeitraum 1. April 2019 bis 30. Juni 2019 Rundfunkbeiträge einschließlich eines Säumniszuschlags von insgesamt 60,50 EUR fest.
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Ausweislich eines im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners befindlichen Meldesatzes vom 13. September 2023 ist der Antragsteller seit 1. März 2007 mit Wohnsitz unter der Anschrift ... gemeldet.
8
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2023 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller unter der Beitragsnummer ... mit, die Rundfunkbeiträge seien am 15. Oktober 2023 fällig und forderte den Antragsteller zur Zahlung eines Betrags von 1.707,57 EUR auf.
9
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2023 teilte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner mit, dieser habe zu keiner Zeit einen Bescheid erhalten. Unter Bezugnahme auf eine dem Schreiben beigefügte Meldebescheinigung der Stadt A. vom 16. Oktober 2023 führte er des Weiteren aus, der Antragsteller wohne seit dem 7. Dezember 2018 in G. Zudem seien etwaige Beitragsforderungen bedient und darüber hinaus verjährt. Außerdem berufe sich der Antragsteller auf § 4a RBStV.
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Aus der vorgenannten Meldebescheinigung vom 16. Oktober 2023 geht hervor, dass der Antragsteller vom 1. Januar 2012 bis 7. Dezember 2018 (Auszug) mit Hauptwohnung in A. polizeilich gemeldet war, anschließend bis 1. Januar 2019 (Auszug) mit Nebenwohnung in A. und weiterer Wohnung in G. polizeilich gemeldet und zum Zeitpunkt der Ausstellung der Meldebescheinigung nicht mehr in A. polizeilich gemeldet war.
11
Mit Schreiben vom 23. Februar 2024 teilte der Antragsgegner daraufhin mit, die Bescheide seien an die dem Antragsgegner bekannte Anschrift versandt worden und nicht als unzustellbar zurückgekommen. Daher bestehe kein Zweifel, dass dem Antragsteller die Festsetzungsbescheide zugegangen seien. Aufgrund der eingereichten Meldebescheinigung sei das Beitragskonto ... ohne Anerkennung einer Rechtspflicht mit Ablauf des Monats Dezember 2018 abgemeldet worden. Eine Kopie des Festsetzungsbescheids vom 4. Juni 2019 sei diesem Schreiben beigefügt. Die Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 4a RBStV lägen nicht vor.
12
Mit Schreiben an den Antragsgegner vom 12. März 2024 wiederholte der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, dieser habe zu keiner Zeit einen Bescheid erhalten. Dies sei nicht weiter verwunderlich, denn der Antragsteller habe niemals in der ... gewohnt. Mit dem Schreiben vom 12. März 2024 wurde zudem mitgeteilt, das Schreiben des Antragsgegners vom 23. Februar 2024 sei eingegangen, der Bitte, die Beitragsbescheide zu übersenden, sei aber nicht entsprochen worden. Zudem werde die Einrede der Verjährung erhoben.
13
Mit Schreiben vom 11. Juli 2024 teilte der Antragsgegner dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers mit, es sei davon auszugehen, dass die Festsetzungsbescheide dem Antragsteller zugegangen seien, und übersandte in der Anlage jeweils eine Kopie der Bescheide vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019.
14
Mit Schreiben vom 25. Juli 2024 bedankten sich die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beim Antragsgegner für die Übersendung der Bescheide vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 mit Schreiben vom 11. Juli 2024, welches am 18. Juli 2024 eingegangen sei. Zugleich ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten in diesem Schreiben Widerspruch gegen die Bescheide vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 erheben und beantragen, „die aufschiebende Wirkung der Widersprüche herzustellen“.
15
Mit Schreiben vom 2. September 2024 ersuchte der Antragsgegner das Amtsgericht As. um Vollstreckung eines Betrags von insgesamt 663,71 EUR. Dem Vollstreckungsersuchen war ein für vollstreckbar erklärtes Ausstandsverzeichnis über die beizutreibenden Forderungen beigefügt. Das Ausstandsverzeichnis umfasst Forderungen aus dem Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 von insgesamt 638,00 EUR sowie nicht beigetriebene Kosten aus der Vollstreckung eines Ersuchens vom 1. Februar 2020 von 25,71 EUR.
16
Daraufhin lud der Gerichtsvollzieher den Antragsteller mit Schreiben vom 11. Oktober 2024 zur Abgabe der Vermögensauskunft für den 5. November 2024.
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Am 5. November 2024 hat der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
18
Er behauptet, die Bescheide vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 nicht erhalten zu haben. Er sei lediglich in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis 7. Dezember 2018 in A. gemeldet gewesen, wohne aber seit 2010 in G. Für die dortige Wohnung habe er auch Rundfunkbeiträge entrichtet. Der Antragsteller sei bereit, eine eidesstattliche Versicherung zu überreichen, dass er niemals in A. erreichbar gewesen sei. Der Antragsteller sei für die Wohnung in A. nicht beitragspflichtig, da er dort zu keiner Zeit gewohnt habe. Hätte er dort gewohnt, hätte er im Übrigen einen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht nach § 4a RBStV. Der Antragsteller meint des Weiteren, der erhobene förmliche Rechtsbehelf habe entgegen Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 BayVwZVG aufschiebende Wirkung. Solange der Antrag, die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs herzustellen, nicht beschieden sei, dürfe nicht vollstreckt werden.
19
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25. Juli 2024 gegen die Beitragsfestsetzungsbescheide des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 und ggf. weiterer Festsetzungsbescheide des Antragsgegners herzustellen.
20
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
21
Er führt aus, der Antragsteller habe seine gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung der festgesetzten Rundfunkbeiträge in der Mitte eines Dreimonatszeitraums für jeweils drei Monate gemäß § 7 Abs. 3 RBStV trotz Fälligkeit nicht rechtzeitig erfüllt. Des Weiteren führt er unter Bezugnahme auf die Vorschriften des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) aus, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckung von Verwaltungsakten, die auf eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gerichtet seien, vorlägen. Die Zustellung der Bescheide sei durch Zusendung gemäß Art. 17 VwZVG ersetzt worden, Art. 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 VwZVG. Die Ausführungen des Antragstellers, weder den Festsetzungsbescheid vom 4. Juni 2019 noch die Mahnung vom 19. November 2019 erhalten zu haben, seien nicht glaubwürdig. Der Antragsteller habe sich zunächst telefonisch und danach schriftlich ausdrücklich auf den Festsetzungsbescheid vom 4. Juni 2019 bezogen und entsprechende Angaben zum Sachverhalt gemacht. Die streitgegenständlichen Bescheide seien mangels rechtzeitiger Widerspruchseinlegung bzw. Klageerhebung bereits in Bestandskraft erwachsen und könnten nicht mehr mittels der Anfechtungsklage angefochten werden. Im Übrigen ändere der Vortrag des Antragstellers nichts an der bestehenden Beitragspflicht. Der Antragsteller sei im streitgegenständlichen Zeitraum Inhaber der Wohnung unter der Anschrift „... “ gewesen und als solcher gemäß §§ 2, 3 RBStV zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet.
22
In seinem Schriftsatz vom 13. Dezember 2024 hat der Antragsgegner ferner erklärt, den Festsetzungsbescheid vom 1. November 2019 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aufzuheben. Das Gericht hat dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Der Antragsteller hat hierauf mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2024 reagiert, welcher insbesondere einen Vergleichsvorschlag enthielt; eine prozessbeendende Erklärung wurde bislang weder in Aussicht gestellt noch abgegeben.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners, welcher Gegenstand des Verfahrens war, Bezug genommen.
II.
24
Der Antrag ist gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO in entsprechender Anwendung der für die Auslegung von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche vom 25. Juli 2024 gegen die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 sowie „ggf. weitere Festsetzungsbescheide“ begehrt, welche gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung haben (st.Rspr., z.B. BayVGH, B.v. 5.10.2015 – 7 CS 15.1642 – juris). Dieses Rechtsschutzziel geht deutlich aus seinem Antragsvorbringen hervor, sodass es unschädlich ist, dass er wörtlich einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt hat (vgl. § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO).
25
Nicht Antragsgegenstand ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des möglicherweise als Widerspruch auszulegenden Schreibens des Antragstellers an den Antragsgegner vom 21. Juni 2019. Der anwaltlich vertretene Antragsteller bezieht seinen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ausdrücklich auf seinen Widerspruch vom 25. Juli 2024. Zugleich bestreitet er sinngemäß, dass er unter dem 21. Juni 2019 ein Schreiben an den Antragsgegner gerichtet hat. Letzteres ergibt sich aus den Ausführungen in seinem Schriftsatz vom 23. Dezember 2024 und der Behauptung des Antragstellers, den Bescheid vom 4. Juni 2019 nicht erhalten zu haben, was denknotwendig auch eine Reaktion hierauf in Form eines Widerspruchs ausschließen würde. Angesichts dessen kann das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nicht so verstanden werden, dass er neben der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 25. Juli 2024 die aufschiebende Wirkung (auch) eines anderen Widerspruchs gegen den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 erreichen will. Andernfalls würde die gerichtliche Auslegung des Antragsbegehrens einen inneren Widerspruch im Vorbringen des Antragstellers bewirken, indem sie unterstellt, der Antragsteller würde einerseits die Existenz eines Widerspruchs vom 21. Juni 2019 bestreiten, andererseits aber ausgerechnet dessen aufschiebende Wirkung begehren. Antragsgegenstand ist im Hinblick auf den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 daher allein die Frage der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 25. Juli 2024, nicht auch eines etwaigen Widerspruchs vom 21. Juni 2019; über dieses Klagebegehren darf das Gericht nicht hinausgehen (§ 88 Halbs. 1 VwGO).
26
Nicht Antragsgegenstand ist ferner ein Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Vollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis vom 2. September 2024. Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat ausdrücklich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Hinzu kommt, dass sich der Eilantrag auf Widersprüche des Antragstellers bezieht, die die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 vollumfänglich angreifen, während dem Vollstreckungsersuchen vom 2. September 2024 nur ein Teilbetrag aus dem Bescheid vom 4. Juni 2019 zugrunde liegt sowie nicht beigetriebene Kosten aus der Vollstreckung eines früheren Ersuchens vom 1. Februar 2020, zu denen sich die Antragsschrift nicht verhält. Ebenso wenig enthält die Antragsschrift Ausführungen zum Vorliegen eines Anordnungsgrunds, obwohl sie durch einen Rechtsanwalt verfasst wurde. All dies spricht gegen einen Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
27
Der so verstandene Antrag ist insgesamt unzulässig.
28
Der Antrag ist unzulässig, soweit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen gegen „ggf. weitere Festsetzungsbescheide“ begehrt wird. Der Antragsteller hat diese weiteren Festsetzungsbescheide trotz Aufforderung des Gerichts nicht näher bezeichnet. Damit ist der Antragsgegenstand insoweit zu unbestimmt bezeichnet und der Antrag insoweit unzulässig (§ 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Unabhängig hiervon ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen gegen „ggf. weitere Festsetzungsbescheide“ auch deshalb unzulässig, weil es nach Aktenlage an einem Rechtsbehelf gegen weitere Festsetzungsbescheide des Antragsgegners fehlt, an den eine Anordnung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO anknüpfen könnte. Die Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt aber denknotwendig voraus, dass jedenfalls bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung ein Rechtsbehelf (Widerspruch oder Anfechtungsklage) eingelegt ist, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet oder wiederhergestellt werden kann (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 81; a.A. Gersdorf in Posser/Wolff/Decker (Hrsg.), BeckOK VwGO, 71. Ed. Stand 1.1.2024 Rn. 164). Der Antragsteller hat weder behauptet noch ist sonst ersichtlich, dass er weitere Rechtsbehelfe neben denjenigen im Schreiben vom 25. Juli 2024 erhoben hat. Das Schreiben vom 25. Juli 2024 enthält indes Widersprüche nach seinem insoweit eindeutigen Wortlaut allein gegen die Bescheide vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019.
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Weiterhin ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 25. Juli 2024 gegen den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 begehrt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Antragsteller unter dem 21. Juni 2019 wirksam Widerspruch gegen den vorgenannten Festsetzungsbescheid erhoben hat oder nicht. Denn in beiden Fällen ist der Widerspruch vom 25. Juli 2024, dessen aufschiebende Wirkung begehrt wird, offensichtlich unzulässig. Ein evident unzulässiger Rechtsbehelf vermag aber den Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO nicht auszulösen (BVerwG, B.v. 10.1.2018 – 1 VR 14/17 – NVwZ 2018, 1485 Rn. 23).
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Bei wirksamer Widerspruchseinlegung unter dem 21. Juni 2019 wäre ein weiterer Widerspruch gegen denselben Bescheid deshalb offensichtlich unzulässig, weil er die Rechtsstellung des Widerspruchsführers nicht verbessern würde und überflüssig wäre, sodass dem Widerspruch vom 25. Juli 2024 jedenfalls das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen würde. Wenn der Antragsteller hingegen unter dem 21. Juni 2019 nicht wirksam Widerspruch erhoben haben sollte, ist der Widerspruch vom 25. Juli 2024 deshalb offensichtlich unzulässig, weil er dann offensichtlich verfristet ist. Denn der Antragsteller hat den Widerspruch vom 25. Juli 2024 nicht innerhalb der Frist des § 70 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO erhoben. Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Der Bescheid vom 4. Juni 2019, dem eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt war und der am 6. Juni 2019 zur Post aufgegeben wurde, wurde dem Antragsteller entsprechend Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG in der vom 27. März 2020 bis 31. Dezember 2024 geltenden Fassung am Sonntag, 9. Juni 2019 bekanntgegeben (vgl. zur analogen Anwendbarkeit von Regelungen des BayVwVfG BayVGH, B.v. 12.12.2022 – 7 ZB 20.1120 – BeckRS 2022, 38966 Rn. 28; VG Würzburg, U.v. 1.2.2024 – 3 K 21.1010 – BeckRS 2024, 28895 Rn. 40). Ein Fall des Art. 41 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG liegt nicht vor. Der über fünf Jahre später, im Juli 2024 erhobene Widerspruch ist damit offensichtlich zu spät erhoben.
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Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller behauptet, den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Juni 2019 nicht erhalten zu haben. Insbesondere ergibt sich hieraus weder, dass der Bescheid vom 4. Juni 2019 nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (Art. 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 1 BayVwVfG), noch ergeben sich hieraus Zweifel am Zugang des Verwaltungsakts und dessen Zeitpunkt (Art. 41 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 BayVwVfG). Denn die Behauptung des Antragstellers, der Bescheid sei ihm (seinerzeit) nicht zugegangen, ist unglaubhaft. Der Antragsteller hat ausweislich eines Telefonvermerks des Antragsgegners am 17. Juni 2019 wegen offener Rundfunkbeitragsforderungen und einem Abmeldungsbegehren beim Antragsgegner angerufen und sodann in einer Mitteilung an den Antragsgegner vom 21. Juni 2019 auf den Bescheid vom 4. Juni 2019 („Ihr Schreiben vom 04.06.2019“) und das Telefongespräch vom 17. Juni 2019 Bezug genommen. Es liegen nach der gegenwärtigen Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Dokumentation des Telefonats vom 17. Juni 2019 und der Mitteilung des Antragstellers an den Antragsgegner vom 21. Juni 2019 im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners unrichtig sein könnten, zumal der Antragsteller weder das Telefonat noch das Abfassen und Versenden des Schreibens vom 21. Juni 2019 glaubhaft bestritten hat. Er hat lediglich mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2024 ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, weshalb er auf ein Schreiben vom 21. Juni 2019 mehr als vier Monate später geantwortet haben solle. Diese Ausführungen sind nicht nachvollziehbar. Sie gehen offensichtlich ins Leere, weil eine solche spätere Antwort weder von der Antragsgegnerseite behauptet worden noch sonst aus den Akten ersichtlich ist. Daher stellt sich das bloße Bestreiten der beschriebenen Vorgänge im Juni 2019 (Telefonat vom 17.6.2019 und Schreiben vom 21.6.2019) durch den Antragsteller, welches in dem Schriftsatz des Antragstellers 23. Dezember 2024 und seiner Behauptung, den Bescheid vom 4. Juni 2019 nicht erhalten zu haben, zum Ausdruck kommt, zur Überzeugung des Gerichts derzeit als bloße Schutzbehauptung dar.
32
Auch im Übrigen, also soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 25. Juli 2024 gegen den Festsetzungsbescheid des Antragsgegners vom 1. November 2019 begehrt, ist der Antrag unzulässig. Denn ihm fehlt insoweit das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, also ein berechtigtes Interesse an gerichtlichem Rechtsschutz. Hierbei handelt es sich um eine ungeschriebene Voraussetzung für jede Inanspruchnahme des Gerichts (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, vor §§ 40 – 53 Rn. 11). Ist die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht erforderlich, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis und der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist unzulässig (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 34). Nicht erforderlich ist die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes, wenn die gerichtliche Eilentscheidung für den Antragsteller von vornherein nutzlos oder entbehrlich erscheint (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 42. EL Februar 2022, § 123 Rn. 121a). Dies trifft auf das streitgegenständliche Begehren des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. November 2019 anzuordnen, zu, nachdem der Antragsgegner diesen Bescheid mit Erklärung vom 13. Dezember 2024 aufgehoben hat. Auf diese veränderte Prozesslage hat der anwaltlich vertretene Antragsteller trotz Möglichkeit zur Stellungnahme nicht mit einer prozessbeendenden Erklärung reagiert. Sein Begehren war daher insoweit als unzulässig abzuweisen.
33
Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
34
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Der Streitwert entspricht einem Betrag in Höhe von einem Viertel des festzusetzenden Hauptsachewerts (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der am 31.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Fassung, BayVBl. 2014, Sonderbeilage Januar). Der Hauptsachewert entspricht gemäß § 52 Abs. 3 GKG wiederum dem in den Festsetzungsbescheiden vom 4. Juni 2019 und vom 1. November 2019 festgesetzten Gesamtbetrag von 751,00 EUR. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung „ggf. weiterer Festsetzungsbescheide“ hat das Gericht mangels hinreichend erkennbarer eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung nicht streitwerterhöhend berücksichtigt.