Titel:
Schiedsklausel, Gerichtlich bestellter Sachverständiger, Ablehnung des Sachverständigen, Einholung eines Sachverständigengutachtens, Antragsgegner, Besorgnis der Befangenheit, Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, Ablehnungsgesuch, Beweisbeschlüsse, Ablehnung wegen Befangenheit, Unparteilichkeit, Geeignetheit, Übertragung, Glaubhaftmachung, Befangenheitsgesuch, Richterablehnung, Gutachtenerstattung, Ausführung, Sitzungsniederschrift, Schiedskommissionen
Leitsatz:
Lücken und Unzulänglichkeiten in den Ausführungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen stellen für sich genommen dessen Unparteilichkeit nicht in Frage. Sie rechtfertigen eine Ablehnung wegen Befangenheit nur, wenn Umstände hinzutreten, die darauf schließen lassen, dass die Mängel auf einer Voreingenommenheit des Sachverständigen beruhen (vorliegend in Bezug auf eine Sachverständige für das Recht der Volksrepublik China verneint).
Schlagworte:
Schiedsklausel, Übersetzungsstreit, Befangenheitsantrag, Sachverständigengutachten, Schiedsinstitution, Unparteilichkeit, Tippfehler
Fundstelle:
BeckRS 2025, 17772
Tenor
1. Das gegen die Sachverständige Dr. … gerichtete Ablehnungsgesuch der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2025 wird zurückgewiesen.
2. Der Hilfsantrag der Antragsgegnerin vom 12. Februar 2025, die Sachverständige Dr. … wegen Ungeeignetheit vom Amt zu entbinden, wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, den sie bei der in Peking ansässigen Schiedsinstitution ... Commission gegen die Antragsgegnerin erwirkt hat.
2
Das Schiedsgericht hatte seine Zuständigkeit für die Streitigkeit auf Schiedsabreden gestützt, welche in Ziffer 7.2 des als Cooperation Agreement bezeichneten Vertrags aus April 2019 (Anlage xxx1) und Ziffer 6.2 des Cooperation Agreement aus Januar 2020 (Anlage xxx2) formuliert waren. Beide Verträge waren in chinesischer und englischer Sprache verfasst; im Fall von Abweichungen sollte vorrangig die chinesische Sprachfassung gelten. Auf die Verträge sollte chinesisches Recht Anwendung finden.
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Da die chinesischen Schriftzeichen der Ziffern 7.2 und 6.2 der Verträge nicht vollständig übereinstimmen und die Antragsgegnerin bestritten hatte, dass in Ziffer 7.2 des Vertrags aus April 2019 eine konkrete Schiedsinstitution bezeichnet sei, hat der Senat gemäß Verfügung vom 17. Mai 2024 der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, von den in chinesischen Langzeichen verfassten Schiedsklauseln die beglaubigte Übersetzung eines beeidigten Übersetzers für die chinesische Sprache nachzureichen. Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 17. Juli 2024 die elektronische Fassung der eingeholten Übersetzung (Anlage xxx6) zur Akte gereicht und das Original der beglaubigten Übersetzung eines öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzers für die chinesische Sprache als Anlage xxx6a postalisch übersandt.
4
Danach lautet die Übertragung der Schiedsklauseln ins Deutsche wie folgt:
„7.2 Streitigkeiten, die sich aus der Erfüllung dieser Vereinbarung ergeben, werden durch gütliche Verhandlungen beigelegt; falls die Verhandlungen scheitern, vereinbaren beide Parteien, sie dem Peking-Schied-Kommissionsmitglied zur Schlichtung vorzulegen.
6.2 Streitigkeiten, die sich aus der Erfüllung dieser Vereinbarung ergeben, werden durch gütliche Verhandlungen beigelegt; falls die Verhandlungen scheitern, vereinbaren beide Parteien, sie der Pekinger Schiedskommission zur Schlichtung vorzulegen.“
5
Mit Beweisbeschluss vom 12. Februar 2025 hat der Senat die Sachverständige Dr. … mit der Erstattung eines mündlichen Gutachtens zu folgenden Themen beauftragt (Bl. 129 d. A.):
„1. Inhalt der in chinesischen Schriftzeichen verfassten Schiedsklausel in Anlage xxx1 und xxx2.
Dazu wird auch um eine eigene Übersetzung der in chinesischen Langzeichen verfassten Schiedsklauseln der Verträge 2019 und 2020 ersucht.
2. Anforderungen an die Wirksamkeit von Schiedsklauseln nach den Bestimmungen des chinesischen Rechts, insbesondere an die Erforderlichkeit einer konkreten Bezeichnung der vereinbarten Schiedsinstitution.
3. Die für die Auslegung von Schiedsklauseln nach chinesischem Recht maßgeblichen Grundsätze, speziell in Bezug auf die konkrete Bezeichnung der Schiedsinstitution in der Parteivereinbarung.“
6
In der mündlichen Verhandlung am 12. Februar 2025 hat die Sachverständige die im Sitzungsprotokoll niedergelegten Angaben gemacht und ausgeführt, dass in Ziffer 7.2 des Vertrags 2019 der richtige Name der Schiedsinstitution ... Commission in chinesischen Langzeichen stehe. Diese Aussage hat sie auf Nachfrage des Senats bestätigt. Die insgesamt sechs chinesischen Langzeichen, welche die Begriffe ... Commission darstellen sollen, hat sie auf einem Ausdruck der Anlage xxx1 gekennzeichnet. Auf den Vorhalt von Ziffer 6.2 des Vertrags 2020 hat sie angegeben, dass dort ausdrücklich ... Commission stehe. Die insgesamt sieben chinesischen Langzeichen, welche hierfür stehen, hat sie auf einem Ausdruck der Anlage xxx2 gekennzeichnet. Auf Nachfrage hat die Sachverständige erläutert, dass das für das Wort Commission stehende Langzeichen im Vertrag 2019 fehle. Die letzten beiden markierten Zeichen in der Anlage xxx1 sowie die beiden vorletzten markierten Zeichen der Anlage xxx2 bedeuteten jeweils Mitglied. Fehle das in der Anlage xxx2 zuletzt markierte Langzeichen, so werde nicht die Institution als solche bezeichnet, sondern die dort arbeitenden Personen der Institution. Insofern sei die ... Commission im Vertrag 2019 in chinesischen Langzeichen nicht korrekt dargestellt. Die eingangs gemachte Aussage beruhe darauf, dass man den Text so lesen könne wie wiedergegeben, wenn man einen Tippfehler annehme. Die chinesische Fassung könne nicht als reine Ortsangabe (Peking) verstanden werden, da die dort arbeitenden Mitglieder genannt würden.
7
Die Antragsgegnerin hat daraufhin die Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit mit der Begründung abgelehnt, dass diese erst auf genauen Vorhalt der einzelnen Schriftzeichen eingeräumt habe, dass in Klausel 7.2 des Vertrags 2019 nicht ... Commission stehe, man dies aber so übersetzen könne, wenn man einen Tippfehler annehme. Dies begründe berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Sachverständigen. Tatsächlich stehe in Klausel 7.2: „Mitglied, das mit schiedsrechtlichen Sachen in Peking beschäftigt ist.“ Zur Glaubhaftmachung hat sich die Antragsgegnerin auf die Versicherung des im Termin anwesenden chinesischen Rechtsanwalts … und des Weiteren auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens bezogen. Sie ist der Meinung, eine so eklatante Abweichung in der Übersetzung setze erhebliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit sowie an der Geeignetheit der Sachverständigen. Hilfsweise hat sie mit dieser Begründung den Antrag gestellt, die Sachverständige wegen Ungeeignetheit vom Amt zu entbinden.
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Die Antragstellerin hat dem Ablehnungsgesuch und dem Antrag auf Ersetzung der Sachverständigen widersprochen.
9
Die Sachverständige hat in ihrer Stellungnahme zu den Anträgen ausgeführt, es gebe in Peking drei verschiedene Schiedsinstitutionen, nämlich die ... Commission, die ... Economic and ... Commission und die ... Commission. Der Schiedsrichter der ... Commission sei genau das chinesische Zeichen, das in Ziffer 7.2 des Vertrags 2019 geschrieben sei. Unter Berücksichtigung der Rechtspraxis in China … erkenne man hier einen Tippfehler. Deshalb sei in der Klausel eindeutig die ... Commission als Schiedsinstitut benannt.
10
Auf die Sitzungsniederschrift nebst Anlagen (Ausdrucke der Anlagen xxx1 und xxx2 mit den Markierungen der Sachverständigen) wird ergänzend Bezug genommen.
11
Das Ablehnungsgesuch bleibt wie auch das Gesuch, die Sachverständige ihres Amtes zu entheben, ohne Erfolg.
12
1. Ein gerichtlicher Sachverständiger kann nach § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2 ZPO abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob für die das Ablehnungsgesuch anbringende Partei der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit besteht. Hierfür genügt es, wenn von deren Standpunkt aus gesehen objektive Gründe vorliegen, die in den Augen einer verständigen Partei bei vernünftiger Würdigung Anlass geben, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen. Eine rein subjektive Besorgnis, für die bei Würdigung der Tatsachen vernünftigerweise kein Grund ersichtlich ist, reicht dagegen zur Ablehnung des Sachverständigen nicht aus (st. Rspr.; BVerwG, Beschl. v. 6. Dezember 1974, III C 81.70, juris Leitsatz; VfGBbg [Verfassungsgericht des Landes Brandenburg], Beschluss vom 22. März 2019, 1/19 EA, NJW-RR 2019, 831 Rn. 16; BayObLG, Beschluss vom 16. Juni 1994, 1Z BR 73/94, BayObLGZ 1994, 183 [juris Rn. 17]; OLG Bamberg, Beschluss vom 17. September 2024, 4 W 41/24 e, juris Rn. 21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31. Januar 2017, 6 WF 6/17, FamRZ 2017, 915 [juris Rn. 19]; zur Richterablehnung statt vieler: BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 2009, 1 BvR 165/09, BVerfGK 15, 102 [juris Rn. 26]; BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2020, VI ZR 40/20, juris Rn. 9 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 2023, 10 C 4/22, juris Rn. 5).
13
Ausgehend von diesem Maßstab liegen im Streitfall keine Umstände vor, die Zweifel an der Unparteilichkeit der gerichtlichen Sachverständigen begründen.
14
a) Im Streitfall liegt mit der Anlage xxx6a eine die chinesischen Langzeichen ins Deutsche übertragende Übersetzung eines öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzers für die chinesische Sprache vor. Auf dieser Grundlage kann der Senat die Übersetzung der Schiedsklauseln durch die Sachverständige sowie die hierfür gegebenen Erläuterungen einerseits und die seitens der Antragsgegnerin unter Zuhilfenahme des chinesischen Rechtsanwalts … geltend gemachten Einwände andererseits vor dem Hintergrund der geltend gemachten Ablehnungsgründe würdigen.
15
Gemäß Anlage xxx6a heißt es wörtlich in der Anlage xxx1 „Peking-Schied-Kommissionsmitglied“. Die Abweichung dieser Übersetzung von derjenigen, die der von der Antragsgegnerin zur Unterstützung hinzugezogene chinesische Anwalt in der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat („Mitglied, das mit schiedsrechtlichen Sachen in Peking beschäftigt ist“), rechtfertigt keine Zweifel an der zeichengetreuen Übersetzung der Schiedsklausel in die deutsche Sprache durch den öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzer. Die „anwaltliche Versicherung“ eines chinesischen Anwalts ist nicht ohne weiteres geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Übertragung ins Deutsche durch einen öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzer für die chinesische Sprache zu begründen. Umstände, die Anlass für berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Übersetzung gäben, liegen nach derzeitiger Wertung nicht vor (dazu auch unter b] bb]). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es zur wortlautgetreuen Übertragung ins Deutsche nicht; hierfür genügt die Übersetzung durch einen öffentlich bestellten und allgemein vereidigten Übersetzer für die chinesische Sprache, die mit der Anlage xxx6a vorliegt.
16
b) Es rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit, dass die Sachverständige ihre Übersetzung der Schiedsklausel in Anlage xxx1 nicht sogleich zu Beginn ihrer Ausführungen, sondern erst auf Vorhalt der Anlage xxx2 und auf die Bitte hin, den Unterschied der Schiedsklauseln darzustellen sowie zu erläutern, im Einzelnen erklärt und das Fehlen eines Langzeichens in Ziffer 7.2 der Anlage xxx1 erst im Rahmen dieser Erklärung offengelegt hat. Ebenso wenig rechtfertigt der Unterschied zwischen den Übersetzungen, welche die Sachverständige und der chinesische Anwalt … vorgenommen haben, Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen.
17
aa) Die Sachverständige war gemäß Beweisbeschluss gehalten, die Schiedsklauseln vor dem Hintergrund ihrer Fachkenntnisse im chinesischen Recht eigenverantwortlich zu übersetzen. Sie hat in ihrer Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch in nachvollziehbarer Weise begründet, weshalb die Schiedsklausel in xxx1 aus ihrer Sicht zweifellos die ... Commission als zuständige Schiedsinstitution bezeichne. Die Benennung der ... Commission als zuständige Schiedsinstitution ergibt sich nach ihren Darlegungen aus dem Umstand, dass die in der Schiedsklausel verwendeten chinesischen Langzeichen – wörtlich übersetzt – die Mitglieder der ... Commission bezeichnen, hingegen keinen Bezug zu den Namen der beiden weiteren in Peking ansässigen Schiedsinstitutionen haben. Diese Aussage steht im Einklang mit der Übersetzung gemäß Anlage xxx6a. Dass die Sachverständige zu dem angenommenen Tippfehler in Anlage xxx1 erst auf Nachfrage detailliert ausgeführt hat, lässt ihre Aussage zum Inhalt der Schiedsklausel in xxx1 zwar als ergänzungsbedürftig erscheinen, bei verständiger Würdigung aber nicht als Ausdruck von Parteilichkeit zum Nachteil der Antragsgegnerin, die sich auf eine unwirksame, weil den Anforderungen des Art. 16 des Schiedsgesetzes der Volksrepublik China (Arbitration Law of the People's Republic of China) nicht genügende Schiedsklausel berufen hat.
18
Lücken und Unzulänglichkeiten rechtfertigen nicht die Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit, weil dessen Unparteilichkeit dadurch nicht in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2011, X ZR 142/08 (BPatG), NJW-RR 2011, 1555 Rn. 4 m. w. N). Etwas anderes gilt dann, wenn Umstände hinzutreten, die darauf schließen lassen, dass die Mängel auf Voreingenommenheit des Sachverständigen beruhen (vgl. BayObLGZ 1994, 183 [juris Rn. 17]).
19
Auch wenn der zu Beginn der gutachterlichen Ausführungen in deutscher Sprache wiedergegebene Inhalt der Schiedsklausel der Anlage xxx1 ohne die Erwähnung eines angenommenen Tippfehlers lückenhaft ist, rechtfertigt dies nicht die Besorgnis, dass die Neutralität der Sachverständigen gegenüber den Prozessparteien, insbesondere gegenüber der Antragsgegnerin beeinträchtigt sei. Denn es liegen keine Umstände vor, die darauf schließen ließen, die späten Ausführungen zum angenommenen Tippfehler beruhten auf Voreingenommenheit.
20
Die Ausführungen der Sachverständigen zu Beginn der Gutachtenerstattung, wonach in xxx1 in chinesischen Langzeichen der richtige Name der Schiedskommission stehe, können vor dem Hintergrund ihrer Erläuterungen lediglich als unzulängliche oder lückenhafte Darstellung gewertet werden, welche die Nachvollziehbarkeit dieser Aussage erschwert hat; dagegen handelt es sich nach deren Ausführungen nicht um eine inhaltlich falsche Aussage zum Nachteil einer Partei. Denn dass der richtige Name der Schiedskommission in xxx1 stehe, heißt nicht, dass er dort fehlerfrei geschrieben sei. Lediglich den angenommenen Tippfehler hat die Sachverständige nicht schon eingangs erwähnt. Da aber die übrigen Langzeichen für ... und für Arbitration (insgesamt vier weitere Langzeichen) in der Schiedsklausel enthalten sind und keinen Bezug zu den Namen der weiteren in Peking ansässigen Schiedsinstitutionen „... Economic and ... Commission“ sowie „... Commission“ haben, ist die Aussage der Sachverständigen, dass der richtige Name der Schiedsinstitution dort (also in Anlage xxx1) stehe, vor dem Hintergrund ihrer Erläuterungen ohne weiteres plausibel. Insbesondere erscheint diese Aussage auf der Grundlage der gegebenen Erläuterungen nicht als inhaltlich falsch, sondern lediglich wegen des fehlenden Hinweises auf einen angenommenen Tippfehler als erläuterungsbedürftig. Es ist nach der Erklärung der Sachverständigen gerade nicht so, dass mit dem Fehlen des bei richtiger Schreibweise letzten Langzeichens der Bezug zur ... Arbitration Commission verloren ginge. Vielmehr bleibt der Bezug deshalb erhalten, weil das aus zwei anstelle von drei Langzeichen zusammengesetzte Wort die Mitglieder einer Institution, das aus drei Langzeichen zusammengesetzte Wort dagegen die Institution an sich meint. Da die vier vorausgehenden Langzeichen für ... Arbitration stehen und keinen Bezug zu den Namen der übrigen in Peking ansässigen Schiedsinstitutionen haben, bleibt danach der Zusammenhang mit der ... Commission erhalten, obwohl das Langzeichen für die Institution an sich fehlt. Der Umstand, dass die Sachverständige in fachlicher Hinsicht diese Ansicht vertreten hat, stellt keinen Ablehnungsgrund dar, denn sie hat ihre Position mit sachlichen und fachkundigen Argumenten begründet, die keinen Anhalt für Parteilichkeit geben. Ihre Erklärung geht zudem konform mit der Übertragung der chinesischen Langzeichen in die deutsche Sprache gemäß Anlage xxx6a.
21
bb) Wenn die Antragsgegnerin demgegenüber vorträgt, in xxx1 stehe tatsächlich „Mitglied, das mit schiedsrechtlichen Sachen in Peking beschäftigt ist“, so bezieht sie sich auf eine freie, nicht wortlautgetreue Übersetzung der Schiedsklausel. Die zur Begründung des Ablehnungsgesuchs erhobene eklatante Abweichung zwischen der angeblich korrekten, eigenen Übersetzung und der seitens der Sachverständigen vorgenommenen Übertragung ins Deutsche ist nicht glaubhaft gemacht.
22
Die Tatsache, dass es sich um eine freie Übersetzung handelt, ergibt sich aus einem Vergleich mit der Anlage xxx6a, in der ein öffentlich bestellter und allgemein vereidigter Übersetzer für die chinesische Sprache die Übertragung der in chinesischen Langzeichen verfassten Klausel ins Deutsche vorgenommen hat. Danach hält sich die von der Partei unter Heranziehung des chinesischen Rechtsanwalts … vorgenommene Übertragung ins Deutsche nicht eng an den Wortlaut der Klausel, sondern interpretiert diesen mit anderem Ergebnis als die Sachverständige.
23
Ein gerichtliches Sachverständigengutachten zum Beweis für die Behauptung, die eigene Übertragung ins Deutsche sei korrekt, ist nicht einzuholen. Das Beweisangebot dient dazu, die vorgetragene Besorgnis der Befangenheit gegen die gerichtlich bestellte Sachverständige glaubhaft zu machen. Der beantragten Beweiserhebung zur angeblichen Richtigkeit der eigenen Übersetzung zum Zweck der Glaubhaftmachung eines Ablehnungsgrunds steht bereits § 294 Abs. 2 ZPO entgegen, der gemäß § 406 Abs. 3 ZPO Anwendung findet.
24
Die von der Antragsgegnerin vorgetragene Übersetzung berücksichtigt zudem nicht die für den Schiedsstandort China wesentliche Besonderheit, dass ad-hoc-Schiedsverfahren grundsätzlich verboten sind und eine Ausnahme lediglich für Parteien mit Geschäftssitz in einer chinesischen Freihandelszone diskutiert werden (vgl. Respondek/Witte in Salger/Trittmann, Internationale Schiedsverfahren, 2019, § 24 Rn. 1055 f.).
25
Eine berechtigte Besorgnis der Befangenheit gegenüber der gerichtlich bestellten Sachverständigen vermag die Abweichung zwischen den Übersetzungen aus diesen Gründen nicht aufzuzeigen.
26
cc) Auch eine Gesamtschau der vorgetragenen Umstände führt zu keiner anderen Bewertung.
27
Die von Sachkunde getragenen Ausführungen der Sachverständigen sind zwar im Ergebnis geeignet, der Antragsgegnerin zum Nachteil zu gereichen. Sie sind jedoch unter Berücksichtigung der Darlegungen, mit denen die Sachverständige ihre Übersetzung erläutert hat, nicht Ausdruck einer Parteilichkeit zum Nachteil der Antragsgegnerin. Die geltend gemachten Gründe rechtfertigen bei verständiger Betrachtung nicht die Annahme, die gerichtliche Sachverständige bringe die erforderliche Unparteilichkeit nicht auf.
28
2. Gemäß § 404 Abs. 1 Satz 3, § 360 Satz 2 ZPO kann das Gericht im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens einen zunächst ernannten Sachverständigen entlassen und an dessen Stelle einen anderen Sachverständigen ernennen.
29
Eine Änderung des Beweisbeschlusses unter Entlassung der Sachverständigen Dr. … wäre zwar bei Ungeeignetheit der gerichtlich bestellten Sachverständigen vorzunehmen. An der fachlichen Geeignetheit der Sachverständigen bestehen jedoch keine Zweifel.
30
Die Sachverständige ist … für chinesisches Recht … an der Universität … und … Ihre Fachkenntnisse erstrecken sich somit auf genau die Fragestellungen des Gutachtenauftrags. Aufgrund ihrer fortdauernden Tätigkeit in Forschung und Lehre ist die Sachverständige auch gehalten, sich auf dem aktuellen Stand zur Gesetzgebung in China und deren Auslegung in der Rechtspraxis zu halten.
31
Die bisherige Anhörung der Sachverständigen begründet keine Zweifel an deren Fachkunde und Geeignetheit. Der Umstand, dass die Ausführungen der Sachverständigen in deutscher Sprache phonetisch ungewohnt klingen und die Grammatik spontan formulierter Sätze korrekturbedürftig ist, lässt für sich genommen die Sachverständige nicht als ungeeignet erscheinen. Derzeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Sachverständige deshalb nicht in der Lage wäre, zum chinesischen Recht in Bezug auf die im Beweisbeschluss genannten Themen verständlich und nachvollziehbar auszuführen. Wie unter 1. dargelegt, bestehen auch keine Anhaltspunkte für eine einseitige Erstattung des Gutachtens zum Nachteil der Antragsgegnerin.
32
Aus diesen Gründen hält es der Senat nicht für angezeigt, eine andere sachverständige Person mit der Gutachtenerstattung zu beauftragen und der bestellten Sachverständigen den Auftrag zu entziehen.