Titel:
Erfolgloser Berufungszulassungsantrag wegen Bauplanungsrechts
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, 124a Abs. 4
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Das Gebot der Rücksichtnahme ist unter anderem dann verletzt, wenn das geplante Vorhaben eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung entfaltet, wobei Höhe und Länge des Bauvorhabens sowie die Distanz in Relation zur Nachbarbebauung Hauptkriterien bei der Beurteilung sind. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gebot der Rücksichtnahme, Erdrückende Wirkung eines Bauvorhabens (bejaht), Berufungszulassung, Baurecht, Bauplanungsrecht, ernstliche Richtigkeitszweifel, tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, Rücksichtnahmegebot, Einfügen, erdrückende Wirkung, Gefängnishofsituation, Gesamtbetrachtung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.10.2023 – M 29 K 22.928
Fundstelle:
BeckRS 2025, 176
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beigeladene trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000, – Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung (§§ 124, 124a Abs. 4 VwGO) hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor bzw. wurden nicht ausreichend dargelegt.
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1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
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Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen nur dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2019 – 15 ZB 19.428 – juris Rn. 10 m.w.N.).
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Diese Voraussetzungen liegen auf Basis des Vortrags der Beigeladenen im Berufungszulassungsverfahren nicht vor. Der Senat teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass der Beigeladenen kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung zusteht, weil das beantragte Bauvorhaben gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
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1.1. Ein Vorhaben, das sich innerhalb des aus der Umgebung ableitbaren Rahmens hält, kann sich trotzdem nicht in seine Umgebung einfügen, wenn es die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Nachbarschaft vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5.98 – juris Rn. 21). Dabei kommt das Gebot der Rücksichtnahme im unbeplanten Innenbereich über § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO oder über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB zur Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.2019 – 4 B 21.19 – juris Rn. 5). Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalls ab (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 11; B.v. 24.8.2016 – 15 ZB 14.2654 – juris Rn. 15; B.v. 7.12.2016 – 9 CS 16.1822 – juris Rn. 21 ff.; B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 13; B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 17; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 26). Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9 = NVwZ-RR 1997, 516; BayVGH, U.v. 22.9.2011 – 2 B 11.761 – juris Rn. 24). Das Gebot der Rücksichtnahme ist u.a. dann verletzt, wenn das geplante Vorhaben eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung entfaltet. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 12.6.2019 – 2 ZB 17.67 – Rn. 9; B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4; B.v. 1.2.2019 – 1 ZB 16.1046 – juris Rn. 5; B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris Rn. 28). Im Hinblick auf eine möglicherweise erdrückende Wirkung liegt eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der Rücksichtnahme aber auch dann vor, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls – und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandsflächen – derartig übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2023 – 1 CS 22.2399 – juris Rn. 19; B.v. 11.11.2021 – 9 ZB 21.2434 – juris Rn. 10; B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris Rn. 22; B.v. 11.6.2024 – 15 ZB 24.342 – juris Rn. 23; B.v. 10.3.2023 – 15 ZB 22.2583 – juris Rn. 17; B.v. 12.6.2019 – 2 ZB 17.67 – juris Rn. 9; OVG NRW, B.v. 10.1.2013 – 2 B 1216/12.NE – juris Rn. 21). Gleiches gilt, wenn durch das Bauvorhaben eine „Hinterhof-“ bzw. „Gefängnishofsituation“ hervorgerufen werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 28; OVG NW, B.v. 14.6.2016 – 7 A 1251/15 – juris Rn. 7; OVG RhPf, B.v. 27.4.2015 – 8 B 10304/15 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.2.2012 – OVG 10 S 39.11 – juris Rn. 4). Dabei kommt es bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ oder „erdrückenden“ Wirkung entscheidend auf eine Gesamtschau des konkreten Einzelfalls an (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Hierfür sind sowohl eine Würdigung der örtlichen Verhältnisse (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) als auch eine rechtliche Einordnung erforderlich.
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1.2. Diese von der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidungsfindung beachtet. Es kam unter Berücksichtigung der konkreten Situation vor Ort nach Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse und unter Heranziehung der vorgelegten Luftbilder und der Visualisierung der geplanten Situation sowie unter Berücksichtigung der von der Beigeladenen vorgebrachten Argumente zur Annahme einer erdrückenden Wirkung, was auch unter Berücksichtigung der Zulassungsbegründung nicht zu beanstanden ist.
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1.2.1 Mit ihrem Einwand, die Annahme einer erdrückenden Wirkung sei ausgeschlossen, weil das Bauvorhaben hinsichtlich der Höhenentwicklung hinter den klägerischen Gebäuden sowie hinter der Bestandsbebauung zurückbleibe, übersieht die Beigeladene, dass das Verwaltungsgericht die in der Rechtsprechung des Senats anklingende Regel, dass für die Annahme der erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes eher kein Raum ist, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als das betreffende Gebäude (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2010 – 2 ZB 07.3200 – juris Rn. 3), durchaus beachtet hat. Jedoch hat das Erstgericht hier eine Sondersituation (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 22; B.v. 7.1.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 26) angenommen, bei der ausnahmsweise bei Verwirklichung des Vorhabens für die klägerischen Grundstücke eine erdrückende, nicht zumutbare Wirkung – eine Art „Gefängnishofsituation“ – entstünde. Der nach dem Augenschein gewonnene Eindruck einer erdrückenden Wirkung des Vorhabens zulasten des Klägers ergebe sich zum einen daraus, dass infolge des Vorhabens erstmals ein geschlossener, relativ beengt umbauter Innenhof entstehe, indem die östliche Wand des bestehenden Rückgebäudes nach Osten versetzt werde. Zudem werde die derzeit bestehende Lücke zwischen den rückwärtigen und den vorderen Gebäuden durch den geplanten Querbau komplett geschlossen. Weiteres maßgebliches Argument für die Annahme eines Ausnahmefalls war für das Verwaltungsgericht zudem die absolute Höhe aller den Innenhof angrenzenden Gebäude einschließlich des geplanten Gebäudes im Verhältnis zu der umschlossenen Innenhoffläche (UA Rn. 26).
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Diese rechtliche Wertung des Verwaltungsgerichts ist zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Grundsätzlich kann als Gradmesser für die Intensität der Beeinträchtigung des Nachbarn herangezogen werden, ob die bauliche Anlage dadurch dem klägerischen Wohngebäude buchstäblich die letzte Luft zum Atmen nimmt, dass sie auch die letzte noch freie Seite verschließt (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2007 – 1 CS 07.1848 – juris Rn. 40). Bei der Abwägung, wann eine solche abriegelnde Wirkung anzunehmen ist, und dessen, was dem Nachbarn oder dem Bauherrn billigerweise zugemutet werden kann, erscheint der Nachbar, der von allen Seiten durch heranrückende Bebauung betroffen ist, schutzwürdiger als ein Nachbar, dessen Grundstück noch in zwei Himmelsrichtungen nicht durch weiter herangerückte Bebauung beeinträchtigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.5.2021 – 15 ZB 20.2128 – juris Rn. 16; Troidl, Erdrückende Wirkung im öffentlichen Baurecht, BauR 11/2008, S. 1843). Hier würde das Bauvorhaben dazu führen, dass der klägerische Innenhof von allen Seiten umschlossen wäre, da der bislang freie Durchgang zwischen dem bestehenden Querbau und dem Rückgebäude wegfallen soll. Zudem hat das Verwaltungsgericht zu Recht in seine Erwägung miteinbezogen, dass die östliche Außenwand des geplanten Rückgebäudes nach Osten versetzt wird, weil diese Verschiebung der Ostwand des Rückgebäudes, gerade auch im Zusammenspiel mit der deutlichen Erhöhung dieser Wand von ca. 10 m auf 17,10 m und dem bis zum Rückgebäude durchgezogenen Querbau – wie auf dem als „Vogelperspektive Süd“ bezeichneten Plan gut zu erkennen ist –, zu einer deutlichen Verengung der Innenhofsituation zulasten des Klägers führt. Hier – wie seitens der Beigeladenen erfolgt – nur auf die Situierung der östlichen Außenwand des Rückgebäudes abzustellen (vgl. Zulassungsbegründung Punkt 1 b) cc)), greift zu kurz.
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1.2.2 Die Beigeladene beruft sich zudem darauf, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht auf der von ihm postulierten Gesamtbetrachtung beruhe, da wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt bzw. fehlerhaft dargestellt bzw. gewürdigt worden seien. Auch hiermit dringt sie nicht durch.
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Die Beigeladene führt in diesem Zusammenhang aus, dass seitens des Erstgerichts verkannt werde, dass auch bislang schon eine innenhofartige Situation gegeben sei, womit auch die Beweiswürdigung angegriffen wird. Das Gericht entscheidet gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl. BayVGH, B.v. 15 ZB 13.1167 – juris Rn. 19). Soweit eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts gerügt wird, liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2024 – 6 ZB 23.1745 – juris Rn. 10; B.v. 17.1.2022 – 9 ZB 20.18 – juris Rn. 13; B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – juris Rn. 17 m.w.N.). Die Kammer hat über die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück und dessen Umgebung Beweis durch Einnahme eines Augenscheins erhoben und sich hierbei davon überzeugt, dass im Bestand zwischen dem nach Westen ragenden Bauteil des Vordergebäudes und dem bestehenden Rückgebäude eine Baulücke besteht (vgl. UA Rn. 25 und Rn. 13). Auch der Einwand der Beigeladenen, das Verwaltungsgericht habe die Größe des Innenhofs weder näher ermittelt noch in der Entscheidung gewürdigt, weshalb es zu der Annahme gekommen sei, durch das Bauvorhaben entstehe ein „beengt umbauter“ Innenhof, geht fehl. Den Entscheidungsgründen (UA Rn. 25) sowie dem Tatbestand (UA Rn. 4) ist zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht die Grundfläche des entstehenden Innenhofes bei der Bewertung der Situation vor Augen hatte und diese Fläche des Innenhofs auch korrekt in seine Bewertung eingestellt hat.
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1.2.3 Soweit die Beigeladene ausführt, das Verwaltungsgericht habe denklogisch fehlerhaft nur auf die Geschossigkeit und nicht auf die Wandhöhe der nördlichen Außenwand des Querbaus abgestellt, verhilft auch dieser Einwand dem Antrag auf Zulassung nicht zum Erfolg. Die Kammer ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Innenhof im Süden von dem geplanten Querbau mit einer Höhenentwicklung von V+D und IV+D, im Westen von dem geplanten Rückgebäude mit einer Höhenentwicklung V+D und dem Gebäude H-Straße 1a mit IV+D, im Norden durch die Gebäude H-Straße 1 und 1a mit einer Höhenentwicklung von IV+D und im Osten von dem Gebäude H–Straße 1 mit V+D und dem geplanten Vordergebäude mit VI+D umschlossen wird (UA Rn. 25). Nachdem die in den Akten enthaltenen Pläne durchgehend vermaßt sind und die Geschosshöhen sich im üblichen Rahmen bewegen, ist ohne weiteres davon auszugehen, dass sich das Erstgericht der Höhenentwicklung der fraglichen Baulichkeiten bewusst war.
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1.2.4 Unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages führt die Beigeladene weiter aus, das Verwaltungsgericht habe bei der vorgenommenen Gesamtbetrachtung (UA Rn. 25) fehlerhaft weder berücksichtigt, dass sich der Lichteinfallswinkel für den Fall der Realisierung der streitgegenständlichen Bebauung im Bereich des vorderen, höheren Bauteils gegenüber dem Bestand deutlich verbessere, noch habe es den genauen Umfang dieser Verbesserung in seine Erwägungen eingestellt. Gerade im Rahmen der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Gesamtbetrachtung (UA Rn. 26) spiele aber für die Frage, ob von einem Bauvorhaben eine erdrückende Wirkung ausgeht, auch die Verschattungswirkung bzw. die Veränderung der Belichtungssituation eine Rolle. Mit dieser Argumentation dringt die Beigeladene nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat seine Erwägung, dass bei Verwirklichung des Vorhabens für die klägerischen Grundstücke eine Art Gefängnishofsituation realisiert würde, im Wesentlichen auf zwei Kriterien gestützt: Zum einen würde ein relativ eng umbauter Innenhof entstehen, zum anderen würde die bestehende Lücke zwischen dem rückwärtigen und dem vorderen Gebäude durch den geplanten Querbau komplett geschlossen werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Kammer im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung demgegenüber eine möglicherweise eintretende Verbesserung der Belichtungssituation weniger stark gewertet hat.
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1.2.5 Darüber hinaus wendet sich die Beigeladene gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach durch die unstreitig vorhandene belastende Wirkung der klägerischen Gebäude, die Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden und historisch gewachsen seien, für die Nachbarschaft sich der Kläger nicht jeder wehrfähigen Rechtsposition begeben habe (UA Rn. 28). Es gehe hier, so die Beigeladene, nicht um die Frage, ob der Kläger durch seine eigene Bebauung jede wehrfähige Rechtsposition verloren habe, vielmehr sei alleine entscheidend, dass ihm keine schutzwürdige Rechtsposition gegenüber einer im wesentlichen gleichartigen Bebauung auf dem streitgegenständlichen Grundstück zustehe. Dieser Einwand begründet ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Nach Ansicht des Senats kann das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben bereits nicht als eine im „wesentlichen gleichartige Bebauung“ bezeichnet werden. Denn eine Gleichartigkeit der Bebauung kann hier lediglich bei dem östlichen Baukörper entlang der L.-straße angenommen werden. Dieser östliche Teil des Bauvorhabens kommt, wie auch die klägerischen Gebäude, auf der straßenseitigen Baulinie zum Liegen und ist in seiner Bebauung im wesentlichen gleichartig mit der klägerischen Bebauung. Anders verhält es sich dagegen mit dem verfahrensgegenständlichen Querbau und dem Rückgebäude. Sowohl der Querbau wie auch das geplante östlich gelegene Rückgebäude liegen im Innenbereich des maßgeblichen Gevierts. Dieser Geviertinnenbereich weist eine aufgelockerte Bebauung unter (zumeist) Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen auf; die dortigen Gebäude haben – mit Ausnahme des Gebäudes auf Grundstück FlNr. 359/4 – durchweg deutlich geringere Wandhöhen als die Straßenrandbebauung. Eine dem Bauvorhaben entsprechende Bebauung des Innenbereichs des Gevierts durch die klägerischen Gebäude ist nicht bzw. jedenfalls nicht in gleichem Maße gegeben. Der nach Süden und damit teilweise in den Innenbereich des Gevierts hineinragende Baukörper der H-Straße 1a ist schon von seiner Länge und seiner beeinträchtigenden Wirkung weder mit dem verfahrensgegenständlichen Querbau noch mit dem Rückgebäude des geplanten Bauvorhabens vergleichbar. Der von der Beigeladenen zitierte Rechtssatz (unter Berufung auf BayVGH, U.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 28), wonach der Nachbar nach Erfüllung der eigenen Bauwünsche nicht berechtigt sei, gleichartige Bauwünsche abzuwehren, kommt damit hier schon nicht zum Tragen. Unabhängig davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht klargestellt, dass die Bebauung auf dem klägerischen Grundstück nicht dazu führt, dass jegliche Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen ausgeschlossen ist. Vielmehr sei eine Bebauung mit modifizierter Höhenentwicklung und/oder Anpassung an die relativ eng bebaute Innenhofsituation auf dem Grundstück der Beigeladenen sehr wohl möglich (UA Rn. 28).
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1.2.6 Schließlich kritisiert die Beigeladene, dass sich das Verwaltungsgericht maßgeblich auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. September 2011 (Az. 2 B 11.761) gestützt habe, obwohl der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit dem hiesigen vergleichbar sei. Dass die seinerzeit entschiedene Konstellation anders gelagert ist als die verfahrensgegenständliche, mag sein. Dies führt jedoch nicht dazu, dass, wie es die Beigeladene wohl suggerieren möchte, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts fehlerhaft ist. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr unter Würdigung der konkreten Situation im Einzelfall die städtebauliche Situation unter Berücksichtigung der nachbarlichen Belange bewertet und hierbei die von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätze zur „erdrückenden Wirkung“ im Rahmen des Gebotes der Rücksichtnahme, wie sie auch in der zitierten Entscheidung dargestellt werden, berücksichtigt. Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht bei der Entscheidung fehlerhaft von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, die örtliche Situation willkürlich oder sachwidrig beurteilt hat oder, wie von der Beigeladenen unterstellt, die Entscheidungsgründe eines anderen Urteils nur „blind“ auf den hiesigen Sachverhalt übertragen hat, liegen nicht vor. Im Übrigen ist die der genannten Entscheidung des Senats zugrundeliegende Konstellation nicht die einzige, in der von einer erdrückenden Wirkung ausgegangen werden kann.
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1.2.7 Soweit die Beigeladene sich schlussendlich auf das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. März 2022 (Az. M 8 K 20.3855) beruft, das angeblich eine in „der Grundthematik völlig vergleichbare Angelegenheit“ betreffe, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der dieser Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist mit der hiesigen Konstellation nicht vergleichbar. So war im Rahmen der dortigen Abwägung, was der dortigen Klägerin als grundsätzlich Rücksichtnahmebegünstigter zuzumuten ist, u.a. mit zu berücksichtigen, dass diese die „erdrückende“ Situation auf ihrem Grundstück durch massivste Ausnutzung des dort vorhandenen Baurechts selbst herbeigeführt hat. Zum anderen waren in diesem Urteil die in mitten stehenden Wandhöhen deutlich geringer als im hiesigen Fall (vgl. Rn. 37, 38). Vor allem aber sind die von der Beigeladenen zitierten Passagen, wonach ein Nachbar auch bei Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme keinen Anspruch darauf habe, dass eine gegenwärtige Hinterhofsituation aufrechterhalten werde (Rn. 34), keinen Anspruch darauf habe, dass die Belichtung und Belüftung seiner Gebäude bzw. eines auf seinem Grundstück bestehenden Innenhofs über das Baugrundstück bewirkt werde (Rn. 35) und das Gebot der Rücksichtnahme dem Nachbarn auch nicht das Recht gebe, vor jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben (Rn. 39), nicht geeignet, dem hiesigen Antrag auf Zulassung der Berufung zum Erfolg zu verhelfen, da es bei der Beurteilung, wann von einem Bauvorhaben eine „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung ausgeht, entscheidend auf eine Gesamtschau des konkreten Einzelfalls ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Diese Einzelfallbewertung hat das Verwaltungsgericht – wie oben dargelegt – in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise vorgenommen.
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2. Eine Zulassung der Berufung wegen tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO scheidet ebenfalls aus. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache nur dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.; B.v. 14.9.2021 – 15 ZB 21.463 – juris Rn. 33; B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 19). Dass und warum hier vom Verwaltungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ein Sonderfall angenommen wurde, bei dem eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens bejaht worden ist, obwohl das streitgegenständliche Vorhaben nicht höher als die klägerischen Gebäude ist, wurde oben dargelegt; besondere tatsächliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO taten sich hierbei nicht auf. Auch der Einwand, das Verwaltungsgericht habe eine Gesamtwürdigung aller Umstände nicht vorgenommen, führt weder zu ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils noch zu besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten. Schließlich begründet der Umstand, dass der zu beurteilende Zustand in Realität nicht besichtigt und damit auch nicht real gewürdigt werden kann, da es sich um ein geplantes und noch nicht verwirklichtes Bauvorhaben handelt, ebenso keine tatsächlichen Schwierigkeiten; diese Konstellation ist im öffentlichen Baurecht ein Regelfall und nicht anders bewältigbar.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).