Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 19.05.2025 – 2 Ta 24/25
Titel:

Vergleichswert – Zeugnis – krankheitsbedingte Kündigung

Normenkette:
GKG § 63, § 68
Leitsatz:
Allein die Nennung der Fehltage und der Entgeltfortzahlungskosten rechtfertigt nicht den Schluss, dass die Kündigung auf Verhaltens- oder Leistungsmängel gestützt wird. Um nach Ziff. I Nr. 25.1.4. Streitwertkatalog bei inhaltlichen Festlegungen im vereinbarten Zeugnis einen Vergleichsmehrwert festzusetzen, bedarf es zusätzlicher Anhaltspunkte.
Schlagworte:
Streitwertfestsetzung, Vergleichsmehrwert, Arbeitszeugnis, Prozessvergleich, Kündigungsschutzklage, Leistungsbewertung, Beschwerdeverfahren
Vorinstanz:
ArbG Bayreuth vom 18.03.2025 – 4 Ca 1077/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 17680

Tenor

Die Beschwerde des Klägerinvertreters gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 18.03.2025, Az. 4 Ca 1077/24, in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 09.04.2025 wird zurückgewiesen und der Beschluss vom 18.03.2025 zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Streitwert für Verfahren und Vergleich wird auf 9.614,38 € festgesetzt.

Gründe

A.
1
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen häufiger Erkrankungen vom 12.12.2024 zum 28.02.2025. Das Bruttomonatseinkommen betrug einschließlich des anteiligen 13. Monatsgehalts 3.204,79 €.
2
Das Verfahren endete durch Prozessvergleich am 27.02.2025. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche Arbeitgeberkündigung aus betrieblichen Gründen zum 28.02.2025, eine Abfindung und die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses mit einer Leistungs- und Führungsbewertung „gut“ und einer übliche Schlussformel (Blatt 47 der Erstakte).
3
Das Arbeitsgericht setzte den Streitwert auf Grund des in der Klage mitgeteilten Stundenlohns und der vereinbarten Wochenarbeitszeit mit Beschluss vom 18.03.2025 auf 6.031,74 € fest. Auf die Beschwerde des Klägerinvertreters, in der er das Einkommen der Klägerin im letzten Quartal vor ihrem Ausscheiden mit 9.614,38 € angab, setzte das Arbeitsgericht den Streitwert im Rahmen seines Abhilfebeschlusses auf 3.204,79 € fest (Blatt 66 der Erstakten).
4
Hiergegen legte der Klägerinvertreter erneut Beschwerde ein und beantragte neben dem Verfahrenswert von 9.614,38 € noch einen Vergleichswert von 12.819,17 € festzusetzen im Hinblick auf die Regelungen über das Zeugnis.
5
Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 17.04.2025 nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor.
6
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Klägerinvertreter meint, dass im Hinblick auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht mit einer guten Beurteilung – wie sie im Vergleich vereinbart wurde – zu rechnen gewesen sei. Die übrigen Beteiligten gaben keine Stellungnahme ab.
B.
7
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch bei der Beendigung des Verfahrens durch Vergleich und auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 – 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 – 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägerinvertreterin kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
8
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat im vorliegenden Fall die Regelung über die Zeugniserteilung und dessen Inhalt nicht werterhöhend berücksichtigt.
9
1. Der Streitwert für das Verfahren war gem. § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG auf den Verdienst eines Vierteljahres festzusetzen. Das Arbeitsgericht hat den Streitwert im Beschluss vom 09.04.2025 lediglich auf 3.204,79 € festgesetzt. Dies geschah allerdings offenbar versehentlich. Denn ausweislich der Ziffer 1 des Beschlusses wollte es der Beschwerde abhelfen und das Verfahren auch nicht dem Landesarbeitsgericht vorlegen. Nachdem auch der Nichtabhilfebeschluss vom 17.04.2025 eine entsprechende Korrektur nicht enthält, war dies vom Landesarbeitsgericht von Amts wegen nachzuholen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG) und der Streitwert für das Verfahren auf 9.614,38 € festzusetzen.
10
2. Ein Vergleichsmehrwert war nicht festzusetzen. Die Regelung über die Erteilung und den Inhalt des Zeugnisses rechtfertigt dies nicht. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägerinvertreters sind noch folgende Ausführungen veranlasst:
11
a. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 01.02.2024, NZA 2024, 308). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
12
b. Tatsachen, die vorliegend die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für Ziffer 4 des Vergleichs rechtfertigten, sind nicht ersichtlich. Es ist nicht ersichtlich, dass die Erteilung der Zeugnisse im Sinne der Ziffer 4 des Vergleichs zwischen den Parteien streitig oder ungewiss gewesen wäre. Hinsichtlich der Leistung und des Verhaltens der Klägerin sind keinerlei negative Tatsachen in das Verfahren eingeführt worden. Dass die Beklagte in Vorbereitung auf die Güteverhandlung den Umfang der Fehlzeiten und die Entgeltfortzahlungskosten mitteilt und Ausführungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement macht, lässt für sich genommen nicht den Schluss auf eine auf Verhaltens- oder Leistungsmängel gestützte Kündigung zu. Insoweit liegen keine ausreichenden Umstände für das Bestehen einer diesbezüglichen konkreten Ungewissheit im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses vor (Ziffer I Nr. 25.1.3 des Streitwertkatalogs). Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Ziffer 4 des Vergleichs lediglich um eine übliche Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Der Umstand, dass durch jede Aufnahme bestimmter Rechte und Pflichten in den Vergleich für die Parteien eine diesbezügliche Gewissheit geschaffen wird, rechtfertigt nicht den Schluss, dies genüge für die Beseitigung einer Ungewissheit im Sinne der Ziffer I Nr. 25.1 und 25.1.3 des Streitwertkatalogs. Dann müsste nämlich jede in den Vergleichstext einfließende Regelung zusätzlich bewertet werden. Es soll aber für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes gerade nicht von Ausschlag sein, „worauf“ sich die Parteien im Rahmen ihrer Vergleichsverhandlungen verständigt haben, sondern „worüber“ eine Einigung erzielt werden konnte. Dies setzt eine auf konkreten Tatsachen beruhende Ungewissheit einer Partei voraus, hier der Klägerin über den Inhalt des zu erteilenden qualifizierten Arbeitszeugnisses. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, mögen auch die Prozessbevollmächtigten der Parteien über das Thema Arbeitszeugnis vor Abschluss des Vergleichs Gespräche geführt haben. Es werden diesbezüglich keine Tatsachen dafür vorgetragen, hierbei seien bestimmte das Arbeitszeugnis betreffende Punkte in Streit gestanden. Dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus verhaltens- oder leistungsbedingten Gründen erfolgte (vgl Ziffer I. Nr.25.3 Streitwertkatalog), ist nicht erkennbar. Die im Vergleich übernommene Verpflichtung, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit dem Gesamtprädikat „gut“ und den üblichen Schlussformulierungen zu erteilen, rechtfertigt somit keine Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, die Klägerin hätte befürchten müssen, ein nur durchschnittliches Arbeitszeugnis ohne die üblichen Schlussformulierungen zu erhalten (LAG Nürnberg 02.05.2024 – 2 Ta 26/24 Rn 12, BeckRS 2024 14117 mwN).
13
c. Auch die übrigen Regelungen im Vergleich rechtfertigen keine Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts. Dies wird vom Klägerinvertreter auch nicht beanstandet.
C.
14
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
15
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.