Inhalt

OLG München, Endurteil v. 21.07.2025 – 19 U 3555/22
Titel:

Vorläufige Vollstreckbarkeit, Dynamische Verweisung, Kostenentscheidung, Verfassungskonforme Auslegung, Revisionszulassung, Mündliche Anhörung, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie, Abstrakter Rechtssatz, Feststellungsklage, Feststellungsantrag, Streithelfer, Entscheidung des Revisionsgerichts, Privatgutachter, Vermiedene Netzentgelte, Rechtsfortbildung, Künftiges Rechtsverhältnis, Vertrauensschutz, Unechte Rückwirkung, Einspeisungsvertrag

Leitsätze:
1. Wollte man § 20a S. 1 Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) in der ab dem 09.09.2010 geltenden Fassung (im Folgenden: n.F.) dahingehend verstehen, dass auch für Transportkunden, deren Netzanschluss vor dem 09.09.2010 in Betrieb genommen wurde (im Folgenden: Alt-Anlagenbetreiber), der Anspruch auf pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten zehn Jahre nach Inbetriebnahme der Biogasanlage schon dem Grunde nach entfiele, so wäre diese Vorschrift als grundgesetzwidrig und damit nichtig einzustufen, mit der Folge, dass § 20a GasNEV in der bis zum 08.09.2010 geltenden Fassung für Alt-Anlagenbetreiber weiter gälte. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 20a S. 1 GasNEV n.F. dahingehend, dass der Zehnjahreszeitraum für Alt-Anlagenbetreiber nicht ab Inbetriebnahme der Anlage, sondern ab Inkrafttreten der Verordnungsänderung am 09.09.2010 läuft, ist mit den Grundsätzen einer verfassungskonformen Auslegung nicht vereinbar. Das entspricht nicht mehr dem natürlichen Sprachgebrauch und sprengt die Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung. (redaktioneller Leitsatz)
3. Damit verbleibt als einzige Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 20a S. 1 GasNEV n.F. ein Verständnis dieser Rechtsvorschrift dahingehend, dass die gewählte Formulierung, dass das Entgelt von 0,007 € je kWh eingespeisten Biogases „für zehn Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses“ zu zahlen ist, keine zeitliche Befristung des Anspruchs als solchen für Alt-Anlagenbetreiber darstellt. Bei einer derartigen Auslegung von § 20a S. 1 GasNEV n.F. entfällt nicht nach Fristablauf der Anspruch von Alt-Anlagenbetreibern auf Zahlung eines Pauschalentgelts dem Grunde nach, sondern nur dessen bis dato garantierte Höhe von 0,007 EUR je kWh eingespeisten Biogases ist ab dann der Überprüfung ihrer Angemessenheit anheimgestellt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Regelmäßige oder häufige ungeplante oder geplante, aber mit dem Netzbetreiber unabgestimmte Unterbrechungen der Gaseinspeisung durch Alt-Anlagenbetreiber führen indes dazu, dass die Höhe eines angemessenen Entgelts für vermiedene Netzkosten nach Ablauf des Zehnjahreszeitraums nicht mit mehr als 0 € zu bemessen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Biogaseinspeisung, Vermiedene Netzkosten, Vertragsauslegung, Eigentumsgarantie, Angemessenheitsprüfung, Subventionierung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 13.05.2022 – 30 O 7472/21
Fundstelle:
BeckRS 2025, 17342

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 13.05.2022, Az. 30 O 7472/21, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund dieser Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des von ihr jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten auf vertraglicher Grundlage i.V.m. § 20 a S. 1 der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung – GasNEV) in Höhe von 0,007 €/kWh zuzüglich 16 % MWSt für im Zeitraum vom 01.09.2019 bis 30.09.2020 in das Netz der Beklagten eingespeistes Biogas im Umfang von 79.491.745 kWh geltend.
2
Die Klägerin betreibt seit 2009 eine Biogasanlage zum Zwecke der Bioerdgasproduktion in A… in Niederbayern.
3
Die E… GmbH mit Sitz in … (im Folgenden: Zedentin), welche zum Konzern der Klägerin gehört, übernahm jedenfalls seit 2016 an Stelle der Klägerin vertraglich die Abwicklung der Zahlung des pauschalen Entgelts für vermiedene Netzkosten durch die Beklagte.
4
Die Beklagte ist der größte regionale Gasverteilnetzbetreiber in Südbayern. An deren Netz ist die Anlage der Klägerin angeschlossen.
5
Die Streithelferin der Beklagten ist Fernleitungsnetzbetreiberin. Das Netz der Beklagten ist direkt an das Netz der Streitverkündeten angeschlossen; diese ist daher vorgelagerte Netzbetreiberin der Beklagten.
6
Am 13.02./03.03.2009 schlossen die Parteien einen „Netzanschlussvertrag Biogas“ (Anlage K 1). Die Klägerin errichtete den Netzanschluss im Jahr 2009 und übergab diesen an die Beklagte. Am 01.09.2009 erfolgte die Ersteinspeisung von Biogas in das Netz der Beklagten.
7
§ 20a GasNEV wurde mit Wirkung zum 09.09.2010 geändert und der bis dato unbegrenzte Entgeltzeitraum auf zehn Jahre begrenzt. Die alte und die neue Normfassung lauten jeweils wie folgt (Änderungen vom Senat markiert):
8
Die Zedentin schloss mit der Beklagten am 04.02.2016 einen „Einspeisevertrag Biogas für die Verteilernetzebene“ (Anlage K 5; im Folgenden: Einspeisevertrag), worin die Zedentin als „Transportkunde“ und die Beklagte als „Netzbetreiber“ bezeichnet wurden. Unter anderem war vereinbart:
„§ 8 Pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten
1. Der Netzbetreiber zahlt dem Transportkunden für das am Einspeisepunkt zum Gasversorgungsnetz übergebene Biogas ein pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten in der gemäß § 20 a GasNEV gesetzlich festgelegten Höhe.
2. Die Abrechnung des Entgelts für vermiedene Netzkosten nach § 20 a GasNEV erfolgt monatlich (…).“
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Die Beklagte zahlte an die Zedentin ein pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten ab dem 01.09.2009, am 31.08.2019 stellte sie die Zahlungen ein.
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Auf Anfrage der Klägerin lehnt die Beklagte mit Schreiben vom 11.03.2021 (Anlage K 8) weitergehende Zahlungen ab.
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Seit dem 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 galt einer verringerter Mehrwertsteuersatz. Der Regelsteuersatz war in diesem Zeitraum aufgrund Artikel 3 Nr. 3 des Zweiten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) v. 29.06.2020 (BGBl. 12020, S. 1512 [1514]) von 19 % auf 16 % gesenkt.
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Mit Vertrag vom 27.04./05.05.2021 (Anlage K 2) trat die Zedentin sämtliche ihr zustehende Forderungen auf Zahlung vermiedener Netzentgelte aus § 20a GasNEV wegen Biogaseinspeisungen aus der Biogasanlage A… für die Zeit ab dem 01.09.2019 bis zum 30.09.2020 an die Klägerin ab.
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Das Landgericht wies mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO) und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Klage ab. Der Zehnjahreszeitraum laut § 20a S. 1 GasNEV n.F., welcher verfassungsgemäß sei, sei abgelaufen. Ein darüber hinausgehender Anspruch ergebe sich auch nicht aus dem Einspeisevertrag, da dessen § 8 Ziffer 1 auf ein pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten in gesetzlich festgelegter Höhe verweise. Die Hilfsanträge seien unzulässig.
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Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 14.06.2022 (Bl. 103 f. d.A.) eingelegte und mit Schriftsatz vom 12.07.2022 (Bl. 109 ff. d.A.) begründete Berufung der Klägerin.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts abzuändern und zu erkennen wie folgt:
1.1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 645.472,98 € nebst Zinsen in Höhe von 9 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2021 zu zahlen.
Hilfsweise:
2.2.
Es wird festgestellt, dass der Netzanschluss der Biogasanlage der Klägerin,
… A… (bei S…) aufgrund der geplanten umfangreichen Erneuerungs- und Erweiterungsarbeiten (Erneuerung der Verdichteranlage, Änderung des Standortes der Verdichter- und Meßeinrichtung, Verlegung des Anschlusses der bestehenden Flüssiggasanlage und Erweiterung der Erdgashochdruckanschlussleitung) mit der Folge der Verbesserung der Gasqualität, Steigerung der Einspeiseleistung und Erhöhung des Betriebsdrucks einen neuen Netzanschluss im Sinne des § 32 Nr. 2 GasNZV darstellen wird.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Inbetriebnahme des neuen Netzanschlusses gem. vorstehendem Hilfsantrag zu 2. 0,007 € je Kilowattstunde eingespeisten Biogases für vermiedene Netzkosten für 10 Jahre gem. § 20a GasNEV zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Diesem Antrag schloss sich die Streithelferin der Beklagten an.
18
Die Klägerin steht im Kern auf dem Standpunkt, für sie sei noch § 20a S. 1 GasNEV a.F. anwendbar, jedenfalls aber sei § 20 a S. 1 GasNEV n.F. aus verfassungsrechtlichen Gründen (Rückwirkungsverbot) dahingehend zu verstehen, dass der darin geregelte Zehnjahreszeitraum für Transportkunden, deren Netzanschluss vor dem 09.09.2010 in Betrieb genommen wurde (im Folgenden: Alt-Anlagenbetreiber), nicht ab Inbetriebnahme der Anlage (hier: 01.09.2009), sondern erst ab Inkrafttreten der Verordnungsänderung am 09.09.2010 laufe. Damit habe sie zumindest noch einen Anspruch auf pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten gegen die Beklagte für den Zeitraum bis 30.09.2020. Das Landgericht verkenne, dass die Klägerin die Kalkulation für ihre Biogasanlage in A… auf eine Laufzeit von mindestens 20 Jahren ausgelegt habe, in denen die Gewährung der vermiedenen Netzentgelte für einen rentablen Betrieb unerlässlich sei. Daher habe sie ein schutzwürdiges Vertrauen insoweit.
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Die Beklagte ist hingegen im Wesentlichen der Ansicht, da der Einspeisevertrag im Jahr 2016 geschlossen worden sei, verweise dieser ausschließlich auf den seit 2010 geltenden § 20a S. 1 GasNEV n.F. Dessen Wortlaut sei eindeutig. Auch für Alt-Anlagenbetreiber entfiele zehn Jahre nach Inbetriebnahme der Biogasanlage (hier: 31.08.2019) der Entgeltanspruch danach vollständig. § 20a S. 1 GasNEV n.F. sei selbst bei diesem Verständnis der Norm verfassungskonform.
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Für Transportkunden, deren Netzanschluss ab dem 09.09.2010 in Betrieb genommen wurde (im Folgenden: Neu-Anlagenbetreiber), steht die von der Beklagten vertretene Auslegung des § 20a S. 1 GasNEV n.F. zwischen den Parteien nicht in Streit.
21
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 12.07.2022 (Bl. 109 ff. d.A.), die Berufungserwiderung vom 04.10.2022 (Bl. 136 ff. d.A.) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
22
Vor dem Senat fand am 12.05.2025 eine mündliche Verhandlung statt, wegen deren Inhalts und Verlaufs auf das Sitzungsprotokoll verwiesen wird (Bl. 354 ff. d.A.).
23
Der Senat hat Beweis erhoben durch Erholung einer amtlichen Auskunft der Bundesnetzagentur (BNetzA) v. 05.04.2023 (Bl. 176 ff. d.A.) sowie eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. J… v. 10.01.2025 (Bl. 323 ff. d.A.) nebst dessen mündlicher Anhörung am 12.05.2025 (s. Bl. 356 ff. d.A.). Zudem legte die Klägerin ein Privatgutachten v. 19.10.2023 (Anlage BK 1) vor.
II.
24
Das verfahrensrechtlich bedenkenfreie und somit zulässige Rechtsmittel der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
25
Das Urteil des Landgerichts ist im Ergebnis richtig, wenn auch dessen hierzu führende rechtliche Erwägungen vom Senat nicht geteilt werden.
26
1. Zwar hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach aus abgetretenem Recht auch über den Zeitraum von zehn Jahren ab Inbetriebnahme der streitgegenständlichen Biogasanlage – mithin den 31.08.2019 – hinaus einen Anspruch auf pauschales Entgelt für vermiedene Netzkosten aus § 8 Ziffer 1 Einspeisevertrag i.V.m. § 20a S. 1 GasNEV n.F., § 398 S. 2 BGB.
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a) Wenn § 8 Ziffer 1 Einspeisevertrag für das von der Beklagten zu zahlende pauschale Entgelt für vermiedene Netzkosten auf die „gemäß § 20 a GasNEV gesetzlich festgelegte(n) Höhe“ verweist, so handelt es sich hierbei um eine dynamische Verweisung auf § 20a S. 1 GasNEV in seiner jeweils aktuellen Fassung.
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Es ist auch ohne ausdrückliche Jeweiligkeitsklausel von einer dynamischen Verweisung auszugehen, da keine konkrete nach Gültigkeitsdatum festgelegte Fassung des § 20a GasNEV im Vertrag aufgeführt wird (vgl. BAG, Urteil v. 30.08.2017, Az. 4 AZR 443/15, Rz. 20; Urteil v. 17.01.2006, Az. 9 AZR 41/0, Rz. 30; LAG Hamm, Urteil v. 18.01.2006, Az. 3 Sa 2122/05, juris Rz. 148). Das bedeutet, dass Änderungen der in Bezug genommenen Rechtsnorm im Vertrag wirksam werden, ohne dass der Vertrag selbst geändert werden muss. Die Parteien wollten ersichtlich vertraglich schlicht die Verordnungslage abbilden und gegebenenfalls eine sich ändernde Rechtslage automatisch nachvollziehen. Die rechtliche Wirksamkeit dieser dynamischen Verweisung wird von keiner der Parteien angezweifelt; dass es sich insoweit um AGB handelt (und § 8 Ziffer 1 Einspeisevertrag dann gegebenenfalls am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB zu messen wäre, s. zu Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen z.B. Thüsing/Lambrich, NZA 2002, 1361 [1364 m.w.N.]), wird von keiner Seite behauptet.
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Bereits aus diesem Grunde ist die klageseits zitierte Entscheidung des LG Augsburg (Urteil v. 26.11.2020, Az. 101 O 3627/18 [Anlage K 10]) nicht einschlägig. Gemäß der gerichtlichen Feststellungen war im dortigen Fall ausdrücklich vertraglich vereinbart, dass bei Änderungen gesetzlicher Vorschriften die Vertragsparteien den Vertrag entsprechend anpassen müssen; eine Anpassung nach Änderung des § 20a GasNEV wurde aber unstreitig übersehen.
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Selbst wenn § 8 Ziffer 1 Einspeisevertrag nur die „Höhe“ des Entgelts als Bezugsposition nennt, wird durch die Formulierung in § 8 Ziffer 2 Einspeisevertrag, dass „(d)ie Abrechnung des Entgelts für vermiedene Netzkosten nach § 20 a GasNEV erfolgt“ deutlich, dass auf den gesamten Regelungsgehalt der Norm in ihrer jeweiligen Fassung Bezug genommen werden soll.
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b) Wollte man nun dem – vermeintlich wortlautgetreuen – Verständnis der Beklagten und des Landgerichts von § 20a S. 1 GasNEV n.F. dahingehend folgen, dass zehn Jahre nach Inbetriebnahme der Biogasanlage der Entgeltanspruch von Alt-Anlagenbetreibern dem Grunde nach entfiele, wäre diese Vorschrift nach Überzeugung des Senats als grundgesetzwidrig und damit nichtig einzustufen (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 45 ff.), mit der Folge, dass § 20a GasNEV a.F. für Alt-Anlagenbetreiber weiter gälte, was auf den hiesigen Einspeisevertrag durchschlagen würde.
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aa) Jedes Gericht kann und muss sich, bevor es ein Gesetz anwendet, mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes beschäftigen und eine eigene Überzeugung von dessen Verfassungsmäßigkeit oder -widrigkeit bilden, sonst so verletzt es seine Prüfpflichten aus Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG (BVerfG, Beschluss v. 17.04.2023, Az. 2 BvR 526/22, Rz. 8; Beschluss v. 27.02.1973, Az. 2 BvL 8/72, juris Rz. 8; Beschluss v. 15.07.1953, Az. 1 BvL 7/53, juris Rz. 16 f.).
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Grundsätzlich darf der Senat die Verfassungsmäßigkeit der in einer Rechtsverordnung – als Gesetz im rein materiellen Sinne – enthaltenden Norm selbst verneinen. Bei der GasNEV handelt es sich um eine Rechtsverordnung der Bundesregierung i.S.v. Art. 80 Abs. 1 GG. Die Entscheidung des BVerfG im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG haben die Fachgerichte nur einzuholen, falls sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes im formellen Sinne haben (BVerfG, Beschluss v. 12.12.1984, Az, 1 BvR 1249/83, juris Rz. 20; Urteil v. 20.03.1952, Az. 1 BvL 12/51, juris Rz. 20 ff.; BGH, Beschluss v. 15.01.2004, Az. IX ZB 96/03, juris Rz. 67).
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bb) Der durch § 20a S. 1 GasNEV a.F. unbeschränkt eingeräumte Entgeltzeitraum gab den Alt-Anlagenbetreibern langfristige Investitions- und Planungssicherheit.
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Diese Sicherheit würde jedoch entfallen, wenn die Entgeltdauer für bestehende Anlagen während ihrer Laufzeit durch die mit der Einführung von § 20a S. 1 GasNEV n.F. bewirkte Verordnungsänderung auch für Alt-Anlagenbetreiber auf lediglich zehn Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses verkürzt würde und dann bereits dem Grund nach jedes Entgelt entfiele.
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cc) Ein derartige nachträgliche Verkürzung des Entgeltzeitraums für bereits in Betrieb genommene Anlagen würde eine verfassungswidrige Verletzung des Eigentumsgrundrechts der Alt-Anlagenbetreiber nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG (ggf. i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) darstellen.
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aaa) Unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen grundsätzlich alle vermögenswerten Rechte, die Berechtigten von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass sie die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zum privaten Nutzen ausüben dürfen (BVerfG, Beschluss v. 30.06.2020, Az. 1 BvR 1679/17, Rz. 74; Beschluss v. 08.05.2012, Az. 1 BvR 1065/03, Rz. 41; Beschluss v. 26.05.1993, Az. 1 BvR 208/93, Rz. 20).
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Damit schützt die Eigentumsgarantie nicht nur dingliche oder sonstige gegenüber jedermann allgemein wirkende Rechtspositionen, sondern zudem (schuldrechtliche) Ansprüche (BVerfG, Beschluss v. 08.05.2012, Az. 1 BvR 1065/03, Rz. 41; Beschluss v. 18.01.2006, Az. 2 BvR 2194/99, Rz. 33; Beschluss v. 31.03.1998, Az. 2 BvR 1877/97, juris Rz. 88) – wie hier den vertraglichen Anspruch der Zedentin aus § 8 Ziffer 1 Einspeisevertrag i.V.m. § 20a S. 1 GasNEV oder den gesetzlichen Anspruch anderer Transportkunden direkt aus § 20a S. 1 GasNEV.
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Bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder Verdienstmöglichkeiten werden nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (BVerfG, Urteil v. 06.12.2016, Az. 1 BvR 2821/11, Rz. 240; Beschluss v. 29.06.2016, Az. 1 BvR 1015/15, Rz. 92; Beschluss v. 18.03.1970, Az. 2 BvO 1/65, juris Rz. 84).
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Der Anspruch der Alt-Anlagenbetreiber auf pauschales Entgelt nach § 20a S. 1 GasNEV ist hinreichend rechtlich gesichert und nicht nur eine bloße Gewinnchance und damit von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt.
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bbb) Eine Verkürzung der bislang zeitlich unbegrenzten Entgeltdauer in § 20a s. 1 GasNEV a.F. auf lediglich zehn Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses in § 20a S. 1 Gas-NEV n.F. zu Lasten im Zeitpunkt der Rechtsänderung bereits am Markt tätiger Biogasanlagenbetreiber wäre folglich eine eigentumsrelevante Maßnahme, da sie eine durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Rechtsposition nachträglich einschränkte.
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Sie wäre eine Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG. Darunter versteht das Grundgesetz die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind (BVerfG, Beschluss v. 03.07.2001, Az. 1 BvR 432/00, Rz. 20; Beschluss v. 12.03.1986, Az. 1 BvL 81/79, juris Rz. 33; Beschluss v. 12.06.1979, Az. 1 BvL 19/76, juris Rz. 113).
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ccc) Dieser Grundrechtseingriff wäre verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt, weil unverhältnismäßig.
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α) αα) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich zwar erst aus der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (BVerfG, Beschluss v. 21.11.2023, Az. 1 BvL 6/21, Rz. 80; Beschluss v. 12.11.1996, Az. 1 BvL 4/88, juris Rz. 59; Beschluss v. 01.07.1981, Az. 1 BvR 874/77, juris Rz. 100; Urteil v. 28.02.1980, Az. 1 BvL 17/77, juris Rz. 149).
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Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht gänzlich frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen; dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (BVerfG, Beschluss v. 05.09.2015, Az. 1 BvL 9/15, Rz. 14; Beschluss v. 14.01.2004, Az. 2 BvR 564/95, Rz. 100; Beschluss v. 02.03.1999, Az. 1 BvL 7/91, juris Rz. 76).
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ββ) Die Gewährleistung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG bedeutet nicht die Unantastbarkeit einer Rechtsposition für alle Zeiten; sie besagt auch nicht, dass jede inhaltliche Veränderung einer geschützten Rechtsstellung unzulässig wäre (BVerfG, Beschluss v. 20.01.2010, Az. 1 BvR 2062/09, Rz. 28; Beschluss v. 24.11.2009, Az. 1 BvR 213/08, Rz. 69; Beschluss v. 08.07.1971, Az. 1 BvR 766/66, juris Rz. 28; BVerwG, Beschluss v. 26.08.2008, Az. 7 B 23/08, juris Rz. 10). Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ermächtigt den Gesetzgeber, in bereits begründete Rechte einzugreifen und diesen einen neuen Inhalt zu geben (BVerfG, Beschluss v. 20.01.2010, Az. 1 BvR 2062/09, Rz. 28; Beschluss v. 24.11.2009, Az. 1 BvR 213/08, Rz. 69). Die Eigentumsgarantie und das konkrete Eigentum sollen keine unüberwindliche Schranke für die gesetzgebende Gewalt bilden, wenn Reformen sich als notwendig erweisen (BVerfG, Beschluss v. 20.01.2010, Az. 1 BvR 2062/09, Rz. 28; Beschluss v. 24.11.2009, Az. 1 BvR 213/08, Rz. 69).
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Im Falle einer Änderung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber für die Umformung von durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten, bisherigen subjektiven Rechten jedoch legitimierende Gründe haben (BVerfG, Beschluss v. 18.02.2009, Az. 1 BvR 3076/08, Rz. 56; Beschluss v. 12.02.1986, Az. 1 BvL 39/83, juris Rz. 47; Beschluss v. 01.07.1981, Az. 1 BvR 874/77, juris Rz. 101; Beschluss v. 08.07.1971, Az. 1 BvR 766/66, juris Rz. 43). Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (BVerfG, Beschluss v. 18.02.2009, Az. 1 BvR 3076/08, Rz. 56; Beschluss v. 14.02.1967, Az. 1 BvL 17/63, juris Rz. 17).
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γγ) Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie ist außerdem der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, der in Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG für vermögenswerte Güter eine eigene Ausprägung erfahren hat (BVerfG, Beschluss v. 21.11.2023, Az. 1 BvL 6/21, Rz. 107; Beschluss v. 20.09.2016, Az. 1 BvR 1387/15, juris Rz. 37; Beschluss v. 18.02.2009, Az. 1 BvR 3076/08, Rz. 55).
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Danach sind rückwirkende Gesetze nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dabei ist zwischen echter Rückwirkung und unechter Rückwirkung zu unterscheiden:
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Eine echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfG, Urteil v. 14.07.1981, Az. 1 BvL 28/77, juris Rz. 90; Beschluss v. 31.05.1960, Az. 2 BvL 4/59, juris Rz. 29; BGH, Urteil v. 11.05.2010, Az. IX ZR 127/09, Rz. 21; Urteil v. 26.01.2005, Az. XII ZR 70/03, juris Rz. 10), mithin wenn der zu ändernde Tatbestand in der Vergangenheit nicht nur begonnen hat, sondern bereits vollständig abgeschlossen ist. Belastende Gesetze, die sich echte Rückwirkung beilegen, sind regelmäßig wegen Verstoßes gegen die im Rechtsstaatsprinzip enthaltenen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfassungswidrig (BVerfG, Beschluss v. 18.02.2009, Az. 1 BvR 3076/08, Rz. 66; Beschluss v. 16.10.1968, Az. 1 BvL 7/62, juris Rz. 31).
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Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich beeinträchtigt oder entwertet (BVerfG, Beschluss v. 22.04.1998, Az. 1 BvR 2146/94, juris Rz. 34; Beschluss v. 26.06.1979, Az. 1 BvL 10/78, juris Rz. 28). Eine unechte Rückwirkung ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (BVerfG, Beschluss v. 30.06.2020, Az. 1 BvR 1679/17, Rz. 131; Beschluss v. 14.01.2010, Az. 1 BvR 1627/09, Rz. 80; Urteil v. 23.11.1999, Az. 1 BvF 1/94, juris Rz. 96). Allerdings können sich aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG, Beschluss v. 30.06.2020, Az. 1 BvR 1679/17, Rz. 131; Urteil v. 10.04.2018, Az. 1 BvR 1236/11, Rz. 136; Beschluss v. 14.10.1997, Az. 1 BvL 5/93, juris Rz. 41).
52
Generell gilt aber, dass die allgemeine Erwartung des Bürgers, eine ihm günstige Gesetzeslage werde unverändert fortbestehen, verfassungsrechtlich nicht geschützt ist (BVerfG, Beschluss v. 05.02.2002, Az. 2 BvR 305/93, juris Rz. 73; Beschluss v. 31.10.1984, Az. 1 BvR 35/82, juris Rz. 74; Beschluss v. 17.07.1974, Az. 1 BvR 51/69, juris Rz. 84). Die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (BVerfG, Beschluss v. 23.09.2010, Az. 1 BvQ 28/10, Rz. 33; Beschluss v. 25.07.2007, Az. 1 BvR 1031/07, Rz. 37; Urteil v. 05.02.2004, Az. 2 BvR 2029/01, Rz. 171). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (BVerfG, Beschluss v. 07.12.2022, Az. 2 BvR 988/16, Rz. 162; Beschluss v. 07.07.2010, Az. 2 BvL 14/02, Rz. 57; Beschluss v. 16.10.1968, Az. 1 BvL 7/62, juris Rz. 35).
53
β) Eingedenk der vorstehend geschilderten Maßstäbe stellte der mit der Änderung von § 20a S. 1 GasNEV verbundene Eingriff in das Eigentumsgrundrecht von Alt-Anlagenbetreibern – das Verständnis der Norm durch die Beklagte und das Landgericht unterstellt – einen Verstoß gegen das verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsprinzip dar (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 50).
54
Zwar entfaltete die Beschränkung des laufenden Entgeltzeitraums von einer zeitlich unbegrenzten Dauer auf nur noch zehn Jahre für Alt-Anlagenbetreiber lediglich unechte Rückwirkung, da sie damit auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkte und zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertete (ebenso OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 49).
55
Allerdings ergäben sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen für deren Zulässigkeit. Der Grundrechtseingriff müsste zur Erreichung des damit vom Verordnungsgeber ausweislich der amtlichen Verordnungsbegründung verfolgten Zweckes zuvorderst geeignet und erforderlich sein. Beides wäre zu verneinen.
56
αα) Als Gründe für die Änderung des § 20a S. 1 GasNEV a.F. und Einführung des § 20a S. 1 GasNEV n.F. führt die amtliche Begründung der Verordnung zur Neufassung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts sowie des Bergrechts v. 20.05.2010 (BR-Drs. 312/10, S. 105), mit deren Art. 5 Nr. 4 lit. a) die Zeitgrenze in § 20a S. 1 GasNEV g.F. eingefügt wurde (BGBl. I 2010, S. 1261 [S. 1280]), Folgendes an:
„Die Regelung berücksichtigt (…), dass gegenwärtig die pauschalen Entgelte für vermiedene Netzkosten weder in der Berechnung des Verkaufspreises für Biogas noch in der Wirtschaftlichkeitsrechnung von Anlagen berücksichtigt werden. Insbesondere finanzierende Kreditinstitute integrieren diese pauschalen Entgelte nicht in der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Vor diesem Hintergrund ist die Festschreibung der Entgelte erforderlich, um in diesem Zusammenhang Erleichterung zu schaffen.“
57
Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, damit sei gemeint, dass Biogasanlagenbetreiber hierdurch eine bessere Planungssicherheit erhalten sollten (so auch Fabritius in: Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Aufl., §§ 13-20 b GasNEV Rz. 19). Der Verordnungsgeber habe damit eine rechtliche Zusicherung für zehn Jahre geben wollen. Zuvor hätte die Subvention jederzeit zurückgenommen werden können. Erst die Verordnungsänderung habe Rechtssicherheit geschaffen und erleichtere nun Bankfinanzierungen.
58
ββ) Eine in diesem Sinne verstandene Begrenzung des Entgeltzeitraums für Alt-Anlagenbetreiber wäre nicht geeignet, den vorstehend dargestellten, vom Verordnungsgeber damit verfolgten Zweck zu erreichen.
59
Geeignetheit in diesem Sinne bedeutet, dass das vom Normgeber angewandte Mittel hierfür nicht von vornherein objektiv untauglich (BVerfG, Urteil v. 22.05.1963, Az. 1 BvR 78/56, juris Rz. 142) oder schlechthin ungeeignet (BVerfG, Beschluss v. 27.01.2011, Az. 1 BvR 3222/09, Rz. 38) sein darf. Verfassungsrechtlich genügt hierfür die Möglichkeit, dass der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, dass also die Möglichkeit der Zweckerreichung besteht (BVerfG, Beschluss v. 23.05.2018, Az. 1 BvR 97/14, Rz. 90; Urteil v. 14.07.1999, A.z 1 BvR 2226/94, juris Rz. 214). Der Gesetzgeber hat hier einen Einschätzungsspielraum für die Beurteilung der tatsächlichen Grundlagen einer Regelung; die Grenze liegt dort, wo sich deutlich erkennbar abzeichnet, dass eine Fehleinschätzung vorgelegen hat (BVerfG, Urteil v. 11.07.2017, Az. 1 BvR 1571/15, Rz. 159).
60
Letzteres läge hier allerdings vor. Die mit Wirkung zum 09.09.2010 nachträglich in § 20 a S. 1 GasNEV eingeführte Begrenzung des Entgeltzeitraums wäre – wollte man das oben skizzierte Verständnis unterstellen – für die mit der Verordnungsänderung laut Verordnungsbegründung erstrebte „Erleichterung“ von Bankfinanzierungen im Hinblick auf die Errichtung von davor bereits in Betrieb genommenen Biogasanlagen völlig ungeeignet. Deren Betreiber haben ungeachtet dessen ganz offensichtlich in der Vergangenheit eine Eigen- oder Fremdfinanzierung erfolgreich zu Wege gebracht. Wie eine spätere zeitliche Beschränkung des zunächst durch § 20 a S. 1 Gas-NEV a.F. unbegrenzt normierten Entgeltzeitraums dem (noch) förderlich sein könnte, ist nicht ersichtlich.
61
Dazu kommt, dass sich dem Senat in keiner Weise erschließt, auf welchem Grund es für Kreditinstitute aus wirtschaftlicher Sicht attraktiver sein sollte, wenn der bislang zeitlich unbegrenzte Entgeltzeitraum nunmehr auf zehn Jahre verkürzt würde. Jedenfalls eine verbesserte Rechts- und Planungssicherheit – wie die Beklagte meint – geht damit in keiner Weise einher. Genauso wie der Verordnungsgeber § 20 a S. 1 GasNEV a.F. einschränken konnte, kann er nunmehr auch § 20 a S. 1 GasNEV n.F. grundsätzlich wieder umgestalten – was in § 20 a S. 3 GasNEV mit dem Monitoring durch die BNetzA bewusst angelegt ist – und den Entgeltzeitraum weiter verkürzen oder das Entgelt für vermiedene Netzkosten herabsetzen oder gar ersatzlos streichen. Dieses Argument geht vollständig ins Leere.
62
Andere (eventuell denkbare) Zwecke für die Verordnungsänderung, z.B. die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Biogaseinspeisung in das Erdgasnetz im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen oder Gesichtspunkte der Gleichbehandlung der Alt- mit Neu-Anlagenbetreibern, werden weder in der Verordnungsbegründung genannt noch sind sie sonst ersichtlich. Insbesondere findet das vom OLG Düsseldorf (Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 52) angenommene Regelungsziel, die Netznutzer, die im Ergebnis die den Biogasanlagenbetreibern zukommende Förderung finanzierten, nicht mit dauerhaft erhöhten Netzentgelten zu belasten, in der amtlichen Verordnungsbegründung keinerlei Niederschlag.
63
γγ) Ein solcher Grundrechtseingriff wäre außerdem nicht erforderlich.
64
Erforderlichkeit liegt vor, falls kein grundrechtsmilderes Mittel (BVerfG, Beschluss v. 14.12.2004, Az. 1 BvR 411/00, Rz. 27), d.h. ein Mittel, das den Grundrechtsträger weniger und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet (BVerfG, Beschluss v. 10.09.2024, Az 1 BvR 936/24, Rz. 9), zur Zweckerreichung in Frage kommt oder dieses zur Zweckerreichung nicht gleich geeignet ist (BVerfG, Urteil v. 01.10.2024, Az. 1 BvR 1160/19, Rz. 177). Insoweit ist es nicht Aufgabe der Gerichte zu prüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (BVerfG, Beschluss v. 19.03.2014, Az. 1 BvR 1417/10, Rz. 27).
65
§ 20 a S. 1 GasNEV a.F. hat mit der Festlegung eines zeitlich unbegrenzten Vergütungszeitraums einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. Hierdurch wurde den Alt-Anlagenbetreibern durch den Verordnungsgeber versprochen, dass sie langfristig ein festes Entgelt in Höhe von 0,007 €/kWh erhalten. Anlagenbetreiber treffen ihre Investitionen ganz entscheidend auf dieser Grundlage und werden somit durch den Verordnungsgeber gerade zu den Investitionen in Biogasanlagen motiviert. Eine Änderung des Förderzeitraums würde die Alt-Anlagenbetreiber schwerwiegend in ihren wirtschaftlichen Interessen treffen.
66
Als grundrechtsschonendere Maßnahme für Alt-Anlagenbetreiber hätte sich eine Übergangsregelung – z.B. in § 32 GasNEV – geradezu aufgedrängt. Möglichst nahe an der Konzeptionen des (Änderungs-)Verordnungsgebers gelegen hätte eine Regelung, wonach der in § 20 a S. 1 Gas-NEV n.F. geregelte Zehnjahreszeitraum für Alt-Anlagenbetreiber nicht ab der jeweiligen Inbetriebnahme der Anlage, sondern generell erst ab Inkrafttreten der Verordnungsänderung am 09.09.2010 läuft. Dies wäre für Alt-Anlagenbetreiber deutlich grundrechtsschonender gewesen und hätte dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes besser Rechnung getragen, die Netzbetreiber und in der Folge die Netznutzer nur noch maßvoll und absehbar weiter belastet und hätte jedenfalls die gleiche Eignung für die Erreichung des laut Verordnungsgeber damit verfolgten – vom Senat allerdings kritisch gesehenen (s.o.) – Zwecks (Planungssicherheit für verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten von Biogasanlagenbetreibern) aufgewiesen.
67
dd) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Verordnungsänderung zudem als Eingriff in die Berufsfreiheit an Art. 12 Abs. 1 GG oder als Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist. In beiden Fällen beurteilte sich die von der Klägerin gerügte Enttäuschung ihres Investitionsvertrauens nach denselben Vertrauensschutzgrundsätzen wie ihm Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG.
68
c) Der Senat darf es jedoch nicht beim Befund belassen, dass sich § 20 a S. 1 GasNEV n.F. nach dem Verständnis von Beklagter und Landgericht als verfassungswidrig darstellt.
69
aa) Es gilt allgemein der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht für nichtig zu erklären ist, wenn es im Einklang mit der Verfassung ausgelegt werden kann; denn es spricht nicht nur eine Vermutung dafür, dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, sondern das in dieser Vermutung zum Ausdruck kommende Prinzip verlangt auch im Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes (grdl. BVerfG, Beschluss v. 07.05.1953, Az. 1 BvL 104/52, Rz. 40).
70
Gibt es bei Rechtsvorschriften zwei Auslegungsmöglichkeiten, von denen die eine zu einem verfassungskonformen, die andere aber zu einem verfassungswidrigen Norminhalt führt, muss das Gericht die Auslegungsmöglichkeit ausscheiden, die der Norm einen Inhalt beimisst, der mit den Grundrechten oder anderen verfassungsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist (BVerfG, Beschluss v. 02.04.2001, Az. 1 BvR 355/00, Rz. 14; Beschluss v. 18.05.1971, Az. 1 BvL 7/69, juris Rz. 33; BGH, Urteil v. 24.06.2009, Az. XII ZR 161/08, Rz. 28; BFH, Beschluss v. 30.11.2004, Az. VIII R 51/03, juris Rz. 86).
71
bb) Das von der Klägerin gleichsam hilfsweise vorgeschlagene Verständnis des § 20 a S. 1 Gas-NEV n.F. dahingehend, dass der Zehnjahreszeitraum für Alt-Anlagenbetreiber nicht ab Inbetriebnahme der Anlage, sondern ab Inkrafttreten der Verordnungsänderung am 09.09.2010 läuft, ist mit den Grundsätzen einer verfassungskonformen Auslegung nicht vereinbar.
72
Das Gebot der verfassungskonformen Auslegung findet seine Grenzen dort, wo es zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Beschluss v. 28.07.2015, Az. 2 BvR 2558/14, Rz. 46; Urteil v. 30.03.2004, Az. 2 BvR 1520/01, Rz. 145; Beschluss v. 11.06.1958, Az. 1 BvL 149/52, juris Rz. 22).
73
Zu der klageseits vorgenommenen Auslegung von § 20 a S. 1 GasNEV n.F. käme man nur dann, falls man den – den Beginn des Zehnjahreszeitraums definierenden – Begriff der „Inbetriebnahme“ für Alt-Anlagenbetreiber im Sinne des „Inkrafttretens der Verordnungsänderung“ verstehen wollte. Das entspricht nicht mehr dem natürlichen Sprachgebrauch und sprengt die Wortlautgrenze der verfassungskonformen Auslegung evident. Wäre dies vom Verordnungsgeber gewollt gewesen, hätte er es deutlich in § 20 a S. 1 GasNEV n.F. oder einer Übergangsregelung für Alt-Anlagenbetreiber zum Ausdruck bringen müssen (i. Erg. ebenso OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 31).
74
cc) Damit verbleibt nach Einschätzung des Senats als einzige Auslegungsmöglichkeit des § 20 a S. 1 GasNEV n.F., welche den verfassungsgerichtlichen Vorgaben an eine verfassungskonforme Auslegung genügt, ein Verständnis dieser Rechtsvorschrift dahingehend, dass die gewählte Formulierung, dass das Entgelt von 0,007 € je kWh eingespeisten Biogases „für zehn Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses“ zu zahlen ist, keine zeitliche Befristung des Anspruchs als solchen für Alt-Anlagenbetreiber darstellt.
75
Bei einer derartigen Auslegung von § 20 a S. 1 GasNEV n.F. entfällt nicht nach Fristablauf der Anspruch von Alt-Anlagenbetreibern auf Zahlung eines Pauschalentgelts dem Grunde nach, sondern nur dessen bis dato garantierte Höhe von 0,007 EUR je kWh eingespeisten Biogases ist ab dann der Überprüfung ihrer Angemessenheit anheim gestellt.
76
Dies ist mit dem Wortlaut der Norm vereinbar, der einem Verständnis des Zehnjahreszeitraums als Befristung nur der fixen Anspruchshöhe und nicht des Anspruchsgrundes in keiner Weise entgegen steht (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 29).
77
Dies findet sogar in den Verordnungsmaterialien Anklang. So finden sich in der amtlichen Begründung der Verordnung der Bundesregierung zur Neufassung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts sowie des Bergrechts v. 20.05.2010 (BR-Drs. 312/10, S. 105) keine (gar eindeutigen) Hinweise dafür, dass der Verordnungsgeber den Anspruch nach Fristablauf für Alt-Anlagenbetreiber – im Gegensatz zu § 20 a S. 1 GasNEV a.F. – vollständig entfallen lassen wollte. Vielmehr ist in der Entwurfsbegründung von einer „Festschreibung der Entgelte“ die Rede, was zwanglos auch an die Entgelthöhe anknüpfen kann (a.A. OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.10.2024, Az. VI-5 U 3/23 [Kart], juris Rz. 33 ff., das darauf abstellt, dass dort nicht ausdrücklich davon die Rede sei, dass dies lediglich die Höhe des Entgeltes erfasse). Damit korrespondiert § 20 a S. 3 GasNEV, wonach die Entgelthöhe im Rahmen des Monitorings durch die BNetzA überwacht wird.
78
2. Der Höhe nach beträgt der klägerische Anspruch im vorliegenden Fall aber 0 €.
79
a) Bei der vom Senat vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung von § 20 S. 1 Gas-NEV n.F. ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass die von ihr geltend gemachte Höhe des Pauschalentgelts von 0,007 EUR je kWh für vermiedene Netzentgelte selbst nach Verstreichen von zehn Jahren ab Inbetriebnahme ihrer Biogasanlage noch angemessen ist.
80
b) Diesen Nachweis vermochte die Klägerin nicht zu führen.
81
aa) Entgelte für vermiedene Netzkosten i.S.v. Art. 20 a GasNEV sind nach der amtlichen Begründung der Verordnung zur Änderung der Gasnetzzugangsverordnung, der Gasnetzentgeltverordnung und der Anreizregulierungsverordnung v. 04.01.2008 (BR-Drs. 24/08, S. 15), durch deren Art. 2 Nr. 1 der § 20 a (a.F.) erstmals in die GasNEV eingefügt wurde (BGBl. I 2008, S. 693 [S. 695]), Entgelte für die dezentrale Einspeisung, also die Vergütung für die Einspeisung von Biogas aus dezentralen Erzeugungsanlagen in das Gasverteilernetz. Diese Entgelte sollen die Kosten ausgleichen, die durch die dezentrale Einspeisung vermieden werden, weil die der Einspeisung vorgelagerten Netze nicht in Anspruch genommen werden.
82
Verordnungsgeberische Intention war die Erleichterung der Biogaseinspeisung in das Erdgasnetz durch eine deutliche Kostenerleichterung für Netzanschluss und Einspeisung, um die Importabhängigkeit bei Erdgas zu verringern und Impulse für eine klimaschonende Energieerzeugung zu geben. Ziel war es, dass dezentral erzeugtes Biogas verstärkt, effizient und zielgerichtet in der Kraft-Wärme-Koppelung und als Kraftstoff eingesetzt wird.
83
bb) Nicht einmal das von der Klägerin vorgelegte Privatgutachten untermauerte dem Klagevortrag eines angemessenen Pauschalentgelts von 0,007 EUR/kWh auch über den Zehnjahreszeitraum hinaus.
84
Die Privatgutachter der Klägerin bestimmten für den streitgegenständlichen Betrachtungszeitraum vom 01.09.2019 bis 30.09.2020 nach branchenüblicher Vorgehensweise auf Basis der veröffentlichten Preisblätter der Beklagten, den Einspeiselastgängen der Biogasanlage A… sowie den geltenden gaswirtschaftlichen Vorhaben lediglich vermiedene Netzentgelte in den der Biogasanlage der Klägerin vorgelagerten Netzen in Höhe von rund 0,0008 €/kWh. Grundlage der Berechnungen seien die energiewirtschaftlichen Daten bzw. Einspeisungen der Biogasanlage in A… in diesem Zeitraum gewesen.
85
Dabei konstatierten die klägerischen Privatgutachter, offensichtlich und auffällig an diesem Ergebnis sei, das der Verordnungsgeber bei Schaffung des § 20 a GasNEV „im Sinne einer gewünschten Subvention“ mit 0,007 €/kWh ein Vielfaches als vermiedene Netzentgelte angenommen habe. Dazu, inwieweit diese „gesetzgeberseitig statuierte Subventionierung“ über den Zehnjahreszeittraum hinaus gelten sollte, wollten die Privatgutachter keine Stellungnahme abgeben.
86
Entgegen dem Ergebnis ihrer eigenen Privatgutachter beharrt die Klägerin auf dem Standpunkt, ihr stehe auch für den klagegegenständlichen Zeitraum ein Entgelt in Höhe von 0,007 €/kWh zu.
87
cc) In der vom Senat erholten amtlichen Auskunft der BNetzA gab diese an, dass sie nicht über eine Praxis zur Ermittlung eines über den Ablauf der Zehnjahresfrist ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses hinausgehenden, bis dato gesetzlich festgelegten Entgelts verfüge. Damit sah sich die BNetzA nicht in der Lage anzugeben, in welcher konkreten Höhe ein Entgelt als angemessen eingestuft werde.
88
Gleichwohl versuchte die BNetzA einen sachgerechten Maßstab für vermiedene Netzkosten zu skizzieren. Um eine mögliche Kostenersparnis zu bestimmen, müsse man in einem ersten Schritt vergleichen, in welcher Höhe der Aufnahmenetzbetreiber zusätzliche Netzentgelte an seinen vorgelagerten Netzbetreiber hätte entrichten müssen, wenn er kein Biogas aus der Biogasanlage bekäme und die entsprechenden Mengen stattdessen aus dem vorgelagerten Netz hätte entnehmen müssen. Von den ersparten Kosten für die vorgelagerte Netznutzung seien sodann alle Kosten abzuziehen, welche dem Netzbetreiber durch die Biogasanlage entstünden. Dabei handele es sich insbesondere um Kosten für die Herstellung des Netzanschlusses und dessen Wartung und Betrieb nach § 33 Abs. 2 der Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzzugangsverordnung – GasNZV), für Maßnahmen zur Bereitstellung der ganzjährigen Aufnahmekapazität des Netzes nach § 33 Abs. 10 i.V.m. § 34 Abs. 2 S. 3 GasNZV, für den erweiterten Bilanzausgleich nach § 35 GasNZV, die Konditionierung des Gases, soweit dies nach § 36 Abs. 3 GasNZV dem Netzbetreiber obliegt, und für die Odorierung und Messung nach § 36 Abs. 4 GasNZV. Sofern mehrere Biogasanlagen im Netz vorhanden seien, seien übergreifende Kosten gegebenenfalls nur anteilig zu berücksichtigen.
89
In vielen Fällen verursache die Einspeisung von Biogas in das Netz mehr Kosten, als sie durch die Vermeidung der Nutzung vorgelagerter Netzebenen einspare. Daher dürfte nach Auffassung der BNetzA zumindest die weitere Gewährung eines Entgelts von 0,007 €/kWh eingespeisten Biogases für vermiedene Netzkosten nach Ablauf der zehn Jahre nicht mehr angemessen sein.
90
Im Gegenteil sei laut BNetzA davon auszugehen, das die angemessene Höhe des Anspruchs „häufig nur noch null €“ betragen dürfte.
91
dd) Der vom Senat bestellte Sachverständige Prof. Dr. ... kam in seinem schriftlichen Gutachten und seiner mündlichen Anhörung zu dem Ergebnis, aufgrund der nicht unterbrechungsfreien Lieferung von Biogas durch die Anlage der Klägerin in A… fielen eingesparte Kosten aus vermiedenen Netzentgelten jedenfalls im vorliegenden Fall gar nicht an.
92
Die Beklagte habe für das Kalenderjahr 2019 insgesamt 6.577.110 kWh/h als feste Kapazität im Rahmen einer internen Bestellung für 2019 bei ihrer Streithelferin als ihrer vorgelagerten Netzbetreiberin bestellt (s. Anlage BB 05), für das Kalenderjahr 2020 belaufe sich die interne Jahresbestellung für das Gesamtnetz der Beklagten auf 6.627.360 kWh/h. Diese Kapazität werde von Netzbetreibern in der Regel so gewählt, dass in der kältesten Periode des Jahres die Versorgung aller Netzkunden gewährleistet sei. Die Biogasanlage der Klägerin in A… habe im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.09.2019 bis 30.06.2020 regelmäßig rund 9.000 kWh/h geliefert.
93
Bei stundenscharfer Betrachtung, welche der Sachverständige als energiewirtschaftlich sachgerecht einstufte, gelte Folgendes:
94
Die Beklagte benötige die von ihr gebuchte Kapazität an jedem einzelnen Tag des Jahres und in jeder einzelnen Stunde, insbesondere während der Kälteperioden des Jahres, um die Versorgung aller Netzkunden zu gewährleisten. Die Biogasanlage der Klägerin in A… speise mit großer Regelmäßigkeit stündlich rund 9.000 kWh Biogas in das Netz der Beklagten. Die Beklagte könne somit im Grundsatz ihren Netzbezug von ihrer Streithelferin um 9.000 kWh/h verringern und somit dieses Netzentgelt von rund 60.000 €/a einsparen.
95
Die Biogasanlage der Klägerin weise aber immer wieder Fehlstunden aus, in denen kein oder nur deutlich weniger Biogas eingespeist werde (vgl. die Aufstellung in Anlage 3 zum Gutachten). Der vorsichtige Netzbetreiber müsse daher damit rechnen, dass solche Fehlstunden auch in Zeiten seiner höchsten Kapazitätsnutzung – das seien die Stunden des Jahres, in denen er die volle Kapazität in Anspruch nehmen müsse – anfallen könnten. Somit stünde dem Netzbetreiber dann nicht die volle Kapazität zur Verfügung, sondern 9.000 kWh/h zu wenig. Er könnte somit seinen Versorgungsauftrag nicht erfüllen bzw. nicht allen angeschlossenen Kunden in der zugesagten Weise Gas ununterbrochen zur Verfügung stellen. Um dies zu vermeiden könne die Beklagte ihre Bestellung gerade nicht – wie oben angesprochen – um 9.000 kWh/h verringern. Die Möglichkeit einer stunden- oder tageweise Nachbuchung von Kapazität sei hier ausgeschlossen, da die Fehlstunden der Biogasanlage der Klägerin in der Regel nicht vorab planbar seien und darüber hinaus auch in Kälteperioden Zusatzkapazität nicht verfügbar sei.
96
Der Sachverständige stellte klar, dass Unterbrechungen der Einspeisung von Biogas üblich seien, teils selbst durch die Netzbetreiber hervorgerufen würden und auch bei der Erdgaseinspeisung aufträten. Biogasanlagen hätten in ihrem Betrieb neben den geplanten Unterbrechungen, die mit dem Netzbetreiber abgestimmt sein sollten, auch ungeplante Unterbrechungen. Das mache für das Netzmanagement einen bedeutenden Unterschied. Netzbetreiber hielten Reserven zur Kompensation üblicher Unterbrechung der Einspeisung und variierender Abnahmemengen vor. Ungeplante Unterbrechungen führten dazu, dass der Netzbetreiber nicht sicher sein könne, dass bei Verbrauchspitzen genügend Gas lieferbar sei. Wenn es zu ungeplanten Unterbrechungen der Biogaseinspeisung komme, könne der Netzbetreiber die Spitzen nicht abdecken, deshalb sah der Gutachter keine Kostenvermeidung auf Seiten des Netzbetreibers. Treffe dieser gegen dieses Risiko entsprechend Vorsorge, müsse er diese auch bezahlen. Die Vorsorge könne der Netzbetreiber nur dadurch treffen, dass er mehr Leistung bestelle, als er eigentlich benötigen würde, wenn alle Biogasanlagen störungsfrei einspeisen würden.
97
Wenn die klägerische Biogasanlage nur geplante und für die Beklagte nicht nachteilige Unterbrechungen haben würde, sah der Sachverständige den von den klägerischen Privatgutachtern ermittelte Wert von 0,0008 €/kWh für vermiedene Netzentgelte als nicht unplausibel an. Der Sachverständige dokumentierte indes im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur geplante, sondern in unregelmäßigen Abständen kurzfristige Unterbrechungen, wobei er davon ausging aus, dass diese ungeplant waren. Und selbst geplante Unterbrechungen seien für den Netzbetreiber nur dann unschädlich, wenn sie mit ihm abgestimmt worden seien. Seiner Meinung zufolge seien die kurzzeitigen Leistungsunterbrechungen nicht abgestimmt gewesen. Dem trat die Klägerin nicht substantiiert entgegen.
98
Der Sachverständige konnte nicht generalisierend für alle Biogasanlagen sagen, dass diese regelmäßig oder häufig ungeplante Unterbrechungen der Gaseinspeisung aufwiesen. Dass es zu ungeplanten Unterbrechungen komme, sei aber allen technischen Anlagen eigen. Es gäbe allerdings schon technische Lösungen, die es den Anlagenbetreiber ermöglichten, ungeplante Unterbrechungen der Gaseinspeisungen zu vermeiden. Das sei eine Kostenfrage. Die konkrete Anlage der Klägerin habe jedenfalls die in der Anlage 3 zum schriftlichen Gutachtens dargelegten Einspeiseunterbrechungen aufgewiesen.
99
Bei stundenscharfer Betrachtung müsse daher ein Entgelt der Klägerin für vermiedene Netznutzung als nicht sachgerecht und nicht angemessen eingestuft werden.
100
Bei einer Durchschnittsbetrachtung ergebe sich Folgendes:
101
Sofern die Beklagte davon ausgehen könne, dass ein Ausfall der Biogasanlage der Klägerin in A… nicht in den Zeitraum ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme der vollen Kapazität falle, könne sie ihre Kapazitätsbuchung um rund 9.000 kWh/h oder auch 8.500 kWh/h vermindern. In diesem Falle würden vermiedene Netzkosten in Höhe von rund 61.200€/a bzw. 57.800 €/a entstehen.
102
Aus energiewirtschaftlicher Sicht vertrat der Sachverständige die Auffassung, dass potenziell ersparte Kosten aus vermiedener Netznutzung mit den Kosten für die Einspeisung zu saldieren seien. Betrachte man nun dieses vermiedene Netzentgelt gemeinsam mit den Kosten für die im Verfahren gegenständliche Biogaseinspeisung in A… in Höhe von 869.507 € für 2019 und 696.874 € für 2020, so ergebe sich auch bei Durchschnittsbetrachtung keine Einsparung.
103
Insgesamt mochte der Sachverständige der Aussage, dass sich das Entgelt für vermiedene Netzkosten nach § 20 a S. 1 GasNEV als pure Subvention erneuerbarer Energie darstelle, nicht widersprechen.
104
ee) Nach der durchgeführten Beweisaufnahme vermochte der Senat nicht zur Überzeugung zu gelangen, dass der Klägerin auch nach Ablauf von zehn Jahren ab Inbetriebnahme ihrer Biogasanlage ein Pauschalentgelt für vermiedene Netzkosten in einer Höhe zusteht, welche 0 € überschreitet.
105
So untermauerten schon ihre eigenen Privatgutachter ihren Vortrag nicht, ein Entgelt von weiterhin 0,007 €/kWh sei angemessen und gingen lediglich von 0,0008 €/kWh aus. Die BNetzA stellte sich auf den Standpunkt, dass die angemessene Höhe eines derartigen Anspruchs „häufig nur noch null €“ betragen dürfte. Schließlich gelangte der gerichtliche Sachverständige für den Senat nachvollziehbar zu dem Ergebnis, zumindest im vorliegenden Fall – wie aber wohl auch sonst meist – fielen aufgrund der häufigen ungeplanten Unterbrechungen der Gaseinspeisung durch die Biogasanlage der Klägerin in A… eingesparte Kosten aus vermiedenen Netzentgelten überhaupt nicht an.
106
Alles in allem ergibt sich das Bild, dass das in § 20 a S. 1 GasNEV normierte Pauschalentgelt in Höhe von 0,007 €/kWh eingespeisten Biogases mindestens weit überwiegend, wenn nicht sogar in vollem Umfang eine reine Subvention darstellt, welche die wahren technisch-wirtschaftlichen Verhältnisse in keiner Weise abbildet. Daher stellt sich dem Senat die Frage, ob die BNetzA ihrer Aufgabe des Monitorings nach § 20 a S. 3 GasNEV überhaupt nachkommt.
107
3. Die klägerischen Hilfs-Feststellungsanträge sind bereits unzulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO), was das Landgericht zutreffend ausführt.
108
Der Klägerin geht es um die Feststellung von Rechtsfolgen aus einem Rechtsverhältnis, das noch nicht besteht, sondern erst in Zukunft unter Voraussetzungen, deren Eintritt noch offen ist, entstehen kann (vgl. BGH, Urteil v. 20.11.1992, Az. V ZR 82/91, juris Rz. 34). Das Rechtsverhältnis, das festgestellt werden soll, muss jedoch gegenwärtig sein, weshalb künftige Rechtsverhältnisse grundsätzlich nicht zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemacht werden können (BGH, Urteil v. 05.07.2005, Az. X ZR 14/03, juris Rz. 15; Beschluss v. 18.09.1996, Az. XII ZB 58/95, juris Rz. 12; Urteil v. 08.10.1958, Az. V ZR 54/56, juris Rz. 27).
III.
109
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 S. 1, 2, § 711 S. 1, 2 i.V.m. § 709 S. 2 ZPO.
IV.
110
1. Die Revision war durch den Senat zuzulassen, da die sowohl Fortbildung des Rechts als auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 1, 2 ZPO.
111
a) aa) Die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Fortbildung des Rechts sind gegeben, wenn der Fall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen, wofür allerdings nur dann Anlass besteht, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, Beschluss v. 28.09.2023, Az. III ZB 93/22, Rz. 4; Beschluss v. 04.06.2019, Az. II ZR 264/18, Rz. 16; Beschluss v. 16.10.2018, Az. II ZR 70/16, Rz. 28; Beschluss v. 04.07.2002, Az. V ZB 16/02, juris Rz. 6).
112
Hierunter zu fassende Fälle sind bspw. die Verwerfung von Rechtsnormen außerhalb des verfassungsgerichtlichen Monopols des Art. 100 Abs. 1 GG und die Anwendung eines nachkonstitutionellen Gesetzes trotz erkannter Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit (Koch in: Saenger, ZPO, 10. Aufl., § 543 Rz. 15; Prütting/Winter in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 543 Rz. 37).
113
Die Gesichtspunkte, die Gegenstand der geltend gemachten Rechtsfortbildung sind, müssen entscheidungserheblich sein, weil gerade der Einzelfall Veranlassung zur Rechtsfortbildung geben muss (BGH, Beschluss v. 20.12.2023, Az. EnVZ 93/20, Rz. 8; Beschluss v. 27.06.2023, Az. KVZ 33/22, Rz. 11). Denn auch ein Revisionsgericht hat nicht die Aufgabe, abstrakte Rechtsfragen zu beantworten (BGH, Beschluss v. 07.01.2003, Az. X ZR 82/02, juris Rz. 5).
114
Der Zulassungsgrund überschneidet sich mit dem der Grundsatzbedeutung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO und setzt ebenso wie dieser eine Vielzahl von künftigen vergleichbaren Fällen voraus (BGH, Beschluss v. 31.05.2023, Az. IV ZR 299/22, Rz. 13; Beschluss v. 24.09.2003, Az. IV ZB 41/02, juris Rz. 13).
115
bb) Davon ist hier auszugehen.
116
aaa) Zu den folgenden, das Ergebnis des hiesigen Rechtsstreits aus Sicht der unterliegenden Klägerin entscheidenden Rechtsfragen, gibt es bislang – soweit ersichtlich – überhaupt keine, jedenfalls keine höchstrichterliche Rechtsprechung:
117
Dies gilt zum einen für die vom Senat verneinte Frage, ob § 20 a GasNEV a.F. wegen Verfassungswidrigkeit des § 20 a GasNEV n.F. schlicht weiter gilt oder § 20 a GasNEV n.F. wenigstens verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Zehnjahreszeitraum für Alt-Anlagenbetreiber nicht ab Inbetriebnahme der Anlage, sondern ab Inkrafttreten der Verordnungsänderung am 09.09.2010 läuft.
118
Dies gilt zum anderen für die Frage, welche Maßstäbe an die Ermittlung eines angemessenen Entgelts für vermiedene Netzkosten i.S.v. § 20 a S. 1 GasNEV anzulegen sind, insbesondere ob die Annahme des Senats zutreffend ist, dass regelmäßige oder häufige ungeplante oder geplante, aber mit dem Netzbetreiber unabgestimmte Unterbrechungen der Gaseinspeisung dazu führen, dass dessen Höhe nicht mit mehr als 0 € zu bemessen ist.
119
Eine vom Senat abweichende Beantwortung dieser Fragen durch das Revisionsgericht wäre ergebnisrelevant.
120
bbb) Die Beantwortung dieser Rechtsfrage hat weit über den konkreten Rechtsstreit hinaus Bedeutung für eine Vielzahl von Fällen.
121
Nach unwidersprochenem Vortrag der Klägerin sind von den über 200 an deutsche Gasversorgungsnetze angeschlossenen Biogasanlagen ca. 44 vor der Verordnungsänderung errichtet worden. Trotz der Tatsachen, dass nur etwa 1 % des deutschen Gasverbrauchs durch eingespeistes Biogas gedeckt wird (vgl. DBFZ gGmbH, Die Rolle von Biogas für eine sichere Gasversorgung in Deutschland, Stand: Mai 2022, S. 2) und aufgrund Zeitablaufs keine weiteren Alt-Anlagenbetreiber mehr hinzu kommen können, zeigt sich hierdurch das tatsächliche und wirtschaftliche Gewicht der Sache für den beteiligten Rechtsverkehr.
122
Durch die hier entscheidungserheblichen Fragen werden die Allgemeinheit und deren Interessen folglich in besonderem Maße berührt, was ein Tätigwerden des Revisionsgerichts erforderlich macht.
123
b) aa) Darüber hinaus liegt hier eine zulassungsrelevante Divergenz vor.
124
Voraussetzung dafür ist, dass das Urteil des Senats von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht (BGH, Beschluss v. 30.10.2023, Az. VIa ZR 278/22; Beschluss v. 27.03.2003, Az. V ZR 291/02, juris Rz. 11; Beschluss v. 29.05.2002, Az. V ZB 11/02, juris Rz. 8).
125
Erforderlich ist, dass in der Senatsentscheidung ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluss v. 01.10.2002, Az. XI ZR 71/02, juris Rz. 12).
126
Eine Abweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn der Senat ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss v. 04.047.2002, Az. V ZR 75/02, juris Rz. 7).
127
bb) Dies ist gegeben.
128
Sollte das Revisionsgericht die Frage der Bestimmung der Höhe eines angemessenen Entgelts für vermiedene Netzkosten abweichend vom Senat beantworten, käme es entscheidend darauf an, wie § 20 a GasNEV n.F. (verfassungskonform) zu verstehen ist – wobei die Auffassungen des OLG Düsseldorf und des Senats differieren.
129
Das OLG Düsseldorf vertritt die Auffassung, dass § 20 a S. 1 GasNEV n.F. im Sinne der Beklagten und des Landgerichts dahingehend auszulegen sei, dass auch für Alt-Anlagenbetreiber der Entgeltanspruch danach zehn Jahre nach Inbetriebnahme der Biogasanlage schon dem Grunde nach entfiele und selbst bei diesem Verständnis sei die Vorschrift verfassungskonform.
130
Hingegen führte nach Ansicht des Senats diese Auslegung der Norm zu deren Verfassungswidrigkeit und der Fortgeltung von § 20 a S. 1 GasNEV a.F. für Alt-Anlagenbetreiber. Stattdessen ist eine verfassungskonforme Auslegung von § 20 a GasNEV n.F. dahingehend angezeigt, dass nach Fristablauf nicht der Anspruch von Alt-Anlagenbetreibern auf Zahlung eines Pauschalentgelts dem Grunde nach entfällt, sondern nur dessen bis dato garantierte Höhe sodann einer Angemessenheitsprüfung anheim gestellt ist.
131
2. Die Revision ist zum BGH zuzulassen.
132
In Verfahren, in denen ein bayerisches Berufungsgericht die Revision zulässt, hat dieses nach § 7 Abs. 1 S. 1 EGZPO gleichzeitig über die Zuständigkeit entweder des BayObLG oder des BGH für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zu befinden (BayObLG, Beschluss v. 04.05.2020, Az. 1 ZBR 36/20, juris Rz. 9); die Entscheidung ist für das gesamte weitere Verfahren gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 EGZPO bindend (BGH, Beschluss v. 18.02.2021, Az. III ZR 79/20, Rz. 5).
133
Vorliegend ist der BGH und nicht das BayObLG für die Verhandlung und Entscheidung über die Revision des Klägers zuständig, § 7 Abs. 1 EGZPO i.V.m. § 8 Abs. 2 EGGVG und Art. 11 Abs. 1 BayAGGVG.