Titel:
Wertersatzeinziehung, Überweisung, Verfügungsberechtigter, Gesamtschuldner, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Notwendige Auslagen, Verfügungsmacht, Einziehung, Kosten des Berufungsverfahrens, Revisionsverfahren, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Gesamtfreiheitsstrafe, Beengte wirtschaftliche Verhältnisse, Kontoinhaber, Geldwäsche, Rechtskräftige Urteile, Tatmehrheit, Verfügungsberechtigung, Hauptverhandlung, Angaben des Angeklagten
Schlagworte:
Geldwäsche, Berufung, Revision, Einziehung von Wertersatz, persönliche Verhältnisse, Kontoverfügungen, Schuldvorwurf
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 18.07.2025 – 206 StRR 224/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 17120
Tenor
1. I. Ergänzend zum bereits im Übrigen rechtskräftigen Urteil des Landgerichts München II vom 17.01.2024 wird gegen den Angeklagten die Einziehung von Wertersatz in Höhe von EUR 15.430,- angeordnet. Der Angeklagte haftet in dieser Höhe als Gesamtschuldner.
II. Der Angeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen im Berufungsverfahren, sowie die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen im Revisionsverfahren zu tragen.
Entscheidungsgründe
1
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Dachau vom 31.08.2023 wegen vorsätzlicher Geldwäsche in einem besonders schweren Fall in 11 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt.
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Auf die Berufung des Angeklagten wurde das Urteil des Amtsgerichts Dachau vom 31.08.2023 im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte der vorsätzlichen Geldwäsche in 9 Fällen in Tatmehrheit mit versuchter Geldwäsche in 2 Fällen schuldig gesprochen wurde. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten verurteilt. Des Weiteren wurde gegen den Angeklagten die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 15.430 EUR als Gesamtschuldner angeordnet.
3
Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des Landgerichts München II vom 17.04.2024 hinsichtlich der Anordnung der Einziehung von Wertersatz in Höhe von 15.430 EUR samt der zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und zur Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen. Im Übrigen war die Revision des Angeklagten erfolglos.
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Der Angeklagte wurde am ….1992 in … in … geboren und ist … Staatsangehöriger. Der Angeklagte ist ledig. Er besuchte in … die Grundschule und eine weiterführende Schule für insgesamt 8 Jahre. Gleichwohl kann der Angeklagte nicht gut lesen und schreiben.
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Im Anschluss an seine Schulzeit war der Angeklagte in … als Fensterbauer tätig. Im Jahr 2014 kam der Angeklagte nach Deutschland. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des BAMF vom 28.10.2016 abgewiesen. Im Jahr 2022 zog der Angeklagte von … nach … um. Dort arbeitete er zunächst in einer Fischfabrik. Derzeit arbeitet der Angeklagte bei der Firma … als Logistiker in einem … Stützpunkt. Dort verdient der Angeklagte 1.600 EUR netto monatlich.
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Der Angeklagte hat mit seiner Lebensgefährtin 3 gemeinsame Kinder im Alter von 5, 8 und 12 Jahren. Seine Lebensgefährtin hat ein weiteres Kind von 2 Jahren, um das sich der Angeklagte kümmert, obwohl er nicht der Vater ist und das mit ihm, der Lebensgefährtin und den gemeinsamen Kindern in einem Haushalt lebt. Der Angeklagte wohnt mit seiner Lebensgefährtin und den 4 Kindern in einer 3-Zimmer-Wohnung, deren Miete vom Jobcenter bezahlt wird. Die Lebensgefährtin des Angeklagten ist nicht berufstätig.
7
Der Angeklagte hat Schulden aus vorangegangenen Strafverfahren in Höhe von etwa 2.000 EUR, auf die er monatlich 40 EUR bezahlt.
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Der Angeklagte ist strafrechtlich bisher wie folgt in Erscheinung getreten:
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Aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 08.10.2024 stand folgender Sachverhalt bereits rechtskräftig fest:
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Eine nicht näher bekannte Tätergruppierung veranlasste im Zeitraum von Mitte Dezember 2021 bis Mitte Februar 2022 sieben geschädigte Frauen überwiegend mittleren Alters dazu, Geldbeträge zwischen 500 € und 5.000 € u.a. auf das Konto des Angeklagten zu überweisen. Dabei wurde den geschädigten Frauen zuvor über einen längeren Zeitraum jeweils über Social Media wie Instagram, Google hangout und WhatsApp eine Liebesbeziehung vorgespielt, in deren Rahmen ihnen auch angebliche Fotos von ihren vermeintlich attraktiven und erfolgreichen Gesprächspartnern übersandt wurden. Im Laufe der „Beziehungen“ wurden die Geschädigten um die darlehensweise Überlassung von Geldbeträgen gebeten, die ihnen zinslos zurückerstattet werden sollten. Zweck der Geldbeträge sollten etwa Ticketpreise, Gebühren für Entsperrung von Bankkonten, Visagebühren und ähnlichen Notsituationen sein. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der intensiv geführten Gespräche überwiesen die Geschädigten die Beträge, in der Erwartung, dass die Gelder ihnen im Rahmen eines versprochenen persönlichen Treffens zurückerstattet würden. Die Betrüger verschafften sich durch ihr systematisches Vorgehen eine Einnahmequelle von nicht unerheblicher Dauer und Höhe. Auf Grund der festgestellten Betrugsfälle und dem Fehlen jedweder Anhaltspunkte für eine legale Herkunft der übrigen Überweisungen ist davon auszugehen, dass sämtliche Überweisungen inkriminierter Herkunft waren.
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Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 08.12.2021 wurde der Angeklagte von bislang unbekannten Hintermännern der oben beschriebenen Tätergruppe angeworben, um für diese die Gelder der getäuschten Frauen auf seinem Konto zu empfangen und sie dann abzuheben. Deshalb eröffnete der Angeklagte am 08.12.2021 ein Konto bei der Postbank und stellte dieses in der Folge unter der IBAN DE… den unbekannten Tätern für Überweisungen für nachfolgend benannte Geschädigte zur Verfügung.
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Lfd. Nr.
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Buchungsdatum
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Betrag in
EUR
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Überweisender
Kontoinhaber
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Verwendungs-
Zweck
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1
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20.12.2021
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4.000
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…
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family support
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2
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22.12.2021
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1.600
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…
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family support
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3.
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27.12.2021
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5.000
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…
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…
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4.
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08.01.2022
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500
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…
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…
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5.
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09.01.2022
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580
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…
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… (Ticket)
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6.
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10.01.2022
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750
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…
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…
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7.
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10.01.2022
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750
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…
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8.
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24.01.2022
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1.500
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…
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Bankentsperrgebühr
…
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9.
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02.02.2022
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1.500
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…
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…
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10.
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14.02.2022
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1.230,68
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…
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Travel Expenses
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11.
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15.02.2022
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2.250
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…
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12
Entsprechend der mit den unbekannten Hintermännern vereinbarten Vorgehensweise gingen somit zwischen dem 20.12.2021 und dem 15.02.2022 insgesamt 11 Überweisungen in einer Gesamthöhe von 19.760,68 € ein.
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Der Angeklagte wusste, dass die erhaltenen Gelder aus gewerbsmäßigen Betrugstaten stammten, jedenfalls jedoch nahm er dies billigend in Kauf. Entsprechend der mit den unbekannten Hintermännern vereinbarten Vorgehensweise hob der Angeklagte die Geldbeträge unmittelbar nach ihrem jeweiligen Eingang ab und verschaffte sich hierdurch eine Einnahmequelle von nicht unerheblicher Dauer und Höhe. Ob und welche Beträge er weiterleitete an unbekannte Dritte, konnte nicht festgestellt werden.
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Lediglich die beiden letzten Überweisungen wurden rechtzeitig storniert, so dass die jeweiligen Beträge (oben Ziffern 10 und 11) an die Überweisenden zurückgebucht wurden und ihnen letztlich kein Schaden entstand, weil der Angeklagte die Beträge nicht schnell genug abholen konnte. Der Angeklagte hob damit insgesamt 15.430 € ab.
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Ergänzend hat die Kammer folgendes festgestellt:
Der Angeklagte war alleiniger Kontoinhaber und alleiniger Verfügungsberechtigter über das vorgenannte Konto bei der Postbank. Mittels der für das Konto ausgegebenen Karte, tätigte der Angeklagte folgende Verfügungen:
Am 13.01.2022 15,47 EUR bei der … Filiale in Dachau
Am 17.01.2022 3,32 EUR bei einer Apotheke am Hauptbahnhof
Am 17.01.2022 6,15 EUR bei einer Apotheke am Hauptbahnhof
Am 17.01.2022 9,20 EUR im … in München
Am 18.01.2022 3,79 EUR im Geschäft … am Münchner Hauptbahnhof
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Der Angeklagte leitete alle abgehobenen Gelder an die unbekannt gebliebenen Hintermänner weiter, ohne selbst Geld für sich zu behalten.
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Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten und dem in der Hauptverhandlung verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister.
18
Die ergänzenden Feststellungen beruhen auf den verlesenen Buchungssätzen aus dem Kontoauszügen betreffend das oben genannte Postbankkonto.
19
Die Feststellungen zur Verfügungsberechtigung über das Konto beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten hierzu.
20
Weiter hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung angegeben, keinerlei Entlohnung für seine Tätigkeit erhalten zu haben. Mangels weiterer Feststellungen hierzu war dies dem Angeklagten letztlich nicht zu widerlegen, sodass zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen war, dass er keine finanziellen Vorteile erlangt hat, sondern er das abgehobene Geld vollumfänglich an die unbekannt gebliebenen Hintermänner weitergegeben hat.
21
Die Kammer hat beim Angeklagten die Einziehung von Wertersatz der auf dem Konto eingegangenen und vom Angeklagten abgehobenen Gelder angeordnet. (§§ 261 Abs. 10, 73 Abs. 1, 73c StGB).
22
Der Angeklagte war alleiniger Inhaber und alleiniger Verfügungsberechtigter des oben bezeichneten Kontos bei der Postbank. Damit kam ihm bereits mit Geldeingang die faktische Verfügungsmacht über das Buchgeld auf seinem Konto zu. Die durch Überweisung von den Geschädigten auf diesem Konto eingegangenen Taterträge hat er damit erlangt im Sinne des §§ 73 Abs. 1, 73c StGB. (vergleiche BGH vom 23.11.2022, 2 StR 175/22)
23
Auch steht ein späterer Abfluss der Taterträge an andere Tatbeteiligte der Annahme eines „Erlangten“ nicht entgegen (BGH a.a.O.). Durch den Eingang des Geldes auf dem Bankkonto erlangt der Angeklagte alleinige Verfügungsmacht über dieses Buchgeld. Aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte alleiniger Kontoinhaber ist, hat er jederzeit die Möglichkeit, ungehindert über die Beträge auf dem Konto durch Überweisungen und Barabhebungen zu verfügen.
24
Dass der Angeklagte später die eingegangenen Geldbeträge am Hauptbahnhof in München abgehoben hat und sie absprachegemäß dort in bar an die Hintermänner weitergeleitet hat, steht dem nicht entgegen (BGH a.a.O.). Vor dem Hintergrund, dass für das Erlangen der Verfügungsmacht über das Buchgeld bereits auf den Zeitpunkt des Geldeinganges auf dem Konto des Angeklagten abzustellen ist und nicht auf den Zeitpunkt der Abhebung, liegt gerade kein transitorischer Erwerb vor. Hiesige Konstellation ist nicht mit Fallkonstellationen vergleichbar, in denen einem Angeklagten die Tatbeute lediglich vorübergehend zum Transport überlassen wird. (vgl. BGH – 2 StR 369/22 vom 19.7.2023).
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Auch der Umstand, dass der Angeklagte mittels seiner EC-Karte Verfügungen über das Konto getroffen hat, zeigt, dass es sich vorliegend um tatsächliche Verfügungsmacht und nicht lediglich transitorischen Besitz an den auf dem Konto eingegangenen Geldern handelt.
26
Bei der Frage, ob beim Angeklagten eine Wertersatzeinziehung vorzunehmen war, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Insbesondere darf die Wertersatzeinziehung nach § 74 f Abs. 1 Satz 1 nicht angeordnet werden, wenn sie in ihrer Wirkung zum Unrechtsgehalt der begangenen Tat und dem, den Angeklagten treffenden persönlichen Schuldvorwurf außer Verhältnis stünde. Die Kammer hat im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sowohl die Bedeutung der Tat wie auch den, den Angeklagten treffenden persönlichen Schuldvorwurf gewürdigt sowie die Schwere der Wirkung des Eingriffs für den Angeklagten. In diesem Zusammenhang hat die Kammer auch die oben dargestellten Vermögensverhältnisse des Angeklagten in die Gesamtwürdigung einbezogen.
27
Dabei sprach für die Anordnung der Einziehung, dass die der Vortaten der zugrundeliegenden Taten – aufgrund der Verwendungszwecke („familiy support“, „Ticket“, „Bankentsperrungsgebühr“, Travel Expenses“) und der Gesamtumstände, insbesondere des Umstandes, dass alle Kontoinhaber weiblich waren auch für den Angeklagten erkennbar – zum Deliktsphänomen des „Love Scaming“ gehörten und deshalb für die Allgemeinheit besonders schädlich waren, da diese Vortaten lediglich dann erfolgreich sein können, wenn den Tätern der Vortaten Personen wie der Angeklagte zu Verfügung stehen, die die Überweisungen vereinnahmen und an die Hintermänner weiterleiten. Insofern trifft den Angeklagten bei den ihm zur Last liegenden Taten der Geldwäsche ein erhöhter persönlicher Schuldvorwurf.
28
Auf der anderen Seite sprach gegen die Anordnung der Einziehung von Wertersatz, dass der Angeklagte aufgrund seiner oben dargestellten finanziellen Situation in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und es ihm schwer fallen wird, den in mitten stehenden Betrag von 15.430 EUR in absehbarer Zeit zu bezahlen, zumal er zunächst noch die Haftstrafe aus hiesiger Verurteilung wird antreten müssen und damit zurechnen ist, dass er aufgrund dessen seinen Arbeitsplatz verliert.
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Unter Abwägung all dieser Umstände ist die Kammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anordnung der Einziehung von Wertersatz beim Angeklagten gleichwohl nicht unverhältnismäßig ist. Die Kammer hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt hat, die Einziehung von Wertersatz in voller Höhe anzuordnen.
30
Da die Berufung des Angeklagten letztlich gänzlich erfolglos war, trägt er die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Revision einschließlich seiner notwendigen Auslagen im Berufsverfahren und im Revisionsverfahren.