Titel:
Entbindung eines ehrenamtlichen Richters ohne Befähigung zum Richteramt
Normenkette:
BayDG Art. 43 Abs. 3, Art. 44 Abs. 1, Abs. 2, Art. 45 Abs. 1 S. 3, Art. 48 Abs. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Ein ehrenamtlicher Richter ist bei fehlender Richteramtsbefähigung von seinem Amt in entsprechender Anwendung des Art. 48 Abs. 1 Nr. 4 BayDG zu entbinden, denn die Vorschrift ist insoweit erweiternd auszulegen, als auch bestehende Wahlhindernisse Gründe sein können, die zur Entbindung führen. (Rn. 3) (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Fehler bei der Aufnahme in die Liste kann auch nicht dadurch behoben werden, dass dem Betroffenen die ehrenamtliche Richtertätigkeit als "anderer" Beamtenbeisitzer ermöglicht wird (ebenso VGH München BeckRS 2009, 37066 mwN). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entbindung ehrenamtlicher Richter (Beamtenbeisitzer), Kammer für Disziplinarsachen nach dem Bayerischen, Disziplinargesetz, von Anfang an fehlende Voraussetzungen für die Wahl, Nichtvorliegen der Befähigung zum Richteramt, ehrenamtlicher Richter, Wahl, Richteramtsbefähigung, Entbindung vom Amt, Beamtenbeisitzer, Wahlhindernis, zwingende Vorschrift
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16996
Tenor
Herr M. E. , R. weg …, … B. , wird von seinem Amt des ehrenamtlichen Richters (Beamtenbeisitzer) für Disziplinarsachen nach Landesrecht beim Bayerischen Verwaltungsgericht München entbunden.
Gründe
1
Herr E. wurde am 14. November 2024 zum richteramtsbefähigten Beisitzer der Disziplinarkammer nach Landesrecht am Verwaltungsgericht München gewählt und wird dort auf der Liste entsprechend geführt. Er ist Beamter des Freistaats Bayern und verfügt aufgrund einer modularen Qualifizierung über die Befähigung für Ämter ab der Besoldungsgruppe A 14; die Befähigung zum Richteramt besteht nicht.
2
Der Präsident des Verwaltungsgerichts München bat den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Schreiben vom 24. Juni 2025 unter Verweis auf die fehlende Richteramtsbefähigung um Prüfung, ob eine Entbindung des ehrenamtlichen Richters nach Art. 48 BayDG in Betracht kommt.
3
Der ehrenamtliche Richter ist von seinem Amt in entsprechender Anwendung des Art. 48 Abs. 1 Nr. 4 BayDG zu entbinden.
4
1. Dem Antrag des Präsidenten des Verwaltungsgerichts München nach Art. 48 Abs. 3 letzter Halbs. BayDG zu entsprechen. Herr E. hatte zum Zeitpunkt der Wahl und hat auch derzeit nicht die Befähigung zum Richteramt, so dass er gemäß Art. 43 Abs. 3 Satz 2, 45 Abs. 1 Satz 3 BayDG nicht zum Beamtenbeisitzer mit Befähigung zum Richteramt beim Verwaltungsgericht München gewählt werden durfte.
5
a) Die Vorschrift des Art. 48 Abs. 1 Nr. 4 BayDG, derzufolge Beamtenbeisitzer von ihrem Amt zu entbinden sind, wenn die Voraussetzungen für das Amt nach Art. 44 Abs. 1 BayDG bei der Wahl nicht vorlagen, ist hier anwendbar. Zwar ist der Entbindungsgrund nach dem Wortlaut nicht gegeben, weil Herr E. als ein auf Lebenszeit ernannter Beamter bei einem bayerischen Dienstherrn mit dienstlichem Wohnsitz im Kammerbezirk die Voraussetzungen nach Art. 44 Abs. 1 BayDG erfüllt. Jedoch ist nach Sinn und Zweck die Vorschrift des Art. 48 Abs. 1 Nr. 4 BayDG insoweit erweiternd auszulegen, als unter die Voraussetzungen, deren nachträgliche Feststellung des Fehlens zur Entbindung führt, nicht nur diejenigen des Art. 44 Abs. 1 BayDG fallen, sondern auch andere, von Anfang an bestehende Wahlhindernisse wie die des Fehlens der Richteramtsbefähigung nach Art. 43 Abs. 3 Satz 2 BayDG. Das Vorliegen der Richteramtsbefähigung ist für einen der beiden Beamtenbeisitzer eine zwingende Voraussetzung (vgl. Art. 43 Abs. 3 Satz 2 BayDG); dementsprechend werden insoweit getrennte Listen von Beamtenbeisitzern mit und ohne Richteramtsbefähigung geführt (vgl. im Zusammenhang mit der Wahl Art. 45 Abs. 1 Satz 3 BayDG).
6
b) Die Gesetzgebungsmaterialien sprechen nicht gegen die entsprechende Anwendung von Art. 48 Abs. 1 Nr. 4 BayDG auch auf die fehlende Richteramtsbefähigung. Mit der Einfügung von Art. 48 Abs. 1 Nr. 4 BayDG im Jahr 2012 beabsichtigte der Gesetzgeber, eine bisher fehlende ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Entbindung bei von Anfang an bestehenden Wahlhindernissen zu schaffen und damit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu entsprechen (vgl. LT-Drs. 16/9083 S. 28). Diese hatte in solchen Fällen die Vorschrift des § 24 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entsprechend angewandt und insoweit die Regelung des Art. 44 Abs. 2 BayDG, wonach u.a. § 24 VwGO auf die Beamtenbeisitzer nicht anzuwenden sind, einschränkend ausgelegt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 29.3.2010 – 5 S 10.599 –; B.v. 15.4.2010 – 5 S 10.537 – jeweils juris). Vielmehr spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber bei dem Verweis auf Art. 44 Abs. 1 BayDG übersah, dass sich von Anfang an bestehende Wahlhindernisse, derentwegen die Entbindung geregelt werden sollte, auch aus der fehlenden Richteramtsbefähigung nach Art. 43 Abs. 3 Satz 2 BayDG ergeben können. Die zwingende Entbindung bei fehlender Richteramtsbefähigung entspricht nämlich ebenfalls der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 11.3.2003 – 5 S 03.159 – juris; B.v. 20.2.2004 – 5 S 04.436 – juris; B.v. 3.8.2004 – 5 S 04.2078).
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c) Da es sich bei der Richteramtsbefähigung (Art. 43 Abs. 3 Satz 2 BayDG) um eine zwingende Vorschrift handelt, ist dieser Fall anders zu behandeln als der des Beamtenbeisitzers, der für einen anderen als den tatsächlich einschlägigen Verwaltungszweig gewählt worden ist. Dieser bleibt bis zum Ablauf der Wahlperiode sowohl im Amt als auch in der Liste für den genannten Verwaltungszweig im Amt, weil es sich bei Art. 43 Abs. 3 Satz 1 BayDG lediglich um eine Sollvorschrift handelt (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2010 – 5 S 10.537 – juris). Der Fehler bei der Aufnahme in die Liste kann auch nicht dadurch behoben werden, dass Herrn E. die ehrenamtliche Richtertätigkeit als „anderer“ Beamtenbeisitzer ermöglicht wird (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.1998 – 5 S 98.666; B.v. 3.8.2004 – 5 S 04.2078).
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2. Der Beschluss ergeht nach Anhörung des ehrenamtlichen Richters (Art. 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 2 VwGO) und ist unanfechtbar (Art. 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 3 Satz 2 VwGO).