Titel:
Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis und Einziehung eines Jagdscheins - einstweiliger Rechtsschutz - Beschwerde
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1, Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 6
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. b, § 45 Abs. 2, Abs. 5
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2, § 18 S. 1
GKG § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
Bei der Festsetzung des Streitwerts für ein Widerrufverfahren nach § 45 Abs. 2 WaffG bleiben Schalldämpfer im Regelfall außer Betracht. (Rn. 25 – 32)
1. Die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG normierte Regelunzuverlässigkeit als eine in diesen Fällen vom Gesetzgeber vorgeprägte Unzuverlässigkeitsprognose stellt eine Vermutung dar, die widerlegt werden kann, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die Wertung des Gesetzgebers nicht gerechtfertigt erscheint. (Rn. 12 und 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer sich bei einer Trunkenheitsfahrt bereits deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit befand, hat dadurch gezeigt, dass er mit den von seinem Verhalten ausgehenden Gefahren zu sorglos umgeht, um ihm weiterhin Waffen anzuvertrauen. Ein Fahreignungsgutachten im Rahmen der fahrerlaubnisrechtlichen Eignungsüberprüfung kann keine Aussagen zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit enthalten. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Behörde steht weder bei der Vornahme der Unzuverlässigkeitsprognose selbst noch bei dem darauf beruhenden Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis und der Einziehung des Jagdscheins Raum für Ermessens-, insbesondere Verhältnismäßigkeitsüberlegungen zu. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der gebotenen Interessenabwägung überwiegt angesichts des gesetzlich angeordneten Sofortvollzugs der Wiederrufsentscheidung das Vollzugsinteresse der Behörde das private Suspensivinteresse am weiteren Waffenbesitz und der Möglichkeit der entsprechenden Weiternutzung. Das gilt inhaltlich deckungsgleich auch für das öffentliche Vollzugsinteresse bei der Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit und bei den mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Folgeanordnungen. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
rechtskräftige Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, keine Widerlegung der Regelvermutung, Streitwertfestsetzung., Regelunzuverlässigkeit, widerlegbare Vermutung, Trunkenheit im Verkehr, absolute Fahruntüchtigkeit, Fahreignungsgutachten, Ermessensspielraum, Interessenabwägung, gesetzlicher Sofortvollzug, Streitwertfestsetzung, Schalldämpfer
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 09.04.2025 – M 7 S 24.6051
Fundstellen:
ZfS 2025, 537
BeckRS 2025, 16987
LSK 2025, 16987
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Aufhebung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 9. April 2025 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf 9.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnis und die Einziehung seines Jagdscheins sowie entsprechender Folgeanordnungen.
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Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 5. April 2022 wurde der Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe i.H.v. 60 Tagessätzen verurteilt und ihm seine Fahrerlaubnis entzogen. Er hatte auf einer Bundesautobahn ein Fahrzeug mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,76 Promille geführt.
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Nach erfolgter Anhörung widerrief das Landratsamt ... (nachfolgend: Landratsamt) mit Bescheid 9. September 2024 die dem Antragsteller ausgestellte Waffenbesitzkarte (Nr. 1.1), erklärte den erteilten (Ausländer-)Jagdschein für ungültig und zog diesen ein (Nr. 1.2). Der Antragsteller wurde unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 3) verpflichtet, die Dokumente binnen einer Frist abzugeben (Nr. 1.3). Das Landratsamt gab ihm auf, seine – im einzelnen aufgeführten – Waffen und Munition an einen Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies nachzuweisen (Nr. 1.4). Sollte der Antragsteller seiner Pflicht aus Nr. 1.4 nicht fristgerecht nachkommen, wurde ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 1.5 Satz 1); sofern er nicht innerhalb eines Monats nach Sicherstellung einen empfangsbereiten Berechtigten benenne, wurde die Einziehung oder Vernichtung der Waffen angeordnet (Nr. 1.5 Satz 2). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1.2 bis 1.5 wurde angeordnet (Nr. 2).
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Hiergegen ließ der Antragsteller am 2. Oktober 2024 Klage erheben. Seinen am 8. Oktober 2024 gestellten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 9. April 2025 weit überwiegend ab. Der Antragsteller sei voraussichtlich unzuverlässig gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG und es liege kein Ausnahmefall vor, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte. Erfolg hatte der Antrag gegen Nr. 1.5 Satz 2 des Bescheids, denn es fehle hierfür voraussichtlich eine entsprechende Rechtsgrundlage; zudem sei die Anordnung nicht hinreichend bestimmt.
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Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter und beantragt,
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den Beschluss vom 9. April 2025 abzuändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts hinsichtlich dessen Nrn. 1.2 bis 1.5 Satz 1 wiederherzustellen und hinsichtlich der Nr. 1.1 anzuordnen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller sei zuverlässig, da ein Ausnahmefall gegeben sei, der die angenommene Regelunzuverlässigkeit widerlegen könne. Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, unter Berücksichtigung der vorliegenden Umstände eine tragfähige Zukunftsprognose anzustellen. So bewege sich die Verurteilung mit 60 Tagessätzen exakt an der Grenze, zudem habe der Antragsteller im Strafverfahren nicht um die waffenrechtlichen Folgen gewusst und wäre ansonsten ins Rechtsmittel gegangen, woraufhin die Tagessatzhöhe reduziert worden wäre. Die Verurteilung sei ihm eine Lehre gewesen, er werde in Zukunft vorsichtig mit Alkohol sein. Dies ergebe sich auch aus dem medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachten, welches eine günstige Verhaltensprognose attestiert.
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Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht von der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausgeht (I.). Ferner überwiegt wegen des gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzugs das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage (II.).
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Der Antragsteller dringt mit seiner Rüge, das Verwaltungsgericht verkenne, dass im vorliegenden Fall die Regelvermutung entkräftet werde, sodass der Bescheid rechtswidrig sei, nicht durch.
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Nach § 45 Abs. 2 des Waffengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Betroffene in diesem Zeitpunkt als unzuverlässig im Sinne von § 5 WaffG erweist. Die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG normierte Regelunzuverlässigkeit basiert auf dem Grundgedanken, dass strafrechtliche Auffälligkeiten ab einem gewissen Ausmaß die Unzuverlässigkeit begründen, wobei nicht zwingend und ausnahmslos von der Unzuverlässigkeit auszugehen ist, auch wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vorliegen, da es sich hierbei um eine widerlegbare Vermutung handelt (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 21). Damit ist die Unzuverlässigkeitsprognose in diesen Fällen vom Gesetzgeber vorgeprägt. Die Rüge des Antragstellers greift daher nicht durch, wenn er dem Verwaltungsgericht eine angeblich fehlerhafte und unzureichende Zukunftsprognose vorwirft.
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1. Der Antragsteller ist wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB, welcher sich im 28. Abschnitt des Strafgesetzbuchs befindet und damit eine gemeingefährliche Straftat darstellt, rechtskräftig zu 60 Tagessätzen verurteilt worden, deren Rechtskraft nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG sind damit erfüllt. Zwar ist die Regelvermutung grundsätzlich widerlegbar, jedoch trägt die Beschwerde im Ergebnis keine Umstände vor, die diese widerlegen.
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a) Eine Widerlegung kann (nur) gelingen, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.6. 2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 24 CS 23.1705 – Rn. 27f.; B.v. 19.1.2022 – 24 CS 21.3067 – juris Rn. 9).
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b) Der Antragsteller trägt nichts vor, das die von ihm begangene Tat in einem derart milden Licht erscheinen ließe, um von der Regelvermutung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG abweichen zu können.
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Wie das Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben hat, hat der Antragsteller einen Pkw im öffentlichen Straßenverkehr – sogar auf einer Bundesautobahn, auf der Fahrzeuge typischerweise mit hohen Geschwindigkeiten unterwegs sind – geführt, obwohl er sich aufgrund einer Blutalkoholkonzentration von 1,76 Promille bereits deutlich im Bereich der absoluten Fahruntüchtigkeit befand. Er hat dadurch gezeigt, dass er mit Gefahren, die von seinem Verhalten für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter ausgehen, zu sorglos umgeht, um ihm weiterhin Waffen anzuvertrauen. Gegen diese Einschätzung ist nichts zu erinnern. Soweit der Antragsteller auf das – ohnehin erst nachträglich – im Verwaltungsverfahren vorgelegte Fahreignungsgutachten verweist, vermag dies nichts an der Bewertung der abgeurteilten Straftat selbst zu ändern. Im Übrigen wurde dieses Gutachten im Rahmen der fahrerlaubnisrechtlichen Eignungsüberprüfung zu der Frage, ob der Antragsteller (fahrerlaubnisrechtlich relevanten) Alkoholkonsum von einer Teilnahme am Straßenverkehr trennen kann, erstellt und kann schon deshalb keine Aussagen zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit enthalten.
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Soweit der Antragsteller argumentiert, seine Verurteilung zu 60 Tagessätzen bewege sich exakt an der Untergrenze, kann dieser Umstand nicht zur Widerlegung der Regelvermutung führen. Auch wenn die vorliegend verhängte Geldstrafe eher im unteren Bereich des sanktionsrechtlich Zulässigen (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 StGB) liegt, ist sie jedenfalls nicht bagatellhaft. Zudem ist zu berücksichtigten, dass sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst für die Untergrenze von mindestens 60 Tagessätzen entschieden hat, da diese Höhe der Tatsache Rechnung trägt, dass in der Praxis der Gerichte 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil bei einer Geldstrafe darstellen, was wiederum einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetzt, so dass solche Taten keine Bagatelltaten sind (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54).
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Schließlich wird die Regelvermutung nicht dadurch entkräftet, dass der Antragsteller nicht um die waffenrechtlichen Folgen gewusst habe. Wie auch hier das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, obliegt es dem jeweiligen Angeklagten, entlastende Umstände im Strafverfahren vollständig vorzutragen und sein Vorbringen ggf. auch in einem Rechtsmittelverfahren weiterzuverfolgen. Solange die strafgerichtlichen Feststellungen auch im verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Verfahren zugrunde gelegt werden dürfen, sind sämtliche Ausführungen zu einer etwaigen hypothetischen Entwicklung eines Strafverfahrens bloße Spekulation, die außer Betracht zu bleiben haben.
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2. Ergibt die Prognose die Unzuverlässigkeit des Antragstellers, ist die Behörde nach § 45 Abs. 2 WaffG zum Widerruf verpflichtet; Raum für Ermessens-, insbesondere Verhältnismäßigkeitsüberlegungen besteht nicht. Auch bei der Vornahme der Prognose selbst besteht für die Behörde strukturell kein Raum für Ermessen. Gleiches gilt entsprechend für § 18 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes i.d.F. d. Bek. vom 29. September 1976 (BJagdG, BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG für den Jagdschein. Gegen die waffenrechtlichen Nebenentscheidungen sind Bedenken weder ersichtlich noch vorgetragen.
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Ungeachtet der bereits fehlenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids hat die Beschwerde auch deshalb keinen Erfolg, weil bei der gebotenen Interessenabwägung die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO – hier in Verbindung mit § 45 Abs. 5 WaffG – einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – Rn. 17). Aus diesem Grund überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse der Behörde das Suspensivinteresse des Antragstellers, insbesondere sind keine Gründe vorgetragen, die über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausreichen. Inmitten steht ausschließlich das Interesse am weiteren Waffenbesitz und der Möglichkeit der entsprechenden Weiternutzung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2023 – 24 CS 23.1196 – Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 24 CS 22.737 – juris Rn. 18).
21
Entsprechendes gilt auch für die jagdrechtlichen Anordnungen. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2022 – 24 CS 22.1575 – juris Rn. 25).
22
Dieses öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug besteht auch – wie regelmäßig – für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, die Waffen unbrauchbar zu machen oder sie einem Dritten zu übergeben (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) und für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG – vgl. BayVGH, B.v. 2.12.2020 – 24 CS 20.2211 – juris Rn. 29; B.v. 18.6.2020 – 24 CS 20.1010 – juris Rn. 25).
23
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Der Streitwert beträgt für das vorliegende Verfahren 9.750,00 EUR. Seine Festsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 21. Februar 2025.
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1. Für den Widerruf der Waffenbesitzkarte setzt der Senat unter Einbeziehung von vier Waffen (Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe 5.000,00 EUR zzgl. dreimal 1.500,00 EUR) als Streitwert 9.500,00 EUR an. Entgegen der bewusst von der neueren Senatsrechtsprechung abweichenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts bleibt der in der Waffenbesitzkarte eingetragene Schalldämpfer außer Betracht (vgl. bereits BayVGH, B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.295 – juris Rn. 19). Deshalb macht der Senat von seiner Befugnis nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG Gebrauch und ändert die Streitwertfestsetzung für das Verfahren im ersten Rechtszug von Amts wegen.
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Die Ansicht des Verwaltungsgerichts und die von ihm in Bezug genommene Rechtsprechung überzeugen nicht. Abgesehen davon, dass es den Gehalt der Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs überdehnt, hielte man hiervon auch einen Schalldämpfer für erfasst (a), bewertet diese Ansicht die – nach dem § 52 Abs. 1 GKG hier insoweit allein maßgebliche – Bedeutung, welche die vorliegende Sache für den Kläger bzw. Antragsteller hat, nicht in angemessener Weise (b).
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a) Die der Wendung „je weitere Waffe“ des Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs 2013 bzw. nunmehr 2025 vom Verwaltungsgericht beigemessenen Bedeutung überzeugt nicht. Abgesehen davon, dass sie dem Streitwertkatalog eine begriffliche Differenzierungsabsicht zuschreibt, die er nach seiner Entstehungsweise sowie mit seinen begrenzten Fallgruppen für besonders praxisrelevante Entscheidungssituationen und seinem heuristischen Charakter nicht beanspruchen kann und auch nicht beansprucht (vgl. seine Vorbemerkung), ist nach allgemeinen Sprachgebrauch fraglos ein Schalldämpfer keine Waffe.
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Nichts anders ergibt sich aus den Begriffen des Waffengesetzes, sollte sie der Streitwertkatalog bewusst und im Detail in seine Empfehlung der Nr. 50.2 aufgenommen haben. Waffe im Sinne des § 1 Abs. 2 WaffG ist der Oberbegriff für Schusswaffen (Nr. 1 Alt. 1), ihnen gleichgestellte (Nr. 1 Alt. 2) und andere (entsprechend gefährliche) tragbare Gegenstände (Nr. 2). Näher definiert werden auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 WaffG diese drei Kategorien in der Anlage 1 Abschnitt 1 zum Waffengesetz. Die Binnendifferenzierung für den hier relevanten Unterabschnitt 1 dieses Abschnitts zeigt, dass die dort in Nr. 1.3 erfassten „wesentliche(n) Teile von Schusswaffen“ und (nach der Syntax hiervon unterschiedene) Schalldämpfer gerade weder Schusswaffen – hierfür gilt Nr. 1.1 des fraglichen Unterschnitts 1 – noch ihnen gleichgestellte Gegenstände – hierfür gilt Nr. 1.2 – sind. Vielmehr stehen „wesentliche Teile von Schusswaffen und Schalldämpfer“ ausweislich des Satzes 1 der Nr. 1.3 den jeweiligen „Schusswaffen gleich, für die sie bestimmt sind“. Sie werden also nicht pauschal und gattungsmäßig als Schusswaffe fingiert, sondern sie bilden (nur) eine rechtliche Schicksalsgemeinschaft mit „ihrer“ zugehörigen individuellen Schusswaffe – etwa hinsichtlich der Eintragungspflicht. Sie sind aber gerade deshalb weder selbst eine Schusswaffe noch ein einer solchen gleichgestellter Gegenstand oder – will man sich auf den Wortlaut von Nr. 50. 2 des Streitwertkatalogs 2013 bzw. 2025 stützen – eben keine „weitere“ Waffe. Entsprechendes gilt für die wesentlichen Teile in Nr. 3 oder sonstige Vorrichtungen in Nr. 4 des Unterabschnitts 1.
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Dieser systematische Befund wird auch nicht durch die Überschrift des Unterabschnitts 1 des Abschnitts 1 der Anlage 1 bzw. durch die Überschrift der Nr. 1 des Unterabschnitts 1 in Frage gestellt, auch wenn diese (Ober-)Überschriften die von Nr. 1.3 erfassten „wesentlichen Teile von Schusswaffen, Schalldämpfer“ als Schusswaffen zu begreifen scheinen, wenn sie lauten: „Schusswaffen“ bzw. „Schusswaffen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 1“. Diese Überschriften sind für eine die dargestellte Binnensystematik überspielende Argumentation, die ggf. das Verwaltungsgericht stützen könnte, gerade deshalb nicht geeignet, weil sie selbst ersichtlich ungenau sind und daher – nicht untypisch für eine Überschrift – nur schlagwortartig den Gehalt der nachfolgenden Regelungen zusammenfassen können. Ungenau sind sie insbesondere, weil die von Nr. 1.2 geregelten „gleichgestellte(n) Gegenstände“ in § 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 WaffG fraglos keine Schusswaffen sind, aber dennoch in Unterabschnitt 1 definiert werden.
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b) Im Ergebnis kommt es aber auf die genaue Auslegung des Streitwertkatalogs unter Einbeziehung der gesetzlichen Systematik nicht an. Denn die Ansicht des Verwaltungsgerichts gewichtet die rechtlich ohnehin allein maßgebliche Bedeutung der Sache für den Kläger bzw. Antragsteller i.S.v. § 52 Abs. 1 GKG strukturell zu gering – auch wenn Schematisierungen und Typisierungen im Rahmen von Streitwertfestsetzungen unvermeidbar und zulässig sind –, wenn sie pauschal alle in einer Waffenbesitzkarte eingetragenen Gegenstände mit dem gleichen Wert wie eine vollfunktionsfähige (Schuss-)Waffe ansetzt. Auch wenn es besonders einfach sein mag, greift es zu kurz, sämtliche in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Positionen zu addieren und die Summe (abzgl. der in den 5.000,00 EUR einbezogenen einen Waffe) mit 1.500,00 (bzw. früher: 750,00 EUR) zu multiplizieren. Es ist offenkundig, dass das Interesse eines Erlaubnisinhabers am Fortbestand seiner Besitzberechtigung an einer Schusswaffe bzw. eines gleichgestellten Gegenstandes im Allgemeinen grundlegend höher ist als beispielsweise an einem Wechsellauf als wesentlichem Teil (Nr. 3.2 Unterabschnitt 1) oder an einem Schalldämpfer (Nr. 1.3.3 Unterabschnitt 1).
31
Die in der Rechtsprechung herangezogene Tatsache der Eintragung von Schalldämpfern in die Waffenbesitzkarte ist als Grund für die (nicht differenzierende) Einbeziehung in die Streitwertfestsetzung auch deshalb wenig plausibel, weil die Eintragungspflicht sicherheitsrechtlichen Überlegungen (Nachverfolgbarkeit und Kontrolle) folgt, die keinen Bezug zur Bedeutung der Sache für den Kläger bzw. Antragsteller aufweisen. Ob etwas eintragungspflichtig ist, hat zwar Bedeutung für die grundsätzliche Möglichkeit, diesen Gegenstand zu erwerben bzw. zu besitzen, bildet aber nicht dessen Eigenschaften, Verwendungsmöglichkeiten, den Marktwert oder anderweitig die Bedeutung für den Betroffenen ab.
32
c) Vor diesem Hintergrund scheidet ein pauschaler Ansatz von 1.500,00 EUR pro Schalldämpfer oder wesentlichem Teil einer Schusswaffe aus. Auch wenn es möglich wäre, das Interesse des Betroffenen mit einem reduzierten Betrag (z.B. Bruchteil von 1.500,00 EUR) zu beziffern (für eine Halbierung des Betrags bei Schalldämpfern: SächsOVG, B.v. 20.1.2022 – 6 B 407/21 – juris Rn. 42), erscheint es dem Senat mit Blick auf die der Streitwertfestsetzung inhärenten und gebotenen Schematisierungen und Typisierungen für gleichartige Streitigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 28.3.2023 – 9 C 23.21 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 27.9.2021 – 2 E 821/21 – juris Rn. 3 f.) sachgerecht, für den Regelfall Schalldämpfer bei der Festsetzung des Streitwerts gänzlich außer Betracht zu lassen (anders hinsichtlich Schalldämpfer OVG Hamburg, B.v. 26.1.2022 – 5 Bs 258/21 – juris Rn. 31; OVG NW, B.v. 27.4.2015 – 20 A 1444/13 – juris Rn. 14; an der früheren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, vgl. etwa BayVGH, B.v. 25.1.2018 – 21 CS 17.2310 – juris Rn. 25, wird nicht festgehalten; anders hinsichtlich Wechselsysteme und -läufe VGH BW, U.v. 23.6.2021 – 6 S 1481/18 – juris Rn. 71; anders hinsichtlich (Austausch-)Läufe OVG NW, B.v. 26.6.2019 – 20 E 6/18 – juris Rn. 7). Mangels Besonderheit des Einzelfalls wird daher auch im vorliegenden Fall der Schalldämpfer nicht in die Streitwertfestsetzung einbezogen.
33
2. Für die Ungültigerklärung des Jagdscheins ist mit dem Verwaltungsgericht ein Wert von 10.000,00 EUR anzusetzen (Nr. 20.3 Streitwertkatalog 2025). Der sich ergebende Gesamtwert von 19.500,00 EUR ist gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren.
34
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).