Titel:
eigenhändig vorgenommener Umbau von Einzellader auf Mehrlader, unsachgemäßer Umgang, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit
Normenketten:
WaffG § 45 Abs. 2
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b .
Schlagworte:
eigenhändig vorgenommener Umbau von Einzellader auf Mehrlader, unsachgemäßer Umgang, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 25.03.2025 – M 7 S 24.2006
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16983
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung der Nr. 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Beschwerdeverfahren auf jeweils 10.250,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners, mit dem seine waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden.
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Am 6. November 2023 teilte der Antragsteller dem Landratsamt ... (nachfolgend: Landratsamt) mit, dass er – gemäß einer zuvor erfolgten telefonischen Rücksprache mit einem Sachbearbeiter – seinen (näher bezeichneten) Einzellader auf Mehrladefunktion zurückgebaut habe, und bat um den entsprechenden Übertrag der Mehrladefunktion in seine Waffenbesitzkarte.
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Nach erfolgter Anhörung widerrief das Landratsamt mit Bescheid vom 20. März 2023 die dem Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten (Nr. 1) und die sprengstoffrechtliche Erlaubnis (Nr. 2), gab ihm unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 7) auf, die jeweiligen Erlaubnisurkunden zurückzugeben (Nr. 5) und die Waffen einschließlich Munition sowie sich in seinem Besitz befindliches Nitrozellulosepulver einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen (Nr. 3 und Nr. 4). Ansonsten wurde deren Sicherstellung und Einziehung angeordnet (Nr. 8). Die Nummern 3 bis 5 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 6). Der Antragsteller sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG unzuverlässig, da er mit dem eigenhändig durchgeführten Rückbau der Einzelladerbüchse auf Mehrladefunktion eine erlaubnispflichtige Schusswaffe bearbeitet habe, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen Erlaubnis gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 WaffG gewesen zu sein, was die Prognose eines unsachgemäßen Umgangs rechtfertige.
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Hiergegen ließ der Antragsteller Klage erheben (Az.: M 7 K 24.2004), über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Seinen zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 24. März 2024 ab. Der Antragsteller dürfte sich als unzuverlässig erweisen, da er die Waffe von Einzelauf Mehrladefunktion umgebaut und damit bearbeitet habe; für die Bearbeitung einer Schusswaffe hätte er jedoch einer Erlaubnis bedurft. Insbesondere komme es hierbei nicht darauf an, an welchen konkreten Teilen der Waffe die Veränderung durchgeführt worden sei, sondern welche Auswirkungen damit verbunden seien. Das Verhalten erfülle einen Straftatbestand (§ 52 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 WaffG) und sei daher nicht lediglich eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts. Soweit der Antragsteller ohne jegliche Glaubhaftmachung auf eine angebliche Auskunft des Landratsamts verweise, habe diese nicht bestätigt werden können. Die gleichen Maßstäbe gälten auch für die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers.
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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Die Begründung des Verwaltungsgerichts sei fehlerhaft, denn der vorgenommene Umbau am Magazinrohr, welcher kein wesentlicher Teil der Waffe sei, habe das System der Zuführung der Patronen nicht verändert. Der Antragsteller sei zudem vom Landratsamt darin bestätigt worden, den streitgegenständlichen Umbau vorzunehmen, was ohne großen Aufwand erfolgte.
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Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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I. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen ist. Das Verwaltungsgericht ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Es wurde vom Antragsteller schon nicht dargelegt, dass Anhaltspunkte bestehen, die ein Abweichen vom gesetzlichen Sofortvollzug rechtfertigen könnten. Das Beschwerdevorbringen ist darüber hinaus nicht geeignet, durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids aufzuzeigen.
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1. In Fällen einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 45 Abs. 5 WaffG – ist bei der im Eilverfahren gebotenen Interessenabwägung die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – juris Rn. 17). Folglich haben die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durchzuführen, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 45 WaffG Rn. 35). Der Gesetzgeber hat mit § 45 Abs. 5 WaffG einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet und hielt den Sofortvollzug ausweislich der Gesetzesmaterialien für dringend angezeigt (vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 33). Dieses öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug besteht auch für mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen, vgl. § 46 Abs. 6 WaffG.
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Folglich bedarf es besonderer Umstände, um eine vom gesetzgeberischen Konzept abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Der Antragsteller hat jedoch keine Gründe vorgetragen, die über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausreichen, insbesondere ist weder ersichtlich noch seitens des Antragstellers hinreichend dargelegt, dass von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids auszugehen wäre. Darüber hinaus liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller in besonderer Weise auf seine waffen- oder sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse angewiesen ist,
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2. Im Übrigen stellt sich der angegriffene Bescheid bei summarischer Prüfung als rechtmäßig dar. Der Antragsteller verkennt, dass das Bearbeiten einer Waffe i.S.v. Nr. 8.2 der Anlage 1 zum WaffG als Minus zur Waffenherstellung zu verstehen ist und damit maßgeblich auf eine technische Modifikation des Funktionsmechanismus der Waffe (vgl. Nr. 21.2 Abs. 2 WaffVwV) abzielt, was bei einem Umbau von einem Einzellader auf eine Waffe mit Mehrladefunktion offenkundig der Fall ist, weil hierbei die Schussfolge verändert wird (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, Anlage 1 [Begriffsbestimmungen], Rn. 183f.). Folglich kann es nicht darauf ankommen, ob die vorgenommene Modifikation an einem wesentlichen Teil der Waffe gemäß Nr. 1.3.1 der Anlage 1 zum WaffG erfolgte, ob sie auf mechanische oder – wie hier – chemische Weise vorgenommen wurde oder wie aufwändig der Umbau gewesen ist. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Antragsteller die entsprechende Umtragung in der Waffenbesitzkarte (an sich) ohne weiteres erhalten hätte, da das vorwerfbare Verhalten vorliegend in dem eigenhändigen Umbau ohne die entsprechende Erlaubnis gemäß § 26 Abs. 1 WaffG liegt. Hinsichtlich der behaupteten „Freigabe“, die zuvor durch einen Sachbearbeiter der Waffenbehörde erfolgt sein soll, hat das Verwaltungsgericht zutreffend angemerkt, dass dies vom Antragsteller weder glaubhaft gemacht noch seitens des Landratsamtes bestätigt wurde. Außerdem dürfte vorliegend die Unzuverlässigkeit des Antragstellers auch gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG entfallen sein, da es sich bei dem vorliegenden Umbau ohne die erforderliche Erlaubnis um einen gröblichen Verstoß handelt.
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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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III.Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025 (abrufbar unter www.bverwg.de) und berücksichtigt nur die in der Waffenbesitzkarte eingetragenen acht Schusswaffen, aber nicht die drei Wechselläufe (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2025 – 24 CS 24.1884 – juris Rn. 37). Wie der Senat bereits ausführlich hinsichtlich Schalldämpfern ausgeführt hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2025 – 24 CS 25.818 – juris Rn. 26 ff.), wird das Abstellen auf die reine Anzahl an eingetragenen Positionen in den Waffenbesitzkarten des Antragstellers dessen – für die Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG alleine maßgeblichen – Interesse an der Rechtssache nicht gerecht. Die maßgeblichen Erwägungen des Senats gelten ausdrücklich nicht nur für Schalldämpfer, sondern auch für Wechselsysteme (BayVGH, a.a.O., Rn. 30). Für den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist der Auffangstreitwert anzusetzen. Der sich so ergebende Gesamtbetrag von 20.500,- Euro war im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu halbieren.
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Die Änderung des vom Verwaltungsgericht für das erstinstanzliche Verfahren festgesetzten Streitwerts erfolgt gemäß § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen.
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IV.Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).