Titel:
Aufnahmeprogramm Afghanistan, Aufnahmezusage, Widerruf, Sofortvollzug, Grundrechte
Normenketten:
AufenthG § 23 Abs. 2 S. 1
VwVfG § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Schlagworte:
Aufnahmeprogramm Afghanistan, Aufnahmezusage, Widerruf, Sofortvollzug, Grundrechte
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 30.04.2025 – AN 5 E 25.1123
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16967
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr erstinstanzlich erfolgloses Begehren weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, die Antragsteller, derzeit in Islamabad (Pakistan) aufhältige afghanische Staatsangehörige, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiterhin im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan durch die Deutsche GIZ GmbH in Pakistan unterzubringen und zu versorgen sowie den ihnen ausgestellten Schutzbrief aufrechtzuerhalten.
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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Das Verwaltungsgericht hat zu Recht einen Anordnungsanspruch verneint, weil für einen Rechtsanspruch der Antragsteller auf weitere Unterbringung, Versorgung und Aufrechterhalten des Unterstützungsschreibens („Schutzbriefs“) keine Anspruchsgrundlage ersichtlich ist. Zwar kann ein diesbezüglicher Anspruch gegenüber der Antragsgegnerin nicht mit der fehlenden Passivlegitimation der Antragsgegnerin verneint werden (1.1). Da aber die den Antragstellern am 13. November 2023 erteilte Aufnahmezusage sofort vollziehbar widerrufen wurde, ist dem geltend gemachten Anspruch auf Unterbringung und Versorgung sowie Aufrechterhalten des Unterstützerschreibens die Grundlage entzogen (1.2). Auch aus Grund- bzw. Menschenrechten folgt kein Anspruch der Antragsteller auf weitere Aufnahme und Unterstützung (1.3).
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1.1 Der gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemachte Anspruch kann nicht (unter dem Aspekt fehlender Passivlegitimation) mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass die Antragsgegnerin die für die Aufnahme vorgesehenen Personen nicht durch eigene Sach- und Personalmittel unterbringt und versorgt, sondern sich hierfür der GIZ bzw. anderer „Dienstleister“ als Verwaltungshelferin bedient (vgl. die Antwort des Bundesministeriums des Innern und für Heimat auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten C.B. und der Gruppe Die Linke vom 18.11.2024, BT-Drs. 20/13567). Das Begehren der Antragsteller zielt insoweit auf einen Verschaffungsanspruch ab. Einem solchen grundsätzlich anerkannten Verschaffungsanspruch liegt die Überlegung zugrunde, dass sich ein Träger hoheitlicher Gewalt durch Ausgliederung eines Aufgabenbereiches aus seiner internen Behördenorganisation und Übertragung der Aufgabe auf eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts nicht von seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere aus möglicherweise berührten Grundrechten, zu befreien vermag. Durch die Übertragung der hoheitlichen Aufgabe gehen damit gegebenenfalls korrespondierende subjektiv-öffentliche Rechte gegenüber dem Hoheitsträger nicht unter. Diese wandeln sich vielmehr in einen Verschaffungsanspruch mit dem Inhalt, dass der Hoheitsträger im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten auf den privatrechtlichen Aufgabenträger mit dem Ziel der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Anspruchs einwirken muss. Als alleiniger Gesellschafterin der GIZ stehen der Antragsgegnerin auch die erforderlichen Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung.
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1.2 Dem geltend gemachten Anspruch auf weitere Unterbringung und Versorgung der Antragsteller sowie Unterlassen des Zurückziehens des Unterstützerschreibens steht bereits der sofort vollziehbare Widerruf der Aufnahmezusage entgegen, ohne dass es dafür auf die Bestandskraft des Widerrufsbescheides ankäme.
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Die den Antragstellern am 13. November 2023 erteilte Aufnahmezusage beruht auf der „Anordnung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat gemäß § 23 Absatz 2, Absatz 3 i.V.m. § 24 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Aufnahme von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen aus Afghanistan“ vom 19. Dezember 2022. Rechtsgrundlage dieser Anordnung ist § 23 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Nach dieser Bestimmung – die in einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren als parlamentarisches Gesetz erlassen wurde – kann das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) (im Benehmen mit den obersten Landesbehörden) zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Ausländern aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen eine Aufnahmezusage erteilt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Rechtscharakter und Inhalt einer solchen Anordnung handelt es sich um eine politische Leitentscheidung, die keiner gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris; B.v. 16.6.2014 – 1 B 4.14 – juris Rn. 4; vgl. schon U.v. 19.9.2000 – 1 C 19.99 – juris); sie dient nicht dem Schutz und der Verwirklichung von Grundrechten der hierdurch begünstigten Ausländer und ist unter Berücksichtigung des wirklichen Willens des Erklärenden und ihrer tatsächlichen Handhabung, d.h. der vom Urheber der gebilligten und geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen und anzuwenden. Sinn und Zweck der Regelung bestehen demnach darin, einen gesetzlichen Rahmen und das Verfahren zu schaffen, um bestimmten Gruppen von noch nicht eingereisten Ausländern zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Dabei steht es im Ermessen des BMI, ob eine solche Anordnung erlassen wird, und es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass es bei der Festlegung der Aufnahmekriterien weitgehend frei ist, allenfalls begrenzt durch das Rechtsstaatsgebot und das Willkürverbot. Das BMI kann im Rahmen seines Entschließungs- und Auswahlermessens den von einer Anordnung erfassten Personenkreis bestimmen und dabei positive Kriterien (Erteilungsvoraussetzungen) und negative Kriterien (Ausschlussgründe) aufstellen. Ein Anspruch des einzelnen Ausländers, von einer Anordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG erfasst zu werden, besteht nicht. Eine Außenwirkung kommt der Anordnung nur mittelbar zu über die Verpflichtung der Behörden zur Beachtung von Art. 3 Abs. 1 GG, soweit sich eine der Richtlinie entsprechende Behördenpraxis herausgebildet hat; den Gerichten obliegt es nachzuprüfen, ob der Gleichheitssatz bei Anwendung der Anordnung durch das Bundesamt gewahrt ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris Rn. 12 ff., insb. Rn. 16 unter Aufhebung einer Entscheidung des Senats: BayVGH, U.v. 15.11.2010 – 19 BV 10.871 – juris).
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Die Aufnahmezusage vom 19. November 2023 hat durch den sofort vollziehbaren Widerruf vom 22. April 2025 ihre Wirksamkeit verloren. Der Widerruf gemäß § 49 VwVfG ist ein rechtsgestaltender Verwaltungsakt, der die Rechtslage mit dem Eintritt seiner inneren Wirksamkeit dahingehend umgestaltet, dass der widerrufene Verwaltungsakt zukünftig keine Rechtswirkungen mehr entfaltet und gem. § 43 Abs. 2 VwVfG durch Aufhebung erledigt ist (vgl. zum Verwaltungsaktcharakter der Aufnahmezusage: BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – juris Rn. 24; OVG Bremen, B.v. 13.2.2018 – 1 B 268/17 – juris Rn. 20; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.7.2022, § 23 AufenthG Rn. 20). Auf die Bestandskraft des Widerrufsbescheides kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
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Ohne Erfolg berufen sich die Antragsteller insoweit auf die aufschiebende Wirkung der gegen den Widerruf erhobenen Klage, weil die Antragsgegnerin (im erstinstanzlichen Verfahren) mit Schriftsatz vom 9. Mai 2025 wirksam die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Dies hat zur Folge, dass dem geltend gemachten Anspruch auf Unterbringung und Versorgung schon das Fehlen einer wirksamen Aufnahmezusage entgegensteht.
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Der Widerruf der Aufnahmezusage ist auch wirksam erfolgt. Nach der Auffassung des Senats unterliegt der Widerruf einer Aufnahmezusage mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG der gerichtlichen Kontrolle. Denn es handelt sich bei dem Widerruf – anders als bei der Aufnahmezusage selbst – um einen rechtlich gebundenen Akt, mit welchem eine bereits eingeräumte Rechtsstellung verschlechtert wird (vgl. zum Widerruf einer Gnadenentscheidung: BVerfG, B.v. 20.3.2013 – 2 BvR 2595/12 – juris Rn. 21; B.v. 12.1.1971 – 2 BvR 520/70 – juris Rn. 8; zum Widerruf einer Aufnahmeerklärung gem. § 22 Satz 2 AufenthG: OVG Bremen, B.v. 13.2.2018 – 1 B 268/17 – juris Rn. 20). Nichtigkeitsgründe im Sinne des § 44 Abs. 1 und 2 VwVfG sind nicht ersichtlich, insbesondere ist der Widerruf nicht willkürlich erfolgt.
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Die Antragsgegnerin stützt den Widerruf zutreffend auf § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG. Danach darf ein (rechtmäßiger) begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. Dies ist hier der Fall. Nach der Bestimmung in Ziffer 5 Satz 1 der Aufnahmeanordnung wird die Aufnahmezusage unter dem Vorbehalt erteilt, dass das anschließende Visumverfahren erfolgreich abgeschlossen wird und keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse vorliegen bzw. bekannt werden. Dem entsprechend erfolgte die Aufnahmezusage nach der Ziffer 2 des Bescheides vom 13. November 2023 unter dem Vorbehalt des Widerrufs gem. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG.
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Zu Recht stützt die Antragsgegnerin den Widerruf auf das Bekanntwerden eines Ausschlussgrundes in der Sicherheitsbefragung der Antragsteller nach Ziffer 4 Satz 3 Buchstabe a) der Aufnahmeanordnung. In Ziffer 4 Satz 3 der Aufnahmeanordnung sind Ausschlussgründe geregelt, bei deren Vorliegen der Ausschluss aus dem begünstigten Personenkreis aufgrund einer Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin erfolgt („können Personen aus dem Verfahren ausgeschlossen werden“), unter anderem gemäß Buchstabe a) bei vorsätzlich falschen Angaben oder der Verweigerung zumutbarer Mitwirkung.
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Dieser Ausschlussgrund ist nicht zu beanstanden. Wie ausgeführt, handelt es sich bei einer Aufnahmeanordnung nach § 23 Abs. 2 AufenthG um eine der gerichtlichen Kontrolle weitestgehend entzogene, politische Leitentscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht hat offengelassen, ob die in einer Aufnahmeanordnung festgelegten Aufnahme- und Ausschlusskriterien einer gerichtlichen Willkürkontrolle unterliegen (BVerwG, U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris Rn. 23). Allenfalls in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann die Beschränkung der Aufnahme auf Ausländer, die bestimmte Aufnahmekriterien erfüllen, und der damit verbundene Ausschluss von Ausländern, die diese Kriterien nicht erfüllen, willkürlich sein, wenn für die vorgenommene Differenzierung keinerlei nachvollziehbare Gründe ersichtlich sind (Röcker in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 23 AufenthG Rn. 19; vgl. auch Hailbronner a.a.O., § 23 AufenthG Rn. 6). Derartiges kann mit Blick auf den Ausschlussgrund der vorsätzlich falschen Angaben bzw. der verweigerten zumutbaren Mitwirkung nicht angenommen werden. Es liegt nachvollziehbar im politischen Interesse der Antragsgegnerin, nur solche Personen in das Aufnahmeverfahren einzubeziehen, bei denen die Aufnahmekriterien tatsächlich vorliegen bzw. die im Aufnahmeverfahren in zumutbarer Weise an der Aufklärung des Sachverhaltes und der Schaffung der Aufnahmevoraussetzungen mitwirken. Dies gilt in besonderem Maße für Angaben bzw. Mitwirkungshandlungen der Antragsteller, welche sich auf sicherheitsrelevante Aspekte beziehen. Anderenfalls würde die tatsächliche Aufnahmepraxis auch die mit der Aufnahmeanordnung verfolgten besonders gelagerten politischen Interessen verfehlen. Da ein Ausschluss insoweit im Ermessen der Antragsgegnerin liegt, wird dieser eine Gewichtung und Abwägung des konkret vorliegenden Ausschlussinteresses einschließlich des damit verbundenen Sicherheitsinteresses gegen das Interesse der betroffenen Personen an ihrer Aufnahme und damit eine den konkreten Umständen des Einzelfalles angemessene Entscheidung über den Ausschluss ermöglicht.
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Die Antragsgegnerin ist willkürfrei davon ausgegangen, dass der Antragsteller zu 2 aufgrund seiner falschen Angaben im Sicherheitsgespräch einen Ausschlussgrund nach Ziffer 4 Satz 3 der Aufnahmeanordnung erfüllt.
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Der Antragsteller zu 2 gab erst auf wiederholte Nachfrage nach dem obligatorischen Wehrdienst beim afghanischen Militär an, in den Jahren 1982 bis 1984 seinen Wehrdienst abgeleistet zu haben, wobei er ausschließlich als Kraftfahrer gearbeitet und keine Ausbildung an Waffen erhalten habe. Er sei zudem nur in friedlichen Gebieten eingesetzt worden. Er gab an, nicht zu wissen, dass in den Jahren seines Wehrdienstes in Afghanistan ein Bürgerkrieg stattgefunden habe. Konfliktparteien wie Russland oder die Mujahedin habe er nicht benennen können. Ebenfalls wisse er nicht, welche Machthaber oder zumindest Gruppierungen zwischen 1989 und 2001 die Kontrolle in Afghanistan ausgeübt hätten. An die 1990er Jahre habe er ohnehin keine genauen Erinnerungen, weder an lokale Akteure noch an staatliche Stellen, Organisationen etc. in dieser Zeit. Dem gegenüber gab seine Ehefrau, die Antragstellerin zu 1 an, dass ihr Mann in den Jahren 1982 bis 1989 zweimal für ungefähr jeweils drei Jahre beim Militär gedient habe. Er sei als Soldat im damals andauernden Bürgerkrieg an der Front eingesetzt gewesen. Gemeinsam mit ihm habe sie Ende der 1990er Jahre unter der Herrschaft der Taliban sowohl in Kabul als auch in Masar-e-Sharif gelebt. Die Familie sei etwa 1998 nach Pakistan ausgereist, um dort ein besseres Leben zu führen. Nachdem die Familie jedoch keinen legalen Aufenthalt erhalten habe, sei man zurück nach Afghanistan gereist und habe erneut unter den Taliban gelebt. Mit ihrem Mann habe sie sich über die Taliban unterhalten.
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Zu diesen offensichtlichen Widersprüchen und dem deshalb beabsichtigten Widerruf der Aufnahmezusage angehört, gab der Antragsteller zu 2 an, er habe die Fragen, die ihm bei der Befragung zu seinem Militärdienst gestellt worden seien, so gut wie nach der langen vergangenen Zeit möglich beantwortet. Er gab an, während seines Militärdienstes in den 1980er-Jahren keine Waffen getragen oder an Kampfhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Er sei als Sicherheitswärter und Kraftfahrer eingesetzt gewesen. Seine Frau habe in ihrer Befragung betont, dass ihr Ehemann nicht an Kampfhandlungen beteiligt gewesen sei. Zu seiner Tätigkeit in den 1990er-Jahren seien dem Antragsteller zu 2 kaum Fragen gestellt worden. In den 2000er-Jahren habe er seinen Lebensunterhalt überwiegend als Kraftfahrer für verschiedene Organisationen verdient. Dass er stets Daten nach dem Hijri-Schamsi-Kalender angebe, habe zu Verwirrungen führen können. Darüber hinaus sei die Muttersprache der anwesenden Dolmetscherin P. . Sie habe nicht fließend Dari gesprochen, was ebenfalls zu Missverständnissen geführt haben könne.
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Die Einwände der Antragsteller greifen nicht durch. Die Antragsgegnerin hat die Einlassungen der Antragsteller in der Anhörung zum Widerruf zutreffend als verfahrensangepasstes Aussageverhalten bewertet. Die Antragstellerin zu 1 hat in ihrer Sicherheitsbefragung spontan, detailliert und ohne Kenntnis der Angaben ihres Ehemannes angegeben, dass dieser in den Jahren 1982 bis 1989 zweimal für ungefähr jeweils drei Jahre beim Militär gedient habe und als Soldat im damals andauernden Bürgerkrieg an der Front eingesetzt gewesen sei. Für Missverständnisse bzw. Verständigungsschwierigkeiten seitens der Antragstellerin zu 1 bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Auch liegen keine Anhaltspunkte für eine Fehlinterpretation ihrer Angaben seitens der die Anhörung durchführenden Bediensteten der Antragsgegnerin vor. Die Charakterisierung der Funktion des Antragstellers zu 2 als „Soldat“ und seines Einsatzes im Bürgerkrieg als „Fronteinsatz“ durch die Ehefrau lässt insoweit nur die Deutung zu, dass dieser unmittelbar in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt und nicht lediglich, wie von ihm behauptet, als Tätigkeit quasi hinter der Front als LKW-Fahrer. Dies steht in deutlichem Widerspruch zu der Einlassung des Antragstellers zu 2, seine Frau habe in ihrer Befragung betont, dass ihr Ehemann nicht an Kampfhandlungen beteiligt gewesen sei. Des Weiteren sprechen die realitätsfernen Versuche des Antragstellers zu 2 in seiner Sicherheitsbefragung, sich auf Gedächtnislücken zu berufen, insbesondere sich nicht an einen Bürgerkrieg erinnern und keine damaligen Konfliktparteien oder Machthaber nennen können zu wollen, deutlich für eine bereits anfänglich bestehende Verschleierungsabsicht. Auch der Verweis auf den vom Antragsteller zu 2 gebrauchten abweichenden Kalender vermag nicht zu erklären, weshalb dieser sich nicht an die relevanten Ereignisse, seine eigene Funktion und deren ungefähre zeitliche Einordnung habe erinnern können. Die Korrektur und Angleichung ihrer Angaben durch die Antragsteller in der Anhörung in Kenntnis des möglichen Widerrufs der Aufnahmezusage ist demgegenüber als verfahrensangepasstes Aussageverhalten nicht glaubhaft.
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Dies zugrunde gelegt, hat die Antragsgegnerin sodann in der Abwägung willkürfrei den öffentlichen Interessen am Ausschluss der Antragsteller, insbesondere den öffentlichen Sicherheitsinteressen, den Vorrang gegenüber dem Interesse der Antragsteller an ihrer Aufnahme eingeräumt.
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Aspekte des Vertrauensschutzes stehen dem Widerruf nicht entgegen. Der in der Aufnahmezusage enthaltene Widerrufsvorbehalt musste den Antragstellern bekannt sein. Unter der Ziffer 2 des Bescheides vom 13. November 2023 wurde – entsprechend der Bestimmung in der Ziffer 5 Satz 1 der Aufnahmeanordnung – ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufnahmezusage unter dem Vorbehalt erteilt wird, dass das anschließende Visumverfahren erfolgreich abgeschlossen wird und keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse vorliegen bzw. bekannt werden. Mithin konnte vor dem erfolgreichen Abschluss der Sicherheitsüberprüfung sowie des Visumverfahrens kein schutzwürdiges Vertrauen der Antragsteller in den Bestand der Aufnahmezusage begründet werden.
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1.3 Ein Anspruch der Antragsteller auf weitere Aufnahme und damit verbundene Leistungen der Antragsgegnerin folgt auch nicht aus deren Grund- oder Menschenrechten. Die Aufnahmeanordnung selbst und die auf ihrer Grundlage erteilte Aufnahmezusage dienen nicht dem Grundrechtsschutz des begünstigten Personenkreises, insbesondere vermitteln sie diesem nicht die Rechtsstellung des Refoulementverbots (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – juris Rn. 27 ff.; U.v. 15.11.2011 – 1 C 21.10 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 9.10.2017 – 19 ZB 15.1731 – juris Rn. 18; B.v. 19.9.2014 – 19 ZB 12.1010 – juris Rn. 20 f.; U.v. 22.1.2014 – 19 BV 13.1447 – juris Rn. 37). Der Widerruf der Aufnahmezusage kann folglich keine Grundrechte der Antragsteller als begünstigte Personen verletzen. Dies gilt gleichermaßen für an die Aufnahmezusage geknüpfte freiwillige Leistungen bzw. Unterstützungsschreiben, auf deren Weitergewährung – wie ausgeführt – kein Rechtsanspruch besteht.
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Aus den von der Antragstellerseite zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsbindung auswärtigen Handelns der Antragsgegnerin (vgl. BVerfG, B.v. 21.3.1957 – 1 BvR 65/54 – juris; B.v. 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14 – juris; U.v. 19.5.2020 – 1 BvR 2835/17 – juris) folgt nichts Anderes. Der Antragsgegnerin bzw. ihren insoweit zu politischem Handeln berufenen Organen ist für ihr hoheitliches Handeln in Bezug auf die Aufnahme von Ausländern aus dem Ausland nach § 23 Abs. 2 AufenthG ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Dies hat seinen Grund darin, dass die Gestaltung auswärtiger Verhältnisse und Geschehensabläufe nicht allein vom Willen der Antragsgegnerin bestimmt werden kann, sondern vielfach von Umständen abhängig ist, die sich ihrer Bestimmung entziehen, weshalb es ihr ermöglicht werden soll, die jeweiligen politischen Ziele im Rahmen des völkerrechtlich und verfassungsrechtlich Zulässigen durchzusetzen (vgl. BVerfG, B.v. 16.12.1980 – 2 BvR 419/80 – juris Rn. 36 f.; B.v. 21.10.1987 – 2 BvR 373/83 – juris Rn. 32; B.v. 13.10.2016 – 2 BvE 2/15 – juris Rn. 169 f.; U.v. 11.12.2024 – 1 BvR 1426/24 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 29.5.2019 – 6 C 8.18 – juris Rn. 21; U.v. 25.11.2020 – 6 C 7.19 – juris Rn. 55 ff., 67 ff.). Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, ob und in welcher Weise sie Auslandsschutz gewährt, weshalb die Verwaltungsgerichte darauf beschränkt sind, die Handlungen und Unterlassungen der Bundesregierung auf Ermessensfehler hin nachzuprüfen (vgl. in Bezug auf die Gewährung diplomatischen Schutzes zugunsten deutscher Staatsangehöriger im Ausland: BVerfG, U.v. 11.12.2024 – 1 BvR 1426/24 – juris Rn. 18; B.v. 16.12.1980 – 2 BvR 419/80 – juris Rn. 36; BVerwG, U.v. 29.5.2019 – 6 C 8.18 – juris Rn. 21). Aufgrund des weiten außenpolitischen Ermessens der Antragsgegnerin kann eine Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht in Fällen mit Auslandsbezug nur festgestellt werden, wenn das zuständige Organ gänzlich untätig geblieben ist oder die getroffenen Maßnahmen offensichtlich völlig ungeeignet oder unzulänglich sind (BVerwG, U.v. 25.11.2020 – 6 C 7.19 – juris Rn. 67). Derartiges kann vorliegend – unabhängig davon, dass eine rechtliche Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Schutzgewährung im Ausland in erster Linie gegenüber eigenen Staatsangehörigen bzw. Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der EU insbesondere im Rahmen des sog. diplomatischen und konsularischen Schutzes besteht (vgl. BVerfG, U.v. 11.12.2024 – 1 BvR 1426/24 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 24.2.1981 – 7 C 60.79 – juris Rn. 35 m.w.N.) – nicht festgestellt werden. Die Antragsgegnerin leistet bereits im Rahmen verschiedener Aufnahmeprogramme wie auch dem vorliegenden einen erheblichen internationalen Beitrag zur Aufnahme von Personengruppen, welche durch das Talibanregime in Afghanistan bedroht sind. Dass diese Aufnahmeprogramme offensichtlich völlig unzureichend oder unzulänglich wären, kann auch mit Blick auf die möglichen tatsächlichen, die Antragsteller gegebenenfalls stark belastenden Folgen nicht festgestellt werden und wird von diesen auch nicht geltend gemacht. Im Übrigen ist die Lage der Antragsteller nicht mit derjenigen eines auf deutschem Hoheitsgebiet befindlichen und damit der deutschen Staatsgewalt unterworfenen Ausländers vergleichbar.
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Eine Grundrechtsverletzung der Antragsteller durch die Antragsgegnerin kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil diese – als mittelbare Folge des Widerrufs der Aufnahmezusage – zumindest abstrakt gefährdet sind, durch die pakistanischen Behörden nach Afghanistan abgeschoben zu werden, und ihnen dort Grund- bzw. Menschenrechtsverletzungen drohen könnten. Zwar darf die deutsche Hoheitsgewalt nicht zu etwaigen Verletzungen der Menschenwürde durch einen anderen Staat „die Hand reichen“ (vgl. die von der Antragstellerseite zitierte Entscheidung: BVerfG, B.v. 15.12.2015 – 2 BvR 2735/14 – juris Rn. 62). Die verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit der an das Grundgesetz gebundenen öffentlichen Gewalt, und damit auch der Schutzbereich der Grundrechte, enden aber grundsätzlich dort, wo ein Vorgang in seinem wesentlichen Verlauf von einer fremden Macht nach ihrem, von der Bundesrepublik Deutschland unabhängigen Willen gestaltet wird (BVerfG, B.v. 15.3.2018 – 2 BvR 1371/13 – juris Rn. 29 m.w.N.; BVerwG, U.v. 25.11.2020 – 6 C 7.19 – juris Rn. 30 m.w.N.). Beeinträchtigen oder gefährden Handlungen eines anderen Staates ein grundrechtliches Schutzgut im Ausland, liegt ein für die Entstehung einer grundrechtlichen Schutzpflicht des deutschen Staates hinreichend enger Bezug zum deutschen Staatsgebiet nur vor, wenn der andere Staat sein beeinträchtigendes Handeln in wesentlicher Hinsicht vom deutschen Staatsgebiet aus vornimmt bzw. wenn Teilakte des Gesamtgeschehens, die einen relevanten Entscheidungscharakter aufweisen und deshalb für die rechtliche Bewertung maßgeblich sind, im Inland stattfinden (BVerwG, U.v. 25.11.2020 – 6 C 7.19 – juris Rn. 40 ff., 53 ff., insb. 54). Das deckt sich mit der nach Art. 1 Abs. 2 GG gebotenen Berücksichtigung der EMRK bei der Auslegung des Grundgesetzes und der in diesem Zusammenhang ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Auch dieser nimmt eine Verantwortlichkeit eines Unterzeichnerstaates für Menschenrechtsverletzungen, die Vertreter eines Drittstaats auf seinem Territorium begehen, nur an, wenn dies mit der stillschweigenden oder ausdrücklichen Billigung des Signatarstaates geschieht (vgl. die Nachweise bei BVerfG, B.v. 15.3.2018 – 2 BvR 1371/13 – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 25.11.2020 – 6 C 7.19 – juris Rn. 33). Derartiges ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
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Dem entsprechend können die Antragsteller auch nicht aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) einen Anspruch auf weitere Versorgung und Unterbringung durch die Antragsgegnerin herleiten. Dieses aus der Menschenwürde sowie aus dem Sozialstaatsprinzip folgende Grundrecht sichert zwar jeder hilfsbedürftigen Person diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für ihre physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (BVerfG, U.v. 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 – juris). Dieses Grundrecht steht jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu“ (vgl. BVerfG, U.v. 18.7.2012 – 1 BvL 10/10 – juris LS 2) und entfaltet folglich keine Auslandswirkungen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 und § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
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Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.