Inhalt

VG München, Beschluss v. 16.04.2025 – M 23 SE 25.1048
Titel:

Vorauswahlverfahren für straßenverkehrsrechtliche Erlaubnis für München-Marathon 2025 und 2026 - einstweiliger Rechtsschutz

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 123 Abs. 1
StVO § 29 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Behörde hat grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen zwischen den Bewerbern auszuwählen, denen ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung zusteht. Der gerichtliche Prüfungsumfang ist aufgrund des behördlichen Einschätzungsspielraums auf die Zugrundelegung zutreffender Tatsachen, die Einhaltung der Denkgesetze oder allgemein gültiger Wertmaßstäbe und darauf beschränkt, ob sachwidrige Erwägungen angestellt oder Verfahrensfehler gemacht worden sind und ob das Verwaltungshandeln sowohl im Hinblick auf die Auswahlkriterien als auch auf den konkreten Auswahlvorgang selbst transparent und nachvollziehbar war (vgl. VGH München BeckRS 2013, 58784 Rn. 23 mwN). (Rn. 73 und 74) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das im Vorfeld des Antragsverfahrens auf Erlangung einer straßenverkehrsrechtlichen Sondernutzungserlaubnis in einer Konkurrenzsituation maßgeblich herangezogene Auswahlkriterium der „geringsten Verkehrsbeeinträchtigung“ ist sachgerecht, wobei die „Qualität und Aussagekraft des eingereichten Verkehrskonzepts“ in Bezug auf die  „verkehrliche Vertretbarkeit“ und bei mehreren gleich vertretbaren Konzepten das Los entscheidet.  (Rn. 75 und 76) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wegen der ermessensbeschränkenden Wirkung dieses Beurteilungsmaßstabs verstößt die Auswahl eines Konkurrenten ohne Durchführung eines Losverfahrens bei „gleicher“ verkehrlicher Vertretbarkeit der eingereichten Verkehrskonzepte gegen den Gleichheitssatz. Für die „gleiche Vertretbarkeit“ ist nicht erforderlich, dass die Verkehrskonzepte derart identisch sind, dass zwischen ihnen schlechterdings nicht mehr unterschieden werden kann, sondern reicht es aus, dass keine eindeutige und zweifelsfreie Entscheidung zugunsten eines Konzepts getroffen werden kann, weil beide Konzepte gemäß dem allgemeinen sowie auch dem engeren juristischen Sprachgebrauch „annehmbar“, „akzeptabel“ sind.  (Rn. 77 und 78) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das konkrete Sicherheitskonzept der Veranstaltung ist nicht im Auswahlverfahren, sondern zeitlich nachrangig im Genehmigungsverfahren zu prüfen und Gefahrenlagen gegebenenfalls durch konkrete Auflagen zu begegnen, es sei denn, es stünde von Vornherein fest, dass aufgrund nicht behebbarer rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse die Streckenführung, so wie geplant, schlechterdings nicht durchführbar wäre. (Rn. 87) (redaktioneller Leitsatz)
5. Auch die wirtschaftliche Existenzgefährdung des bisherigen Veranstalters bei Auswahl eines anderen Bewerbers muss im Vorauswahlverfahren aus Gründen der Gleichbehandlung unberücksichtigt bleiben, wenn auch seine Grundrechte in der Abwägungsentscheidung im Rahmen des (späteren) Erlaubnisverfahrens eine Rolle spielen können. (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bewerbungsverfahren München, Marathon, Losverfahren, Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung, behördlicher Einschätzungsspielraum, gerichtlicher Prüfungsumfang, Auswahlkriterium der "geringsten Verkehrsbeeinträchtigung", Verkehrskonzept, "verkehrliche Vertretbarkeit", gleiche Vertretbarkeit, Gleichheitssatz, Sicherheitskonzept, wirtschaftliche Existenzgefährdung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.07.2025 – 11 CE 25.1036
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16937

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin umgehend ein Losverfahren durchzuführen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt ihre weitere Berücksichtigung in einem Auswahlverfahren zur Durchführung der jährlichen Marathon-Veranstaltung in M. . Die Beigeladene ist eine Mitkonkurrentin, die das Auswahlverfahren gewonnen hat.
2
Zur Durchführung der jährlich in M. ausgetragenen Marathon-Veranstaltung veröffentlichte die Antragsgegnerin am 29. Januar 2024 unter www.m. .de folgende Bedingungen:
3
Marathon-Veranstaltung
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Voraussetzungen für die Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in M. für die Jahre 2025/2026
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Mit Beschluss vom 18.10.2017, zuletzt geändert durch Beschluss vom 23.10.2019, hat die Vollversammlung des Stadtrates der Landeshauptstadt M. in den Richtlinien für Veranstaltungen auf öffentlichem Verkehrsgrund festgelegt, dass in M. aufgrund der erheblichen verkehrlichen Auswirkungen jährlich maximal eine Marathonveranstaltung durchgeführt werden kann. Der Marathon kann dabei an einem Sonntag im Oktober, nach Beendigung des Oktoberfestes, stattfinden.
6
Um interessierten Veranstalterinnen und Veranstaltern möglichst frühzeitig Planungssicherheit geben zu können, wird die Durchführung des Marathons für jeweils zwei aufeinanderfolgende Jahre durch eine Veranstalterin oder einen Veranstalter ermöglicht.
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Ihr Antrag zur Durchführung einer Marathonveranstaltung muss bis spätestens 31.03.2024 bei der
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Landeshauptstadt M.
Kreisverwaltungsreferat
Veranstaltungs- und Versammlungsbüro ...
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E-Mail-Adresse: ... 
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eingegangen sein. Später eingegangene Anträge können nicht berücksichtigt werden. Auf Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG wird hingewiesen.
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Ihr Antrag muss folgende Unterlagen und Informationen enthalten:
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– Gesamtkonzept der Veranstaltung mit Nennung des konkreten Veranstaltungsdatums
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– Streckenplan Gesamtübersicht (Darstellung in Plan und Textform)
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– Zeitlicher Ablaufplan mit geplanten Durchlaufzeiten
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– Textbeschreibung oder grafische Darstellung, aus der zu erkennen ist, ab wann welche Streckenabschnitte gesperrt werden sollen und voraussichtlich wieder freigegeben werden.
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– Verkehrskonzept -Detailpläne-, die folgende Angaben enthalten sollten:
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1. Grafische Darstellung der Laufstrecke mit Angabe, welche Straßenteile durch die Laufstrecke belegt werden (Fahrbahn, Radweg, Gehweg) und welche alternativen Wegstrecken für die ausgeschlossenen Verkehrsteilnehmer (Radfahrverkehr, Fußgängerverkehr) zur Verfügung stehen
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2. Ist laut Konzept nur eine Teilsperrung einer Straße/Kreuzung erforderlich, ist anzugeben, welche Fahrtrichtung-/Fahrbeziehungen weiter frei bleiben können und wie die Absicherung zwischen Veranstaltungsfläche und Verkehrsfläche erfolgt
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3. Angabe sämtlicher notwendiger Beschilderung (u.a. Sperren, Vorsperren, Fahrtrichtungsgebote, Aufhebung von Einbahnstraßen, Baken zur Verkehrsführung)
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4. Grafische Darstellung von Lage und Ausdehnung der Halteverbote mit Zeitzusatz und Aussage bzw. Erläuterungen, wofür das jeweilige Halteverbot benötigt wird
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5. Grafische Darstellung möglicher Umleitungsstrecken und/oder Ableitungen für den motorisierten Individualverkehr. Zusätzlich Angabe der Ausgestaltung der Vorhinweis- bzw. Umleitungsbeschilderung an den entsprechenden Örtlichkeiten
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6. Sollten sich laut Gesamtkonzept der Veranstaltung neben der Marathonstrecke für andere geplante Laufveranstaltungen (z.B. 21-km oder 10-km-Lauf) Abweichungen in der Streckenführung ergeben, sind diese Änderungen (auch hinsichtlich der Sperrzeiten) entsprechend im Verkehrskonzept darzustellen und zu erläutern
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Darüber hinaus gehen Sie in Ihrem Antrag bitte auf folgende Punkte ein:
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– Angabe, wer die Beschilderung bereitstellt
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– Angabe, wer die bereitgestellte Beschilderung in- und wieder außer Kraft setzt
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– Aussagen und Erläuterungen, wie die Anwohner- und Verkehrsinformation erfolgen soll
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– Auflistung der Aktionen und Versorgungsbereiche an der Strecke (u.a. Toiletten, Verpflegungsstände für die Läufer, Moderationsstände, Werbeaufbauten, Fernsehübertragung)
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– Dargelegt sollen hier auch die jeweiligen Auf- und Abbautätigkeiten mit:
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1. Angaben zu Restbreiten, welche für die Verkehrsteilnehmer verbleiben
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2. Aussagen zum zeitlichen Rahmen inkl. Auf- und Abbauzeit
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3. Ggf. Aussagen zu zusätzlichen verkehrlichen Maßnahmen (u.a. Halteverbote, Sperren, zusätzliche Absicherungen)
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– Angabe, welche Bereiche aufgrund der Streckenführung zwischenzeitlich abgeschnitten sind (mit Aussagen zu Ausmaß und Zeitraum)
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– Angabe, welche Bereiche aufgrund der Veranstaltung zwischenzeitlich nur über eine Wegstrecke an- bzw. abfahrbar sind (mit Aussagen zu Ausmaß und Zeitraum)
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– Aussage, welche sonntags-betriebenen Gewerbebetriebe (insbesondere Hotels, Gaststätten, Tankstellen, Speditionen) und auch öffentliche Einrichtungen (u.a. Museen, Bäder) sich direkt an der Laufstrecke befinden oder durch die Veranstaltung nicht direkt erreichbar sind sowie Darstellung, wie mit den Beeinträchtigungen umgegangen werden soll
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– Des Weiteren sollten Sie erläutern, weshalb aus verkehrlicher Sicht die Streckenführung oder einzelne Streckenabschnitte so gewählt wurden, z.B. um Sperrzeiten zu verkürzen oder bestimmte Straßen- und Wohnviertel zu entlasten.
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– Bei der Nutzung von (städtischem) Privatgrund als Laufstrecke ist das Einverständnis des Eigentümers vorzulegen
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– Angabe zu einer Kooperation mit anderen Veranstaltungen sowie die entsprechende Zusage des kooperierenden Veranstalters
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Die vollständigen Antragsunterlagen sind in schriftlicher und digitaler Form einzureichen.
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Sollten bis zum genannten Termin mehrere Konzepte vorgelegt werden, entscheidet die Qualität und Aussagekraft des eingereichten Verkehrskonzeptes. Bei mehreren gleich vertretbaren Konzepten entscheidet das Los.
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Die Konkurrenzsituation von mehreren Anträgen wird also von der Antragsgegnerin in einem dem eigentlichen Verfahren auf Erlangung der Sondernutzungserlaubnis nach § 29 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgelagerten („isolierten“) öffentlichrechtlichen Auswahlverfahren aufgelöst.
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Innerhalb der Frist gingen drei Anträge, unter anderem der der Antragstellerin und der Beigeladenen, ein. Eine dritte Mitkonkurrentin wurde letztlich aus dem Verfahren wegen mangelbehafteter Bewerbungsuntertagen ausgeschlossen. Die Laufstrecken der Antragstellerin und der Beigeladenen sind im Wesentlichen identisch und unterscheiden sich lediglich punktuell in einzelnen Streckenabschnitten.
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Die Antragsgegnerin beteiligte nach Bewerbungsschluss das Polizeipräsidium München, die MVG sowie das Mobilitätsreferat (MOR), die Stellung dazu nahmen, welches der Konzepte aus Sicht der jeweiligen Fachdienststelle in verkehrlicher Hinsicht zu bevorzugen sei. In seiner ersten ausführlichen Stellungnahme vom 12. Juli 2024 (Bl. 28 ff. der Behördenakte (BA)) führte das MOR eingangs aus, maßgebliche Kriterien hinsichtlich der zu prüfenden verkehrlichen Vertretbarkeit seien das räumliche Ausmaß der notwendigen Sperrungen, die Länge der Sperrzeiten sowie die Beeinträchtigung des öffentlichen Personennahverkehrs (S. 2). Zusammenfassend wurde festgestellt, dass alle eingereichten Konzepte mit einer sehr hohen Qualität in den Antragsunterlagen überzeugten. Aus Sicht des MOR seien alle drei Konzepte geeignet, eine Marathon-Veranstaltung in M. durchzuführen. Letztendlich spreche sich das MOR für die Streckenvariante der Bewerberin 3 (die später ausgeschlossene dritte Konkurrentin) aus. Ihr Konzept sei aufgrund der deutlich reduzierten Nutzung des Verkehrsraums in der Streckenkonzeption im Vergleich zu den Mitbewerberinnen aus rein verkehrlicher Sicht wegen seiner Kompaktheit zu bevorzugen (S. 25).
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In weiteren ergänzenden Stellungnahmen, erstmals vom 29. November 2024 (Bl. 423 f. der BA), führte das MOR, nunmehr zum Vergleich der Streckenkonzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen (nachdem die ursprünglich favorisierte Mitkonkurrentin ausgeschlossen werden sollte), aus, dass sich Vorteile für die Beigeladene im Bereich der Maxvorstadt, des Zugangs zum Englischen Garten sowie im Osten der Laufrunde (Werksviertel) ergäben. In weiteren Stellungnahmen vom 15. Januar 2025 (Bl. 506 f. BA) und 3. Februar 2025 (Bl. 587 f. BA) ging das MOR im Wesentlichen auf Einwände der Antragsgegnerin im Anhörungsverfahren insbesondere zur Betroffenheit der Altstadt und des Hackenviertels im Streckenkonzept der Beigeladenen ein. Insoweit seien alle drei eingereichten Konzepte als mindestens ausreichend bzw. qualitativ hochwertig anzusehen gewesen.
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Am 4. Dezember 2024 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen mit, dass sie im Rahmen des Auswahlverfahrens den Zuschlag erhalten werde, worauf diese am 6. Dezember 2024 ihr weiterbestehendes Interesse signalisierte. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2024 wurde der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme dazu gegeben, dass ihr Antrag abgelehnt werden würde.
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Am 10. Februar 2025 erließ die Antragstellerin Auswahlbescheide an alle Bewerber.
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Die Antragstellerin erhielt einen „Auswahlbescheid“, wonach im vorgelagerten isolierten Auswahlverfahren die Entscheidung zulasten der Antragstellerin ausgefallen sei. Der Antrag der Antragstellerin vom 28. März 2024 auf Durchführung einer MarathonVeranstaltung in M. für die Jahre 2025 und 2026 werde im Antragsverfahren gemäß § 29 Abs. 2 StVO nicht weiter berücksichtigt. Die Beigeladene erhielt einen für sofort vollziehbar erklärten positiven Auswahlbescheid, wonach sie im weiteren Antragsverfahren nach § 29 Abs. 2 StVO weiter berücksichtigt werde.
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Zur Begründung des Bescheids an die Antragstellerin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beigeladene nach der nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmenden Bewertung der Antragsgegnerin das beste Verkehrskonzept vorgelegt habe. Maßgeblich sei das Kriterium der verkehrlichen Vertretbarkeit. Der Vergleich im Streckenabschnitt 2 (L1.str./L2.str.) ergebe, dass beim Konzept der Beigeladenen im Gegensatz zu dem der Antragstellerin keine Anwohner der Maxvorstadt eingeschlossen würden. Der Vergleich im Streckenabschnitt 3 (L1.str./Englischer Garten) zeige, dass Anwohner und Kliniken durch Auslassungen im Konzept der Beigeladenen besser erreichbar seien. Im Münchner Osten ergebe sich durch die Nutzung des Werksviertels durch die Beigeladene deutlich weniger Verkehrsbelastung durch Entlastung der F. straße. Demgegenüber bestehe im Innenstadtbereich ein Vorteil für das Konzept der Antragstellerin, da das Hackenviertel durch die Laufstrecke der Beigeladenen stärker beeinträchtigt sei. Außerdem ergebe sich bei den Sperrzeiten ein Vorteil für die Antragstellerin. Insgesamt überwögen die Vorteile des Streckenkonzepts der Beigeladenen. Die Innenstadt sei ohnehin zum großen Teil Fußgängerzone, insoweit würden keine gesonderten Sperrungen und Haltverbote für den Straßenverkehr notwendig. Insgesamt würden weniger Bewohner und Kfz-Verkehr beeinträchtigt. Die marginalen Sperrzeitenvorteile der Antragstellerin fielen demgegenüber weniger ins Gewicht.
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Die Einwände der Antragstellerin, die sie im Anhörungsverfahren gegen die Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens der formellen Voraussetzungen ihres Antrags und der Durchführbarkeit ihres Streckenkonzepts vorgetragen habe, griffen nicht durch. Insbesondere liege die notwendige Zustimmung zugunsten der Beigeladenen zur Nutzung des Olympiaparks vor. Die sicherheitsrechtlichen Bedenken gegen die Nutzung der Olympiahalle als Zieleinlauf oder der S. Straße seien im vorliegenden vorgelagerten Verfahren ohne Belang, da die Prüfung eines konkreten Sicherheitskonzepts erst im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nach § 29 Abs. 2 StVO erfolge. Das Streckenkonzept müsse lediglich grundsätzlich durchführbar sein. Das sei bei dem Konzept der Beigeladenen der Fall. Die Erfahrung mit Veranstaltungen der durchzuführenden Art als Element der Zuverlässigkeit könne auch auf andere Weise als durch Marathon-Veranstaltungen nachgewiesen werden, etwa durch Erfahrungen bei der Durchführung anderer Großveranstaltungen. Die Vertreter der Beigeladenen seien in diesem Sinne zuverlässig. Der Eintrag der Beigeladenen ins Handelsregister erst am *. Januar 2025 sei unschädlich, da ein Gesellschaftsvertrag vom 29. Februar 2024 vorliege und im Übrigen die V. GmbH rechtsfähig sei. Die Stellungnahmen des MOR seien schlüssig, nachvollziehbar und ermessensfehlerfrei. Die maßgeblichen Bewertungskriterien seien insbesondere aus § 29 Abs. 2 StVO zu entnehmen und damit die Sicherheit, Leichtigkeit und Ordnung des Verkehrs und die Beeinträchtigung der Anwohner sowie die Zuverlässigkeit des Veranstalters. Andere (möglicherweise sinnvolle) Kriterien spielten in diesem Rahmen daneben keine Rolle. Damit seien straßenverkehrsbezogene Kriterien entscheidend, so sei auch die „Qualität und Aussagekraft des eingereichten Verkehrskonzepts“ der veröffentlichten Bewerbungsbedingungen im Sinne der „Verkehrsverträglichkeit“ zu verstehen. An diesem Kriterium hätten sich die Fachstellen orientiert.
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Auf die Begründung im Einzelnen wird verwiesen.
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Hiergegen ließ die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten am 11. Februar 2025 sog. kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erheben und beantragte im vorliegenden Eilverfahren (Fassung der Anträge vom 2. April 2025):
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I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
der Antragstellerin im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 anstelle der Beigeladenen den Zuschlag für die Marathonveranstaltung 2025 zu erteilen und die Antragstellerin im Antragsverfahren nach § 29 Abs. 2 StVO weiter zu berücksichtigen.
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II.  Hilfsweise: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 ein Losverfahren zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin im Hinblick auf die Marathonveranstaltung 2025 durchzuführen.
53
III.  Hilfshilfsweise: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antrag der Antragstellerin im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.
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IV. Höchsthilfsweise: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das gesamte Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für alle Bewerber zu wiederholen.
55
Daneben wurde vom Gericht im hiesigen Verfahren ein Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO angelegt, nachdem auf ein solches bereits im Schriftsatz vom 11. Februar 2025 Bezug genommen worden war.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 2. April 2025 ausgeführt, dass die Antragstellerin seit 25 Jahren ununterbrochen den München Marathon als viertgrößten Marathon in Deutschland mit zuletzt 28.000 Teilnehmern und rund 80.000 Zuschauern veranstalte. Zum Zuschlag für die Antragstellerin müsse bereits führen, dass die Beigeladene als nunmehr einzige Mitbewerberin nicht hätte berücksichtigt werden dürfen, denn sie selbst sowie ihre Organe seien aufgrund fehlender Erfahrung bei der Durchführung von Marathon-Veranstaltungen unzuverlässig im Sinne der Veranstaltungsrichtlinien (VRL) der Antragsgegnerin. Die Erfahrung von Teammitgliedern seien irrelevant. Die Beigeladene habe außerdem die formalen Antragskriterien nicht erfüllt, da keine ausreichende Zustimmung für die Nutzung von Privatgrund der Olympia-Halle vorliege. Die E-Mail der O. GmbH vom 15. Februar 2024 sei nur eine abstrakte Mitteilung, wann eine Option bestehe, die nicht einmal an die Beigeladene gegangen sei. Das Streckenkonzept der Beigeladenen sei in der S. Str. und der Olympiahalle schließlich nicht gefährdungsfrei durchführbar. Auf entsprechende Ausführungen in der Anlage 13 der Klageschrift wurde verwiesen. Die fehlerhafte Bewertung der eingereichten Verkehrskonzepte müsste ebenfalls zum Zuschlag an die Antragstellerin führen. Das von der Antragsgegnerin im konkreten Fall angewandte Auswahlkriterium „Verkehrsverträglichkeit bzw. geringste Verkehrsbeeinträchtigung“ sei vom MOR erfunden worden und entspreche nicht dem veröffentlichten Kriterium „Qualität und Aussagekraft der eingereichten Verkehrskonzepte“. Nach den Vorgaben des Stadtrats sei maßgeblich, dass eine einheitliche erprobte Strecke zu finden sei, verkehrliche Beeinträchtigungen würden von vornherein in Kauf genommen und durch die Beschränkung auf eine Veranstaltung im Jahr ausgeglichen. Anstatt wie bisher eine einheitliche Strecke werde jetzt eine möglichst wenig verkehrsbeeinträchtigende Strecke verlangt. Das sei intransparent. Das Konzept der Beigeladenen habe nach diesen Maßstäben geringere Qualität, da es (in der Altstadt und auf dem Olympiagelände) nicht gesichert durchführbar sei, insofern im Konzept der Beigeladenen alles zu den neuralgischen Punkten in der Altstadt (gefährliche Engstellen in der S. Str.) und beim Zieleinlauf in der Olympiahalle offengelassen sei, es fehle jedenfalls an der Qualität und Aussagekraft des Konzepts der Beigeladenen. Wenn schon (fälschlicherweise) das Kriterium der höheren Verkehrsbeeinträchtigung zähle, dann sei die Bewertung zulasten der Antragstellerin ebenfalls rechtswidrig. Auf die Anlage 15 der Klageschrift wurde insoweit verwiesen. Im Übrigen verstoße die Bewertung durch das MOR gegen die VRL der Antragsgegnerin. Auch die Nichtberücksichtigung sportlicher Belange verstoße gegen die VRL. Schließlich sei die mit einer Nichtberücksichtigung der Bewerbung der Antragstellerin verbundene Existenzvernichtung nicht berücksichtigt worden, die Insolvenz der völlig auf den München Marathon fixierten Antragstellerin drohe. Wenn mehrere gleichwertige Konzepte vorlägen, habe die Antragstellerin jedenfalls hilfsweise einen Anspruch auf Durchführung eines Losverfahrens. Die Gleichwertigkeit nehme die Antragsgegnerin selbst an. Hilfsweise bestehe ein Anspruch auf Neuverbescheidung wegen des Ermessensdefizits der Ablehnungsentscheidung. Die Antragsgenrein habe die Atypik der vorliegenden Fallgestaltung nicht beachtet, nämlich dass die Antragstellerin seit 25 Jahren den Marathon ausrichte und sich aus ihrer Nichtberücksichtigung eine besondere Härte im Hinblick auf ihre Grundrechtsbetroffenheit ergebe, da in ihre Grundrechte aus Art. 3, 12 und 14 GG eingegriffen werde. Es dürften im Auswahlverfahren nicht nur verkehrliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen, sondern es müssten auch private Belange der Antragstellerin berücksichtigt werden.
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Mit Beschluss vom 20. Februar 2025 wurde die Beigeladene zum Verfahren beigeladen.
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Die Antragsgegnerin beantragte am 24. Februar 2025
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Antragsablehnung
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und begründete dies am 11. April 2025.
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Auf die Begründung im Einzelnen wird verwiesen.
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Am 16. April 2020 wurde zur Sache, auch im hiesigen Klageverfahren M 23 K 24.5365, sowie gleichzeitig auch im Klage- und Eilverfahren des unterlegenen Mitbewerbers (M 23 K 25.1167 und M 23 S 25.1170), mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
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Die Beigeladene stellte keinen Antrag.
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Eine in der mündlichen Verhandlung vom Gericht angeregte und von den Beteiligten avisierte Einigung zwischen ihnen kam in der Folgezeit nicht zustande.
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Im Übrigen wird zum Sach- und Streitstand im Einzelnen auf die Gerichtsakten, auch im Klageverfahren M 23 K 24.5365, und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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A. Die Beigeladene war notwendig beizuladen (§ 65 Abs. 2 VwGO entsprechend), da sie aufgrund des Erhalts des Zuschlags für die Marathon-Veranstaltung 2025 und 2026 an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
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B. Die Anträge der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO sind zulässig, haben in der Sache aber nur im tenorierten Umfang Erfolg.
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1. Das Gericht kann nach § 123 Abs. 1 VwGO auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch zur Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d. h. der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung begründet wird, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
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Es besteht für die Anträge jeweils ein Anordnungsgrund, da eine besondere Eilbedürftigkeit wegen des Termins für die erste Marathon-Veranstaltung am 12. Oktober 2025 und den zuvor noch notwendigen Dispositionen zweifelsohne zu bejahen ist.
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2. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch hinsichtlich des Hauptantrags auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 anstelle der Beigeladenen den Zuschlag für die Marathonveranstaltung 2025 zu erteilen und die Antragstellerin im Antragsverfahren nach § 29 Abs. 2 StVO weiter zu berücksichtigen, nicht glaubhaft gemacht. Der Anordnungsanspruch besteht lediglich hinsichtlich der aus dem Tenor ersichtlichen Durchführung eines Losverfahrens für die Durchführung einer Marathon-Veranstaltung für die Jahre 2025 und 2026 im Rahmen des ersten Hilfsantrags.
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Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 10. Februar 2025 eine sofort vollziehbare Auswahlentscheidung zugunsten der Beigeladenen getroffen hat. Die Antragstellerin hat diesen Verwaltungsakt der Antragsgegnerin angefochten (M 23 K 24.5365) und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt (Konkurrentenverdrängungsklage, vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2010 – 4 CE 10.1535 – juris Rn. 13). Das Verwaltungsgericht hat diesen Bescheid ausweislich des Tenors im Verfahren M 23 K 24.5365 auch aufgehoben.
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2.1. Die Antragstellerin hat den ihr zustehenden Anspruch im ersten Hilfsantrag glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, zwischen ihr und der Beigeladenen im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 ein Losverfahren durchzuführen.
73
Die Entscheidung, an welchen Bewerber sie den Zuschlag erteilt, hat die Behörde grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen. Ein Bewerber hat ein subjektiv-öffentliches Recht auf fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens, d.h. darauf, dass die Auswahlentscheidung nach sachlichen Kriterien und unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes getroffen wird (BayVGH, B.v. 12.8.2013 – 22 CE 13.970 – juris Rn. 36; BayVGH, U.v. 11.11.2013 – 4 B 13.1135 – juris Rn. 23 m.w.N.).
74
Der Prüfungsumfang des Gerichts ist aufgrund des – hier wie sonst in derartigen Auswahlentscheidungen, etwa nach Art. 21 GO zur Zulassung zu einer gemeindlichen Einrichtung – bestehenden Einschätzungsspielraums der Behörde lediglich darauf beschränkt zu überprüfen, ob die Bewertung nachvollziehbar und schlüssig erfolgte, d.h. ob die Beurteilung aufgrund zutreffender Tatsachen erfolgt ist, ob gegen Denkgesetze oder allgemein gültige Wertmaßstäbe verstoßen worden ist, ob sachwidrige Erwägungen angestellt oder ob Verfahrensfehler gemacht worden sind. Das Verwaltungshandeln der auswählenden Behörde muss dabei transparent und nachvollziehbar sein und zwar sowohl im Hinblick auf die Kriterien, von denen sich die Behörde bei der Auswahlentscheidung leiten lässt, als auch für den konkreten Auswahlvorgang selbst (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2013 – 22 CE 13.970 – juris Rn. 31; BayVGH, U.v. 11.11.2013 – 4 B 13.1135 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 12.7.2011- 4 CS 11.1200 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 27.2.2006 – 6 S 1508/04 – juris Rn. 22).
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2.1.1. Das von der Antragsgegnerin maßgeblich herangezogene Auswahlkriterium der „geringsten Verkehrsbeeinträchtigung“ ist transparent kommuniziert worden und ist vor dem Hintergrund des § 29 StVO sachgerecht. Nach den insoweit einschlägigen Richtlinien für Veranstaltungen auf öffentlichem Verkehrsgrund vom 18. Oktober 2017, zuletzt geändert am 23. Oktober 2019, (VRL) der Antragsgegnerin, die unter Ziffer 8.3 für die Durchführung einer Marathon-Veranstaltung Sonderregelungen enthält, entscheidet bei einer Konkurrenzsituation die „Qualität und Aussagekraft des eingereichten Verkehrskonzepts“. Bei mehreren gleich vertretbaren Konzepten entscheidet das Los. Demgemäß bestimmen die veröffentlichten Bewerbungsbedingungen gleichlautend: „Sollten bis zum genannten Termin mehrere Konzepte vorgelegt werden, entscheidet die Qualität und Aussagekraft des eingereichten Verkehrskonzeptes. Bei mehreren gleich vertretbaren Konzepten entscheidet das Los.“
76
Dass die „verkehrliche Vertretbarkeit“ eines eingereichten Konzepts ein sachgerechtes Kriterium ist, ergibt sich einerseits, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, aus dem Sinn und Zweck des hiesigen Verfahrens, das auch im Bescheidstenor zum Ausdruck kommt, nämlich im Vorfeld des Antragsverfahrens auf Erlangung einer straßenverkehrsrechtlichen Sondernutzungserlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO im Falle einer Konkurrenzsituation eine Auswahl zu treffen, da für die Auflösung der Konkurrenzsituation § 29 Abs. 2 StVO selbst keine Entscheidungsmaßstäbe bietet, jedoch verkehrliche Belange die entscheidende Rolle spielen müssen, wo es auf rechtlicher Ebene ausschließlich um die Erlangung einer straßenverkehrsrechtlichen Sondernutzungserlaubnis geht und nur eine Veranstaltung pro Jahr ermöglicht wird. Außerdem ergibt sich das Kriterium der verkehrlichen Vertretbarkeit aus C.I. 2 der VRL, wonach auf öffentlichem Verkehrsgrund nur solche Veranstaltungen durchgeführt werden dürfen, die verkehrlich vertretbar sind. Die veröffentlichten Ausschreibungsbedingungen legen dies ebenfalls nahe, indem schon anhand der Gesamtschau der geforderten Unterlagen und zu übermittelnden Informationen ersichtlich ist, dass es für den Erfolg einer Bewerbung wesentlich auf die Frage ankommt, inwieweit der öffentliche Straßenverkehr durch ein Laufstreckenkonzept in räumlicher und zeitlicher Hinsicht beeinträchtigt wird. Die Anwendung dieses Kriteriums war auch der Antragstellerin seit Jahren bekannt. Insoweit ist es auch nicht zu beanstanden, dass das MOR als beteiligte Fachdienststelle als konkretisierende Unterkriterien das räumliche und zeitlichen Ausmaß der Sperrungen und die Auswirkungen auf den ÖPNV zur Grundlage seiner Prüfung gemacht hat. Dass dieses Kriterium, konsequent umgesetzt, möglicherweise dazu führen kann, dass die Marathon-Veranstaltung in M. aus der Innenstadt langfristig in deutlich unattraktivere Randbereiche abgedrängt werden kann, weil hier die Verkehrsbeeinträchtigungen typischerweise geringer sind, hat die Kammer bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung angedeutet, hat aber zumindest entscheidungserheblich für das Gericht keine rechtliche Relevanz.
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2.1.2. Unter Anlegung dieses sachgerechten und den beteiligten Konkurrenten bekannten Maßstabs verstößt es gegen den Gleichheitssatz, dass die Antragsgegnerin die Beigeladene ausgewählt und die Antragstellerin nicht weiter berücksichtigt hat. Denn nach dem selbstgewählten Beurteilungsmaßstab der „verkehrlichen Vertretbarkeit“ dürften die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen gleich vertretbar gewesen sein, so dass gerade nach den eigenen Vorgaben der Antragstellerin ein Losverfahren zwischen den Beteiligten durchzuführen ist. Die Etablierung des Beurteilungsmaßstabs der „verkehrlichen Vertretbarkeit“ mit Einführung eines Losverfahrens bei „gleicher“ verkehrlicher Vertretbarkeit hat demnach ermessensbeschränkende Wirkung, indem bei mehreren gleich vertretbaren Konzepten die Antragsgegnerin gerade nicht nach freiem Ermessen entscheiden muss, sondern ein Losverfahren genügt.
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In seiner ausführlichen Stellungnahme vom 12. Juli 2024 führte das MOR hierzu zusammenfassend aus, dass alle eingereichten Konzepte mit einer sehr hohen Qualität in den Antragsunterlagen überzeugten. Aus Sicht des MOR seien alle (ursprünglich) drei Konzepte geeignet, eine Marathon-Veranstaltung in M. durchzuführen. Letztendlich spreche sich das MOR für die Streckenvariante der Bewerberin 3 (die später ausgeschlossene dritte Konkurrentin) aus. Ihr Konzept sei aufgrund der deutlich reduzierten Nutzung des Verkehrsraums in der Streckenkonzeption im Vergleich zu den Mitbewerberinnen aus rein verkehrlicher Sicht wegen seiner Kompaktheit zu bevorzugen (S. 25). In dieser Stellungnahme wurde damit neben der eindeutigen Bevorzugung der Bewerberin 3 gerade nicht dem Konzept der Beigeladenen der Vorzug vor dem Konzept der Antragstellerin gegeben, eine Vergabe der „Plätze 2 und 3“ fand gerade nicht statt. In den weiteren ergänzenden Stellungnahmen des MOR, erstmals vom 29. November 2024 (Bl. 423 der BA), führte das MOR, nunmehr in Ansehung der verbleibenden Streckenkonzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen (nachdem die ursprünglich favorisierte Mitkonkurrentin ausgeschlossen werden sollte) zwar aus, dass sich Vorteile für die Beigeladene im Bereich der Maxvorstadt, des Zugangs zum Englischen Garten sowie im Osten der Laufrunde (Werksviertel) ergäben. In weiteren Stellungnahmen vom 15. Januar 2025 (Bl. 506 BA) und 3. Februar 2025 (Bl. 587 BA) ging das MOR im Wesentlichen lediglich auf Einwände der Antragstellerin insbesondere zur Betroffenheit der Altstadt und des Hackenviertels im Streckenkonzept der Beigeladenen ein. Es seien „alle drei eingereichten Konzepte als mindestens ausreichend bzw. qualitativ hochwertig anzusehen gewesen“. Damit hat das MOR für das KVR ersichtlich gerade keine eindeutige und zweifelsfreie Entscheidung zugunsten der Beigeladenen getroffen, sondern aus seiner Sicht gerade deutlich gemacht, dass beide Konzepte verkehrlich „gleich vertretbar“, also gemäß dem allgemeinen sowie auch dem engeren juristischen Sprachgebrauch „annehmbar“, „akzeptabel“ sind. Somit durfte und musste auch das Kreisverwaltungsreferat der Antragsgegnerin mangels abweichender Erkenntnisse von der gleichen Vertretbarkeit der Konzepte ausgehen, soll für das in den eigenen Veranstaltungsrichtlinien vorgesehene Losverfahren überhaupt noch ein sinnvoller Anwendungsbereich verbleiben. Denn dass zwei Verkehrskonzepte derart identisch sind, dass zwischen ihnen schlechterdings nicht mehr unterschieden werden kann, so dass ein Losverfahren zwingend würde, wird realistisch kaum jemals der Fall sein. Wenn also die Antragsgegnerin selbst auf die „gleiche Vertretbarkeit“ des Verkehrskonzepts abstellt und für diesen Fall ein Losverfahren vorsieht und genügen lässt, muss sie sich auch daran festhalten lassen.
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Dem ersten Hilfsantrag auf dessen umgehende Durchführung war daher stattzugeben.
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Das Losverfahren dürfte sich allerdings erübrigen, sollten sich alle drei Beteiligten der Anregung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung folgend noch dahingehend einigen können, dass (ausnahmsweise) Antragstellerin und Beigeladene je (nur) eine der Veranstaltungen 2025 und 2026 organisiert, aus organisatorischen Gründen tunlichst die Beigeladene im Jahr 2025, die Antragstellerin im Jahr 2026.
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2.2. Über die weiter hilfsweise gestellten Anträge war wegen des Erfolgs des ersten Hilfsantrags nicht mehr zu entscheiden.
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2.3. Der Hauptantrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin im Auswahlverfahren zur Durchführung einer Marathon-Veranstaltung in den Jahren 2025 und 2026 anstelle der Beigeladenen den Zuschlag für die Marathonveranstaltung 2025 zu erteilen und (nur) die Antragstellerin im Antragsverfahren nach § 29 Abs. 2 StVO weiter zu berücksichtigen, war dagegen abzulehnen.
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2.3.1. Ein Anspruch auf Zuschlagserteilung an die Antragstellerin und deren Weiterberücksichtigung dürfte nicht deshalb gegeben sein, weil die Beigeladene zwingend vom Verfahren hätte ausgeschlossen werden müssen mit der Folge, dass dann alleine die Bewerbung der Antragstellerin übriggeblieben und ihr der Zuschlag schon deshalb notwendig zu erteilen gewesen wäre. Der Argumentation der Antragstellerin diesbezüglich folgt die Kammer nicht und verweist zur Begründung auf die Ausführungen hierzu in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, der es folgt und auf die sie insoweit Bezug nimmt (§ 117 Abs. 5 VwGO entsprechend).
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Ergänzend wird lediglich in Würdigung der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung das Folgende ausgeführt:
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Der Beigeladenen kann die erforderliche Zuverlässigkeit nicht schon mit dem Hinweis abgesprochen werden, sie besäße nicht die notwenige Erfahrung mit Marathonveranstaltungen. Gemäß den für Veranstaltungen geltenden allgemeinen Voraussetzungen in C.I.1 der VRL müssen Veranstalter, die eine Veranstaltung durchführen möchten, die Gewähr dafür bieten, dass sie ihre Veranstaltung entsprechend den behördlichen Auflagen, Bedingungen und einschlägigen Vorschriften durchführen. Bezüglich Marathon-Veranstaltungen im Speziellen gilt nach den VRL, dass, „soweit Erfahrungen mit der Durchführung solcher Veranstaltungen im Rahmen der Prüfung der persönlichen Zuverlässigkeit von Bedeutung sind, diese als Grundvoraussetzung einfließen“. Mit dieser – freilich undeutlichen und auslegungsbedürftigen – Formulierung wird aber nicht verlangt, dass die Durchführung von Marathon-Veranstaltungen in der Größenordnung des München Marathon zwingende Voraussetzung für die Bejahung der persönlichen Zuverlässigkeit des Bewerbers ist. Eine restriktive Auslegung der besagten Formulierung, die aus Gründen der Gleichbehandlung notwendig erscheint, um neuen Bewerbern nicht über Gebühr den Zugang zur Möglichkeit der Durchführung der MarathonVeranstaltung zu erschweren, ergibt, dass im Rahmen der Gesamtabwägung bzw. bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit das Kriterium „bekannt und bewährt“ zwar zugunsten des erfahrenen Bewerbers durchaus berücksichtigt werden darf. Ein Ausschluss eines Neubewerbers ist damit aber mangels einer vorgegebenen Monopolstellung des alten Veranstalters nicht verbunden. Die Beigeladene hat im Übrigen ihre Erfahrungen mit anderen Großveranstaltungen in Person ihrer Geschäftsführer ausreichend nachgewiesen (vgl. die Nachweise im Schriftsatz der Beigeladenen vom 10. April 2025).
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Auch das Einverständnis der O. GmbH im Sinne der Bewerbungsunterlagen für die Veranstaltung der Beigeladenen liegt vor. Die Zustimmung für die Beigeladene vom 15. Februar 2024 unterscheidet sich nach Form und Inhalt nicht wesentlich von der der Antragstellerin erteilten (vgl. jeweilige Bewerbungsunterlagen, Konvolut Anlagen). Die Berechtigte hat der Beigeladenen nämlich (in persona ihres jetzigen Geschäftsführers … S* …, der damals Geschäftsführer der „…“ war, einer Gesellschaft, die wiederum in die Organisation der Veranstaltung eingebunden ist, vgl. Bewerbungsunterlagen der Beigeladenen, Konzeptübersicht) allgemein ihre Zustimmung für die Veranstaltung der Art nach (Marathon-Veranstaltung) gegeben, wobei Einzelheiten wie die Nutzung der Olympiahalle als Details damals noch außen vor bleiben durften. „Essentiale negotii“ war dabei offenbar gerade nicht die Rechtsform der Anfragenden, sondern die Veranstaltung an sich sowie die für den zukünftigen Veranstalter handelnde – offenbar der Olympiapark München bekannte („… …“) – Person. Der Sinn und Zweck der Vorlage des Nachweises des Einverständnisses des Eigentümers von Privatgrund, frühzeitig sicherzustellen, dass die Veranstaltung nicht an einem privatrechtlichen Veto bezüglich der Laufstrecke scheitert, wurde dadurch voll und ganz erfüllt.
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Weiter spielt die Frage, ob das Konzept der Beigeladenen gefährdungsfrei durchführbar ist, entgegen der Ansicht der Antragstellerin (noch) keine Rolle. Wie die Antragsgegnerin überzeugend darlegt, ist das konkrete Sicherheitskonzept (wie die Jahre zuvor schon) zeitlich nachrangig im Genehmigungsverfahren nach § 29 Abs. 2 StVO zu prüfen und Gefahrenlagen ggf. durch konkrete Auflagen zu begegnen. Anders wäre dies nach Ansicht der Kammer nur, wenn von Vornherein feststünde, dass aufgrund nicht behebbarer rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse die Streckenführung, so wie geplant, schlechterdings nicht durchführbar wäre. Dann bestünde die Gefahr, dass sich ein Bewerber durch die Vorlage eines Konzepts, das zwar den Verkehr wenig beeinträchtigt, dessen Durchführbarkeit aber utopisch ist, den Zuschlag erschleicht. Dies ist aber, wie die Antragsgegnerin zurecht darlegt, beim Konzept der Beigeladenen nicht der Fall. Denn die Nutzung der S. Straße als Teil der Laufstrecke ist nicht von vornherein und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen.
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2.3.2. Ein Anspruch auf Zuschlagserteilung an die Antragstellerin und deren Weiterberücksichtigung dürfte auch nicht deshalb gegeben sein, weil selbst bei Anwendung des Kriteriums der geringsten Verkehrsbeeinträchtigung dem Konzept der Antragstellerin der Vorzug gegeben werden müsste. Dass dies nicht eindeutig der Fall ist, sondern wegen gleicher Vertretbarkeit der jeweiligen Konzepte zu einem Losverfahren führt, wurde bereits oben dargelegt.
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2.3.3. Schließlich ist es nicht fehlerhaft, wenn die Antragsgegnerin in der Auswahlentscheidung unberücksichtigt gelassen hat, dass die Antragstellerin nunmehr seit 25 Jahren den München Marathon ausrichtet und ihre wirtschaftliche Existenz nach ihrem Vortrag vollständig von dieser Veranstaltung abhängig gemacht hat. Auch wenn es wohl zumindest in dieser Allgemeinheit unzutreffend ist, dass grundrechtliche Belange im Rahmen des (späteren) Erlaubnisverfahrens nach § 29 Abs. 2 StVO keine Rolle spielen, da hier eine Abwägungsentscheidung zu treffen ist, bei der straßenverkehrsrechtliche Belange mit denen des Antragstellers und damit auch mit seinen Grundrechten abzuwägen sind (vgl. MüKoStVR/Sauthoff, StVO § 29 Rn. 54), muss es wenigstens im hier streitgegenständlichen vorgelagerten Auswahlverfahren aus Gründen der Gleichbehandlung unberücksichtigt bleiben, dass die Antragstellerin bei Auswahl eines anderen Bewerbers in ihrem Bestand gefährdet ist. Denn ein Bestandschutz zugunsten des bisherigen Veranstalters ergibt sich weder aus der VRL noch aus den veröffentlichten Bewerbungsbedingungen.
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Der Hauptantrag war daher abzulehnen.
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO und bezüglich der Beigeladenen aus § 154 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Kammer hält in diesem Rahmen einen Hauptsachstreitwert in Höhe von 50.000 EUR angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung des Zuschlags für die Antragstellerin für angemessen.