Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.07.2025 – 10 CS 25.690
Titel:

sachverständige Feststellung der Kampfhundeeigenschaft, Haltungsuntersagung und Abgabepflicht, konkrete Gefahr durch freilaufende Kampfhunde für Passanten, Anordnung von Leinen- und Maulkorbpflicht

Normenketten:
LStVG Art. 18, Art. 37 Abs. 1 und 2
KampfhundeV § 1 Abs. 1
Leitsatz:
Besteht die Verpflichtung eines Hundehalters, einen Kampfhund im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV an eine berechtigte Person abzugeben, kann in der Regel vorläufig ein Leinen- und Maulkorbzwang insbesondere für den Innenbereich einer Gemeinde angeordnet werden.
Schlagworte:
sachverständige Feststellung der Kampfhundeeigenschaft, Haltungsuntersagung und Abgabepflicht, konkrete Gefahr durch freilaufende Kampfhunde für Passanten, Anordnung von Leinen- und Maulkorbpflicht
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 19.03.2025 – W 9 S 25.343
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16935

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Die Antragstellerin beansprucht vorläufigen Rechtsschutz gegen die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 5. Februar 2025 unter Anordnung des Sofortvollzugs verfügte Untersagung der Haltung und Abgabe von zwei Hunden (Nr. 1), verbunden mit einer – bis zur Abgabe der Hunde geltenden – Beschränkung der zum Ausführen berechtigten Personen (Nr. 2), der Anordnung einer Anlein- und Maulkorbpflicht (Nr. 3) sowie Zwangsgeldandrohungen zu den Verpflichtungen aus Nr. 1 (Nr. 4) sowie zu Nr. 2 und 3 des Bescheides (Nr. 5). Mit ihrer Beschwerde verfolgt sie ihr Rechtsschutzbegehren weiter, nachdem das Verwaltungsgericht ihrem Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nur gemäß Nr. 5 des Bescheides stattgegeben, diesen im Übrigen jedoch abgelehnt hat.
2
1. Die Beschwerde betrifft nicht die Zwangsgeldandrohung in Nr. 5 des Bescheides; die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wurde diesbezüglich im angefochtenen Beschluss bereits angeordnet. Zwar bezieht sich der Antrag in der Beschwerdeschrift vom 3. April 2025 ausdrücklich auch auf diese Regelung. Die Beschwerde wäre jedoch insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnis offensichtlich unstatthaft; auch enthält die Beschwerdebegründung vom 17. April 2025 keine Ausführungen zu Nr. 5. Insgesamt kann die Beschwerde entgegen ihres Wortlauts dahin ausgelegt werden (§ 88 VwGO analog), dass sie diese Zwangsgeldandrohung nicht betrifft.
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2. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Die innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Senat beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Aufhebung oder Abänderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts. Aus ihnen ergibt sich nicht, dass die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin zu treffende Abwägungsentscheidung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
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Die von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO geforderte Darlegung der Beschwerdegründe erfordert innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat (BayVGH, B.v. 29.4.2020 – 10 ZB 20.104 – juris Rn. 3), wobei „darlegen“ schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis, sondern so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ bedeutet (BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – juris Rn. 3 m.w.N.).
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a) Das Verwaltungsgericht (Beschlussabdruck – BA S. 14 f.) hat zutreffend festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. 6 des Bescheides) den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend konkret und einzelfallbezogen begründet hat.
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Der dabei vom Verwaltungsgericht angewandte Prüfungsmaßstab entspricht der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung. Danach bedarf es einer schlüssigen‚ konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen‚ warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Fall ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und demgegenüber das Interesse des Betroffenen am Bestand der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsmittels ausnahmsweise zurückzutreten hat. Andererseits sind an dieses Begründungserfordernis inhaltlich keine allzu hohen Anforderungen zu stellen; es genügt vielmehr eine schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 15.1.2024 – 10 CS 23.1873, 10 CE 23.1874 – juris Rn. 12).
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Entgegen dem Beschwerdevorbringen wird in der Begründung des Sofortvollzugs (S. 9 des angefochtenen Bescheids) mit dem Vorfall vom 24. Januar 2025 ein konkreter Sachverhalt zum Beleg dafür herangezogen, dass von den von der Antragstellerin gehaltenen zwei Hunden eine erhebliche Gefahr ausgeht. Die Frage, inwiefern die der Vollzugsanordnung zugrundeliegenden Bewertungen materiell-rechtlich tragfähig sind, stellt sich im Rahmen der formellen Begründungspflicht nicht. Inwiefern die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Übrigen unrichtig sein könnten, legt die Antragstellerin nicht dar und ist auch sonst nicht ersichtlich.
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In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Behauptung in der Beschwerdebegründung, im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sei trotz Antrag keine Akteneinsicht gewährt worden, nicht zutrifft; ausweislich der Gerichtsakte wurden die Akten der Antragsgegnerin und der Stadt Karlstadt dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am 10. März 2025 elektronisch übermittelt.
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b) Die von der Antragsgegnerin verfügte Untersagung der Hundehaltung und die Verpflichtung, die zwei Hunde an eine berechtigte Person abzugeben (Nr. 1 des Bescheides vom 5.2.2025), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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aa) Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, die zwei Hunde der Antragstellerin ließen sich mit hinreichender Sicherheit als Kampfhunde im Sinne des § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 (GVBl. S. 268), geändert durch Verordnung vom 4. September 2002 (GVBl. S. 513, 583) – im Folgenden: KampfhundeV – einordnen, wird durch die Beschwerdebegründung nicht substantiiert in Frage gestellt.
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Die Antragstellerin wendet sich nicht konkret gegen die Rechtsgrundsätze, die das Verwaltungsgericht in Einklang mit der im angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BA S. 17 f.) angewandt hat. Danach kann bei fehlendem Abstammungsnachweis die Rasse der betreffenden Hunde grundsätzlich nach dem äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp), insbesondere Größe, Körperbau, Kopfform etc., bestimmt werden. Nur, wenn die phänotypische Rassebestimmung nicht zuverlässig möglich ist, ist sie nach den drei Zuordnungskriterien Phänotyp, Wesen und Bewegungsablauf vorzunehmen; die Zuordnung eines Hundes zu einer Rasse ist in diesem Fall nur möglich, wenn alle drei Zuordnungskriterien gleichzeitig erfüllt sind. Zur Absicherung der gutachterlichen Beurteilung kann ergänzend auf ein DNA-Gutachten abgestellt werden; allein das Ergebnis eines DNA-Tests lässt dagegen noch keine hinreichend valide Rassezuordnung zu (BayVGH, B.v. 8.3.2023 – 10 CS 22.2549, 10 C 22.2548 – juris Rn. 10; B.v. 14.5.2019 – 10 CS 19.230 – juris Rn. 7 f.; B.v. 2.4.2019 – 10 CS 19.277 – juris Rn. 16 f.; vgl. auch Nr. 37.3.1.3 und 37.3.1.5 VollzBekLStVG v. 13.1.2025 – BayMBl. 2025 Nr. 39).
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Das Verwaltungsgericht hat seine Bewertung zur Bestimmung der Rasse vorliegend auf das Sachverständigengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vom 11. November 2024 gestützt, der ergänzend ein DNA-Gutachten herangezogen hat (BA S. 18 ff.). Der Gutachter hat aufgrund einer phänotypischen Bewertung festgestellt, dass beide Hunde der Antragstellerin mit hinreichender Sicherheit den Rassen „Pitbull Terrier“ bzw. „American Staffordshire Terrier“ zuzuordnen seien. Die Gentests haben die gutachterliche Rassezuordnung anhand des Phänotyps bestätigt; bei beiden Hunden wurde jeweils ein Rasseanteil von gut 70 Prozent „American Staffordshire Terrier“ ermittelt.
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Die Antragstellerin stellt die gutachterliche phänotypische Zuordnung nicht konkret in Frage. Soweit sie auf ein freundliches, temperamentvolles und nicht aggressives Wesen und Verhalten der Tiere abstellt, ist dieser Vortrag im Hinblick auf die bereits eindeutig mögliche phänotypische Bestimmung nicht entscheidungserheblich, worauf das Verwaltungsgericht (BA S. 22) entsprechend den oben genannten Rechtsgrundsätzen zurecht hinweist.
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Die von der Antragstellerin beauftragten Gentests allein können die Ergebnisse der phänotypischen Begutachtung per se nicht durchgreifend in Frage stellen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht (BA S. 21) schlüssig aufgezeigt, dass die Testergebnisse nicht aussagekräftig sind. So ist etwa nicht nachvollziehbar, weshalb für einen Hund eine Übereinstimmung mit der Rasse „American Staffordshire Terrier“ von 49 Prozent, für den anderen dagegen von unter 30 Prozent ermittelt wurde, obwohl beide nach Angaben der Antragstellerin aus demselben Wurf stammen sollen. Auch hat das Verwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass Zuordnungswahrscheinlichkeiten zwischen 40% und 60% für Hunde, bei denen ein Elternteil reinrassig ist, erwartet werden und (nur) eine Zuordnungswahrscheinlichkeit von weniger als 30% bedeutet, dass es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit weder um einen reinrassigen Hund dieser Rassen noch um einen Mischling der F1-Generation handele (vgl BayVGH, B.v. 8.3.2023 – 10 CS 22.2549 – juris Rn. 13). Die Antragstellerin ist dem nicht substantiiert entgegengetreten.
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Das Verwaltungsgericht hat zurecht auch die von der Antragstellerin zitierten knappen und nicht nachvollziehbar begründeten Aussagen von Herrn M. nicht als substantiierte Einwände gegen das Sachverständigengutachten vom 11. November 2024 angesehen. Dies folgt im Übrigen auch schon aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Aussage des Herrn M. selbst, es sei nicht seine Aufgabe gewesen, die Hunde zu phänotypisieren.
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bb) Die demnach für die Hundehaltung gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG erforderliche Erlaubnis kann der Antragstellerin nicht erteilt werden; der zutreffenden Bewertung des Verwaltungsgerichts (BA S. 23), es fehle bereits an der Erteilungsvoraussetzung eines berechtigten Interesses an der Haltung von Kampfhunden (Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG), tritt die Beschwerdebegründung nicht entgegen. Die Frage nach der Zuverlässigkeit der Antragstellerin als weitere Erteilungsvoraussetzung einer Haltererlaubnis ist nicht mehr entscheidungserheblich.
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c) Das Verwaltungsgericht hat zurecht angenommen, dass auch die Anordnungen in Nr. 2 und 3 des Bescheides rechtmäßig sind.
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aa) Die Anordnung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids genügt dem Bestimmtheitsgrundsatz gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Dem widerspricht nicht, dass naturgemäß erst im Einzelfall festgestellt werden kann, ob die jeweilige Person zum Ausführen der Hunde ausreichend kräftig und zuverlässig ist, um die Hunde auch körperlich sicher beherrschen zu können.
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bb) Das Verwaltungsgericht hat seiner Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer Anordnung gemäß Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LStVG vorliegen, die hierzu in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt (BA S. 26 bis S. 28). Die Beschwerdebegründung hat diese nicht in Frage gestellt.
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cc) Die Bewertung im angefochtenen Beschluss (BA S. 28 ff.), von den Hunden der Antragstellerin gehe eine konkrete Gefahr im Sinne Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LStVG aus, wird von der Antragstellerin nicht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO substantiiert in Frage gestellt.
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Die Antragstellerin trägt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe seine Bewertung nicht auf hinreichend konkrete und belegte Vorfälle gestützt. Keiner der angeblichen Vorfälle belege zudem, dass von den Hunden der Antragstellerin eine konkrete Gefahr für Menschen und Tiere ausgehe. Aufgrund der Aussage eines Zeugen vom 22. Mai 2024 bezüglich eines Vorfalles auf einem Radweg sei nicht nachvollziehbar, was letztlich konkret passiert sein und welche Gefahr für den Fahrradfahrer bestanden haben solle. Was den weiteren vermeintlichen Vorfall in den Weihnachtsferien 2024 betreffe, so behaupte der Zeuge, dass einer der beiden Hunde der Antragstellerin frei auf der Straße gelaufen sei und der Zeuge Angst gehabt habe, dass dieser Hund sich quer über die Wiese in seine Richtung bewege. Woraus konkret sich diese Angst ergeben solle, sei nicht ersichtlich. Der einzige nachweisliche Vorgang sei der Beißvorfall mit einem Wildschwein, dem dessen Angriff auf die Antragstellerin und ihre beiden Hunde vorangegangen sei. In keinem einzigen Fall sei es zu direkten Angriffen durch die beiden Hunde oder gar zu Beißattacken gegenüber Menschen oder Tieren gekommen. Die geschilderten Abläufe seien vielmehr typische Abläufe, die auch anderen Hundehaltern mit anderen Hunden in dieser Größe passieren könnten und passierten. Ungehorsam sei bei Hunden trotz großer Anstrengung des Halters nie ganz auszuschließen. Die Antragstellerin habe ihre Hunde noch nie auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen lassen. Ebenso nicht aussagekräftig und zurückzuweisen sei die pauschale Behauptung, wonach die Antragstellerin angeblich nicht mit den Hunden gehe, sondern die Hunde würden diese hinter sich herziehen. Alleine die Größe der Hunde reiche nicht aus, um eine konkrete Gefahr anzunehmen. Die Hunde würden zwar gemeinsam ausgeführt, wie aber von der Antragstellerin geschildert, stets außerhalb des befriedeten Gemeindegebietes und schon gar nicht auf öffentlichen Wegen oder Plätzen. Bereits seit dem 24. Januar 2025 gebe es zudem keine Berichte über Vorfälle mehr.
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Mit diesem Vortrag wird die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nicht in Frage gestellt. Eine von den Hunden der Antragstellerin ausgehende konkrete Gefahr ist schon deshalb zu bejahen, weil es sich bei diesen gemäß den nachvollziehbaren Feststellungen im angefochtenen Beschluss um Kampfhunde im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV handelt. Der Verordnungsgeber hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl. VerfGH, E.v. 15.7.2004 – Vf. 1-VII-03 – VerfGHE 57, 84; E.v. 12.10.1994 – Vf. 16-VII-92, Vf. 5-VII-93- VerfGHE 47, 207) bestimmt, dass aufgrund der Rassezuordnung bei diesen Hunden unwiderleglich von einer gesteigerten Aggressivität und Gefährlichkeit gegenüber Menschen oder Tieren auszugehen ist (vgl. auch BVerfG, U.v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01 – juris Rn. 75).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, auf die sich das Verwaltungsgericht gestützt hat, liegt im Falle großer Hunde eine konkrete Gefahr (bereits) vor, wenn diese auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen, auch wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beiß- oder sonstigen Vorfällen gekommen ist. Denn bei frei umherlaufenden größeren Hunden kommt es jedenfalls häufig vor, dass unerfahrene oder ängstliche Personen in Angstzustände versetzt werden, was bereits als Beeinträchtigung der Gesundheit anzusehen ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 3.6.2022 – 10 CS 22.982 – juris Rn. 15; B.v. 29.4.2013 – 10 ZB 10.2523 – Rn. 12 jeweils m.w.N.). Viele Menschen bzw. Passanten gerade innerhalb geschlossener Ortschaften können das Verhalten von großen, freilaufenden Hunden mit hoher Beißkraft, Muskelkraft und hohem Gewicht zudem nicht richtig einschätzen, so dass es aus einer zu erwartenden angsterfüllten Begegnung zu unvorhersehbaren und unkontrollierten Kettenreaktionen mit erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit kommen kann (vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2011 – 10 B 10.2806 – juris Rn. 20).
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Die Hunde der Antragstellerin weisen zwar eine Schulterhöhe von „lediglich“ 47 cm bzw. 49 cm auf und erreichen damit knapp nicht das Kriterium von mindestens 50 cm Schulterhöhe, welches der Verwaltungsgerichtshof für die Annahme eines großen Hundes im vorstehenden Sinn als sachgerecht ansieht (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2021 – 10 NE 20.2831 – juris Rn. 51; B.v. 12.9.2001 – 24 N 00.1638 – juris Rn. 24; vgl. auch Nr. 18.1 VollzBekLStVG). Jedenfalls geht jedoch von ihnen wegen ihrer Eigenschaft als Kampfhunde im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV eine konkrete Gefahr insbesondere dann aus, wenn sie auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei umherlaufen (vgl. VerfGH, E. v. 25.6.2019 – Vf. 4-VII-17 – juris Rn. 52 m.w.N.; vgl. auch Wertung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG). Zwar kann grundsätzlich die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse für sich genommen mangels einer in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherten Prognose keine abstrakte oder konkrete Gefahr zu begründen (BayVGH, U.v. 9.6.2020 – 10 B 18.1470 – juris Rn. 40 m.w.N.). Anderes gilt jedoch wegen ihrer gesetzlich unwiderleglich vermutete Aggressivität und Gefährlichkeit für Kampfhunde im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV. Dies kann wiederum für einen Kampfhund im Sinne des § 1 Abs. 2 KampfhundeV anders zu beurteilen sein, wenn dieser den Wesenstest bestanden hat (vgl. BayVGH, U.v. 9.11.2010 – 10 BV 06.3053 – juris Rn. 30 f.).
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Unabhängig davon haben die Hunde der Antragstellerin in der Vergangenheit bereits bei zahlreichen Vorfällen insbesondere die psychische Gesundheit von Passanten beeinträchtigt, sodass auch insoweit die Annahme einer von ihnen ausgehenden konkreten Gefahr gerechtfertigt ist. Aus den im angefochtenen Beschluss geschilderten Vorfällen ergibt sich, dass laut Zeugenaussagen die Hunde der Antragstellerin nicht nur wiederholt ohne Leine in Bereichen mit erheblichem Publikumsverkehr gelaufen sind, sondern oftmals auch auf Passanten zugelaufen und diese massiv verängstigt haben. Demnach sind die Hunde der Antragstellerin z.B. gemäß einer Zeugenaussage am 22. Mai 2024 im Bereich eines öffentlichen Radwegs und davor bereits zwischen März und April 2024 ohne Leine gelaufen und verfolgten einen Radfahrer. Ein weiterer Bericht vom 23. Januar 2025 über ein häufigeres Freilaufen der Hunde in der Nachbarschaft der Antragstellerin betrifft den Zeitraum von Dezember 2024 und bis Januar 2025. Eine persönlich mit der Antragstellerin bekannte Zeugin berichtete über aggressives Verhalten der beiden Hunde gegenüber zwei Joggerinnen. Die Antragstellerin habe ihr zudem erzählt, dass sie ihre Hunde immer freilaufen lassen müsse, da sie die beiden nicht halten könne. Auch der Notiz der Antragsgegnerin vom 4. April 2024 sind derartige Beschwerden zu entnehmen. Die Antragstellerin hat nicht konkret aufgezeigt, welche der Aussagen aufgrund welcher nachprüfbarer Anhaltspunkten unzutreffend sein könnten. Sie hat sich auch nicht argumentativ mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (BA S. 34) zur (zu verneinenden) Frage auseinandergesetzt, ob ein bloßer Zeitablauf ohne weitere dokumentierte Vorfälle es rechtfertigen könnte, eine künftige Gefahr zu verneinen. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht bei seiner Gefahrenprognose (vorsorglich) auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgestellt (BA S. 35).
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dd) Die Verpflichtung der Antragstellerin, ihre Hunde nicht mehr selbst auszuführen, sondern dies nur ausreichend kräftigen und zuverlässigen Dritten zu überlassen (Nr. 2 des Bescheides), ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Aus den oben genannten Zeugenaussagen ergibt sich sehr deutlich, dass die Antragstellerin bei den jeweiligen Vorfällen nicht in der Lage war, ihre Hunde unter Kontrolle zu halten und sie durch Kommandos davon abzuhalten, Passanten anzulaufen und zu verfolgen. Dieser Befund wird zusätzlich bestätigt durch die Aussagen der Sachbearbeiterin des Polizeipräsidiums Unterfranken vom 24. Oktober 2024 und des Hundesachverständigen im Rahmen der Erstellung des Gutachtens vom 11. November 2024; aus diesen ergibt sich übereinstimmend, dass die Antragstellerin jeweils außerstande war, ihren Hunden Gehorsam abzuverlangen. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin wird die Einschätzung des Gutachters nicht dadurch in Frage gestellt, dass er die Hunde selbst als aufgeregt, aber freundlich und nicht aggressiv beschreibt; gerade in diesem Gemütszustand sollte es einem Hundehalter möglich sein, die Tiere zu kontrollieren. Der sinngemäße Einwand der Antragstellerin, es habe sich jeweils um eine psychisch belastende Situation im privaten Bereich gehandelt, entkräftet diese Feststellung nicht. Ein Hundebesitzer muss bei jeder alltäglichen Begegnung mit einem Dritten grundsätzlich in der Lage sein, sein Tier unter Kontrolle zu halten; dies gilt auch für die Situation eines Hausbesuchs durch eine dem Hund unbekannte Person. Aus den genannten Vorfällen ergibt sich auch deutlich, dass die Antragstellerin nicht nur dann die Kontrolle zu verlieren droht, wenn sie beide Hunde gleichzeitig ausführt. So hat z.B. bei den Vorfällen in den Weihnachtsferien 2024 und am 23. Januar 2025 jeweils ein freilaufender Hund nicht auf die Kommandos der Antragstellerin reagiert.
29
ee) Das Verwaltungsgericht hat die Anordnung eines Leinen- und Maulkorbzwangs sowie einer ausbruchsicheren Unterbringung (Nr. 3 des Bescheides) zurecht als rechtmäßig angesehen.
30
Die Antragstellerin wurde insoweit verpflichtet, ihre Hunde bis zur Abgabe außerhalb eingefriedeter Privatgrundstücke und innerhalb der im Zusammenhang bebauten sowie bewohnten Ortsteile bayernweit nur an einer maximal 1,50 Meter langen reißfesten Leine mit schlupfsicherem Halsband oder Geschirr sowie angelegtem Maulkorb zu führen. Außerhalb bebauten Gebiets sind, wenn sich eine oder mehrere Personen den Hunden nähern, die Hunde ab einem Abstand von 30 m zu der oder den sich nähernden Personen anzuleinen. Die Hunde müssen bis zur Abgabe auf dem Privatgrundstück ausbruchsicher untergebracht werden. Diese Anordnung genügt dem Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Insbesondere ist der räumliche Geltungsbereich in Abgrenzung des Innenbereichs, d.h. des Bereichs innerhalb einer Ortschaft bzw. im Zusammenhang bebauter Ortsteile, zum Außenbereich klar zum Ausdruck gebracht worden (BayVGH, B.v. 22.1.2024 – 10 ZB 23.1563 – juris Rn. 11). Die Antragstellerin hat dies auch nicht konkret in Zweifel gezogen.
31
Konkrete Gefahren, die von frei umherlaufenden großen Hunden oder Kampfhunden ausgehen, rechtfertigen grundsätzlich die Anordnung eines Leinenzwangs (vgl. Wertung des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 LStVG). Es kam vorliegend zudem wiederholt zu Vorfällen mit Passanten, bei denen mindestens ein Hund der Antragstellerin nicht angeleint war (vgl. oben c) cc)). Die Antragstellerin hat sich mit den betreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts (BA S. 37 f.) nicht substantiiert auseinandergesetzt.
32
Eine darüberhinausgehende kombinierte Leinen- und Maulkorbpflicht kann nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.2.2024 – 10 CS 24.190 – juris Rn. 14) auf der Grundlage von Art. 18 LStVG nur angeordnet werden, wenn dies im Einzelfall zur effektiven Gefahrenabwehr notwendig ist, wenn also ein bloßer Leinenzwang zur Abwehr der von dem konkreten Hund ausgehenden Gefahr nicht genügt. Dies ist der Fall, wenn ein Kampfhund im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumläuft, auch wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beiß- oder sonstigen Vorfällen gekommen ist. Dabei ist u.a. die bei diesen Kampfhunden erhöhte Beißkraft und eine damit erhöhte Verletzungsgefahr zu berücksichtigen. Auch besteht das Risiko, dass sich ein Kampfhund von der Leine losreißt bzw. trotz Leine zubeißt (vgl. VG Augsburg, B.v. 18.10.2022 – Au 8 S 22.1765 – unveröffentlicht Rn. 31). Beim „American Staffordshire Terrier“ besteht im Übrigen eine besondere Unverträglichkeit gegenüber anderen Hunden, aus der erhebliche Gefahren für andere Tiere, vor allem Hunde, bei Auseinandersetzungen aber auch für Menschen entstehen können (VerfGH, E.v. 12.10.1994 – Vf. 16-VII-92, Vf. 5-VII-93- VerfGHE 47, 207 Rn. 161; vgl. auch BayVGH, U.v. 19.3.2019 – 10 BV 18.1917 – juris Rn. 40). Im Hinblick auf den hohen Rang der betroffenen Rechtsgüter von Leib und Leben sind an die Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Insoweit ist auch von Bedeutung, dass durch Hunde der Rassen im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV Beißvorfälle mit tödlichem Ausgang und schweren Verletzungen verursacht worden sind. Es ist nicht vorhersehbar, unter welchen konkreten Umständen ein Hund dieser Rassen wie z.B. des „American Staffordshire-Terrier“ sich dem Einfluss des Halters entzieht und Menschen angreift (vgl. BVerfG, U.v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01 – juris Rn. 79).
33
Die Anordnung eines Leinen- oder Maulkorbzwangs stellt zwar im Hinblick auf den eindeutigen Willen des Gesetzgebers kein hinreichend geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr einer nicht erlaubten Kampfhundehaltung dar (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2019 – 10 CS 19.180 – juris Rn. 19). Das bedeutet jedoch nicht, dass die Anordnung nicht als vorläufige Maßnahme für den Zeitraum bis zur Abgabe des betreffenden Kampfhundes an eine berechtigte Person gerechtfertigt wäre.
34
Entgegen der Behauptung der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht nicht angenommen, der angefochtene Bescheid enthalte keine Ermessenserwägungen zur Erforderlichkeit einer zusätzlichen Maulkorbpflicht. Vielmehr wird im Beschluss (BA S. 38) ausgeführt, aus dem Bescheid ergebe sich (noch) hinreichend, dass die Antragsgegnerin insbesondere angesichts der gemeinsamen Haltung und Ausführung der beiden Hunde der Antragstellerin und der damit verbundenen Gefahrerhöhung sowie der durch die aktenkundigen Vorfälle insgesamt belegten Aktionsdynamik der beiden Hunde und den hierdurch hervorgerufenen Ängsten bei anderen Personen sowie eingetretenen Schäden bei Wild im Außenbereich einen kombinierten Leinen- und Maulkorbzwang zur effektiven Gefahrenabwehr als notwendig erachtet habe, wie es für eine solche Anordnung nach Art. 18 LStVG erforderlich sei. Mit diesen nachvollziehbaren Erwägungen und der Begründung für die Annahme des Verwaltungsgerichts (BA S. 38 f.), diese Maßnahme sei rechtlich nicht zu beanstanden, setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander.
35
Soweit die Antragstellerin ohne nähere Begründung behauptet, es habe in der Vergangenheit keine Ausbrüche ihrer Hunde von ihrem Grundstück gegeben, genügt dies nicht dem Darlegungsgebot gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO; sie setzt sich nicht mit den Ausführungen im angefochtenen Beschluss zu einem entsprechenden Vorfall am 23. Januar 2025 auseinander und zeigt insbesondere nicht auf, inwiefern sich dieser nicht wie geschildert ereignet haben sollte.
36
d) Das Verwaltungsgericht hat im Rahmen einer Interessenabwägung im Übrigen zutreffend festgestellt, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin deutlich überwiegt. Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei deren Hunden um Kampfhunde im Sinne des § 1 Abs. 1 KampfhundeV handelt und deshalb eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit besteht (BayVGH, B.v. 12.1.2016 – 10 CS 15.2239 – juris Rn. 18). Die von den Tieren ausgehende konkrete Gefahr hat sich zudem bereits mehrfach realisiert, insbesondere indem die Gesundheit von in Angst und Schrecken versetzten Passanten erheblich gefährdet bzw. beeinträchtigt wurde. Ferner bestand bereits seit der polizeilichen Anordnung 20. Juni 2024 eine Leinenpflicht und Verpflichtung zum Ausführen beider Hunde durch eine ausreichend kräftige und zuverlässige Person. Die Antragstellerin ist diesen Verpflichtungen nicht bzw. jedenfalls unzureichend nachgekommen; sie hat es ebenso über eine lange Zeit hinweg versäumt, auf die schwerwiegenden Vorfälle aus eigener Initiative Konsequenzen zu ziehen und die Wiederholungsgefahr soweit als möglich zu reduzieren. Das Interesse der Antragstellerin daran, die Hunde vorläufig zu behalten und den weiteren Anordnungen nicht Folge leisten zu müssen, ist demgegenüber von deutlich geringerem Gewicht.
37
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
38
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
39
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).