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VG Regensburg, Urteil v. 02.07.2025 – RN 11 K 23.2239
Titel:

Benutzungsgebühren, Inanspruchnahme

Normenketten:
KG Art. 21
DVAsyl § 22, § 23
Schlagworte:
Benutzungsgebühren, Inanspruchnahme
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16873

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger, afghanischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Heranziehung zu Unterkunftsgebühren für die Monate Februar bis November 2019.
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Die zentrale Gebührenabrechnungsstelle der Regierung von Unterfranken erließ am 10.11.2020 gegenüber dem Kläger Kostenbescheide für die Abrechnungsmonate Februar 2019 bis November 2019 für die Unterkunft KVB – LRA ... – … Diese Bescheide wurden mit Bescheid vom 16.08.2021 aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14.04.2021 (Az. 12 N 20.2529) zurückgenommen. Das gegen die Kostenbescheide vom 10.11.2020 am Verwaltungsgericht Regensburg geführte Klageverfahren (Az. RN 11 K 20.2855) wurde mit Beschluss vom 08.09.2021 eingestellt.
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Mit streitgegenständlichen Bescheiden vom 09.11.2023 setzte die zentrale Gebührenabrechnungsstelle der Regierung von Unterfranken für die Monate Februar 2019 bis November 2019 erneut Unterkunftsgebühren für die Unterkunft KVB – LRA ... – … wie folgt fest:
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Mit Schriftsatz vom 30.11.2023 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage gegen die Bescheide vom 09.11.2023 erheben. Eine Kostentragungspflicht des Klägers bestehe nicht, da er zu keinem Zeitpunkt Räumlichkeiten der staatlichen Unterkunft KVB – LRA …, genutzt habe. Der Kläger habe nie in dieser Einrichtung gelebt. Er hätte bis zum 31.07. oder 31.08.2018 eine 1-Zimmer-Wohnung in der …str. 37 in N1* … gemietet gehabt. Am 29.05.2018 habe er bereits zusammen mit seiner Lebensgefährtin, Frau …, im Haus Nr. 2 an der …straße in N2* …, eine Wohnung mit Wohnküche und zwei Zimmern gemietet. Das Mietverhältnis habe am 01.06.2018 begonnen. Am 14.02.2019 sei die gemeinsame Tochter zur Welt gekommen. Der Kläger habe sich in N2* … beim Einwohnermeldeamt anmelden wollen. Da das Asylverfahren jedoch noch nicht abgeschlossen gewesen sei, sei die Anmeldung nicht möglich gewesen. Die streitgegenständliche Unterkunft KVB – LRA ... – … sei ihm aus Verwaltungsgründen als „Wohnadresse“ in einer der dezentralen Unterkünfte zugewiesen worden. Die Zuweisung habe bis zur Umverteilung nach N2* … beigehalten werden sollen, bis also eine Anmeldung dort offiziell möglich gewesen sei. Seit 01.09.2020 lebe der Kläger zusammen mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter in E* …, …weg 22 II. Im Anwesen … gebe es lediglich Mehrbettzimmer. Mangels zur Verfügungstellung eines Zimmers könne auch keine Nutzungsgebühr gefordert werden. Insofern liege der Sachverhalt hier völlig anders als der Sachverhalt, der der Entscheidung des VG Bayreuth, Urteil v. 16.09.2002, Az. 3 K 01.597, zugrunde liege.
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Die Kläger lässt beantragen,
I.  Die Bescheide der Regierung von Unterfranken, Zentrale Gebührenabrechnungsstelle Bayern, vom 09.11.2023, mit den Zeichen
- BKZ: 322219015974 (Februar 2019)
- BKZ: 322219015983 (März 2019)
- BKZ: 322219015992 (April 2019)
- BKZ: 322219016009 (Mai 2019)
- BKZ: 322219016018 (Juni 2019)
- BKZ: 322219016027 (Juli 2019)
- BKZ: 322219016036 (August 2019)
- BKZ: 322219016045 (September 2019)
- BKZ: 322219016054 (Oktober 2019)
- BKZ: 322219016063 (November 2019) zugegangen am 14.11.2023, werden aufgehoben.
II.  Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Klägers.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
7
Der Beklagte sei vorliegend berechtigt, vom Kläger die Benutzungsgebühren zu erheben. Der Kläger sei für den streitgegenständlichen Zeitraum der staatlichen Unterkunft KVB LRA L.- … zugewiesen gewesen. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten habe er diese auch in Anspruch genommen. Der Kläger sei nach Angaben des Landratsamts ... im Besitz des Hauseingangsschlüssels und des Postkastenschlüssels für die Unterkunft gewesen. Ihm sei dort ein Zimmer zur Verfügung gestellt worden, sodass er die Möglichkeit gehabt habe, den ihm dort zur Verfügung gehaltenen Platz jederzeit im Zuweisungszeitraum zu belegen. Dies sei für eine Inanspruchnahme ausreichend (so auch in einem vergleichbaren Fall: VG Bayreuth, U. v. 16.09.2002 – 3 K 01.597). Diese Inanspruchnahme habe der Kläger auch nach außen kundgetan, indem er die Unterkunft nachweislich auch für den Postempfang in Anspruch genommen habe. So ergebe sich aus der Stellungnahme des Landratsamts ... sowie einer E-Mail der Kindsmutter, dass der Kläger den Briefkasten für den Empfang behördlicher Briefe genutzt habe (VG Bayreuth, U. v. 16.9.2002 – 3 K 01.597). Es werde beispielhaft auf das in der Behördenakte befindliche Schreiben vom 01.10.2019 verwiesen. Dieses behördliche Schreiben sei von der Regierung von Unterfranken an den Kläger in die Unterkunft versandt worden und nicht als unzustellbar zurückgekommen. Der Kläger sei auch auf die staatliche Einrichtung angewiesen gewesen, da ihm durch das Landratsamt ... eine Zustimmung zum Zuzug zur Kindsmutter (einstweilen) nicht erteilt worden sei. Dem Kläger sei daher seitens des Landratsamts ... lediglich gestattet worden, sich besuchsweise in der Wohnung der Kindsmutter aufzuhalten, bis über den Antrag auf Familiennachzug gem. § 28 AufenthG entschieden worden sei. Dass es für die Erhebung von Kosten für die Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung nicht auf eine dauerhafte, ununterbrochene Anwesenheit in der Unterkunft ankommen könne, zeige sich auch an § 26 DVAsyl. Demnach hindere auch eine vorübergehende Abwesenheit die Kostenpflicht nicht, insbesondere, wenn dem Kostenschuldner, so wie vorliegend, der Unterkunftsplatz weiter zur Verfügung gehalten werde. Auch zeige ein Vergleich des Wortlauts von Art. 21 KG i.V.m. § 22 DVAsyl zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 AsylbLG, dass es im Rahmen des Art. 21 KG i.V.m. § 22 DVAsyl für die Kostenpflicht nicht darauf ankommen könne, dass der Kläger die Leistungen auch tatsächlich entgegengenommen, somit tatsächlich in der Unterkunft gewohnt habe. So stelle der Wortlaut des Art. 21 KG i.V.m § 22 DVAsyl lediglich auf eine Inanspruchnahme ab, § 7 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 AsylbLG hingegen auf ein Erhalten, also der tatsächlichen Entgegennahme, der Leistung. Für die Inanspruchnahme genüge jedoch, anders als bei einem Erhalten der Leistung, dass dem Kläger die Unterkunft zur Verfügung gehalten worden sei, er diese hätte nutzen können, und dies auch nach außen kenntlich gemacht worden sei. Hätte der Verordnungsgeber auch im Rahmen des Art. 21 KG i.V.m. § 22 DVAsyl eine tatsächliche Entgegennahme der Leistung als erforderlich angesehen, so würde er dies in dem Wortlaut der Norm klargestellt und ebenfalls die Formulierung „erhaltene Leistungen“ gewählt haben. Dies habe er indes nicht getan. Der Kläger habe die Leistungen der Unterkunft, die ihm im Zuweisungszeitraum dauerhaft zur Verfügung gehalten worden seien, in Anspruch genommen und dies nach außen kenntlich gemacht. Der Kläger sei von der Kostenpflicht auch nicht gem. § 22 Abs. 2 DVAsyI befreit gewesen.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gerichtsakts und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) infolge des Einverständnisses der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist unbegründet. Die streitgegenständlichen Bescheide der Regierung von Unterfranken vom 09.11.2023 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage der Bescheide vom 09.11.2023 ist Art. 21 Kostengesetz (KG) i. V. m § 22 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetztes (Asyldurchführungsverordnung – DVAsyl). Danach werden für die Inanspruchnahme von staatlichen Einrichtungen gemäß §§ 4 und 5 und anderer gewährter Sachleistungen durch die zuständige Behörde – hier die Regierung von Unterfranken, § 28 Satz 1 DVAsyl – Kosten nach dieser Verordnung (Benutzungsgebühren) erhoben. Auf die Inanspruchnahme nimmt auch Art. 21 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 KG Bezug: Demnach schuldet Benutzungsgebühren, wer die Einrichtung in Anspruch nimmt.
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Zwischen den Parteien steht im Kern in Streit, ob der Kläger gebührenpflichtig ist, insbesondere, ob er die Unterkunft KVB LRA ... - … tatsächlich „in Anspruch genommen“ in o. g. Sinne hat. Der Kläger trägt insoweit vor, er habe nie in der genannten Einrichtung gewohnt.
12
Bei Gebühren wie den vorliegenden handelt es sich um nichtsteuerliche Abgaben, mit denen ein besonderer Vorteil abgegolten wird, der dem Abgabepflichtigen durch die Inanspruchnahme einer öffentlichen Leistung zukommt. Es kommt also nach Auffassung des erkennenden Gerichts darauf an, ob die Einrichtung tatsächlich genutzt worden ist, was sich bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs „Inanspruchnahme“ ergibt. Ob auch bei der Heranziehung zu einer Gebühr – wie bei einem Beitrag – die Möglichkeit der Inanspruchnahme ausreichend ist (in diese Richtung BVerwG, U. v. 25.07.2001 – 6 C 8.00 – juris Rn. 20), ist vorliegend nicht entscheidungserheblich, denn das Gericht geht vorliegend davon aus, dass der Kläger die o. g. Unterkunft tatsächlich in Anspruch genommen hat.
13
Zum einen hatte der Kläger nach den nicht bestrittenen Angaben des Beklagten einen Hauseingangs- und Postkastenschlüssel für die Unterkunft und zumindest den Briefkasten für den Empfang behördlicher Briefe benutzt. Dies ist ausreichend, um eine tatsächliche Inanspruchnahme der Einrichtung anzunehmen, selbst wenn – wie der Kläger vorträgt – er tatsächlich nicht in der Unterkunft gelebt hätte. Der gebührenauslösende Tatbestand der Inanspruchnahme ist bereits dann erfüllt, wenn nur ein Teil der Einrichtung in Anspruch genommen wird.
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Im Übrigen wäre, wenn man bereits die Möglichkeit der Inanspruchnahme (s. o.) ausreichen lassen würde, auch diese gegeben: Es bestehen seitens des Gerichts keine Zweifel, dass der Beklagte dem Kläger einen Platz in einem Zimmer in o. g. Unterkunft zur Verfügung gestellt und freigehalten hat. Dass es sich hierbei um kein Einzelzimmer handelte, ist unbeachtlich. § 23 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl zeigt, dass Gebühren auch erhoben werden können, wenn die Person in einem Mehrbettzimmer untergebracht ist (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 DVAsyl).
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Auf eine dauerhafte, ununterbrochene Anwesenheit in der Unterkunft kommt es – wie sich aus § 26 DVAsyl ergibt – nicht an. Nach § 26 Satz 1 DVAsyl sind die Kosten nach den §§ 23 und 24 auch bei vorübergehender Abwesenheit zu entrichten, solange das Nutzungsverhältnis fortbesteht. Nach § 26 Satz 2 DVAsyl gilt dies insbesondere, wenn der Unterkunftsplatz bzw. andere Sachleistungen weiter für den Kostenschuldner zur Verfügung gehalten wurden.
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Auch die Höhe der Gebühren ist rechtlich nicht zu beanstanden und wurde vom Kläger auch nicht näher bestritten. Sie richtet sich für die Monate März bis Oktober 2019 nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 DVAsyl in der bis 30.11.2023 gültigen Fassung und wurde für die Monate Februar und November 2019 anteilig gemäß § 27 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl berechnet.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.