Titel:
Fremdenverkehrsbeitrag, Besteuerungsgrundlagen, Schätzung, Vorteilssatz, Fremdenverkehrsquote
Normenkette:
KAG Art. 6
Schlagworte:
Fremdenverkehrsbeitrag, Besteuerungsgrundlagen, Schätzung, Vorteilssatz, Fremdenverkehrsquote
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16869
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger, der im Gemeindegebiet der Beklagten ein Geschäft u. a. für Sportartikel betreibt, wendet sich gegen die Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags für das Jahr 2016.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.08.2020 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger einen Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2016 in Höhe von 2.323,20 € fest. Zugrunde gelegt wurde dabei ein (geschätzter) steuerpflichtiger Gewinn von 72.600,00 €, ein Vorteilssatz von 40,00% und ein Beitragssatz von 8,00%.
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Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 03.09.2020 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts ... vom 16.12.2021 zurückgewiesen wurde. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen. Eine vom Kläger vorgelegte Kopie des Widerspruchsbescheids weist einen Eingangsstempel der Steuerberatung G. mit Datum 20.12.2021 auf. Das Empfangsbekenntnis (Bl. 2 der Behördenakte) der Steuerberatung, das mit „i. A. S. H. “ unterschrieben ist, ist auf den 20.01.2022 datiert.
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Mit bei Gericht am 19.01.2022 eingegangen Fax erhob der Kläger Klage. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass sich die Fremdenverkehrssituation in B. in den letzten 15 Jahren erheblich verändert habe. Früher sei B. ein namhafter und bekannter Ort gewesen, jetzt sei die Ortsmitte „ausgeblutet“. Von 1996 bis 2016 habe sich die Zahl der Tages- und Übernachtungsgäste um 60% reduziert. Dies ergebe sich aus den Kassenauswertungen des Klägers, nach denen es vor dem Jahr 2000 noch mehr als 60 zahlende Kunden, danach weniger als 20 Kassenbons gewesen seien. Dies liege u. a. daran, dass in den 90er Jahren das Haus zur Wildnis eröffnet worden sei. Durch diese dramatische Entwicklung des Ortes sei der Kläger seit 2005 gezwungen gewesen, das Geschäftsmodell mittels Umstrukturierung des Angebots zu ändern. In den Jahren 2015 und 2016 hätten sich die Umsätze deutlich in die übernachtungsschwächeren Monate verschoben, weshalb man es sich erlaubt habe, eine Reduzierung des Vorteilssatzes zu fordern. Der Umsatz im Jahr 2016 sei in den meisten Monaten nicht vom Tourismus bedingt und nur in den Monaten Februar und März stimme das Verhältnis der Übernachtungszahlen mit dem Verhältnis der Umsätze überein. In allen anderen Monaten differierten die Zahlen erheblich, sodass kaum ein Zusammenhang zwischen dem Fremdenverkehr und den Umsätzen zu erkennen sei. Zudem sei zu erwähnen, dass im November und Dezember die touristischen Einrichtungen wie die A. bergbahn, der Grenzbahnhof, das Eisenbahnmuseum und zahlreiche Restaurants im Ort gar nicht geöffnet hätten. In diesen Monaten würden jedoch sehr hohe Umsätze erzielt. Ferner sei der Umsatz 2016 überwiegend durch Stammkunden (80%) generiert worden. Zu diesen zählten auch Kunden aus Passau, Deggendorf, Landshut, Regensburg, Pilsen, Prag etc., die gezielt nur das Geschäft des Klägers aufsuchen würden, ohne touristische Angebote zu nutzen. Der Kläger sei für seine fachliche Beratung und sein jahrelang erworbenes „Knowhow“ im Sport- und Trachtenbereich über die Grenzen hinaus bekannt. Die Stammkunden würden gezielt einen Einkaufstag bei R. planen. Die Zuteilung des Vorteilssatzes der Beklagten sei nicht nachvollziehbar, da die aktuellen Zahlen klar darstellen würden, dass vor allem in Zeiten des Lockdowns, in dem keine Übernachtungen in B. möglich gewesen seien, trotzdem im Verhältnis ein größerer Umsatz erzielt worden sei. Im Jahr 2016 habe der Vater des Klägers, der Büroarbeiten für den Kläger erledigt habe, alle Umsätze handschriftlich festgehalten und insbesondere auch die nicht vom Fremdenverkehr bevorteilten Umsätze gesondert ausgewiesen. Mit diesen Unterlagen sei der Kläger auch bei der Gemeinde vorstellig geworden. Der Kläger habe persönlich bei der Kämmerin, Frau … H. , vorgesprochen und die Unterlagen zur Einsicht vorgelegt. Die Beklagte räume auch ein, dass der Kläger mit seinen persönlichen Unterlagen bei der Kämmerin vorstellig wurde und dass eine weitere Einsicht in die Ordner jedoch nicht vorgenommen worden sei. Dies könne jedoch dem Kläger nicht angelastet werden. Ferner würden Sportfachhändler aus umliegenden Orten des Bayerischen Waldes (Landkreis Regen, Freyung-Grafenau und Cham) mit höheren Übernachtungszahlen einen viel geringeren Vorteils- und Beitragssatz aufweisen.
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Mit Schreiben vom 24.03.2025 zeigte sich die Bevollmächtigte des Klägers als seine anwaltliche Vertretung an. Mit Schreiben vom 14.04.2025 teilte die Klägerseite mit, dass der Sachbearbeiter des Steuerbüros G. mitgeteilt habe, dass der Widerspruchsbescheid am 20.12.2021 zugestellt worden sei. Offenbar habe ein/e Mitarbeiter/in im Büro G. fehlerhaft als Eingangsdatum den 20.01.2022 statt des 20.12.2021 auf dem EB vermerkt. Ferner sei eine Vertretungsvollmacht zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens vom Kläger nicht erteilt worden, eine solche befinde sich auch nicht in der Akte. Es stelle sich daher die Frage, ob der Widerspruchsbescheid wirksam an den Kläger gemäß Art. 8 VwZVG zugestellt worden sei.
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Der Kläger sei Mitglied des Gemeinderats der Beklagten und habe daher im streitgegenständlichen Jahr, davor und danach immer wieder darauf hingewiesen, mehr für den Fremdenverkehr zu tun. Jedoch habe er in den Folgejahren nicht feststellen können, dass die eingenommenen Beiträge für den Fremdenverkehr wie behauptet verwendet würden. Mit Ausnahme einer sporadisch präparierten Langlaufloipe und ein paar Verweilbänken würden die Beiträge nicht für den vorgesehenen Zweck verwendet.
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Der Kläger lässt beantragen,
den Bescheid der Beklagten über Veranlagung zum Fremdenverkehrsbeitrag 2016 vom 13.08.2020 (Finanzadresse: …) in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts R. vom 16.12.2021 (Az.: …) aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Ausführungen des Klägers in der Klagebegründung seien weitgehend a priori nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung. Dass die geschäftliche Tätigkeit des Klägers typischerweise als solche einzustufen sei, die vom Fremdenverkehr profitiere, stelle der Kläger wohl selbst nicht in Abrede. Aus den Beobachtungen etwa der rückläufigen Übernachtungszahlen ziehe er jedoch im Verhältnis zum streitgegenständlich angesetzten Vorteilssatz nicht die richtigen Schlüsse. Die Behauptung, dass sich die Tagesgäste um 60% reduziert hätten, sei aus der Luft gegriffen und könne nicht nachvollzogen werden. Eine Einflussnahme der „dramatischen Entwicklung des Ortes“ auf den Vorteilssatz sei nicht plausibel. Ob die Behauptungen zur Zusammensetzung des Kundenkreises zuträfen, könne nicht nachvollzogen werden. Die der klägerischen Argumentation immanente Behauptung, dass Stammkunden niemals touristische Zwecke verfolgten bzw. touristische Angebote in Anspruch nähmen, sei lebensfremd. Es bestehe für diesen Kundenkreis die Möglichkeit, touristische Einrichtungen in der Gemeinde zu nutzen. Für das Gericht sei offengelegt, dass bei der Veranlagung für das Jahr 2014 noch ein Vorteilssatz von 60% zugrunde gelegt worden sei, der auf Widerspruch des Klägers hin von der Widerspruchsbehörde auf 40% reduziert worden sei. Klage sei hiergegen nicht erhoben worden. Bei der Veranlagung für 2015 sei erneut Widerspruch eingelegt worden mit dem Ziel, den Vorteilssatz auf 20% zu reduzieren. Nach entsprechenden Hinweisen der Widerspruchsbehörde sei der Widerspruch zurückgenommen worden. Für maßgeblich sei gehalten worden, dass die Schätzung des Vorteilssatzes auf Basis der Fremdenverkehrsquote erfolgen dürfe. Inwieweit hier aber ein unrichtiges Ergebnis erzielt worden sein sollte, lege die Klagebegründung nicht dar. Die Behauptung, am 28.01.2020 sei eine Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrags 2016 abgegeben worden, sei falsch. Zwar trage die Erklärung das Datum 28.01.2020, eingereicht worden sei sie allerdings erst am 11.09.2020 nach mehrmaliger Aufforderung zusammen mit dem Widerspruch. Auf dem Gebiet der Beklagten würden 247 Zweitwohnungen unterhalten, wobei die Inhaber überwiegend tschechische Bürger seien, die sich zu Erholungszwecken dort aufhielten und damit dem Tourismus zuzurechnen seien. Es erscheine auch unter Gesichtspunkten materieller Gerechtigkeit eine im Verhältnis zu 2014 nochmalige Änderung des Vorteilssatzes zugunsten des Klägers nicht geboten.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gerichtsakts, der vorgelegten Behördenakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Insbesondere wurde die Klage fristgerecht erhoben. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) muss die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Die Zustellung des Widerspruchsbescheids an die empfangsberechtigte Steuerberatung (hierzu 1.) erfolgte am 20.12.2021 (hierzu 2.), sodass die Frist gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO), 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 21.12.2021 zu laufen begann und gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 20.01.2022 endete. Die am 19.01.2022 bei Gericht eingegangene Klage wahrt demnach die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Die Zustellung des Widerspruchsbescheids richtet sich gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG).
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Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG können Zustellungen an den allgemeinen oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Bevollmächtigten gerichtet werden. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG sind sie an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Der Begriff der Bevollmächtigung ergibt sich dabei aus dem bürgerlichen Recht, insbesondere aus §§ 166 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Nach § 167 Abs. 1 BGB kann die Erteilung der Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem zu Bevollmächtigenden oder dem Dritten, dem gegenüber die Vertretung stattfinden soll, erfolgen. Dies kann auch konkludent geschehen (L. Ronellenfitsch in: BeckOK VwVfG, 66. Edition 01.10.2019, VwZG, § 7 Rn. 3). Auch juristische Personen wie eine Steuerberatungsgesellschaft können Bevollmächtigte sein.
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Gemessen daran liegt eine Bevollmächtigung der Steuerberatung G. GmbH seitens des Klägers vor. Aus der Behördenakte ergibt sich, dass sich die Steuerberatung erstmals mit Schreiben vom 07.07.2021 gegenüber dem Landratsamt R. als Vertretung des Klägers angezeigt hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Schreibens, in dem die Steuerberatungsgesellschaft von „unsere[m] o. g. Mandanten“ (dem Kläger) spricht sowie „[i]m Auftrag von Herrn R. “ um Fristverlängerung bittet. Insoweit liegt zumindest eine konkludente Vollmachtserteilung nach § 167 Abs. 1 Alt. 2 BGB gegenüber der Widerspruchsbehörde vor, unabhängig von der Frage, ob im Innenverhältnis des Klägers zur Steuerberatungsgesellschaft eine Vollmacht erteilt wurde. Dass keine schriftliche Vollmacht vorgelegt wurde, ist angesichts der Differenzierung in § 7 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 VwZG unschädlich. Für ein Erlöschen der Vollmacht, insbesondere nach § 170 BGB, ist nichts ersichtlich. Die Zustellung des Widerspruchsbescheids an die Steuerberatung G. war daher grundsätzlich möglich. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Zustellung an diese ermessensfehlerhaft war, § 7 Abs. 1 Satz 1 VwZG.
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2. Nach § 5 Abs. 4 VwZG kann ein Dokument u. a. an Berufsausübungsgesellschaften im Sinne des Steuerberatungsgesetzes (vgl. § 49 des Steuerberatungsgesetzes – StBerG) gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Nach § 5 Abs. 7 Satz 1 VwZG genügt zum Nachweis der Zustellung nach den Absätzen 4 und 5 das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis, das an die Behörde durch die Post oder elektronisch zurückzusenden ist.
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Ausweislich des in der Behördenakte befindlichen Empfangsbekenntnisses wurde der Widerspruchsbescheid der Steuerberatungsgesellschaft gemäß § 5 Abs. 4 VwZG am 20.01.2022 zugestellt. Das Empfangsbekenntnis ist eine öffentliche Urkunde und erbringt grundsätzlich den vollen Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Dokuments als zugestellt, für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit für die Zustellung. Die Unrichtigkeit eines Empfangsbekenntnisses kann jedoch widerlegt werden. Der Gegenbeweis setzt allerdings voraus, dass die Beweiswirkungen des Empfangsbekenntnisses vollständig entkräftet werden und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angaben auf dem Empfangsbekenntnis richtig sein könnten (Smollich in: NK-VwVfG, 2. Auflage 2019, VwZG, § 5 Rn. 14 m. w. N.). Alleine die Erklärung, es handle sich bei der Angabe im Empfangsbekenntnis um einen Schreibfehler (vgl. VG Bremen, U. v. 24.08.2015 – 4 K 1913/14), reicht dafür grundsätzlich ebenso wenig aus wie das Vergehen eines ungewöhnlich langen Zeitraums zwischen Verfügung und Zustellung (vgl. BGH, B. v. 07.10.2021 – IX ZB 41/20), jedoch ergibt sich die Unrichtigkeit des Empfangsbekenntnisses hinsichtlich des Datums zur Überzeugung des Gerichts aus folgenden Aspekten:
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Zum einen hat der Kläger mit Fax vom 18.01.2022 (eingegangen bei Gericht am 19.01.2022), mithin vor dem auf dem Empfangsbekenntnis angegebenen Datum, Klage erhoben. Dem Kläger muss der Widerspruchsbescheid demnach bereits spätestens am 18.01.2022 bekannt gewesen sein, zumal im Klageschriftsatz vom 18.01.2022 explizit von der „Widerspruchsentscheidung zur Festsetzung des Fremdenverkehrsbeitrags vom 16.12.2021“ die Rede ist. Wäre der Widerspruchsbescheid erst am 20.01.2022 zugestellt worden, wäre eine in dieser Form formulierte Klageerhebung am 19.01.2022 (Eingang bei Gericht) bereits denklogisch nicht möglich gewesen. Dass der Widerspruchsbescheid dem Kläger auch persönlich zugestellt worden wäre – was eine Kenntnis vom Widerspruchsbescheid rechtfertigen würde – ist nicht ersichtlich. Der Kläger kann daher – was er in der mündlichen Verhandlung schließlich auch bestätigt hat – Kenntnis von der Widerspruchsentscheidung nur über die Steuerberatung erhalten haben. Dies setzt jedoch denklogisch voraus, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheids an diese jedenfalls vor dem 20.01.2022 erfolgt sein muss, da sonst die Klage nicht schon am 19.01.2022 bei Gericht hätte eingehen können. Ferner befindet sich auf dem von Klägerseite in Kopie vorgelegten Widerspruchsbescheid vom 16.12.2021 ein Eingangsstempel der Steuerberatungsgesellschaft vom 20.12.2021. In der Gesamtschau dieser Aspekte ist das Gericht davon überzeugt, dass das Empfangsbekenntnis hinsichtlich des angegebenen Zustellungsdatums „20.01.2022“ unrichtig ist und der Widerspruchsbescheid der bevollmächtigten Steuerberatung am 20.12.2021 – wie auch selbst von Klägerseite vorgetragen – zugestellt wurde.
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Die Klage ist jedoch unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 13.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 16.12.2021 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
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Das Gericht folgt zunächst der Begründung des Widerspruchsbescheids und nimmt hierauf Bezug, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend hierzu ist auszuführen:
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1. Rechtsgrundlage für die Heranziehung des Klägers zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2016 ist Art. 6 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i. V. m. der Satzung der Beklagten für die Erhebung eines Fremdenverkehrsbeitrags (FVBS) vom 21.12.1978 in der Fassung der Änderungssatzung vom 10.03.2010. Gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen der Satzung sind Bedenken weder vorgetragen, noch für das Gericht ersichtlich. Die Satzung ist auch materiell-rechtlich nicht zu bestanden.
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2. Der Kläger ist gemäß § 1 Abs. 1 FVBS fremdenverkehrsbeitragspflichtig.
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a) Gemäß § 1 Abs. 1 FVBS wird von allen selbständig tätigen natürlichen und den juristischen Personen, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen, ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben. Durch diesen wird der Vorteil, der dem Beitragsschuldner innerhalb eines Kalenderjahres durch den Fremdenverkehr mittelbar oder unmittelbar erwächst, abgegolten, § 2 Abs. 1 FVBS. Die Fremdenverkehrsabgabe ist ein Vorteilsentgelt; der zu entgeltende (wirtschaftliche) Vorteil besteht in der Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit, die sich aus dem Fremdenverkehr ergibt. Ob der einzelne Pflichtige die ihm gebotenen Vorteile nutzt, ist unerheblich. Die Vorteilsnahmemöglichkeit muss lediglich bestehen, d. h. nach der vom Pflichtigen ausgeübten Tätigkeit gegeben sein (vgl. OVG SH, U. v. 17.03.2008 – 2 LB 40/07 – juris Rn. 33 m. w. N.). Es ist daher ausreichend, dass der Fremdenverkehr erhöhte Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten mit sich bringt (vgl. Lung in: BeckOK KommunalabgabenR Bayern, 5. Ed. 01.02.2025, KAG, Art. 6 Rn. 1). Das Entstehen von Vorteilen aus dem Fremdenverkehr wird daher nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein Unternehmer tatsächlich keine Gewinne erzielt oder sogar Verluste macht (so BayVGH, U. v. 07.10.2013 – 4 B 13.209 – juris Rn. 20 unter Bezugnahme auf VGH BW, U. v. 06.11.2008 – 2 S 669/07).
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b) Ausgehend hiervon ist das vom Kläger betriebene Einzelhandelsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 FVBS als Betrieb einzustufen, der unmittelbare oder mittelbare Vorteile aus Geschäften mit Ortsfremden und mit den am Fremdenverkehr unmittelbar beteiligten Kreisen im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung ziehen kann.
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Das Geschäft des Klägers, in dem er u. a. Sportartikel und Bekleidung anbietet, liegt in der H. straße zentral im Gemeindegebiet der Beklagten, nahe der Bundesstraße … Wenige Minuten fußläufig befinden sich der Bahnhof und das …museum sowie einige Hotels und Ferienwohnungen. Ferner befinden sich in Ortsnähe der G. sowie zahlreiche Möglichkeiten zum Wandern. Auch das Warensortiment dient nicht lediglich der Versorgung der ortsansässigen Bevölkerung. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass auch ortsfremde Besucher während ihres Aufenthalts Sportartikel oder Bekleidung einkaufen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Nähe des G. und den damit verbundenen Möglichkeiten sportlicher Betätigung, für die der Kläger ein entsprechendes Sortiment anbietet. Insbesondere bot der Kläger im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 2016 einen Skiverleih an und führte Trekkingausrüstung. Der Kläger hat daher mit seinem Geschäft die Möglichkeit, besondere wirtschaftliche Vorteile aus dem Fremdenverkehr zu erlangen (vgl. zu Bekleidungsgeschäften BayVGH, U. v. 05.12.2006 – 4 B 05.3119 –, juris Rn. 21 und zu Sportgeschäften VG Regensburg, U. v. 12.02.2025 – RN 11 K 21.46). Auf die Frage, in welchem Umfang der Kläger aus dem örtlichen Fremdenverkehr tatsächlich Vorteile gewinnt bzw. gewonnen hat, kommt es daher nicht an (vgl. BayVGH, B. v. 07.01.2020 – 4 ZB 18.2045 – juris Rn. 8 m. w. N.).
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Hinzu kommt, dass zum Fremdenverkehr auch die Personen zu zählen sind, die von außerhalb in das Gemeindegebiet, z. B. zum Einkaufen, zur Erholung oder zum Besuch von Veranstaltungen kommen. Der Begriff des Fremdenverkehrs umfasst zwar in erster Linie die Erholungssuchenden, kann sich aber auch auf Personen erstrecken, die sich zur Bildung, Heilung, zum Vergnügen oder dergleichen vorübergehend an einen anderen Ort begeben. Entscheidend ist, dass es sich um einen kurzfristigen Aufenthalt aus besonderem Grund handelt (vgl. BayVGH, U. v. 06.03.1989 – 4 B 87.01262). Im Übrigen wirkt sich die Frage, ob die vom Kläger vorgebrachten „Stammkunden von außerorts“ hierbei zu berücksichtigen sind, an dieser Stelle nicht aus, da auch nach den Angaben des Klägers zumindest ein gewisser Anteil seines Kundenkreises Fremdenverkehrsbezug aufweist (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes vom 23.03.2022). Wie hoch dieser im Detail ist, ist eine Frage des Vorteilssatzes und nicht der Fremdenverkehrsbeitragspflicht an sich (vgl. VG Regensburg, U. v. 12.02.2025 – RN 11 K 21.46).
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3. Zur Bestimmung des Vorteils des Klägers dienen der einkommens- oder körperschaftssteuerpflichtige Gewinn und der steuerbare Umsatz innerhalb eines Kalenderjahres, § 2 Abs. 2 Satz 1 FVBS. Die Beitragsschuld wird auf der Grundlage des Gewinns bestimmt, wenn sich nicht auf der Grundlage des steuerbaren Umsatzes ein höherer Betrag ergibt, § 2 Abs. 2 Satz 2 FVBS.
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a) Da sich bei der Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrags auf Grundlage des steuerbaren Gewinns vorliegend ein höherer Betrag ergab als auf der Grundlage des Umsatzes (dies wäre im Übrigen auch der Fall, wenn die Angaben des Klägers zugrunde gelegt würden), wurde der Fremdenverkehrsbeitrag zutreffend auf Grundlage des steuerpflichtigen Gewinns bestimmt.
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b) Der Gewinn und der steuerbare Umsatz durften dabei gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG i. V. m. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO von der Beklagten geschätzt werden, da der Kläger trotz mehrmaliger Aufforderung (vgl. Schreiben der Beklagten vom 15.10.2020, Bl. 61 der Behördenakte) keine Erklärung zur Höhe seines Gewinns und steuerbaren Umsatzes abgegeben hatte. Die Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages 2016 datiert zwar auf den 28.01.2020, ging bei der Beklagten jedoch ausweislich des Eingangsstempels der Beklagten erst am 11.09.2020 (mit Einlegung des Widerspruchs, Bl. 63 der Behördenakte) und somit nach Erlass des Beitragsbescheids bei dieser ein. Der Kläger trägt im Widerspruchsschreiben vom 03.09.2020 insoweit sogar selbst vor, dass er sich bis dahin noch nicht veranlasst gesehen habe, die Erklärung für 2016 abzugeben.
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c) Eine Berichtigung des Bescheids aufgrund der später nachgereichten Angaben des Klägers zu Gewinn und Umsatz kommt nicht in Betracht.
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Die Beklagte hat festgestellt, dass der vom Kläger angegebene Gewinn und Umsatz von den vom Finanzamt übermittelten Angaben abweicht und ihn mit Schreiben vom 15.10.2020 (Bl. 61 der Behördenakte) um nähere Erläuterung, insbesondere um Vorlage von Nachweisen für die Auswärtslieferungen bzw. um Aufstellung der Umsätze der verschiedenen Sparten, bis 01.12.2020 gebeten.
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Dem Kläger wurde demnach, da er die Erklärung nicht fristgerecht abgegeben hatte, in nicht zu beanstandender Weise die Darlegungslast für die Geltendmachung geringerer Veranlagungsgrundlagen auferlegt, da er durch die verspätete Abgabe der Erklärung zur Veranlagung des Fremdenverkehrsbeitrages 2016 selbst die Ursache dafür gesetzt hatte, dass die Beklagte die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat. Nach Aktenlage wurden entsprechende Unterlagen nicht – wie von der Beklagten gefordert – bis 01.12.2020 vorgelegt.
33
Ferner war der Kläger nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten am 01.02.2021 bei der Beklagten vorstellig. Er habe dabei drei bis vier Leitzordner mit Kassenabschnitten zu Auswärtslieferungen betreffend die Stammkunden vorgelegt. Daraufhin habe die Mitarbeiterin der Beklagten ausgeführt, dass es nicht ihre Aufgabe sei, die Unterlagen des Klägers durchzusehen. Auf nochmalige Nachfrage des Landratsamts ... (Bl. 56 der Behördenakte) hat der Kläger erneut ausgeführt, er könne den Umsatz für Auswärtslieferungen nur durch Karten- und Kassenrollenbelege vorweisen, hat dies aber nicht getan.
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Konkretere Umstände, die zu niedrigeren Besteuerungsgrundlagen (z. B. niedrigerer Gewinn/Umsatz infolge der Berücksichtigung von Auswärtslieferungen) führen würden, hat der Kläger damit nicht brauchbar dargelegt und konnten von der Beklagten jedenfalls nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden, da er bei der Beklagten mit einer Vielzahl von Ordnern vorstellig wurde, deren genaue Durchsicht von der Beklagten nicht erwartet werden konnte. Der Kläger hat weder gegenüber der Widerspruchsbehörde noch im Klageverfahren brauchbare Unterlagen vorgelegt, die eine Abweichung vom Schätzwert der Beklagten hinsichtlich des Gewinns bzw. Umsatzes gebieten würden. Wer im gerichtlichen Verfahren eine behördliche Schätzung angreifen will, muss substantiiert darlegen, weshalb die geschätzten Besteuerungsgrundlagen zu hoch sein sollten (vgl. BayVGH, B. v. 23.01.2024 – 4 ZB 21.168, 4 ZB 21.169). Dies ist hier hinsichtlich des geschätzten Gewinns nicht erfolgt, vielmehr hat der Kläger im Wesentlichen seine eigenen Angaben der Schätzung der Beklagten entgegengestellt. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die vom Kläger vorgelegten Unterlagen überhaupt geeignet wären, den nicht fremdenverkehrsbedingten Umsatz zutreffend abzubilden. Denn der Kläger hat nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten nur die Belege bzgl. der Stammkunden vorgelegt. Auch, dass dem Kläger nur die Kassenrollenbelege vorgelegen hätten, entlastet ihn insoweit nicht. Es wäre ihm beispielsweise möglich gewesen, eine übersichtliche Darstellung seiner Umsätze hinsichtlich der einzelnen von ihm gebildeten Kundenkategorien in Tabellenform vorzulegen.
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d) Die Beklagte hat im Rahmen ihrer Schätzung nachvollziehbar den Gewinn des Klägers für B. prozentual analog zum Umsatz ermittelt (Bl. 65 der Behördenakte).
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4. Der von der Beklagten herangezogene Vorteilssatz in Höhe von 40% ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Der Vorteilssatz bezeichnet gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 FVBS den auf den Fremdenverkehr beruhenden Teil des steuerbaren Umsatzes. Er wird durch Schätzung für jeden Fall gesondert ermittelt, § 3 Abs. 3 Satz 2 FVBS. Dabei sind insbesondere Art und Umfang der selbständigen Tätigkeit, die Lage und Größe der Beherbergungsräume, die Betriebsweise und die Zusammensetzung des Kundenkreises von Bedeutung, § 3 Abs. 3 Satz 3 FVBS.
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Der zu entgeltende wirtschaftliche Vorteil besteht in der Gewinnchance oder in der erhöhten Verdienstmöglichkeit, die sich aus dem Fremdenverkehr ergibt (vgl. BayVGH, U. v. 07.10.2013 – 4 B 13.209 – juris). Auf die Frage, in welchem Umfang der Kläger aus dem örtlichen Fremdenverkehr tatsächlich Vorteile gewinnt bzw. gewonnen hat, kommt es daher entgegen der Meinung des Klägers im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Da es sich bei der streitigen Kommunalabgabe um einen Beitrag handelt, dessen Höhe sich nach den dem einzelnen Gewerbetreibenden erwachsenden „wirtschaftlichen Vorteilen“ bemisst (Art. 6 Abs. 1 KAG), ist hier vielmehr auf die nach Art und Lage des Betriebs grundsätzlich bestehenden Verdienst- und Gewinnmöglichkeiten abzustellen, ohne dass es im Einzelfall darauf ankommt, inwieweit diese Erwerbschancen tatsächlich realisiert werden (BayVGH, B. v. 04.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 7).
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Der Vergleich zwischen Umsatz und Übernachtungen im Jahr 2021 ist hierfür unbeachtlich, da es streitgegenständlich ausschließlich um das Beitragsjahr 2016 geht. Ebenso irrelevant sind die herangezogenen Vorteilssätze anderer Gemeinden.
40
b) Dass ein Vorteilsatz im Wege der Schätzung ermittelt wird, ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere auch mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar (vgl. BayVGH, U. v. 07.10.2013 – 4 B 13.209 – juris, mit Verweis auf BayVerfGH, E. v. 21.10.1960 – Vf. 24-VII-59 – VerfGHE 13, 127/132). Die Legitimation für eine Schätzung des Vorteilsatzes ergibt sich daraus, dass es praktisch kaum möglich ist, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen jeweils gesondert zu erfassen. Die Schätzung ist dabei dem Bereich der Tatsachenfeststellung zuzurechnen und unterliegt der vollen gerichtlichen Nachprüfung (vgl. z.B. BayVGH, U. v. 09.05.1984 – 4 B 82 A.1097 – BayVBl. 1985, 244 ff.).
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c) Daran gemessen ist der gewählte Vorteilssatz in Höhe von 40% nicht zu beanstanden.
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aa) Als Grundlage und Ausgangspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des fremdenverkehrsbedingten Vorteils kommt insbesondere bei Verkaufsstellen wie dem Geschäft des Klägers nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich die sogenannte Fremdenverkehrsquote in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 07.01.2020 – 4 ZB 18.2045), also der prozentuale Anteil der Aufenthaltstage von Touristen an der Gesamtsumme der jährlichen Aufenthaltstage von Personen im Gemeindegebiet (BayVGH, B. v. 06.02.2018 – 4 ZB 17.812 – juris; BayVGH, B. v. 04.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris; BayVGH, U. v. 07.10.2013 – 4 B 13.209 – NVwZ-RR 2014, 243).
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bb) Die Beklagte hat dem Vorteilssatz in Höhe von 40% eine Fremdenverkehrsquote von 43,77% zugrunde gelegt. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
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Ausweislich des Aktenvermerks vom 23.02.2021 (Bl. 58 der Behördenakte) hat die Beklagte zunächst eine Übernachtungszahl von 113.771 (Bl. 55 und 68 der Behördenakte) zugrunde gelegt.
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Zudem unterstellt sie, dass auf jede Übernachtung im Bayerischen Wald 1,5 Tagesgäste kommen und bezieht sich hierbei auf die mit Schriftsatz vom 08.01.2025 vorgelegte Studie der IHK Regensburg „Wirtschaftsfaktor Tourismus in Niederbayern und der Oberpfalz“ aus dem Jahr 2015. Dort wird auf Seite 12 dargestellt, dass in fast allen Reisegebieten Deutschlands die Anzahl der Tagesausflügler und Tagesgeschäftsreisenden höher als die Zahl der amtlich registrierten Übernachtungen ist. In Ostbayern betrage der Wert 4,4 Tagesreisen pro Übernachtung. Diese Angabe beruht, wie aus der genannten Studie hervorgeht, auf Erhebungen im Rahmen der von den Wirtschaftsministerien des Bundes und der Länder in Auftrag gegebenen Grundlagenstudie „Tagesreisen der Deutschen“, zu der eine große Zahl repräsentativ angelegter Telefoninterviews in ganz Deutschland durchgeführt wurde (Seite 12, Fn. 5). Ferner wird auf den Seiten 33 und 49 dargestellt, dass in der Referenzregion „Bayerischer Wald“ auf rund 8,5 Millionen Übernachtungen gegen Entgelt rund 13 Millionen Tagesreisen kommen, was dem von der Beklagten zugrunde gelegten Faktor von 1,5 entspricht. Nach den Angaben in der Studie beruhen diese Zahlen auf Erhebungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e. V. an der Universität München (dwif). Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass der genannte Zahlenwert eine empirisch gesicherte Grundlage besitzt und somit eine verlässliche Grundlage bildet, die für die Schätzung des Fremdenverkehrsanteils herangezogen werden kann. Der Kläger hat dies lediglich unsubstantiiert bestritten. Methodische Einwände sind weder erkennbar, noch durchgreifend geltend gemacht worden. Es bestehen mangels individueller Zahlen für B. auch keine Einwände dagegen, dass der für den Bayerischen Wald insgesamt ermittelte Wert bei der Bestimmung der örtlichen Verhältnisse zugrunde gelegt wird (vgl. BayVGH, B. v. 04.11.2014 – 4 ZB 14.1336 – juris Rn. 8 ff.). Es liegt ferner in der Natur der Sache, dass die Zahl der Tagestouristen, anders als die der Übernachtungsgäste, nur geschätzt werden kann.
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Dies zugrunde gelegt, ergibt sich die von der Beklagten berechnete Zahl von 284.428 Aufenthaltstagen von Touristen. Auch führt die Berechnung im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wäre bei der Berechnung der „Einwohnerzahl 2016“ wegen des Schaltjahres eine Gesamtzahl von 366.366 zutreffend, dies führt im Ergebnis jedoch nur zu einer geringfügig niedrigeren Fremdenverkehrsquote von rund 43,70%. Die Beklagte hat auf dieser Grundlage den Vorteilssatz für den Kläger auf 40% abgerundet. Dies ist nicht zu beanstanden.
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cc) Soweit der Kläger sinngemäß vorträgt, auf seine individuellen Verhältnisse sei nicht ausreichend Rücksicht genommen worden, greift dies nicht durch.
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(1) Die auf Bl. 67 der Behördenakte durchgeführte Berechnung der Beklagten bestätigt, dass der Vorteilssatz von 40% gerechtfertigt ist. Die Beklagte hat dabei zunächst eine Fremdenverkehrsquote bezogen auf jeden einzelnen Monat berechnet. Davon ausgehend hat sie die monatlichen Umsätze des Klägers mit der jeweiligen monatlichen Fremdenverkehrsquote multipliziert und so einen monatlichen fremdenverkehrsbezogenen Umsatz errechnet. Dieser monatliche Umsatz aufsummiert und ins Verhältnis zum Jahresumsatz gesetzt, ergab einen Vorteilssatz von (gerundet) 40,81%. Das Gericht hält auch diese Berechnung für nachvollziehbar und insbesondere geeignet, etwaigen monatlichen Schwankungen im Umsatz zu begegnen.
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(2) Auch der klägerische Vortrag im Hinblick auf seinen Kundenkreis (80% Stammkunden, die das Geschäft des Klägers nur aufsuchen würden, ohne touristische Angebote zu nutzen) vermag den gewählten Vorteilssatz nicht infrage zu stellen. Das Gericht nimmt hierzu Bezug auf die Begründung unter 3.7, 3.8 und 3.9 des Widerspruchsbescheids und den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.06.2000 – 4 ZB 99.1727, Rn. 6. Die auswärtigen Kunden des Klägers sind demnach auch zu den „Ortsfremden“ im Sinne des Fremdenverkehrsbeitragsrechts zu zählen. Auch Besucher aus der Region werden nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig durch die vorgehaltenen Einrichtungen des Fremdenverkehrs angezogen und unterfallen somit überwiegend dem Fremdenverkehrsbegriff.
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Selbst, wenn es zutreffen sollte, dass der Kläger Kunden hat, die ausschließlich für einen Einkauf im Geschäft des Klägers nach B. kommen und gezielt dessen Geschäft aufsuchen, lässt sich zum einen nicht ausschließen, dass auch diese Personen durch einen touristischen Besuch in B. auf das Geschäft des Klägers aufmerksam geworden sind – wofür insbesondere die zentrale Lage des Geschäfts spricht –, zum anderen ist erfahrungsgemäß dennoch davon auszugehen, dass zumindest ein nicht unbeachtlicher Teil der Kunden des Klägers den Einkauf in seinem Geschäft mit anderen Unternehmungen oder Einkäufen verbindet und sich somit auch aus touristischen Gründen im Gemeindegebiet der Beklagten aufhält (vgl. hierzu VG München, U. v. 20.05.2021 – M 10 K 19.2536). Sollte der Anteil der Einheimischen bzw. nicht dem Fremdenverkehr zuzurechnenden auswärtigen Personen am Kundenkreis des Klägers tatsächlich höher sein, als derzeit angenommen, ist es Sache des Klägers, hierfür geeignete und nachvollziehbare Nachweise vorzulegen und so eine für ihn günstigere Schätzung des Vorteilssatzes zu ermöglichen. Dies ist weder im Widerspruchs- (s. o.) noch im Klageverfahren erfolgt.
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Eine unzureichende Ermittlung der relevanten Umstände kann der Beklagten vorliegend nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insbesondere die Ermittlung der tatsächlichen Zusammensetzung des Kundenkreises, auf die es vorliegend nach dem Vortrag des Klägers in erster Linie ankomme, ist für Gemeinden im Hinblick auf die Vielzahl der zu berücksichtigenden Betriebe rein praktisch nicht möglich. Stattdessen kann eine dahingehende Ermittlung deutlich einfacher durch den Kläger vorgenommen werden und fällt damit in seine Sphäre (vgl. VG München, U. v. 20.05.2021 – M 10 K 19.2536, BeckRS 2021, 17988), jedoch muss dies – s. o. – nachvollziehbar und brauchbar erfolgen.
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Es ist daher zulässig, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Vorteilssatzes im Ergebnis auf die (abgerundete) Fremdenverkehrsquote abgestellt hat, da konkretere Umstände nicht oder nicht mit zumutbarem Aufwand ermittelt werden können und der Kläger insoweit keine ausreichenden bzw. brauchbaren Angaben gemacht hat, die zu einem niedrigeren Vorteilssatz führen würden (vgl. BayVGH, U. v. 01.12.1989 – 4 B 88.1720).
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dd) Neue Gesichtspunkte, aufgrund derer nunmehr eine hiervon abweichende Beurteilung geboten sein könnte, ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Klägers, noch sind solche für das Gericht ersichtlich. Das erkennende Gericht hat vorliegend keine Zweifel, dass dem gewählten Vorteilssatz eine realistische Schätzung zugrunde liegt, die bei Berücksichtigung aller Umstände die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich hat.
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Im Übrigen hat der Kläger schon keine eigene substantiierte eigene Schätzung für den Vorteilssatz vorgenommen (vgl. BayVGH, B. v. 23.01.2024 – 4 ZB 21.168, 4 ZB 21.169). Es wird z. B. nicht konkret dargelegt, auf welchen Berechnungsgrundlagen ein Vorteilssatz von 20% als derjenige mit der größten Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit betrachtet wird. Der Verweis auf Vorteilssätze anderer Gemeinden ist insoweit nicht relevant.
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5. Soweit der Kläger vorbringt, die Beklagte habe nicht dargelegt, wie der konkrete Fremdenverkehrsbeitrag verwendet würde, rügt er damit sinngemäß, der Fremdenverkehrsbeitrag werde nicht „zur Deckung des gemeindlichen Aufwands für die Fremdenverkehrsförderung“ i. S. v. Art. 6 Abs. 1 KAG verwendet bzw. die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr würden die diesbezüglichen Ausgaben übersteigen. Damit kann er nicht durchdringen.
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Mit Art. 6 Abs. 1 KAG wird eine Zweckbindung dahingehend statuiert, dass die Einnahmen aus dem Fremdenverkehrsbeitrag ausschließlich für solche Aufwendungen der Gemeinde einzusetzen sind, mit denen sie den Tourismus fördert bzw. der Grundsatz der Aufwandsdeckung normiert (vgl. VG Bayreuth, U. v. 08.08.2024 – B 4 K 23.65, BeckRS 2024, 42769). Der Maßstab ist dabei großzügig zu wählen und engt die Gemeinde nicht in ihrer Entscheidung darüber ein, mit welchen Maßnahmen sie dieses Ziel verwirklichen will. Dies ist als rein politische Entscheidung des jeweiligen Gemeinderats anzusehen, die nicht der rechtlichen Überprüfung auf Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit der Maßnahmen unterliegt. Ausgeschlossen werden soll hingegen, dass das aus dem Fremdenverkehrsbeitrag vereinnahmte Geld im allgemeinen Haushalt gleichsam versickert und zur Deckung anderweitig entstehender Ausgaben verwendet wird (Lung in: BeckOK KommunalabgabenR Bayern, 5. Ed. 01.02.2025, KAG, Art. 6 Rn. 11). Dabei reicht es aus, wenn das tatsächliche Verhältnis von Einnahmen und Ausgaben zumindest für einen überschaubaren Zeitraum keine erhebliche Überdeckung erwarten lässt (vgl. BayVGH, B. v. 23.01.2024 – 4 ZB 21.168).
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Der Kläger hat diesbezüglich ohne weitere Substantiierung eine nicht zweckgerechte Verwendung – mit Ausnahme einer sporadisch präparierten Langlaufloipe und Verweilbänken – behauptet. Im Ergebnis ähnelt der Vortrag des Klägers einer Kalkulationsrüge bezogen auf den Fremdenverkehrsbeitrag. Eine substantiierte Kalkulationsrüge setzt jedoch voraus, dass der Beitragsschuldner substantiiert Daten und Fakten nennt, aus denen sich eine Überdeckung ergibt (vgl. VG München, U. v. 20.01.2000 – M 10 K 99.1248 – juris Rn. 37). In Anlehnung an die Grundsätze zur Gebührenkalkulation bei Art. 8 KAG obliegt es dem Kläger, gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO die zur Begründung seiner Rechtsbehelfe oder Einwendungen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben und sich zur näheren Substantiierung seiner Rüge – notfalls mit Hilfe eines beauftragten Sachverständigen – sachkundig zu machen. Hierfür ist ihm ein umfassendes Einsichtsrecht in die der Kalkulation zugrunde liegenden Unterlagen eingeräumt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger als Mitglied des Gemeinderats der Beklagten nach Art. 102 Abs. 4 der Gemeindeordnung (GO) ein Einsichtsrecht in die Berichte über die Prüfungen der Jahresrechnung und der Jahresabschlüsse und gemäß Art. 54 Abs. 3 Satz 1 GO in die Niederschriften der öffentlichen sowie der nichtöffentlichen Sitzungen des Gemeinderats bzw. seiner Ausschüsse (Art. 54 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Art. 45 Abs. 2 Satz 2 GO) hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.