Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 11.03.2025 – AN 17 K 23.2601
Titel:

Erfolglose Klage der Nachbarin gegen Vorbescheid für landwirtschaftliche Hofstelle

Normenketten:
BayBO Art. 71
BayVwVfG Art. 37
BauGB § 35 Abs. 3 Nr. 3
BImSchG § 3, § 5, § 22
VwGO § 42 Abs. 1
Leitsätze:
1. Wird ein Vorbescheid dem Nachbarn zugestellt und kommt die Verletzung nachbarschützender Vorschriften in Betracht, ist der Nachbar klagebefugt und zur Abwendung von befürchteten Nachteilen auf die Anfechtungsklage verwiesen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gebot der Rücksichtnahme kann verletzt sein, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingen für einen bestehenden emittierenden Betrieb durch das Hinzutreten eines Vorhabens verschlechtern, was insbesondere dann der Fall ist, wenn immissionsschutzrechtliche Anforderungen für den Betreiber einer bestehenden Anlage verschärft werden bzw. mit Betriebseinschränkungen oder -belastungen von nicht nur unerheblichem Gewicht zu rechnen ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Konkurrenz von Planungen gilt grundsätzlich das Prioritätsprinzip, dh dass derjenige, der mit seiner Planung später hinzutritt, auf die Interessen dessen, der bereits ein Baurecht erworben hat, Rücksicht zu nehmen hat. Nutzungen, die noch nicht ausgeübt werden und ohne baurechtliche Genehmigung auch nicht ausgeübt werden dürfen, unterliegen nicht der Rücksichtnahmeverpflichtung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Drittanfechtungsklage gegen einen Vorbescheid, Feststellungswirkung des Vorbescheids gegenüber Nachbarn trotz Antrags auf Absehen von der Nachbarbeteiligung, an Gewerbebetrieb (im Außenbereich) heranrückende landwirtschaftliche Bebauung, keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch ins Blaue hinein behauptete Knallgeräusche durch Stickstoffanlagen, keine ausreichende Konkretisierung einer geplanten Betriebsveränderung, Prioritätsprinzip bei konkurrierenden Vorhaben, Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm gelten nur in Bezug auf den Menschen, nicht in Bezug auf einen landwirtschaftlichen Viehbestand, Vorbescheid, Nachbar, landwirtschaftliche Hofstelle, Klagebefugnis, Nachbarbeteiligung, Bestimmtheitsgebot, Gebot der Rücksichtnahme, Immissionsschutz, Prioritätsprinzip
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16803

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen den dem Beigeladenen erteilten baurechtlichen Vorbescheid zur Errichtung einer landwirtschaftlichen Hofstelle.
2
Die Klägerin ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), bestehend aus den drei Gesellschaftern …, … und … Diese sind „als Gesellschafter des Bürgerlichen Rechts“ im Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks FlNr. 697/1 der Gemarkung … (...) und des östlich davon liegenden Grundstücks FlNr. 697/17 eingetragen. Die Grundstücke werden von der Klägerin verwaltet; es handelt sich um Betriebsgrundstücke der …GmbH, die gewerblich in der Entwicklung und Produktion von elektronischen Regelungsgeräten für Heizung, Klima und Lüftung tätig ist. Der …GmbH wurde 1989 auf dem heutigen Grundstück FlNr. 697/1 die Baugenehmigung für die Errichtung einer ca. 50 m x 18 m großen Halle für Produktion und Verwaltung im Außenbereich erteilt. 2005 wurde der Vermögensverwaltungsgesellschaft … östlich der Halle, ebenfalls auf dem heutigen Grundstück FlNr. 671/1, ein ca. 14 m x 6 m großes Nebengebäude mit Lager genehmigt, 2006 der Ein- bzw. Anbau einer Heizung und eines Silos im bzw. am Lagergebäude. Die östlich liegende heutige FlNr. 697/17 ist weitgehend unbebaut, quer zu den übrigen Gebäuden stehende ungenehmigte Lagercontainer südlich des Lagergebäudes und östlich der Produktionshalle ragen jedoch bis auf das Grundstück FlNr. 697/17.
3
Nördlich der klägerischen Grundstücke befindet sich die Kreisstraße … und jenseits dieser der südliche Ausläufer des Ortsteils … der Stadt … (Bebauungsplangebiet „…“; westlich davon Bebauungsplangebiet „…“ mit den Festlegungen Allgemeines Wohngebiet). Die kürzeste Entfernung zwischen den Gebäuden auf dem klägerischen Anwesen und dem nächstgelegenen nördlichen Wohnhaus liegt bei ca. 50 m.
4
Südlich der Grundstücke FlNrn. 697/1, 697/17 und der östlich daran anschließenden Grundstücke FlNr. 697/18 und FlNr. 697/21 liegt das fast 16.000 m² große Vorhabengrundstück FlNr. 697/19. Auf diesem möchte der Beigeladene eine landwirtschaftliche Hofstelle mit Mutterkuhstall – ursprünglich mit Wohnhaus, Garage und Bergehalle – errichten. Hierfür reichte er im April 2023 einen Vorbescheidsantrag ein, der zuletzt am 9. November 2023 zeichnerisch dahingehend modifiziert wurde, dass das Wohnhaus und die Garage gestrichen wurden, der Mutterkuhstall von der Lage geändert und verkleinert wurde. Die Stallgröße ist nunmehr mit 25 m x 10 m x 4 m angegeben. Die Bergehalle und die Erweiterungsmöglichkeiten des Stallgebäudes wurden zeichnerisch im neuen Plan nicht mehr dargestellt, die schriftliche Baubeschreibung wurde vom Beigeladenen nicht verändert. Der Stall soll an der Nord- und Südseite geöffnet sein (Außenklimastall). Als Viehbestand sind zuletzt angegeben: 10 Kühe und Rinder über 2 Jahre, 5 weibliche und 4 männliche Rinder von 1 bis 2 Jahren, 2,5 weibliche und 2,5 männliche Rinder von 0,5 bis 1 Jahr und 5 Kälber bis 6 Monate. Der im Lageplan verzeichnete Stall hat eine Entfernung von mindestens 85 m zu den Gebäuden auf den Grundstücken FlNrn. 697/1 und 697/17. Eine konkrete Frage wurde im Rahmen des Vorbescheidsantrags nicht formuliert. Es wurde beantragt, von der Nachbarbeteiligung nach Art. 71 Satz 4 Halbs. 2 BayBO abzusehen.
5
Mit Vorbescheid vom 24. November 2023 stellte das Landratsamt … fest, dass dem Vorhaben unter Beachtung der unter II. aufgeführten 18 Auflagen keine öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 1 und Abs. 3 BauGB entgegenstehen. In den Bauunterlagen wurden verschiedene Roteintragungen vorgenommen. Der Bescheid wurde den Gesellschaftern der Klägerin am 28. November 2023 per Einschreiben zugestellt.
6
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2023 erhob die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten hiergegen Klage und begründete diese mit Schriftsätzen vom 27. Februar 2024, 11. und 20. Februar 2025. Es wurde vorgetragen, dass die …GmbH seit 1975 am Standort bestehe und auf den FlNrn. 697/1 und 697/17 ihren Produktionsbetrieb habe. Der geplante Mutterkuhstall mit 37 Rindern, darunter 15 Mutterkühe, befinde sich in einer Entfernung von ca. 75 m vom Grundstück der Klägerin. Es sei mit Lärmimmissionen der …GmbH auf das Vorhaben auszugehen. Bei der Fertigung von Bauteilen sei es erforderlich, Leiterplatten zu löten. Um Lötvorgänge dem aktuellen Stand der Technik anzupassen, plane das Unternehmen, in Zukunft Stickstoffbehälter auf dem Grundstück zu nutzen. Bei diesen könne es zu einem Überdruck kommen, der abgelassen werden müsse, wobei Knallgeräusche entstehen könnten. Es sei mit Geräuschspitzen von mehr als 70 dB(A) zur Tagzeit und 55 dB(A) zur Nachtzeit und damit der Gefahr der Beunruhigung der Tiere des Beigeladenen einschließlich der ungeborenen Kälber zu rechnen. Eine andere Möglichkeit, die Produktion weiterzuführen, gebe es nicht. Der Einsatz von Stickstoffbehältern sei vom vorhandenen Bestandsschutz gedeckt und sei deshalb zu berücksichtigen. Auch konkrete Entwicklungsabsichten seien geschützt. Es wurde ein Schreiben der … GmbH vom 7. Juli 2022 vorgelegt, mit dem diese die … GdbR um Zustimmung zur Aufstellung eines Stickstofftanks mit 5.000 – 8.000 l auf dem Betriebsgrundstück bitte zur Umstellung auf eine neue Lötanlage aus Sorge vor einem Defekt und der nicht möglichen Instandsetzung der alten Anlage.
7
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 24. November 2023 aufzuheben.
8
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und führte mit Schriftsatz vom 28. März 2024 aus, dass die angekündigte Betriebserweiterung der … GmbH nicht in der eröffneten Variationsbreite der Bestandsbaugenehmigung liege. Es handle sich auch nicht um eine naheliegende Entwicklungsmöglichkeit. Der Betrieb sei zudem bereits seit 1989 durch das Allgemeine Wohngebiet im Bebauungsplan „…“ und das Dorfgebiet der Innenbereichssatzung „…“ eingehegt. Der Flächennutzungsplan stelle für das aktuelle Betriebsgrundstück landwirtschaftliche Fläche (Ackerland) dar. Selbst wenn man zugrunde lege, dass die Planung von der Variationsbreite der Baugenehmigung erfasst sei, verschlechterten sich die immissionsschutzbezogenen Rahmenbedingungen für die Klägerin nicht. Ein Mutterkuhstall stelle nämlich keinen schutzwürdigen Raum nach der TA Lärm dar, der Immissionsort nach Nr. A 1.3 Buchst. b) der TA Lärm auf dem Beigeladenengrundstück werde dadurch nicht verändert. Sollte der Stall als Immissionsort anzusehen sein, würde dieser zugunsten der Kläger statt 3 m von der Grundstücksgrenze auf 70 m nach Südosten wandern und damit einen deutlich größeren Abstand als der nächstgelegene Bestands-Immissionsort im Allgemeinen Wohngebiet (FlNr. 371) haben. Kurzfristige Geräuschspitzen seien nach 2.8 der TA Lärm i.V.m. Nr. A 2.3.5 des Anhangs zu TA Lärm zu beurteilen; diese lägen um 30 dB(A) zur Tagzeit und 20 dB(A) zur Nachtzeit höher als die regulären Immissionsrichtwerte. Es fehlten für eine immissionsschutzfachliche Beurteilung auch alle wesentlichen Angaben zur Häufigkeit und Lautstärke der Knallgeräusche.
9
Der Beigeladene äußerte sich im schriftlichen Verfahren nicht und stellte auch in der mündlichen Verhandlung keinen Antrag.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakten (einschließlich der Baugenehmigungsakten zu den klägerischen Bauvorhaben) und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Gründe

11
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet und deshalb abzuweisen.
12
1. Die Drittanfechtungsklage der Klägerin als GdbR ist zulässig.
13
Gegen die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids nach Art. 71 BayBO ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO der statthafte Rechtsbehelf des Nachbarn. Dieser ist – bei in Frage kommender Rechtsverletzung – dann klagebefugt, wenn der ergangene Vorbescheid auch ihm gegenüber feststellende Wirkung hat. Dies ist dann der Fall ist, wenn von seiner Nachbarbeteiligung seitens der Bauaufsichtsbehörde nicht nach Art. 71 Satz 4 Halbs. 2 i.V.m. Art. 66 BayBO abgesehen worden ist, was nur auf Antrag des Bauherrn möglich ist. Zwar hat der beigeladene Bauherr hier in seinem Formblattantrag auf Erteilung eines Vorbescheids vom 14. April 2023 durch entsprechendes Ankreuzen das Absehen von der Nachbarbeteiligung nach Art. 71 Satz 4 Halbs. 2 BayBO beantragt, dem ist der Beklagte aber nicht nachgekommen. Er hat den Vorbescheid vielmehr mit Wirkung auch gegenüber den Eigentümern der Nachbargrundstücke erlassen, was sich aus der Zustellung jeweils einer Bescheidsausfertigung an die Nachbarn und aus den jeweiligen Begleitschreiben an die Nachbarn vom 28. November 2023 ergibt. Die Bauaufsichtsbehörde war an den Antrag auf Absehen von der Nachbarbeteiligung auch nicht gebunden, ihr stand insofern Ermessen zu (Busse/Kraus/Decker, BayBO, 157. EL Januar 2025, Art. 71 Rn. 56). Wird der Vorbescheid dem Nachbarn zugestellt und kommt die Verletzung nachbarschützender Vorschriften – wie hier das Gebot der Rücksichtnahme – in Betracht, ist der Nachbar klagebefugt und zur Abwendung von befürchteten Nachteilen auf die Anfechtungsklage angewiesen (ebenso VG Ansbach, U.v. 12.5.2020 – AN 17 K 19.00943/ AN 17 K 20.00022 – juris Rn. 42).
14
Die GdbR ist auch selbst richtige Klägerin. Sie ist möglicherweise in ihr selbst zustehenden Rechten verletzt und damit nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig. Die GdbR stellt zwar keine juristische Person dar, sie ist von der – insbesondere zivilrechtlichen – Rechtsprechung jedoch seit langer Zeit als teilrechtsfähig und insofern beteiligungsfähig anerkannt (vgl. BGH, U.v. 29.1.2001 – II ZR 331/00 – NJW 2001, 1056). Die GdbR kann insbesondere Eigentum erwerben (BGH, B.v. 4.12.2008 -V ZB 74/08 – BGHZ 179, 102). Ein Grundstück, das zum Gesellschaftsvermögen einer GdbR gehört, ist materiellrechtlich regelmäßig Eigentum der Gesellschaft selbst und nicht gesamthänderisch gebundenes Eigentum der Gesellschafter (BGH, U.v. 29.1.2001 – a.a.O; BVerwG, B.v. 15.4. 2010 – 4 BN 41.09 B – BeckRS 2010, 49196) mit der Folge, dass Eigentumsrechte von der GdbR selbst wahrzunehmen sind. In der Rechtsprechung ist auch geklärt, dass die Eigentümerstellung der GdbR für den Rechtsverkehr unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht wird, wenn im Grundbuch die Gesellschafter eingetragen sind mit einem Zusatz wie „als Gesellschaft bürgerlichen Rechts” (BGH, U.v. 25.9.2006 – II ZR 218/05 – NJW 2006, 3716 Rn. 11) oder „in Gesellschaft bürgerlichen Rechts” (BVerwG, B.v. 15.4. 2010 – 4 BN 41.09 B – BeckRS 2010, 49196). Die drei Gesellschafter der hier klagenden GdbR sind nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Grundbucheintrag „als Gesellschafter des Bürgerlichen Rechts“ im Grundbuch für das Grundstück FlNr. 697/1 eingetragen, was in gleicher Weise die Eigentümerstellung der GdbR belegt.
15
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der streitgegenständliche Vorbescheid vom 24. November 2023 die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bescheid ist in Bezug auf nachbarschützende Belange hinreichend bestimmt (a) und das als verletzt gerügte Gebot der Rücksichtnahme im Hinblick auf Lärmemissionen, die vom klägerischen Betrieb ausgehen und auf das Vorhaben des Beigeladenen einwirken, ist nicht verletzt (b).
16
a) Der Beigeladene hat seinen ursprünglichen Vorbescheidsantrag vom 14. April 2023 durch Einreichung neuer Lageskizzen und einer neuen Betriebsbeschreibung zunächst am 16. August 2023 und nochmals am 9. November 2023 geändert und insbesondere das Wohnhaus und die Garage aus dem Antrag gestrichen. Dabei wurden die Veränderungen zwar im Mantelformular vom Beigeladenen nicht mit angepasst, eine Unbestimmtheit über das im Vorbescheid verbeschiedene Vorhaben ergibt sich daraus gleichwohl nicht, da die Bauaufsichtsbehörde durch Roteintragungen im Mantelformular die wesentlichen Änderungen selbst gekennzeichnet hat. Die Garage und das Wohnhaus wurden vom Landratsamt … im ausgefüllten Formular gestrichen und der Vermerk „siehe Deckblatt“ angebracht. Ebenso wurden die zunächst eingereichten Pläne von „April 2023“ und „16.08.2023“ vom Beklagten als „ungültig“ gestempelt. Damit ist klar und eindeutig, dass nur noch der Rinderstall in der dargestellten Größe im Vorbescheidswege positiv verbeschieden wurde. Mit der neuen Lageskizze vom „09.11.2023“ ist die Situierung des Stalls klar festgelegt; das Landratsamt … hat diese mit dem Datumsstempel „23. Nov. 2023“ versehen und im Bescheidstenor unter Ziffer I. hierauf Bezug genommen. Die wesentlichen Parameter, nämlich die Lage des Stalls und seine Nutzung als Rinderstall, sind damit festgelegt und bleiben für die Klägerin nicht unklar. Ebenso ist objektiv klar, dass die „Anlage 1: Rinder“ vom 17. August 2023 mit den dort genannten Viehbeständen gilt. Nur diese trägt nämlich den Genehmigungsstempel des Landratsamts … vom 23. November 2023, nicht aber die nicht behördlich gestempelte Anlage, die im April 2023 eingereicht wurde. Dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ist, soweit es die Klägerin tangiert, damit Genüge getan.
17
b) Das Gebot der Rücksichtnahme unter Nachbarn ist durch das Vorhaben nicht verletzt. Dieses ist nicht nur für Innenbereichsvorhaben zu beachten, sondern ist ebenso von Außenbereichsvorhaben zu wahren und wird hier aus der Regelung in § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB abgeleitet, wonach schädliche Umwelteinwirkungen von Vorhaben nicht hervorgerufen werden dürfen und sich ein Vorhaben schädlichen Umwelteinwirkungen auch nicht aussetzen darf. Wann derartige schädliche Umweltauswirkungen vorliegen, bestimmt sich – auch für das Baurecht – nach den Maßstäben des Immissionsschutzrechts, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6/98 – juris). Für Lärmemissionen aus gewerblicher Tätigkeit ist damit grundsätzlich auf die Regelungen der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz vor Lärm – TA Lärm) zurückzugreifen.
18
Im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme ist, was Immissionen betrifft, nicht nur zu prüfen, ob das hinzutretenden Bauvorhaben selbst unzumutbare Immissionen für seine Umgebung verursacht, hier also, ob der landwirtschaftliche Betrieb des Beigeladenen die bestehende Nachbarschaft – z.B. durch Geruchsemissionen – unzumutbar belästigt. Das ist hier angesichts der Entfernungen zwischen den Vorhaben nicht zu befürchten und wurde auch nicht gerügt. Das Gebot der Rücksichtnahme kann auch dann verletzt sein, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingen für einen bestehenden emittierenden Betriebs – hier für den sich auf dem klägerischen Grundstück befindenden Produktionsbetrieb der … GmbH, dessen Belange durch die Klägerin als Eigentümerin geltend zu machen sind – durch das Hinzutreten des Vorhabens verschlechtern, was insbesondere dann der Fall ist, wenn wegen der hinzutretenden Bebauung mit nachträglichen immissionsschutzrechtlichen Auflagen für die Bestandsbebauung zu rechnen ist bzw. immissionsschutzrechtliche Anforderungen für den Betreiber einer bestehenden Anlage verschärft werden bzw. mit Betriebseinschränkungen oder -belastungen von nicht nur unerheblichem Gewicht zu rechnen ist (BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 1 CS 21.2866 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27 m.w.N.; BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 BV 03.2179 – juris Rn. 42; VGH BW, U.v. 4.2.1992 – 3 S 1616/90 – juris 20 – Rechtsprechung zur „heranrückenden Wohnbebauung“). Dies ist hier nicht der Fall.
19
Die TA Lärm geht von unterschiedlichen Schutzniveaus für die verschiedenen Planungsgebiete nach der BauNVO aus, vgl. Nr. 6.1 TA Lärm. Es wird zwischen Industriegebieten, Gewerbegebieten, Kern-/Dorf-/Mischgebieten, Allgemeinen und Reinen Wohngebieten unterschieden; für diese werden unterschiedliche Immissionsrichtwerte, die grundsätzlich nicht überschritten werden dürfen, festgelegt. In der TA Lärm nicht geregelt ist das Schutzniveau des hier maßgeblichen bauplanungsrechtlichen Außenbereichs, in dem sich das Vorhaben klar befindet. In der Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass der planungsrechtliche Außenbereich regelmäßig das Schutzniveau eines Mischgebiets beanspruchen kann (BayVGH, B.v. 14.6.2013 - 15 ZB 11.2799 – juris; OVG NRW, U.v. 18.11.2002 – 7 A 2140/00 – juris Rn. 78 ff.; VG Regensburg, U.v. 9.10.2014 – RN 7 K 13.794 – juris Rn. 23; VG Ansbach, B.v. 18.2.2015 – AN 17 S 24.2394 – juris Rn. 38). Im Mischgebiet gilt nach Nr. 6.1 Satz 1 c) TA Lärm ein Immissionsrichtwert von 60 dB(A) tagsüber und von 45 dB(A)nachts, für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen nach Nr. 2.8. TA Lärm darf dieser Wert außerdem um bis zu 30 dB(A) tags bzw. 20 dB(A) nachts überschritten werden, Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm.
20
Ob eine Stickstoffanlage die geltend gemachten Knallgeräusche überhaupt und gegebenenfalls in welcher Häufigkeit und Lautstärke verursachen kann, ist schon vom Tatsächlichen her unklar und nicht substantiiert geltend gemacht. Erhebliche Knallgeräusche wurde von der Klägerseite zwar behauptet, Belege hierfür blieb sie jedoch schuldig. Recherchen des Gerichts über allgemein zugängliche fachliche Quellen führten jedenfalls zu keinerlei Kenntnissen dahingehend, dass von Stickstoffanlagen derartige Lärmemissionen ausgehen können. Der klägerische Vortrag ist damit als Behauptung ins Blaue hinein zu bewerten, der der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden kann und der auch keine weitere Aufklärungspflicht seitens der Genehmigungsbehörde und des Gerichts auslöst.
21
Zugrunde gelegt, dass von einer Stickstoffanlage tatsächlich Knallgeräusche ausgehen können, kommt es rechtlich auch nicht darauf an, ob diese die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1c) Satz 1 und Satz 2 TA Lärm am Vorhaben des Beigeladenen überschreiten, so dass auch deshalb kein Sachverständigengutachten einzuholen war. Die Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme kann vielmehr ausgeschlossen werden. Die Stickstoffanlage auf dem klägerischen Anwesen ist nämlich weder bereits errichtet bzw. in Betrieb, noch baurechtlich (oder immissionsschutzrechtlich) genehmigt oder eine Genehmigung hierfür auch nur beantragt. Es handelt sich bislang um eine noch nicht konkretisierte Planung und damit noch nicht um eine Rechtsposition, auf die sich die Klägerseite berufen und Abwehransprüche geltend machen kann. Nach der Rechtsprechung zur herannahenden Wohnbebauung spielen bloße Absichten oder nur vage Planungen, die sich noch nicht durch eine eingeholte Baugenehmigung, einen erteilten Vorbescheid oder wenigstens durch einen vollständig gestellten Bauantrag (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 8.5.2024 – AN 17 K 23.2608 – juris Rn. 41) verfestigt haben und sich auch im vorhandenen baulichen Bestand noch nicht – rechtmäßig – niedergeschlagenen haben (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 1 CS 21.2866 – juris Rn. 16), noch keine Rolle. Es gilt im Konkurrenzfall vielmehr grundsätzlich das Prioritätsprinzip, d.h. dass derjenige, der mit seiner Planung später hinzutritt, auf die Interessen dessen, der dort bereits ein Baurecht erworben hat, Rücksicht zu nehmen hat (BayVGH, B.v. 28.1.2016 – 9 ZB 12.839 – juris; B.v. 13.5.2014 – 22 CS 14.851 – juris Rn. 13 m.w.N.; VG Ansbach, U.v. 8.5.2024 – AN 17 K 23.2608 – juris Rn. 41). Nutzungen, die noch nicht ausgeübt werden und ohne baurechtliche Genehmigung auch nicht ausgeübt werden dürfen, unterliegen nicht der Rücksichtnahmepflichtung (BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 1 CS 21.2866 – juris Rn. 16). Die Notwendigkeit eines Stickstofftanks für eine neue Lötanlage hat die … GmbH gegenüber den Eigentümern zwar mit Schreiben vom 7. Juli 2022 angezeigt, eine solche Anlage ist bis heute aber weder errichtet, noch ist die Planung sonst erkennbar fortgeschritten. Baurechtliche Genehmigungsverfahren oder Abklärungen wurden diesbezüglich jedenfalls noch nicht eingeleitet. Eine Genehmigungsfreiheit besteht für das Vorhaben mit großem Flüssiggasbehälter, Betonsockel von 3 m x 4 m, Kühlaggregat und Zaun (vgl. Schreiben vom 7.7.2022) im Außenbereich voraussichtlich nicht.
22
Darüber hinaus greift die dargestellte Rechtsprechung zur herannahenden Wohnbebauung vorliegend nicht ein. Es handelt sich beim klagegegenständlichen Vorhaben des Beigeladenen nämlich nicht um ein Wohnbauvorhaben und auch nicht um ein anderes Vorhaben, dem gegenüber die Immissionsrichtwerte der TA Lärm eingehalten werden müssten. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 Abs. 1 BImSchG definiert als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Schutzobjekt ist dabei der Mensch, nicht aber der landwirtschaftliche Viehbestand, für den die Kläger Beeinträchtigungen befürchten. Auch die Betreiberpflichten nach § 5 Abs. 1 bzw. § 22 Abs. 1 BImSchG, deren näherer Ausgestaltung die TA Lärm dient, beziehen sich (nur) auf schädliche Umwelteinwirkungen, nicht aber generell auf die Verhinderung von Immissionen auf die Umgebung. Nur in Bezug auf den Menschen greift die TA Lärm mit ihren Immissionsrichtwerten deshalb ein (vgl. auch Nr. 1 und Nr. 2.1 TA Lärm), nicht aber zugunsten von Tieren. Auf eine Gefährdung der Rinder kann selbst bei Überschreitung der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm nicht geschlossen werden.
23
Da auch nach den Angaben der Klägerseite nur mit gelegentlichen Knallgeräuschen zu rechnen ist und damit für eventuelle Knallgeräusche jedenfalls die erhöhten Werte für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen nach Nr. 6.1 Satz 2 TA Lärm gelten und es nach den Angaben des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung im Rinderstall nur zu geringen Verweildauern der dort arbeitenden Personen kommen wird (ca. 2 Stunden täglich), sodass die Wahrscheinlichkeit, diesen Knallgeräuschen ausgesetzt zu sein, gering ist, ist realistischerweise nicht mit einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme für die dort Arbeitenden zu rechnen. Durch den neu an den Gewerbebetrieb auf dem klägerischen Grundstück heranrückenden Rinderstall verschlechtern sich die Bedingungen, unter denen der Betrieb der … GmbH arbeiten muss, somit nicht.
24
Nach alledem ist eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ausgeschlossen und die Klage, da andere Nachbarrechte nicht in Betracht kommen, abzuweisen.
25
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
26
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.