Titel:
Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung in einem Asylverfahren eines türkischen Staatsangehörigen
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 105, § 138 Nr. 3
AsylG § 3 Abs. 1, § 3a Abs. 2 Nr. 3, § 3b, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Abs. 4 S. 4
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Im Fall eines geltend gemachten Politmalus setzt die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung voraus, dass Erkenntnismittel benannt werden, die die Auffassung, bei einer Rückkehr in die Türkei drohe keine politische Verfolgung, in Frage stellen würden. (Rn. 9)
2. Für eine Verfolgung im Sinn von § 3 Abs. 1 AsylG wegen eines Politmalus bedarf es neben der Darlegung einer Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG in Form einer unverhältnismäßigen Strafverfolgung zusätzlich der Darlegung, dass die Verfolgungsfurcht auf einem Verfolgungsgrund im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG beruht. (Rn. 10)
3. Die Rüge fehlender Beweiserhebung setzt voraus, dass in der mündlichen Verhandlung ein (bedingter) Beweisantrag gestellt wurde. Ein schriftsätzlich eingereichter „Beweisantrag“ wäre lediglich als Anregung zur weiteren Erforschung des Sachverhalts durch das Gericht von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 VwGO zu erachten. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO berührt den Regelungsgehalt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht. (Rn. 16)
1. Für die Flüchtlingseigenschaft ist es nicht isoliert ausreichend, dass der Betroffene einer Verfolgung ausgesetzt ist, denn in § 3 AsylG sind die Tatbestandsmerkmale "Verfolgung" und die genannten Verfolgungsgründe miteinander verknüpft ("wegen"). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht Türkei, Grundsätzliche Bedeutung: Darlegung eines Politmalus, Aufklärungspflicht und Beweiserhebung, Asylverfahren Türkei, grundsätzliche Bedeutung, Darlegungsanforderungen, PKK, systematische Folter, Misshandlungen, Erkenntnismittel, Politmalus, rechtliches Gehör, Beweisantrag, Beweisankündigung, Beweiswert der Niederschrift, Amtsermittlung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 22.11.2024 – Au 3 K 23.30432
Fundstelle:
BeckRS 2025, 165
Tenor
I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. November 2024 – Au 3 K 23.30432 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 22. November 2024 bleibt ohne Erfolg. Gründe nach § 78 Abs. 3 AsylG, aus denen die Berufung zuzulassen ist, sind nicht dargelegt.
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Zur Begründung beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG), eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) und eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO).
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Von grundsätzlicher Bedeutung seien folgende Fragen:
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- „Ob Personen, gegen die in der Türkei wegen Mitgliedschaft bzw. Unterstützung der PKK – die als eine terroristische Vereinigung angesehen wird – die zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden sind und die bei einer unterstellten Rückkehr in die Türkei noch 5 Jahre Haft drohen, im Gefängnis menschenwürdige Verhältnisse zu erwarten haben und ihnen dort Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht,
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- ob und unter welchen Umständen bei Personen, gegen die in der Türkei wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Zusammenhang mit der PKK ein Ermittlungsverfahren geführt wird bzw. Anklage erhoben worden ist bzw. diese deshalb verurteilt worden sind, von einem,Politmalus‘ auszugehen ist und diese Verfahren nicht mit rechtsstaatlichen Methoden geführt werden,
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- ob in der Türkei noch Anhaltspunkte für systematische Folter und Misshandlungen vorliegen.“
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Hierzu führt der Kläger aus, er sei in den Blickpunkt der türkischen Sicherheitskräfte und Justiz geraten und verschiedensten Repressionsmaßnahmen, Haft aus politischen Gründen und Folter, ausgesetzt gewesen. Im Urteil werde verkannt, dass er aufgrund dieser Tatsachen und vor dem Hintergrund des explizit diktatorischen und antisemitischen Charakters der türkischen Erdoganregierung, der weiteren Zuspitzung des Kurdenkonflikts im Winde des sog. Gazakrieges von den türkischen Sicherheitskräften als gefährlich und als politischer Gegner betrachtetet werde, den es – auch unter Einsatz von Folter und rechtsstaatswidrigen Methoden – zu bekämpfen gelte. Zusammenfassend sei dem Oberlandesgericht Hamm zufolge (OLG Hamm v. 18.11.2021 – 111-2 Ausl 174/20), das sich auf Berichte des Auswärtigen Amtes und der EU-Kommission stütze, sowie den zur Akte gereichten Unterlagen zu folgern, dass ein Beschuldigter in der Türkei derzeit bei politisierten Verfahren, insbesondere wenn diese terroristische Vorwürfe zum Gegenstand hätten, ein faires Verfahren nicht erwarten könne. Soweit das Verwaltungsgericht der Ansicht sei, ihm würde keine Folter drohen, bzw. diese würde in der Türkei nicht mehr systematisch existieren, widerspreche dies den tatsächlichen Verhältnissen (s. Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des sog. Ausschusses für Menschenrechte zur „Menschenrechtlage in der Türkei“, 23.6.2021, Deutscher Bundestag).
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2023 – 13a ZB 23.30618 – juris Rn. 5; B.v. 24.1.2019 – 13a ZB 19.30070 – juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4).
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Dies zu Grunde gelegt kommt eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht in Betracht. Das Verwaltungsgericht ist nach Würdigung der individuellen Umstände zur Einschätzung gelangt, dass das Verfahren gegen den Kläger in der Türkei bzw. die Verurteilungen keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung darstellten (UA S. 5 ff.). Es ergäben sich keine hinreichend substantiierten Anhaltspunkte für eine überschießende, über das legitime Maß hinausgehende Strafverfolgung. Denn aus den vorgelegten Unterlagen und dem Vortrag des Klägers seien keine hinreichend objektiven Umstände erkennbar, die darauf schließen ließen, dass diesem wegen eines flüchtlingsrechtlich relevanten Merkmals eine härtere als die sonst übliche Behandlung drohe. Hiermit setzt sich der Kläger nicht auseinander. Er bezieht sich nur auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass er zwar in den Blickpunkt der türkischen Sicherheitskräfte und Justiz geraten sei, ihm deshalb bei einer Rückkehr in die Türkei aber keine politische Verfolgung drohe, nennt aber kein Erkenntnismittel, das diese Auffassung in Frage stellen würde. Soweit er unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. November 2021 ausführt, ein Beschuldigter könne derzeit bei politisierten Verfahren in der Türkei kein faires Verfahren erwarten, macht er nur allgemeine Ausführungen zur Lage in der Türkei, ohne auf die Argumentation des Verwaltungsgerichts zu seinen persönlichen Umständen einzugehen. Damit erfüllt der Zulassungsantrag schon nicht die Darlegungsvoraussetzungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG (vgl. zu den Darlegungsvoraussetzungen bei einer auf tatsächliche Anhaltspunkte gestützten Grundsatzrüge: BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 13a ZB 18.30490 – juris Rn. 6 m.w.N.; OVG Saarl, B.v. 8.5.2019 – 2 A 166/19 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 13 A 4738/18.A – juris Rn. 5).
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Darüber hinaus waren die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich und werden sich auch in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Denn zum einen liegt den Fragen zugrunde, dass der Kläger eine härtere als die sonst übliche Behandlung erleidet (so genannter Politmalus). Das hat das Verwaltungsgericht aber gerade verneint. Zum anderen beziehen sich die Fragen nur auf einen Teilaspekt, nämlich darauf, ob im Fall einer Haft Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht und ob Strafverfahren in der Türkei nach rechtsstaatlichen Methoden geführt werden. Im hier maßgeblichen Asylverfahren kommt es aber entscheidend auf eine Verfolgung im Sinn von § 3 Abs. 1 AsylG an. Die den aufgeworfenen Fragen zugrundeliegende unverhältnismäßige Strafverfolgung in der Türkei mag zwar eine Verfolgungshandlung nach § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG darstellen. Das alleine ist aber für eine Verfolgung im Sinn von § 3 Abs. 1 AsylG nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es hierfür zusätzlich der Feststellung, dass die Verfolgungsfurcht auf einem Verfolgungsgrund im Sinn des § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG beruht. Für die Flüchtlingseigenschaft ist es nicht isoliert ausreichend, dass der Betroffene einer Verfolgung ausgesetzt ist, denn in § 3 AsylG sind die Tatbestandsmerkmale „Verfolgung“ und die genannten Verfolgungsgründe miteinander verknüpft („wegen“), d.h. der Kläger muss vorliegend verfolgt sein, weil er eine gegenläufige politische Überzeugung hat (s. zum Ganzen BayVGH, B.v. 9.2.2023 – 13a ZB 22.30152 – AuAS 2023, 78). Das greift über die vom Kläger aufgeworfenen Fragen hinaus. Zudem bedarf es hierfür einer Betrachtung der konkreten Umstände im Fall des Klägers und schließt eine allgemeine Klärung aus.
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Ferner macht der Kläger geltend, die Berufung sei gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG zuzulassen. Vorliegend sei nicht wie in einer aktuellen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Weimar (v. 12.12.2024 – 4 K 1765/19 We) berücksichtigt, dass er durchgehend deutlich gemacht habe, nicht Mitglied der PKK geworden zu sein. Das Verwaltungsgericht habe insbesondere nicht die Grundsätze der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Frage angewandt, wann von einem Politmalus auszugehen sei. Im Gegensatz zur Auffassung des Verwaltungsgerichts habe er eine härtere als die sonst übliche Behandlung erfahren. Dies werde daran deutlich, dass seinem Vorbringen, er sei kein Mitglied der PKK, nicht gefolgt bzw. dieses nicht gewürdigt worden sei. Bestandteil des Verfahrens gegen ihn sei systematische Folter gewesen. Das Urteil verstoße insoweit gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – NVwZ 2013, 500; B.v. 1.7.1987 – 2 BvR 478/86 – NVwZ 1988, 237) und des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 19.5.1987 – 9 C 184.86 – NVwZ 1987, 895 zu Art. 141 und 142 tStGB), da das Verwaltungsgericht an keiner Stelle Inhalt und Reichweite der fraglichen Rechtsnorm bestimmt habe. Hiervon weiche das Urteil ab. Wäre das Gericht zutreffend von einem Politmalus ausgegangen, hätte es der Klage stattgeben müssen.
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Eine Divergenz liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz etwa des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 – juris Rn. 3; Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 132 Rn. 35). Die Darlegung der Divergenz erfordert dabei zunächst die genaue Benennung des Gerichts und die zweifelsfreie Angabe seiner Divergenzentscheidung. Darzulegen ist auch, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Dagegen genügt es nicht, eine bloß fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung derartiger Rechtssätze aufzuzeigen (vgl. Happ in: Eyermann, a.a.O., § 124a Rn. 73 m.w.N.).
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Der Kläger hat im Zulassungsantrag nicht dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG), dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil einen der Rechtsprechung etwa des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hätte. Zwar hat der Kläger Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zitiert. Er hat aber weder einen Obersatz aufgezeigt noch dargetan, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil – und sei es auch nur konkludent – einen dieser Rechtsprechung widersprechenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hätte. In Wahrheit wendet er sich schon nach seinem eigenen Vorbringen im Zulassungsantrag alleine dagegen, dass das Verwaltungsgericht die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Frage, wann von einem Politmalus auszugehen sei, nicht „angewandt“ habe und somit hiergegen verstoße. Damit wird keine Divergenz dargetan. Letztlich rügt der Kläger lediglich eine aus seiner Sicht fehlerhafte Anwendung der Rechtsgrundsätze und macht im Gewand einer Divergenzrüge lediglich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend, die indes keinen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2019 – 13a ZB 18.31906 – juris Rn. 4).
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Schließlich macht der Kläger geltend, ihm sei das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) versagt worden, weil das Verwaltungsgericht es nicht für erforderlich gehalten habe, von Amts wegen seinen Beweisanregungen nachzukommen und weder seine Ehefrau noch seine Schwester als Zeuginnen vernommen und auch deren Verfahrensakte nicht beigezogen habe. Bezüglich der psychischen Folgen der Folter habe es darauf verzichtet, den behandelnden Psychiater als Zeugen zu vernehmen. Berücksichtigt sei ferner nicht, dass gegen ihn beim Generalbundesanwalt ein Strafverfahren wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß §§ 129 a/b StGB eingeleitet worden sei, und dass er bis heute an den Folgen der Folter leide. Hätte das Verwaltungsgericht entsprechend Beweis erhoben, hätte es ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen müssen.
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Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924; BayVGH, B.v. 14.3.2018 – 13a ZB 18.30454 – juris Rn. 5). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305/310). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Wird die Gehörsrüge hierauf gestützt, bedarf es der Darlegung, welches Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (BVerfG, B.v. 25.9.2020 – 2 BvR 854/20 – juris Rn. 26 m.w.N.; BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11; B.v. 24.2.2016 – 3 B 57/15 u.a. – juris Rn. 2; U.v. 18.12.2014 – 4 C 35.13 – NVwZ 2015, 656, juris Rn. 42; BayVGH, B.v. 11.9.2023 – 13a ZB 23.30618 – juris Rn. 12; B.v. 30.10.2018 – 13a ZB 17.31034 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Eine Darlegung des Gehörsverstoßes im genannten Sinn ist im Zulassungsantrag nicht erfolgt und auch sonst nicht zu erkennen. Der Kläger führt nicht aus, welches konkrete Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen hätte. Soweit er sich auf das Verfahren bei der Generalbundesanwaltschaft und die Folgen der Folter bezieht, ist dieses Vorbringen bereits im Tatbestand des Urteils erwähnt (UA S. 3). In der mündlichen Verhandlung wurden auch die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers als Folge der geltend gemachten Folter erörtert (SP S. 3). Eine Gehörsverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht nicht durch Vernehmung der Ehefrau, der Schwester und des behandelnden Psychiaters als Zeugen Beweis erhoben hat. Ausweislich des Protokolls des Verwaltungsgerichts über die mündliche Verhandlung am 22. November 2024 (Bl. 156 ff. VG-Akte) hatte der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder einen Beweisantrag noch einen bedingten Beweisantrag gestellt. Gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 2 ZPO sind die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung im Protokoll aufzunehmen. Hierzu zählen auch Beweisanträge (BVerwG, B.v. 10.3.2011 – 9 A 8.10 – NVwZ-RR 2011, 383). Der Nachweis einer solchen Antragstellung als einer Förmlichkeit kann nach § 165 ZPO nur durch das Protokoll geführt werden. Ein vom Kläger etwaig schriftsätzlich eingereichter „Beweisantrag“ wäre lediglich als Anregung zur weiteren Erforschung des Sachverhalts durch das Gericht von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 VwGO zu erachten (BVerwG, B.v. 20.8.2010 – 8 B 27.10 – juris; BVerwG, U.v. 26.6.1968 – V C 111.67 – BVerwGE 30, 57). Soweit der Kläger zugleich eine Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO rügt (das Verwaltungsgericht hätte von Amts wegen seinen Beweisanregungen nachkommen müssen), ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Rüge den Regelungsgehalt des Art. 103 Abs. 1 GG nicht berührt. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs stellt nur sicher, dass das Gericht die Ausführungen der Beteiligten würdigt. Art. 103 Abs. 1 GG gibt den am Prozess Beteiligten jedoch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht Tatsachen erst beschafft oder von sich aus Beweis erhebt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 12 unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 2.12.1969 – 2 BvR 320/69 – BVerfGE 27, 248/251; BayVerfGH, E.v. 13.3.1981 – Vf. 93-VI-78 – VerfGHE 34, 47 = BayVBl 1981, 529). Jenseits des Gebots des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG gilt zudem, dass es sich bei einem Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO für sich genommen nicht um einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO handelt, der von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erfasst wäre (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2020 – 4 ZB 20.30870 – juris Rn. 6; B.v. 29.4.2019 – 13a ZB 18.32127 – juris Rn. 10; B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 9).
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Letztlich stellt der Kläger mit seinen Rügen (das Verwaltungsgericht verkenne, dessen Ansicht widerspreche den tatsächlichen Verhältnissen) im Zulassungsantrag die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage. Insoweit ist nochmals darauf hinzuweisen, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 78 Abs. 3 AsylG keinen Grund für die Zulassung der Berufung darstellen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.