Titel:
Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung des Finanzamts
Normenketten:
AO § 88 Abs. 5 S. 2, § 118, § 121 Abs. 1, § 193 Abs. 1, § 195
BpO 2000 §§ 13-17, § 18
FGO § 135 Abs. 1
Leitsatz:
Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999, BeckRS 2014, 94833). (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
ernstliche Zweifel, Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, Aussetzung der Vollziehung, Außenprüfung, Beauftragung, Ermessensentscheidung, Finanzbehörden, Verwaltungsverfahren, Wohnsitz-Finanzamt, Verwaltungsinternum, Prüfungsanordnung, Steuerpflichtiger, Ermessensfehlgebrauch, Betriebsprüfung, Prüfverzeichnis
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16493
Tenor
1. Die Vollziehung der Prüfungsanordnung vom 30.08.2022 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.12.2024 wird ab Rechtshängigkeit und für die Dauer der Rechtshängigkeit der Hauptsacheklage beim Finanzgericht Nürnberg ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Gründe
1
Streitig ist im Hauptsacheverfahren (Klageverfahren 1 K 13/25) die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsordnung.
2
Die Antragstellerin, eine GmbH mit Sitz in A, gehört zum Unternehmensverbund von B, der beim Antragsgegner – seinem Wohnsitz-Finanzamt – zur Einkommensteuer veranlagt wird. Die Gesellschaftsanteile der Antragstellerin mit Nennbetrag von 26.100 € werden von B gehalten, der auch deren Geschäftsführer ist. Die Antragstellerin ist in die Größenklasse „Mittelbetrieb“ (Betriebsprüfungsordnung BpO 2000 – im Folgenden: BpO) eingeordnet.
3
Der Antragsgegner ordnete am 30.08.2022 gegenüber der Antragstellerin eine Außenprüfung für die Jahre 2016 bis 2018 an und teilte mit, das eigentlich für die Antragstellerin zuständige Finanzamt C habe den Antragsgegner mit Schreiben vom 26.08.2022 mit der Betriebsprüfung beauftragt und ihm die Befugnis zum Erlass der Prüfungsanordnung erteilt. Die Antragstellerin werde zweckmäßigerweise im Rahmen der Prüfung des Einzelunternehmens B Verpachtungsbetrieb mitgeprüft.
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Die Prüfungsanordnung enthält die Angabe der zu prüfenden Steuerarten und Feststellungen und Zeiträume/-punkte. Auf die Prüfungsanordnung vom 30.08.2022 wird im Einzelnen verwiesen.
5
In der Akte des Finanzamts befindet sich ein mit Auftragsbuchnummer (ABNr.) 82/22/M und „Prüfungsanordnung“ überschriebenes Schreiben des Antragsgegners vom 26.08.2022, das an die Antragstellerin adressiert ist.
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Im Text heißt es u.a. „bei Ihnen wird eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) angeordnet.
Das zuständige Finanzamt C hat mit Schreiben vom ….08.2022 das Finanzamt D mit der Betriebsprüfung beauftragt und ihm auch die Befugnis zum Erlass der Prüfungsanordnung erteilt (§ 195 S. 2 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 2 BpO).
Begründung: Die E GmbH wird zweckmäßigerweise im Rahmen der Prüfung des Einzelunternehmens B Verpachtungsbetrieb mitgeprüft.“
7
Am Ende des Schreibens auf Seite 2 ist ein Stempel angebracht (in den Stempelaufdruck eingefügte handschriftliche Ergänzungen werden kursiv wiedergegeben):
„Gemäß § 195 Satz 2 AO i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2
BpO wird die Anordnung und Durchführung der Betriebsprüfung in dem o.g. sachlichen und zeitlichen Prüfungsumfang dem Finanzamt D übertragen.
genehmigt: 24/8/2022 Namenszeichen (unleserlich)“
8
Im Kopfbereich des Schreibens befinden sich Eintragungen der Fax-Übermittlung:
26/08/2022 05:57 +49-…-… BP-STELLE S. 03/06 bzw. S. 04/06
25/08/2022 14:24 … BP KANZLEI S. 01/02 bzw. 02/02
9
Dieses Schreiben wurde vom Antragsgegner als Verwaltungsinternum behandelt und nicht an die Antragstellerin übermittelt; dieser wurde nur die o.g. Prüfungsanordnung vom 30.08.2022 bekanntgegeben.
10
Die Antragstellerin legte form- und fristgerecht Einspruch gegen die Prüfungsanordnung vom 30.08.2022 ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung.
11
Eine Vorprüfung für den Zeitraum 2008 bis 2010 (BP-Bericht vom 12.12.2018) sei noch nicht abgeschlossen, gegen die Änderungsbescheide dieser Jahre sei ein Klageverfahren (1 K 498/22) anhängig. Eine doppelte Belastung sei unverhältnismäßig.
12
Das Schreiben des Finanzamtes C an den Antragsgegner, durch das die Beauftragung der Prüfung erfolgt sei, sei ihr nicht bekannt; sie beantragt die Bekanntgabe dieses Schreibens an sie zur Prüfung. Ein Steuerpflichtiger habe ein Recht auf Transparenz und Nachprüfbarkeit von Prüfungshandlungen seitens der Behörde; entsprechende Vorbereitungen dürften nicht im Verborgenen bleiben. Der Prüfungsanordnung sei kein Ermessen zur Anordnung der Betriebsprüfung zu entnehmen. Durch die Anordnung der weiteren Prüfung werde durch das Finanzamt C ein unzulässiger Druck ausgeübt; hier liege ein offensichtlicher Ermessensfehlgebrauch vor.
13
Der Antragsgegner übersandte der Antragstellerin daraufhin das Beauftragungsschreiben des Finanzamt C zur Außenprüfung und ergänzte, es sei nicht erkennbar, dass in unzulässiger Weise fiskalischer Druck ausgeübt werde.
14
Mit Bescheid vom 23.09.2023 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.
15
Die Antragstellerin bestritt, das Beauftragungsschreiben erhalten zu haben, und legte Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung ein. Es liege eine Ermessensunterschreitung vor, wenn das beauftragende Finanzamt keine nachvollziehbaren Erwägungen angeführt habe, weshalb die Prüfung nicht durch das zuständige, sondern das beauftragte Finanzamt vorgenommen werden sollte und diese Ermessenserwägungen in der Prüfungsanordnung nicht genannt würden.
16
Es sei ernstlich zweifelhaft, ob die Beauftragung durch das Finanzamt C rechtmäßig erfolgt sei. Durch die Prüfungsanordnung hätte auf das bereits anhängige Finanzgerichtsverfahren Einfluss genommen werden sollen.
17
Die Antragstellerin begehrt, das bei der Finanzbehörde geführte Prüfverzeichnis offenzulegen, um nachzuvollziehen, wann der Eintrag tatsächlich erfolgt sei, sowie eine Darlegung, inwieweit § 88 Abs. 5 Satz 2 AO bei der Ermessensauswahl angewandt worden sei; hier liege ein Ermessensfehlgebrauch vor.
18
Ebenfalls seien die Kriterien der Risikomanagementsysteme (RMS-Bp) vorzulegen; eine Verweigerung verletze das Gebot auf Transparenz.
19
Die Finanzbehörde unterliege bei Erlass einer Prüfungsanordnung dem Verbot der Willkür und der Schikane; die Antragstellerin habe den Eindruck, dass sachfremde Erwägungen der eigentliche Grund für die Prüfungsanordnung seien.
20
Der Antragsgegner übersandte der Antragstellerin das Beauftragungsschreiben erneut.
21
Der Antragsgegner verfasste am 02.12.2024 ein als Einspruchsentscheidung über den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung bezeichnetes Schreiben ohne Ausspruch (Tenor). Aus den Ausführungen unter I. Gründe geht hervor, dass der Antragsgegner den Einspruch als unbegründet zurückweisen wollte. Auf das Schreiben wird für die Einzelheiten verwiesen.
22
Mit Einspruchsentscheidung vom 02.12.2024 wies der Antragsgegner den Einspruch gegen die Prüfungsanordnung als unbegründet zurück.
23
Er führt aus, für die Besteuerung der Antragstellerin sei das Finanzamt C sachlich und örtlich zuständig. Die Antragstellerin gehöre zu einem Unternehmensverbund, an deren Spitze das Einzelunternehmen B bzw. Herr B als natürliche Person stehe. Für die Besteuerung von Herrn B sei der Antragsgegner sowohl örtlich als auch sachlich zuständig.
24
Bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb sei gem. § 193 Abs. 1 AO die Anordnung einer Außenprüfung ohne weitere Voraussetzungen zulässig. Einschränkungen ergäben sich weder aus den §§ 193 ff. AO noch aus anderen abgabenrechtlichen Vorschriften. Zur Begründung der Anordnung der Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO genüge grundsätzlich der Hinweis auf die Rechtslage.
25
Gemäß § 195 Satz 1 AO würden Außenprüfungen von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt. Sie könnten andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO). Nach § 18 BpO könne für sonstige zusammenhängende Unternehmen eine einheitliche Prüfung durchgeführt werden, die §§ 13-17 BpO 2000 würden entsprechend gelten. Sinn und Zweck einer sogenannten konzerneinheitlichen Betriebsprüfung sei, dass verbundene Unternehmen gleichzeitig von einem Prüfer zusammen geprüft würden.
26
Nachdem der Antragsgegner für die Außenprüfung des beherrschenden Unternehmers zuständig sei, sei es Aufgabe dieses Finanzamts, die Leitung der einheitlichen Prüfung zu übernehmen (§ 14 BpO). Die Betriebsprüfungsstelle des Antragsgegners habe daher unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer konzerneinheitlichen Prüfung beim örtlich und sachlich für die Antragstellerin zuständigen Finanzamt C angeregt, den Antragsgegner als Finanzamt des beherrschenden Unternehmens im Firmenverbund mit der Durchführung der Außenprüfung bei der Antragstellerin zu beauftragen. Mit der Genehmigung der übersandten Prüfungsanfrage habe das für die Antragstellerin zuständige Finanzamt C dieser Anfrage zugestimmt und dem Antragsgegner damit den Prüfungsauftrag erteilt.
27
Dem BFH-Urteil vom 10.12.1987 IV R 77/86 zufolge stellt die Beauftragung im Sinne des § 195 AO eine innerdienstliche Maßnahme dar, durch die die Zuständigkeit des beauftragten Finanzamts für die Außenprüfung begründet wird. Bei dieser innerdienstlichen Maßnahme handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO, da sie noch keine Regelung gegenüber dem Steuerpflichtigen darstellt.
28
Die Form der Auftragserteilung sei gesetzlich nicht geregelt. Die Genehmigung der im Entwurf vorliegenden Prüfungsanordnung und Rücksendung per Fax sichere die Nachprüfbarkeit der Beauftragung sowie den genauen Inhalt. Einer weiteren Dokumentation der Ermessungsausübung bedürfe es nicht, nachdem das Verfahren durch Verwaltungsanweisung (BpO 2000) geregelt sei. Es handele sich lediglich um die Mitwirkungsmaßnahme einer anderen Behörde, die zum Erlass der Prüfungsanordnung erforderlich sei und im Rahmen der Anfechtung dieses Verwaltungsaktes auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden könne.
29
Mit den Ausführungen im angefochtenen Verwaltungsakt, wonach das Finanzamt C den Antragsgegner mit der Außenprüfung beauftragt habe, und der Begründung „Die E GmbH wird zweckmäßigerweise im Rahmen der Prüfung des Einzelunternehmens B Verpachtungsbetrieb mitgeprüft“, sei die Prüfungsanordnung des beauftragten Finanzamts hinreichend begründet.
30
Die Entscheidung, ob eine Prüfung angeordnet werde und auf welche Steuerarten und Zeiträume sie sich erstrecke, sei eine Ermessensentscheidung. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensmissbrauch seien nicht erkennbar. Das Ermessen zum Erlass einer Prüfungsanordnung sei ausgeübt worden, damit die steuerlichen Verhältnisse der Antragstellerin im Firmenverbund ermittelt würden. Ein Verstoß gegen das Willkür- und Schikaneverbot sei nicht gegeben, ein unzulässiger fiskalischer Druck nicht ausgeübt worden. Die verfahrensrechtliche Klärung der Problematiken und Sachverhalte der Vorjahre 2010 – 2012 seien bei der Prüfungsanordnung nicht relevant gewesen und nicht bei der Ermessenentscheidung miteinbezogen worden. Sachfremde Erwägungen oder auch Risikomanagementsysteme hätten für die Anordnung einer Betriebsprüfung nicht vorgelegen.
31
Die Antragstellerin hat fristgerecht Klage gegen die Prüfungsanordnung erhoben (Az. 1 K 13/25) und zugleich den vorliegenden Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung gestellt.
32
Sie begründet die Klage mit Ermessensfehlgebrauch in der Einspruchsentscheidung wegen Prüfungsanordnung. Durch wiederholte Prüfungsmaßnahmen sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.
33
Die steuerrechtlichen Verhältnisse der Klägerin (= hiesige Antragstellerin) seien dem Beklagten (= hiesiger Antragsgegner) hinreichend bekannt; es bedürfe keiner erneuten Betriebsprüfung. Aufzuklärende Sachverhalte könnten im Rahmen der Veranlagung einer rechtlichen Würdigung zugeführt werden.
34
Die Betriebsprüfung werde aus sachfremden Erwägungen nur deshalb angeordnet, weil es einen offenbaren vermögensrechtlich relevanten Hintergrund gebe. Steuerpflichtige mit geringem Einkommen und Vermögen würden von vornherein nicht in einem Prüfungsregister erfasst. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung sei zu berücksichtigen.
35
Aufzuklären sei auch die Anwendung des Risikomanagementsystems (RMS). Vom Beklagten sei Auskunft zu erteilen, wann der Prüfungsauftrag im entsprechenden Prüfungsregister erfasst wurde. Keiner der Risikobereiche wie steuerliche Sonderverschriften, Auslandssachverhalte, Umstrukturierungsvorgänge, Auffälligkeiten bei Vergleichsanalysen und bei Verprobungen im Bereich der Gewinnermittlungen seien einschlägig.
36
Die Ermessenserwägungen für eine Auftragsprüfung seien nicht hinreichend dargelegt und daher wegen Unbestimmtheit unwirksam. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Durchführung einer Auftragsprüfung erfordere auch die Begründung, warum sie gerade durch das beauftragte Finanzamt vorgenommen werden solle.
37
Bei der Akteneinsicht sei festgestellt worden, dass ein Auftrag des Finanzamt C für den Antragsgegner nicht erteilt worden sei. Im Entwurf zur Prüfungsanordnung des Antragsgegners vom 30.08.2022 sei von der Betriebsprüfungsstelle auf Seite 3 vermerkt: „ABNr.: 82/22/MFehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.“ Dies könne nur bedeuten, dass keine Auftragserteilung durch das Finanzamt C erfolgt sei.
38
Zur Begründung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung führt sie an, vor Bekanntgabe einer finanzgerichtlichen Entscheidung gegen die Prüfungsanordnung im Hauptsacheverfahren seien die Prüfungshandlungen vollumfänglich einzustellen.
39
Die Ermessensentscheidungen für eine Auftragsprüfung seien nicht dargelegt worden, die Prüfungsanordnung erfolge aus sachfremden bzw. willkürlichen Erwägungen, da bei der Antragstellerin ein vermögensrechtlicher Hintergrund vermutet werde; bei Steuerpflichtigen ohne nennenswerte Assets würden Prüfungsmaßnahmen gemäß der sog. summarischen Risikoprüfung gar nicht mehr angeordnet.
40
Der Antragstellerin wurde Akteneinsicht gewährt.
41
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet zurückzuweisen.
42
Er teilt mit, beim Antragsgegner sei für das Klageverfahren Aussetzung der Vollziehung beantragt worden; der Antrag sei noch nicht verbeschieden.
43
Es trägt nach Wiederholung bisheriger Ausführungen weiter vor, bei den vorgebrachten Gründen handele es sich um keine Gründe, die eine Aussetzung der Vollziehung ermöglichten. Als Begründung für eine Aussetzung der Vollziehung reiche das Rechtsmittel gegen den Verwaltungsakt, hier die Prüfungsanordnung nicht aus. Auch die Gründe zum Hauptverfahren ermöglichten nicht die Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung.
44
Der Vollzug der Prüfungsanordnung, also die sofortige Durchführung der Betriebsprüfung hinsichtlich der Veranlagungszeiträume 2016 – 2018, bedeute keine unbillige Härte, die zu einer Aussetzung der Vollziehung führen müsste. Eine Betriebsprüfung begründe für sich noch keine Steuernachforderung. Sie solle der Veranlagungsstelle erst die tatsächlichen Grundlagen für ihre Steuerfestsetzungen liefern.
45
Im Klageverfahren wiederholt der Antragsgegner seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren und stellt die Beauftragung des Antragsgegners durch das Finanzamt C genauer dar: Der Antragsgegner habe sich an das zuständige Finanzamt C gewandt, um die Beauftragung anzustoßen. Der Antragsgegner habe in Form eines Entwurfs einer Prüfungsanordnung das Finanzamt C um den Auftrag gebeten, eine Betriebsprüfung bei der Antragstellerin durchzuführen. Das Finanzamt C habe am 26.08.2022 diesen Entwurf an den Antragsgegner zurück gefaxt und somit den Prüfungsauftrag erteilt. Das Finanzamt C habe dem Antragsgegner die Befugnis erteilt, eine Prüfungsanordnung lt. vorliegendem Entwurf zu erlassen. Als Grund für die Betriebsprüfung sei angegeben worden:
46
Die E GmbH wird zweckmäßigerweise im Rahmen der Prüfung des Einzelunternehmens B Verpachtungsbetrieb mitgeprüft.
47
Durch Zustimmung zum Erlass der Prüfungsanordnung wie im Entwurf vorgelegen, habe sich das Finanzamt C bewusst für den Antragsgegner entschieden, weil der Antragsgegner für das Einzelunternehmen des Herrn B (Spitze des Firmenverbundes) zuständig sei. Die Angaben im vorgelegten Entwurf der Prüfungsanordnung habe sich das Finanzamt C durch die Genehmigung zu eigen gemacht und damit das Ermessen ausgeübt. Ermessenfehler beim Erlass der Prüfungsanordnung lägen nicht vor.
48
Die Angabe auf dem Erledigungsvermerk zur Prüfungsanordnung (hier „Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.“) sei nicht nachvollziehbar; es handele sich wohl nur um ein Problem, das mit der Dokumenterstellung zu tun gehabt habe. Dieser Vermerk habe keinerlei Auswirkung auf die Prüfungsanordnung oder auf die Beauftragung. Eine Auslegung, dass damit kein Prüfungsauftrag durch das Finanzamt C erfolgt sei, sei nicht möglich. Der Prüfungsauftrag sei am 25.08.2022 mit der ABNr. 82/22/M eingetragen worden.
49
Auf die dem Gericht vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten wird im Übrigen verwiesen.
50
Der Antrag ist begründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel ernstliche Zweifel.
51
I. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; vgl. BFH-Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999).
52
II. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung bestehen bei der gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel.
53
Aus den vorgelegten Akten ist die Beauftragung des Antragsgegners durch das Finanzamt C nicht hinreichend erkennbar.
54
1. Außenprüfungen werden von den für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörden durchgeführt (§ 195 Satz 1 AO). Sie können andere Finanzbehörden mit der Außenprüfung beauftragen (§ 195 Satz 2 AO).
55
Der Auftrag kann innerdienstlich erteilt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 10.12.1987 IV R 77/86, BStBl II 1988, 322; vom 15.05.2013 IX R 27/12, BStBl II 2013, 570; vom 06.08.2013 VIII R 15/12, BStBl II 2014, 232). Eine innerdienstliche Beauftragung entfaltet zunächst keine Außenwirkung und ist daher auch nicht gemäß § 121 Abs. 1 AO zu begründen. Gegenüber dem Steuerpflichtigen tritt die Absicht der Finanzbehörde, eine Außenprüfung durchführen zu wollen, erst mit dem Erlass der Prüfungsanordnung hervor (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.1987 IV R 77/86, BStBl II 1988, 322, unter 2.). In der Beauftragung müssen der zu prüfende Steuerpflichtige und der zeitliche und sachliche Umfang der Prüfung festgelegt werden. Daran ist das beauftragte Finanzamt gebunden (vgl. BFH-Beschluss vom 10.12.2012 II B 108/11, BFH/NV 2013, 344, Rz 7, m.w.N.). Wird die Prüfungsanordnung angefochten, ist inzident auch die Rechtmäßigkeit der innerdienstlichen Beauftragung zu prüfen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15.05.2013 IX R 27/12, BStBl II 2013, 570). Zum Ganzen zuletzt BFH-Urteil vom 22.10.2024 VIII R 18/21, BStBl II 2025, 108, Rz 11 – 12).
56
Die beauftragte Finanzbehörde darf anstelle der an sich zuständigen Finanzbehörde die Außenprüfung durchführen; sie ist zum Erlass der Prüfungsanordnung befugt, aus der sich die Ermessenserwägungen für den Auftrag ergeben müssen, wozu es auch gehört, über einen Einspruch zu entscheiden. Die maßgebenden Erwägungen, die bezogen auf den Streitfall eine Auftragsprüfung implizieren, ergeben sich aus den §§ 13 bis 18 BpO. Danach finden Prüfungen zusammenhängender Unternehmen unter einheitlichen Gesichtspunkten und einheitlicher Leitung statt (vgl. BFH-Urteil vom 15.05.2013 IX R 27/12, BStBl II 2013, 570, Rz 12 m.w.N.).
57
2. Im Streitfall ist eine Beauftragung des Antragsgegners durch das Finanzamt C aus den vorgelegten Akten nicht hinreichend erkennbar.
58
Der Senat geht davon aus, dass das mit „Prüfungsanordnung“ überschriebene Schreiben des Antragsgegners vom 26.08.2022 der Entwurf der Prüfungsanordnung war. Das konkrete Datum der in Bezug genommenen Beauftragung des Antragsgegners durch das Finanzamt C wird durch einen Platzhalter (….08.2022) ersetzt.
59
Der Senat hält das vom Antragsgegner geschilderte Verfahren für im Grundsatz verwaltungsüblich: Die Beauftragung sollte auf Initiative des Antragsgegners erfolgen. Durch Versendung des Entwurfs der Prüfungsanordnung des Antragsgegners an das beauftragende Finanzamt C sollte die Beauftragung angestoßen und gleichzeitig der zu prüfende Steuerpflichtige und der zeitliche und sachliche Umfang der Prüfung festgelegt werden; in der Genehmigung und Rücksendung des Schreibens an das beauftragte Finanzamt liege die Beauftragung.
60
Im Streitfall ist aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 26.08.2022 jedoch nicht ersichtlich, wer den Stempelaufdruck angebracht hat und wer „D“, „24/8/2022“ und das unleserliche Namenszeichen nach dem Wort „genehmigt“ und dem Datum ergänzt hat.
61
Ein Hinweis auf die Mitwirkung eines Entscheidungsträgers des Finanzamt C, der eine vom Antragsgegner angeregte Beauftragung genehmigt hätte, ist weder aus den Angaben rund um den Stempelaufdruck noch aus dem weiteren Inhalt des Schreibens vom 26.08.2022 ersichtlich.
62
Dass das Finanzamt C involviert war, ist einzig durch den Aufdruck von Fax-Übermittlungsdaten im Kopfbereich des zweiseitigen Schreibens erkennbar, nämlich 26/08/2022 05:57 +49-…-… BP-STELLE S. 03/06 bzw. S. 04/06.
63
Dies belegt nach Auffassung des Senats aber nur, dass das Schreiben per Fax unter Einschaltung der Betriebsprüfungsstelle des Finanzamt C versandt wurde, nicht aber dass eine Beauftragung oder eine Genehmigung einer angeregten Beauftragung durch das Finanzamt C erteilt wurde. Eine bloße Übersendung eines Schreibens von einer Behörde zur zweiten Behörde und eine Rückübersendung zur ersten Behörde ohne einen nachvollziehbaren Niederschlag eines Verwaltungshandelns der zweiten Behörde belegt keine innerdienstliche Beauftragung.
64
Nach Aktenlage können zu den Vorgängen nur Mutmaßungen angestellt werden.
65
Diese werden erschwert durch den Umstand, dass die Datumsangaben in dem Stempelaufdruck (genehmigt 24/8/2022) und im Schreiben selbst (26.08.2022) auseinanderfallen und der Eindruck entsteht, der Stempel sei vor Datierung des Schreibens aufgebracht bzw. das Schreiben vordatiert worden.
66
Da eine Beauftragung des Antragsgegners durch das Finanzamt C aus den vorgelegten Akten nicht hinreichend erkennbar ist, sind bei summarischer Prüfung die Voraussetzungen des § 195 Satz 2 AO für den Erlass der Prüfungsanordnung durch den Antragsgegner nicht erfüllt.
67
Die Kosten des Verfahren hat der Antragsgegner zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 135 Abs. 1 FGO).