Inhalt

VG München, Urteil v. 03.06.2025 – M 30 K 23.817
Titel:

Allgemeine Feststellungsklage, Handwerkskammer, Bayerisches Lobbyregistergesetz, Registerpflicht, Ausnahmetatbestand, Öffentliches Amt oder öffentliches Mandat, Mittelbare Staatsverwaltung

Normenketten:
VwGO § 43
BayLobbyRG Art. 2 S. 1 Nr. 3 Buchst. c
HwO § 91 Abs. 1
HwO § 90 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Handwerkskammer ist nicht verpflichtet, sich nach Art. 1 Bayerisches Lobbyregistergesetz in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, soweit sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HwO tätig wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Gemäß Art. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. c) BayLobbyRG unterliegt die Interessenvertretung im Rahmen der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts oder Mandats keiner Registerpflicht. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Allgemeine Feststellungsklage, Handwerkskammer, Bayerisches Lobbyregistergesetz, Registerpflicht, Ausnahmetatbestand, Öffentliches Amt oder öffentliches Mandat, Mittelbare Staatsverwaltung, Lobbyregister
Fundstellen:
BeckRS 2025, 16380
GewA 2025, 422
LSK 2025, 16380

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, sich nach Art. 1 Bayerisches Lobbyregistergesetz in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, soweit sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Handwerksordnung tätig wird.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin, die Handwerkskammer für München und Oberbayern, begehrt die Feststellung, dass sie nicht zur Eintragung in das bei der Präsidentin des Bayerischen Landtags geführte Bayerische Lobbyregister verpflichtet ist.
2
Der Bayerische Handwerkstag wandte sich am 29. September 2021 an den Bayerischen Landtag und erläuterte, die sechs bayerischen Handwerkskammern, 45 Landesfachverbände des bayerischen Handwerks sowie mittelbar 175 Innungen und Kreishandwerkerschaften zu vertreten. Handwerkskammern, Innungen und Kreishandwerkerschaften seien Körperschaften des öffentlichen Rechts, die Landesfachverbände juristische Personen des Privatrechts, zu deren gesetzlichen Aufgaben jeweils die Interessenvertretung der Handwerksbetriebe gehöre (§ 91 Abs. 1 Nr. 1, § 81 Abs. 1 Nr. 1, § 54 Abs. 1 Satz 1, § 87 Nr. 1 Handwerksordnung – HwO). Es stelle sich allen genannten Organisationen die Frage, ob sie der Registerpflicht aus Art. 1 des am 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Bayerischen Lobbyregistergesetzes (BayLobbyRG) unterlägen. Der Bayerische Handwerkstag sei der Auffassung, dass alle Organisationen des Handwerks, deren gesetzliche Aufgabe die Interessenvertretung sei, diese im Rahmen eines öffentlichen Amts ausübten und daher dem Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG („Wahrnehmung eines öffentlichen Amts oder Mandats“) unterfielen. Der Bayerische Landtag wurde um Mitteilung gebeten, ob und welche der genannten Organisationen von diesem Ausnahmetatbestand erfasst seien. Der Bayerische Landtag teilte mit Schreiben vom 30. September 2021 mit, dass die jeweiligen Organisationen selbst prüfen müssten, ob sie registerpflichtig seien. Der Bayerische Landtag gehe grundsätzlich davon aus, dass sich Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG nur auf natürliche Personen beziehe.
3
Die Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern wandte sich mit Schreiben vom 14. Januar 2022 an die Präsidentin des Bayerischen Landtags. Der Zweck des Bayerischen Lobbyregistergesetzes, die Transparenz hinsichtlich einer Einflussnahme von Interessenvertretern auf die bayerische Gesetzgebung zu erhöhen, werde vollauf unterstützt. Es bestehe jedoch ein eklatanter Unterschied zwischen Lobbyismus und der gesetzlichen Interessenvertretung durch Handwerkskammern, da es sich bei letzterer um eine bundesgesetzlich geregelte Pflichtaufgabe handle, die Handwerkskammern anders als Lobbyisten keine Partikularinteressen, sondern das Gesamtinteresse des Handwerks verträten und die Interessenvertretung durch die Handwerkskammern eher durch die Erstattung von Gutachten geprägt sei. Die Handwerkskammern fielen daher unter den Ausnahmetatbestand der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts. Auch die Bundestagsverwaltung sei im Hinblick auf die nahezu wortgleiche Regelung im Lobbyregistergesetz des Bundes (LobbyRG) ausweislich des Handbuchs für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter zur Eintragung in das Lobbyregister dieser Auffassung. Das dem Schreiben beigefügte, vom Bayerischen Handwerkstag in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. K. und Dr. S. aus dem Dezember 2021 komme zu dem Ergebnis, dass Handwerkskammern, Innungen, Landesinnungsverbände und Kreishandwerkerschaften als zur Erfüllung gesetzlicher und damit amtlicher Aufgaben gegründete Organisationen unter den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG fielen.
4
Die Präsidentin des Bayerischen Landtags führte mit Schreiben vom 7. März 2022 aus, dass vorab nicht beantwortet werden könne, ob eine Registerpflicht einzelner der Mitgliedskammern bestehe, da dem Bayerischen Landtag nicht bekannt sei, in welcher Weise diese Interessenvertretung betreiben würden, das Gesetz jedoch in diesem Zusammenhang verschiedene Voraussetzungen aufstelle, wie z.B. Umfang und Adressaten der Aktivitäten. Nach Auffassung des Bayerischen Landtags falle die Tätigkeit von Handwerkskammern oder Kammern für die freien Berufe nicht unter den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG. In der Gesetzesbegründung werde durch die Formulierung „Inländische und ausländische Amtsträgerinnen und Amtsträger sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sind in Ausübung ihres Amtes oder Mandates von der Registerpflicht ausgenommen“ der Bezug zu natürlichen Personen hergestellt. Durch das Bayerische Lobbyregistergesetz solle möglichst umfassend Transparenz geschaffen werden. Eine extensive Auslegung des Ausnahmetatbestands laufe diesem Zweck zuwider. Zudem werde ein öffentlicher Amtsträger mittelbar immer vom Wahlvolk legitimiert, das Präsidium einer Kammer dagegen von den jeweiligen Mitgliedern und nicht von der Öffentlichkeit gewählt. Überdies seien die Weisungs- und Aufsichtsrechte unterschiedlich ausgeprägt. Dass die Rechtsauffassungen in München und Berlin auseinandergingen, sei Ausfluss des föderalen Prinzips.
5
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom … Februar 2023 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben.
6
Sie ist der Auffassung, dass sie nicht verpflichtet sei, sich in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, da sie sich jedenfalls auf den Ausnahmetatbestand der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts oder Mandats berufen könne (Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG). Die Klägerin sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung und mittelbaren Staatsverwaltung kraft Gesetzes zur Vertretung der Interessen des gesamten Handwerks auch gegenüber dem Beklagten und seinen Staatsorganen verpflichtet, damit Bestandteil der öffentlichen Verwaltung und kein „Lobbyist“ sei. Die Klägerin unterliege dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, der Rechtsaufsicht, der externen Finanzkontrolle durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof und im Hinblick auf die Erhebung und Verwendung von Mitgliedsbeiträgen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Klägerin wird auf deren schriftsätzliches Vorbringen sowie die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
7
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Klägerin als gesetzlich nach § 90 Abs. 1 HwO eingerichtete Interessensvertretung des Handwerks und Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht verpflichtet ist, sich für eine Interessensvertretung des Handwerks gegenüber dem Bayerischen Landtag oder der Bayerischen Staatsregierung in das Lobbyregister nach Art. 1 des Bayerische Lobbyregistergesetz eintragen zu lassen, soweit sie ihre gesetzlichen Aufgaben, insbesondere nach § 91 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HwO wahrnimmt.
8
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
9
Der Beklagte trägt in Ergänzung seiner vorgerichtlich zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung vor, dass nicht jede gesetzlich zugewiesene Aufgabe zu einem öffentlichen Amt führe, sondern vielmehr nur Personen erfasst würden, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis stünden. Der bayerische Gesetzgeber unterscheide nicht zwischen „guter“ und „schlechter“ Interessenvertretung und unterwerfe Interessenvertretung unabhängig von den Motiven einer Registerpflicht. Zwischen der bundesgesetzlich geregelten Interessenvertretung durch die Handwerkskammer und (privatwirtschaftlichem) Lobbyismus bestehe überdies „kein eklatanter Unterschied“; das Gesamtinteresse der Handwerkerschaft sei nicht zwingend immer mit dem Interesse der gesamten Bevölkerung gleichzusetzen. Zudem stelle die Aufgabe der Handwerkskammern, die Interessen des Handwerks zu fördern (§ 91 Abs. 1 Nr. 1 HwO) – anders als andere in § 91 Abs. 1 HwO genannte Aufgaben – keine hoheitliche Aufgabe dar. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen des Beklagten wird auf dessen schriftsätzliches Vorbringen sowie die Ausführungen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.
10
Das Gericht hat einen Antrag der Klägerin auf gerichtliche Anordnung der Beiziehung der Behördenakte und auf Vorlage des Vorgangs an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß § 99 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) durch Beschluss vom 16. April 2025 abgelehnt. Der Erlass eines Beweisbeschlusses bezüglich der Vorlage von behördlichen Unterlagen des Beklagten, insbesondere des im Schriftsatz des Beklagten vom …9.2023 genannten landtagsinternen Vermerks, sei nicht veranlasst. Streitgegenstand sei insbesondere die Frage, ob sich die Klägerin auf den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG berufen könne. Hierbei handle es sich um eine Rechtsfrage, für deren Beantwortung es nicht entscheidend auf die konkrete Aktenführung des Beklagten ankomme. Der Antrag auf Vorlage an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gemäß § 99 Abs. 2 VwGO sei unzulässig, da das erkennende Gericht die behördlichen Unterlagen des Beklagten nicht als entscheidungserheblich erachte. Überdies habe die zuständige oberste Aufsichtsbehörde keine – die Bejahung der Entscheidungserheblichkeit im Übrigen voraussetzende – Ermessensentscheidung über die Verweigerung der Vorlage der Akten, weil die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssten, getroffen.
11
In der mündlichen Verhandlung am 3. Juni 2025 hat die Klägerin im Hinblick auf die Registerpflicht ausgeführt, dass in Art. 1 BayLobbyRG von einem „Wollen“ zur Interessensvertretung die Rede sei, die Klägerin aber kraft gesetzlichen Auftrags Interessenvertretung betreiben „müsse“. Auf Hinweis des Vorsitzenden, dass Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayLobbyRG bei der Frage der Eintragungspflicht ausdrücklich nicht zwischen natürlichen und juristische Personen differenziere, hat der Beklagte erläutert, dass nicht ohne Weiteres von einer Deckungsgleichheit zwischen der Regelung zur generellen Registerpflicht in Art. 1 BayLobbyRG und den einzelnen normierten Ausnahmetatbeständen in Art. 2 BayLobbyRG ausgegangen werden dürfe, was die Begriffsbestimmungen betreffe. Dies zeige sich schon daran, dass einzelne Ausnahmetatbestände nur auf einzelne Organisationsformen abzielten. Die Klägerin hat dagegen die erkennbar subjektbezogene Ausrichtung der Ausnahmetatbestände in Art. 2 Satz 1 Nr. 4 BayLobbyRG hervorgehoben, die sich vom funktionellen Bezug ohne subjektbezogene Differenzierung in Art. 2 Satz 1 Nr. 3 BayLobbyRG unterscheide. Nach Auffassung des Beklagten ziele die in Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG verwendete Begrifflichkeit der „Wahrnehmung“ eines öffentlichen Amts oder Mandats erkennbar auf eine aktive Handlung ab. Die Klägerin hat ausgeführt, dass bei der Auslegung des Amtsbegriffs nicht verkannt werden dürfe, dass ein Amt bzw. eine Körperschaft durch einen Amtsträger als Vertreter nach außen in Erscheinung trete. Demgegenüber hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass in der zwischenzeitlich erfolgten Neuregelung des Ausnahmetatbestands auf Bundesebene („als natürliche Personen ein öffentliches Amt oder Mandat oder als juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnehmen“) für juristische Personen des öffentlichen Rechts gerade nicht auf ein öffentliches Amt oder Mandat, sondern auf eine öffentliche Aufgabe abgestellt werde. Vom Begriff „öffentlich“ werde überdies nicht jede gesetzlich übertragene Aufgabe umfasst. Beispielhaft sei die Pflicht der Eltern, für ihre Kinder Sorge zu tragen, zu nennen. Auch wenn es sich hierbei um eine öffentlich-rechtlich auferlegte Pflicht handle, nähmen Eltern bei der Fürsorge für ihre Kinder kein öffentliches Amt i.S.d. Bayerischen Lobbyregistergesetzes wahr. Die Klägerin hat hierauf unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung durch die Industrie- und Handelskammer samt Stellungnahme der Bayerischen Staatskanzlei erwidert, dass ein Vergleich mit den Elternpflichten das umfangreiche Aufgabenspektrum der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammer im Rahmen der Staatsverwaltung verkenne.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte samt Protokoll über die mündliche Verhandlung sowie die vorgelegten Behördenunterlagen verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

13
Die zulässige allgemeine Feststellungsklage ist begründet, da die Klägerin nicht verpflichtet ist, sich nach Art. 1 BayLobbyRG in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, soweit sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO tätig wird.
I.
14
Die Klage ist zulässig.
15
1. Die von der Klägerin erhobene negative Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist statthaft für die von der Klägerin begehrte Klärung, ob sie vom Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG erfasst wird (vgl. zur Ausnahmeregelung des Art. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b BayLobbyRG BVerfG, B.v. 17.1.2022 – 1 BvR 2727/21 – juris Rn. 17 ff. im Hinblick auf die Subsidiarität der Rechtssatzverfassungsbeschwerde mehrerer Gewerkschaften).
16
2. Die Klägerin ist klagebefugt.
17
Die Klagebefugnis ist in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO auch für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage vorauszusetzen, um Popularklagen in dem auf die Gewährung von Individualrechtsschutz ausgerichteten Verwaltungsprozess auszuschließen (vgl. nur BVerwG, U.v. 26.1.1996 – 8 C 19/94 – NJW 1996, 2046/2048; U.v. 28.11.2007 – 9 C 10/07 – NVwZ 2007, 423/424; U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – NVwZ 2016, 460/463).
18
Die Klägerin, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 90 Abs. 1 Halbs. 2 HwO) rechtsfähig ist und sich auf ihr Selbstverwaltungsrecht (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.1995 – 1 C 34/92 – BVerwGE 98, 163 – juris Rn. 74; Leisner in BeckOK HwO, Stand 28. Edition 1.12.2024, § 90 Rn. 5) berufen kann, hat mit ihrer Klage dargelegt, dass eine Verletzung ihrer Rechte möglich ist, da jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass sie sich auf den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG berufen kann (vgl. zur sog. Möglichkeitstheorie BVerwG, U.v. 22.2.1994 – 1 C 24/92 – NVwZ 1994, 999; U.v. 30.3.1995 – 3 C 8/94 – NVwZ 1995, 1200).
19
3. Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) steht der Zulässigkeit der erhobenen Klage nicht entgegen. Die Klägerin verfügt zudem über ein Feststellungsinteresse (§ 43 Abs. 1 VwGO).
20
Insbesondere gibt es keinen Vollzugsakt, den die Klägerin mittels einer vorrangig zu erhebenden Verpflichtungs- oder Anfechtungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) zum Gegenstand eines Verwaltungsprozesses machen könnte. Die Pflicht, sich in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, folgt unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 bis 3 BayLobbyRG, bedarf also keines Vollzugs. Auch folgen die Ausnahmen von der Registerpflicht unmittelbar aus dem Gesetz (Art. 2 Satz 1 BayLobbyRG); die Erteilung einer Befreiung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Letztlich ist die hier erhobene Feststellungsklage das effektivste und zweckmäßigste Mittel zur eindeutigen Klärung des Anwendungsbereichs des Bayerischen Lobbyregistergesetzes auf die Klägerin (vgl. BayVGH, U.v. 26.8.2009 – 20 BV 08.951 – juris Rn. 19).
21
Ein Feststellungsinteresse ergibt sich bereits daraus, dass die vorgerichtliche Korrespondenz mit dem Bayerischen Landtag zeigt, dass ein konkreter Klärungsbedarf besteht im Hinblick auf die Frage, ob die Klägerin registerpflichtig ist oder sich auf den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG berufen kann (vgl. hierzu Möstl in BeckOK VwGO, 73. Edition Stand 1.4.2025, § 43 Rn. 19), da als Feststellungsinteresse i.S.v. § 43 Absatz 1 VwGO jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen ist, das hinreichend gewichtig ist, um die Position des Betroffenen zu verbessern (vgl. nur BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 5 C 40.84 – BVerwGE 74, 1 – beck online). Überdies folgt ein Feststellungsinteresse daraus, dass eine etwaige Registerpflicht dazu führen würde, dass Angaben über die Klägerin, z.B. über bestimmte Zuwendungen an sie (Art. 3 Abs. 1 und 2 BayLobbyRG), sowie Stellungnahmen der Klägerin zu Gesetzesvorhaben des Landtags oder der Staatsregierung veröffentlicht würden (Art. 4 BayLobbyRG) und die Klägerin zudem einem Verhaltenskodex unterliegen würde (Art. 5 BayLobbyRG).
22
Der durch Art. 98 Satz 4 Bayerische Verfassung (BV) gewährten Möglichkeit, Popularklage zum Bayerischen Verfassungsgerichtshof zu erheben, kommt kein Vorrang gegenüber der Erhebung einer Feststellungsklage zu. Wenn die (engeren) Voraussetzungen für subjektiven Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichtsordnung (insb. in Form der Klagebefugnis und des Feststellungsinteresses) vorliegen, da es – wie hier – nicht um die objektive Beanstandung einer Rechtsnorm (vgl. Wolff in Lindner/ Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 98 Rn. 7 f., 49 unter Vergleich mit der abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG), sondern um die Frage der Anwendbarkeit einer Regelung auf einen konkreten Sachverhalt geht, besteht kein Bedürfnis, den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz auszuschließen, weil auch Popularklage erhoben werden könnte. Hinzu tritt, dass die Gewährung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gerade auch der Klärung auslegungsbedürftiger und -fähiger einfachgesetzlicher Rechtsbegriffe durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Fachgerichtsbarkeit dient (vgl. zu diesem Aspekt BayVerfGH, E.v. 5.4.2022 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn. 89 bzgl. eines Eilantrags von Gewerkschaften im Popularklageverfahren gegen Regelungen des Bayerischen Lobbyregistergesetzes). Im Übrigen unterliegt eine Popularklage dem nur eingeschränkten Prüfungsumfang, ob die angefochtene Vorschrift mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist (BayVerfGH, E.v. 26.10.2023 – Vf. 2-VII-22 – juris Rn 27).
23
4. Die Klägerin verfügt auch über das für die Zulässigkeit der Klage notwendige allgemeine Rechtsschutzbedürfnis, da dieses nicht durch eine Verwirkung des Klagerechts entfallen ist.
24
Die prozessuale Verwirkung setzt voraus, dass seit der ersten Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die das verspätete Geltendmachen als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Der Rechtsbehelfsführer muss bei einer Gesamtwürdigung unter Verhältnissen untätig geblieben sein, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen gepflegt wird und eine Situation geschaffen haben, auf die der Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten durfte (Vertrauensgrundlage), vgl. hierzu BVerwG, U.v. 7.2.1974 – III C 115.71 – juris Rn. 18; U.v. 29.8.1996 – 2 C 23/95 – juris Rn. 24.
25
Zwar kann zur Bestimmung des Zeitmoments der Verwirkung die Jahresfrist aus § 58 Abs. 2 VwGO als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens dienen (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1974 – IV C 2.72 – juris Rn. 28; U.v. 31.1.1975 – IV C 32.73 – juris Rn. 8) und war diese Jahresfrist aufgrund des Inkrafttretens des Bayerischen Lobbyregistergesetzes zum 1. Januar 2022 zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch Schriftsatz vom 16. Februar 2023 bereits verstrichen. Jedoch wurde keine Vertrauensgrundlage zugunsten des Beklagten geschaffen, da sich die Klägerin vorgerichtlich zwar nicht selbst an den Beklagten gewandt hat, jedoch insbesondere durch das Schreiben der Arbeitsgemeinschaft der bayerischen Handwerkskammern vom … Januar 2022 deutlich gemacht wurde, dass von der Anwendbarkeit des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG auf Handwerkskammern – und damit auch auf die Klägerin – ausgegangen wird und ein Interesse an einer diesbezüglichen Klärung besteht.
II.
26
Die Klage ist begründet. Die Klägerin ist nicht verpflichtet, sich nach Art. 1 BayLobbyRG in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, soweit sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO tätig wird. Zwar ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Registerpflicht erfüllt (Art. 1 Abs. 1 bis 3 BayLobbyRG, 1.), jedoch unterfällt sie im Rahmen der Erfüllung der Aufgabenerfüllung aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO dem Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG (2.).
27
1. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die Registerpflicht erfüllt (Art. 1 Abs. 1 bis 3 BayLobbyRG).
28
Gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayLobbyRG müssen diejenigen, die Interessenvertretung gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung (siehe hierzu die Begriffsbestimmungen in Abs. 3) betreiben wollen, dies durch Eintragung in das bei der Landtagspräsidentin geführte Lobbyregister angeben, sobald die Interessenvertretung regelmäßig betrieben wird, auf Dauer angelegt ist, für Dritte erfolgt oder innerhalb der jeweils letzten drei Monate mehr als 20 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte erfolgten. Interessenvertretung ist dabei jede Tätigkeit zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf die parlamentarische oder regierungsseitige Ausarbeitung oder Beratung politischer oder gesetzgeberischer Vorhaben oder in sonstiger Weise auf den Willensbildungsprozess des Landtags oder der Staatsregierung (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayLobbyRG).
29
Die Errichtung der Handwerkskammern dient ausweislich § 90 Abs. 1 Halbs. 1 HwO der Vertretung der Interessen des Handwerks. Den Handwerkskammern wird durch § 91 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HwO insbesondere die Aufgabe zugewiesen, die Interessen des Handwerks zu fördern und für einen gerechten Ausgleich der Interessen der einzelnen Handwerke und ihrer Organisationen zu sorgen, sowie die Behörden in der Förderung des Handwerks durch Anregungen, Vorschläge und durch Erstattung von Gutachten zu unterstützen und regelmäßig Berichte über die Verhältnisse des Handwerks zu erstatten. Hierbei handelt es sich um eine Pflicht der Handwerkskammern, da ihnen der Körperschaftsstatus und das hiermit einhergehende Selbstverwaltungsrecht (nur) deshalb zukommen, weil sie gesetzlich zur Vertretung der Interessen des Handwerks berufen sind (vgl. Leisner in BeckOK HwO, Stand 28. Edition 1.12.2024, § 90 Rn. 6; Günther in Hönig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl. 2017, § 91 Rn. 1 f.).
30
Die Interessenvertretung durch die Klägerin ist bereits „auf Dauer angelegt“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayLobbyRG, da es sich hierbei um eine den Handwerkskammern gesetzlich durch § 90 Abs. 1 Halbs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HwO zugewiesene Pflichtaufgabe handelt. Es kommt damit nicht darauf an, dass zudem anzunehmen ist, dass die Klägerin diese Aufgabe als Körperschaft des öffentlichen Rechts auch tatsächlich erfüllt und i.S.v. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayLobbyRG Interessenvertretung regelmäßig betreibt.
31
Eine Registerpflicht wird durch Art. 1 Abs. 1 bis 3 BayLobbyRG nur begründet, wenn die Interessenvertretung speziell gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung erfolgt. Die Aufgabenzuweisung an die Handwerkskammern durch § 91 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HwO bezieht sich zwar allgemein auf Behörden. Zudem wurde der – nicht durch Gesetz vorgesehene, als eingetragener Verein organisierte – Bayerische Handwerkstag zur Vertretung und Förderung der Gesamtinteressen des bayerischen Handwerks in allen Grundsatzfragen gebildet (§ 1 der Satzung i.d. Neufassung gemäß Beschluss der Mitgliederversammlung v. 22.10.2009 – Satzung). Ihm obliegt als Spitzenorganisation der Handwerksorganisationen Bayerns die Aufgabe, die Belange des bayerischen Handwerks insbesondere gegenüber der Volksvertretung und der Staatsregierung wahrzunehmen (§ 2 Abs. 1 Satzung). Jedoch ist – insbesondere bei Berücksichtigung der regionalen Zuständigkeit der Klägerin für Oberbayern und damit auch für die Landeshauptstadt München – anzunehmen, dass die Klägerin auch gegenüber der Staatregierung und dem Landtag Interessenvertretung betreibt (in diesem Sinne auch das von der Klägerin vorgelegte, im Auftrag des Bayerischen Handwerkstages erstellte Rechtsgutachten von Prof. Dr. K. Dr. S. , S. 34; vgl. dazu, dass der Tätigkeitsradius einer Handwerkskammer grds. der regionale Radius des Kammerbezirks ist, sich aber auch auf Landesebene bewegen kann, Günther in Hönig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl. 2017, § 91 Rn. 11).
32
Im Hinblick auf die Registerpflicht kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin durch § 90 Abs. 1 Halbs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 HwO zur Interessenvertretung verpflichtet ist. Zwar könnte der Formulierung „Interessenvertretung gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung betreiben will“ in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayLobbyRG bei isolierter Betrachtung ein voluntatives Element zugeschrieben werden. Allerdings kommt der Formulierung vielmehr eine zeitliche Dimension zu. Eine Eintragungspflicht entsteht nicht erst, sobald die Interessenvertretung tatsächlich regelmäßig betrieben wird (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayLobbyRG ) oder für Dritte tatsächlich erfolgt (Buchst. c), sondern bereits, sobald sie auf Dauer angelegt ist (Buchst. b). Dies wird durch Art. 1 Abs. 1 Satz 3 BayLobbyRG verdeutlicht, wonach die Eintragung unverzüglich zu erfolgen hat, sobald eine der in Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayLobbyRG genannten Voraussetzungen vorliegt. Bei einer Interessenvertretung, die auf Dauer angelegt ist, könnte jedoch noch nicht davon gesprochen werden, dass jemand bereits Interessenvertretung „betreibt“, weswegen auf die Formulierung „betreiben will“ zurückgegriffen wurde. Dies kommt auch durch die Gesetzesbegründung zum Ausdruck, der zufolge Art. 1 BayLobbyRG eine Registrierungspflicht für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter enthält, die eine Interessenvertretung gegenüber dem Landtag oder der Staatsregierung „beabsichtigen“ (LT-Drs. 18/15463, S. 7). Dass die Freiwilligkeit der Interessenvertretung Voraussetzung für eine Registerpflicht wäre, entspricht damit weder der Systematik des Gesetzes noch dem Willen des Gesetzgebers.
33
2. Aus der Auslegung des Ausnahmetatbestands des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG ergibt sich, dass die Klägerin diesem unterfällt, soweit sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO tätig wird, da sie insoweit jedenfalls ein öffentliches Mandat wahrnimmt (Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG).
34
Gemäß Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG unterliegt die Interessenvertretung im Rahmen der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts oder Mandats keiner Registerpflicht.
35
a. Der Sinn und Zweck des Bayerischen Lobbyregistergesetzes, der Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 BayLobbyRG und die Systematik des Gesetzes sprechen dafür, Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG eng auszulegen.
36
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass durch die Schaffung des Bayerischen Lobbyregisters die Transparenz des parlamentarischen Verfahrens weiter verbessert werden soll, da eine im Verborgenen stattfindende Einflussnahme das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Politik und in die Legitimität parlamentarischer oder regierungsseitiger Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse beeinträchtigen kann. Als Zweck des Gesetzes wird die Offenlegung der Beteiligung von Interessenvertretern an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen im Parlament und in der Regierung benannt (LT-Drs. 18/15463, S. 1 f.).
37
Dies zugrunde legend ist die Schaffung umfassender Transparenz als Sinn und Zweck des Bayerischen Lobbyregistergesetzes anzusehen (in diesem Sinne das Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags v. 7.3.2022, S. 2), da weder die Gesetzesbegründung noch der Wortlaut des Gesetzes eine Unterscheidung zwischen „guter“ und „schlechter“ Interessenvertretung vorsehen oder den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Interessenvertretung durch Private begrenzen. Vielmehr wurde in Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayLobbyRG eine weite Definition des Begriffs der Interessenvertretung, die zu einer Registerpflicht führt, gewählt (Art. 1 Abs. 2 BayLobbyRG) und überdies eine frühzeitige Eintragungspflicht – insbesondere bereits sobald eine auf Dauer angelegte Interessenvertretung beabsichtigt wird – vorgesehen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Satz 3 BayLobbyRG; siehe hierzu bereits oben). Dies spricht ebenso wie die systematische Einordnung von Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG als einer der Ausnahmetatbestände zu der grundsätzlich bestehenden, weit gefassten Registerpflicht für eine enge Auslegung von Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG.
38
b. Es kann offenbleiben, ob sich die Wahrnehmung der Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO durch die Klägerin noch unter den Begriff der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts fassen lässt (aa.). Jedenfalls handelt es sich hierbei um die Wahrnehmung eines öffentlichen Mandats i.S.v. Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG (bb.) .
39
aa. Ohne dass es entscheidungserheblich ist, spricht viel dafür, dass die Interessenvertretung durch die Klägerin nicht mehr unter den Begriff der Wahrnehmung eines öffentlichen Amts i.S.v. Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG gefasst werden kann, als hiermit die Aufgaben, Rechte und Pflichten eines Amtsträgers als natürliche Person gemeint sein dürften und dies von der Aufgabenerfüllung durch eine juristische Person begrifflich zu unterscheiden ist.
40
Der Begriff „Amt“ wird zwar auch zur Bezeichnung einer Behörde zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben verwendet („Finanzamt“, „Kreisjugendamt“; vgl. die Definition im Politiklexikon der Bundeszentrale für politische Bildung – online abrufbar). Allerdings ordnet sowohl der im Grundgesetz verwendete Amtsbegriff (Art. 33 Abs. 2, Art. 34 Satz 1 GG) als auch das verwaltungsorganisationsrechtliche Begriffsverständnis, wonach ein Amt die kleinste Organisationsuntereinheit der Verwaltung bezeichnet, die durch eine natürliche Person ausgefüllt wird (Kluth in Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht II, 8. Aufl. 2023, § 82 Rn. 178 ff.), das Amt einer natürlichen Person zu. Diesem Begriffsverständnis nach werden mit dem Begriff Amt die einer Person übertragenen hoheitlichen oder öffentlichen Aufgaben sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten bezeichnet (vgl. ebenso die Definition im Politiklexikon der Bundeszentrale für politische Bildung – online abrufbar). Obwohl auch das einer juristischen Person zuzurechnende Handeln letztlich durch eine natürliche Person als Vertreter der juristischen Person erfolgt (siehe zu diesem Aspekt noch unten), lässt sich nicht ausschließen, dass der Gesetzgeber vorliegend von einem Begriffsverständnis des Amtsträgers als natürlicher Person ausgegangen ist, die ein öffentliches Amt innehat bzw. ausübt und dadurch dieses Amt i.S.d. Bayerischen Lobbyregistergesetzes wahrnimmt.
41
bb. Die Wahrnehmung der Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO durch die Klägerin ist jedenfalls als Wahrnehmung eines öffentlichen Mandats i.S.v. Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG anzusehen, da ein Mandat – anders als ein Amt – auch durch eine juristische Person wahrgenommen werden kann und die Klägerin ein öffentliches Mandat wahrnimmt.
42
(1) Die Klägerin kann als juristische Person begrifflich Mandatsträger sein.
43
Der Begriff des Mandats, für den es wohl keine allgemeingültige rechtliche Definition geben dürfte, kann beschrieben werden als Vollmacht, die zur Wahrnehmung bestimmter Interessen oder zur Erledigung bestimmter Aufgaben einer anderen Person oder Organisation erteilt wird (vgl. die Definition im Politiklexikon der Bundeszentrale für politische Bildung – online abrufbar) bzw. als Auftragsbeziehung, bei der jemand legitimerweise für einen anderen handelt (vgl. die Definition im Rechtslexikon der Bundeszentrale für politische Bildung – online abrufbar). Ein Mandat bringt damit die Legitimierung zur Wahrnehmung von Aufgaben zum Ausdruck. Es kann sich daher auf die Aufgabenwahrnehmung durch eine natürliche Person beziehen (siehe hierzu im Zusammenhang mit der Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten etwa die Begrifflichkeit des „freien Mandats“, vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Art. 13 Abs. 2 Satz 2 BV), ist hierauf jedoch nicht begrenzt.
44
Durch die Formulierung des Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BayLobbyRG wird deutlich zum Ausdruck gebracht, dass gerade nicht nur auf das Geschlecht natürlicher Personen Bezug genommen werden soll:
45
„Die Registerpflicht besteht unabhängig von der Frage der Rechtsfähigkeit und ohne Rücksicht darauf, ob die Interessenvertreterin oder der Interessenvertreter eine natürliche oder juristische Person, Personengesellschaft, organisierte Personenmehrheit, ein Netzwerk oder eine Plattform ist oder auf andere Weise organisiert ist.“
46
Hier wird die weibliche und die männliche Form der Adressaten des Bayerischen Lobbyregistergesetzes verwendet („Interessenvertreterin oder der Interessenvertreter“) und herausgestellt, dass es gerade nicht darauf ankommt, ob die Interessenvertreterin oder der Interessenvertreter eine natürliche oder juristische Person ist.
47
Der Beklagte begründet seine Auffassung, dass nur natürliche Personen begrifflich erfasst würden, im Widerspruch hierzu damit, dass in der Gesetzesbegründung zu Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG ausgeführt wird, dass inländische und ausländische Amtsträgerinnen und Amtsträger sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Ausübung ihres Amts oder Mandats von der Registrierungspflicht ausgenommen sind (LT-Drs. 18/15463, S. 8). Zwar mag der Leser „bei unbefangener Exegese“ (so der Bevollmächtigte des Beklagten im Schriftsatz vom *. April 2023) der Gesetzesbegründung aufgrund der dort gewählten Verwendung jeweils der weiblichen und männlichen Form auf den ersten Blick zunächst an natürliche Personen denken. Die Verwendung der männlichen und der weiblichen Begriffsform kann jedoch gerade auch auf juristische Personen angewendet werden („die Körperschaft“, „die Handwerkskammer“).
48
Hinsichtlich der Annahme, dass weder die „Wahrnehmung eines öffentlichen Mandats“ (Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG) noch die Formulierung „Amtsträgerinnen und Amtsträger sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträger“ (so die Gesetzesbegründung zu Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG) dem Wortlaut nach auf natürliche Personen begrenzt sind, kann ergänzend auch das Begriffsverständnis des Bundesgesetzgebers herangezogen werden. Dieser sah in der ursprünglichen Fassung des ebenso wie das Bayerische Lobbyregistergesetz zum 1. Januar 2022 in Kraft getretenen Lobbyregistergesetzes auf Bundesebene eine Ausnahme von der Registrierungspflicht aus § 1 Abs. 1 LobbyRG vor, wenn und soweit „Interessenvertreterinnen oder Interessenvertreter“ „ein öffentliches Amt oder Mandat wahrnehmen“ (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 LobbyRG i.d.F. bis 29.2.2024). Der Bundesgesetzgeber führte in der Begründung hierzu – nahezu wortgleich zum Landesgesetzgeber – aus, dass inländische und ausländische Amtsträgerinnen und Amtsträger sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Ausübung ihrer Tätigkeit von der Registrierungspflicht ausgenommen seien (BT-Drs. 19/22179, S. 9). Wie der Bundesgesetzgeber in der Begründung zum Änderungsvorschlag zu § 1 Abs. 2 Nr. 6 LobbyRG erläutert, fielen unter den Ausnahmetatbestand die mittelbare wie unmittelbare Staatsverwaltung, da ein öffentliches Amt oder Mandat wahrnehme, wem die Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben aufgrund von Rechtsvorschriften und/oder Wahlen übertragen worden sei und wer in Erfüllung dieser Aufgaben tätig werde. Da sich in der Praxis jedoch Unsicherheiten hinsichtlich des Umfangs dieser Ausnahmevorschrift gezeigt hätten, wurde vorgeschlagen, den Ausnahmetatbestand um den Zusatz „insbesondere als Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts“ zu ergänzen (BT-Drs. 20/7346, S. 5, S. 23). Letztlich gewählt wurde zwar die Formulierung „als natürliche Personen ein öffentliches Amt oder Mandat oder als juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnehmen“ (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 LobbyRG). Hierdurch wird jedoch lediglich die oben dargestellte Definition des Mandats als Wahrnehmung von Aufgaben selbständig neben den Mandats- und Amtsbegriff gestellt und zugleich – anders als im ursprünglichen Änderungsvorschlag angelegt – vermieden, dass der Fokus durch die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ auf juristischen Personen liegt, da natürliche Personen nach wie vor gleichermaßen wie juristische Personen vom Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LobbyRG erfasst sein sollen.
49
Für eine Anwendbarkeit des Begriffs des Mandats auf juristische Personen spricht schließlich – wie von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt –, dass die in Art. 2 Satz 1 Nr. 4 BayLobbyRG normierten Ausnahmetatbestände durch die Bezugnahme auf Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Buchst. a), Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen (Buchst. b), die Spitzenorganisationen nach Art. 16 BayBG (Buchst. c), die kommunalen Spitzenverbände (Buchst. e), politische Parteien nach dem Parteiengesetz (Buchst. f) und politische Stiftungen (Buchst. g) subjektbezogen sind. Die Ausnahmetatbestände des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 BayLobbyRG – darunter der hier relevante Buchst. c – sind dagegen funktionsbezogen ausgestaltet, indem sie sich auf Petitionen nach Art. 115 BV (Buchst. a), die Mitwirkung an öffentlichen Anhörungen der Ausschüsse des Landtags (Buchst. b), die Wahrnehmung eines öffentlichen Amts oder Mandats (Buchst. c), die anwaltliche Beratung und Vertretung (Buchst. d), die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten und die Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen (Buchst. e), auf angeforderte Expertisen (Buchst. f) und die Tätigkeit der Medien (Buchst. g) beziehen.
50
Dass sich der Mandatsbegriff nicht nur auf natürliche Personen erstreckt, lässt sich zudem damit begründen, dass die auch nach Auffassung des Beklagten vom Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG erfasste Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch eine natürliche Person – sei es als Amtsträger oder als Mandatsträger – etwa dann, wenn diese wie im Fall der Klägerin für eine juristische Person handeln, der juristischen Person als Rechtsträger zuzurechnen ist. So wird die Klägerin von Präsident und Hauptgeschäftsführer vertreten (§ 109 Satz 1 Halbs. 2 HwO). Dass sich die nach außen handelnde natürliche Person auf den Ausnahmetatbestand berufen können sollte, die juristische Person, der ihr Handeln rechtlich zugerechnet wird, jedoch nicht, überzeugt nicht. Dieser Widerspruch lässt sich bei Anwendung des Bayerischen Lobbyregistergesetzes, wie sie der Beklagte vornimmt, auch nicht ausräumen.
51
(2) Die Klägerin nimmt auch – wie von Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG vorausgesetzt – ein öffentliches Mandat wahr, soweit sie in Erfüllung der ihr durch § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO zugewiesenen Aufgabe tätig wird.
52
Zugrunde legend, dass der Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG die Wahrnehmung eines öffentlichen Mandats voraussetzt und der Begriff „Mandat“ die Legitimierung zur Wahrnehmung von Aufgaben zum Ausdruck bringt, ist vorauszusetzen, dass eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird.
53
Die Klägerin nimmt in Erfüllung ihrer gesetzlich durch § 90 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO übertragenen Aufgabe eine öffentliche Aufgabe wahr. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass insbesondere die Aufgaben der Handwerkskammern aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO „legitime öffentliche Aufgaben“ darstellen, die die gesetzlich vorgesehene und als verfassungskonform erachtete Pflichtmitgliedschaft (§ 90 Abs. 2 bis 4 HwO; vgl. BVerfG, B.v. 13.10.1971 – 1 BvR 280/66 – BVerfGE 32, 54 – juris Rn. 29; BVerwG, U.v. 17.12.1998 – 1 C 7/98 – NJW 1999, 2292/2293 ff.) rechtfertigen (so ausdrücklich BVerwG, U.v. 17.12.1998 – 1 C 7/98 – NJW 1999, 2292/2293; vgl. zudem zu den Industrie- und Handelskammern BVerfG, B.v. 19.12.1962 – 1 BvR 541/57 – BVerfGE 15, 235 – NJW 1963, 195 sowie B.v. 7.12.2001 – 1 BvR 1806/98 – GewA 2002, 111/112 f.).
54
Unter den Begriff der „legitimen öffentlichen Aufgaben“ i.S.d. Rechtsprechung fallen all diejenigen Aufgaben, an deren Erfüllung ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber so geartet sind, dass sie weder im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss (BVerfG, B.v. 18.12.1974 – 1 BvR 430/65 u. 259/60 – BVerfGE 38, 281 – NJW 1975, 1265). Da die Wahrnehmung einer (legitimen) öffentlichen Aufgabe für die Anwendbarkeit von Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG auf die Klägerin ausreichend ist, kommt es nicht darauf an, dass die Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO – anders als z.B. die Führung der Handwerksrolle i.S.v. § 6 HwO (§ 91 Abs. 1 Nr. 3 HwO) – keine hoheitliche Aufgabe im Sinne eines Tätigwerdens im Rahmen der Eingriffsverwaltung gegenüber den Mitgliedern der Kammer darstellt (vgl. zu diesem Begriffsverständnis den Schriftsatz der Klägerin v. 9.8.2023, S. 5; vgl. zur rechtlichen Einordnung der einzelnen Aufgaben aus § 91 HwO zudem Günther in Hönig/Knörr/Thiel, HwO,5. Aufl. 2017, § 90 Rn. 15 f.).
55
Wenngleich das von der Klägerin zu vertretende Gesamtinteresse der Handwerkerschaft nicht zwingend mit dem Interesse der Gesamtbevölkerung gleichzusetzen ist und es insofern als „Partikularinteresse“ angesehen werden könnte (siehe insofern etwa den Vergleich mit einem privaten Verband durch Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 3. Aufl. 2020, § 15 Rn. 26), wurde dieses Interesse durch den Gesetzgeber mit der Schaffung von § 90 Abs. 1, § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO aufgrund seiner wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen und Ziele in den Rang eines wichtigen Gemeinschaftsinteresses erhoben und bildet deshalb einen – über ein bloßes Partikularinteresse hinausgehenden – sog. relativen Gemeinwohlbelang (BVerfG, B.v. 17.7.1961 – 1 BvL 44/55 – BVerfGE 13, 97 – NJW 1961, 2022/2012 f.; Sodan, LKV 2012, 193/196 f.). Dies verdeutlicht, dass nicht zwangsläufig ein scharfer Gegensatz zwischen Gemeinwohlbelangen auf der einen Seite sowie Einzel- und Gruppeninteressen auf der anderen Seite bestehen muss (Sodan, LKV 2012, 193/196 f.), der mit einer Abgrenzung von Interessenvertretung und Lobbyismus oder der Registerpflicht und dem Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG einhergeht.
56
Die Begünstigung der Klägerin gegenüber privaten Interessenverbänden ist sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig, da die Klägerin der Rechtsaufsicht unterliegt (§ 115 Abs. 1 HwO ; vgl. hierzu Leisner in BeckOK HwO, Stand 28. Edition 1.12.2024, § 115 Rn. 1 f.) und ihr ihre Aufgaben und Kompetenz durch den Gesetzgeber, insbesondere durch § 91 HwO , abschließend zugewiesen wurden (vgl. zu diesem Aspekt Austermann, GewArch 2022, 101/103). Hervorzuheben ist zudem, dass die Klägerin verpflichtet ist, bei Äußerungen Objektivität, die notwendige Sachlichkeit und Zurückhaltung zu wahren und die Interessen des Handwerks nur unter Berücksichtigung aller anderen öffentlichen Belange verfolgt werden dürfen, die eigenen Interessen der Klägerin also laufend mit den Interessen anderer Berufsgruppen, die ihrerseits öffentliche Belange beinhalten, abzuwägen sind (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 14.10.2020 – 8 C 23/19 – BVerwGE 169, 375 – juris Rn. 22; Detterbeck, HwO, 3. Online-Auflage 2016, § 91 Rn. 1; Leisner in BeckOK HwO, Stand 27. Edition 1.12.2024, § 91 Rn. 12 f.).
57
(3) Da bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eindeutig hervorgeht, dass die Klägerin bei Wahrnehmung der Aufgaben aus § 90 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt, kommt es nicht entscheidend darauf an, dass durch den vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung gezogenen Vergleich zu der Eltern vom Gesetzgeber auferlegten Pflicht, für ihre Kinder S.orge zu tragen (§ 1626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch), deutlich wird, dass allein die Übertragung einer Aufgabe durch Gesetz nicht ausreicht, um sich auf den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG berufen zu können, sofern man – das vom Beklagten angeführte Beispiel in den Blick nehmend – davon ausgeht, dass eine etwaige Interessenvertretung durch Eltern überhaupt in Erfüllung ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren Kindern erfolgen würde. Ob es bereits ausreicht, dass bei der Interessenvertretung eine Aufgabe, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist, wahrgenommen wird, oder eine Interessenvertretung Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG lediglich dann unterfällt, wenn der Interessenvertreter der (unmittelbaren oder mittelbaren) Staatsverwaltung zuzuordnen ist, kann offenbleiben, da die Klägerin der mittelbaren Staatsverwaltung zuzuordnen ist (vgl. zu dieser Einordnung BGH, B.v. 16.11.1998 – AnwZ (B) 36/98 – NJW-RR 1999, 571 bezüglich der Unvereinbarkeit des Anwaltsberufs mit einer Tätigkeit für eine Handwerkskammer; Siegel in Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Staatenverbund, 2. Aufl. 2022, § 46 Rn. 15; Leisner in BeckOK HwO, Stand 28. Edition 1.12.2024, § 90 Rn. 4; Günther in Hönig/Knörr/Thiel, HwO, 5. Aufl. 2017, § 90 Rn. 16).
58
Im Hinblick auf den vom Beklagten thematisierten Unterschied zwischen der demokratischen Legitimation eines Amtsträgers und derjenigen des Präsidiums einer Kammer ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht die mittelbare Staatsverwaltung in Form der funktionalen Staatsverwaltung, wie sie beispielsweise durch die Handwerkskammern erfolgt, als Ergänzung und Verstärkung des demokratischen Prinzips erachtet. Das demokratische Prinzip des Art. 20 Abs. 2 GG erlaubt es demnach, durch Gesetz – also durch einen Akt des vom Volk gewählten und daher klassisch demokratisch legitimierten parlamentarischen Gesetzgebers – für abgegrenzte Bereiche der Erledigung öffentlicher Aufgaben besondere Organisationsformen der Selbstverwaltung zu schaffen. Hierdurch darf zum einen ein wirksames Mitspracherecht der Betroffenen geschaffen und verwaltungsexterner Sachverstand aktiviert werden; zum anderen darf der Gesetzgeber mit der Übertragung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in Formen der Selbstverwaltung das Ziel verfolgen, einen sachgerechten Interessenausgleich zu erleichtern, und so dazu beitragen, dass die von ihm beschlossenen Zwecke und Ziele effektiver erreicht werden (BVerfG, B.v. 5.12.2002 – 2 BvL 5/98, 2 BvL 6/98 – BVerfGE 107, 59 – juris Rn. 144).
59
c. Die Klägerin begehrt mit ihrem Klageantrag ausdrücklich die Feststellung, dass sie „als Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (§ 90 Abs. 1 Halbs. 2 HwO) nicht verpflichtet ist, sich in das Bayerische Lobbyregister einzutragen. Hiermit grenzt sich die Klägerin etwa von den Landesinnungsverbänden, d.h. den Landesfachverbänden des bayerischen Handwerks ab, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind (§ 80 Satz 1 Halbs. 1 HwO) und auf die sich die der Klage vorausgehende Anfrage des Bayerischen Handwerkstags ebenso wie auf die Klägerin (und andere Organisationen des bayerischen Handwerks) erstreckte. Aufgrund der Formulierung des Klageantrags und der diesbezüglich ausgetauschten, ausführlichen Schriftsätze der Beteiligten wird darauf hingewiesen, dass durchaus fraglich ist, ob sich der Ausnahmetatbestand des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG in seiner derzeitigen Fassung lediglich auf juristische Personen des öffentlichen Rechts, nicht aber auf juristische Personen des Privatrechts erstreckt (siehe zu diesem Aspekt die Ausführungen in dem von der Klägerin vorgelegten, im Auftrag des Bayerischen Handwerkstages erstellten Rechtsgutachten von Prof. Dr. K. Dr. S. , S. 39; ebenso zwischenzeitlich zum Lobbyregistergesetz auf Bundesebene das Handbuch für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter zur Eintragung in das Lobbyregister des Deutschen Bundestags (Stand 15.11.2022 – Version 1.1, S. 17; siehe zudem Austermann, GewArch 2022, 101/103 zu § 1 Abs. 2 Nr. 6 LobbyRG i.d.F. bis 29.2.2024, dem zufolge Sinn und Zweck des funktionsbezogenen Ausnahmetatbestands der Schutz des Austauschs zwischen Staatsverwaltung und Parlament als „innerstaatlicher Austausch“ ist). Mit dem Begriff der mittelbaren Staatsverwaltung wird nicht nur die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch verselbständigte rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts unter staatlicher Rechtsaufsicht bezeichnet (vgl. Siegel in Stern/Sodan/Möstl, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Staatenverbund, 2. Aufl. 2022, § 46 Rn. 14; Kemmler, JA 2015, 328/329 f. u. 335). Auch Privatrechtssubjekte (natürliche oder juristische Personen des Privatrechts) sind als Bestandteil der mittelbaren Staatsverwaltung der Staatsverwaltung zuzuordnen, soweit ihnen auf Grund eines staatlichen Verleihungsakts Befugnisse zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben erteilt wurden und sie hierdurch der staatlichen Rechtsaufsicht unterliegen (vgl. Siegel in Stern/Sodan/Möstl, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland im europäischen Staatenverbund, 2. Aufl. 2022, § 46 Rn. 14; Kemmler, JA 2015, 328/329 f. u. 335).
60
Das dargestellte Verständnis ergibt sich aus der Auslegung der derzeitigen Fassung von Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG. Die Beurteilung der Frage, ob der Ausnahmetatbestand zur noch stärkeren Förderung des Sinn und Zwecks des Bayerischen Lobbyregistergesetzes, die Transparenz bezüglich einer Einflussnahme von Interessenvertretern auf die bayerische Gesetzgebung zu erhöhen (vgl. LT-Drs. 18/15463, S. 1 f.) bzw. möglichst umfassende Transparenz zu schaffen (vgl. das Schreiben der Präsidentin des Bayerischen Landtags v. 7.3.2022, S. 2), enger gefasst werden sollte oder nicht, obliegt nicht der erkennenden Kammer, sondern unterfällt dem Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers (siehe hierzu Prof. Dr. K. Dr. S. , a.a.O., S. 38; siehe zudem auf Bundesebene die seit 1.3.2024 geltende Neufassung des § 2 Abs. 2 Nr. 6 LobbyRG, die sich ausdrücklich nur auf juristische Personen des öffentlichen Rechts bezieht („als natürliche Personen ein öffentliches Amt oder Mandat oder als juristische Personen des öffentlichen Rechts öffentliche Aufgaben wahrnehmen“), und mit der die bereits zuvor bestehende, (lediglich) in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/7346, S. 23) sowie im Handbuch für Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter zur Eintragung in das Lobbyregister des Deutschen Bundestags (Stand 1.1.2022 – Version 1.0, S. 16), zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Bundesgesetzgebers Eingang in den Gesetzestext gefunden hat).
61
d. Die Formulierung des Tenors dahingehend, dass festgestellt wird, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, sich nach Art. 1 BayLobbyRG in das Bayerische Lobbyregister einzutragen, soweit sie im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO tätig wird, beruht klarstellend darauf, dass die Prüfung des Ausnahmetatbestands des Art. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. c BayLobbyRG voraussetzt, dass überhaupt eine Registerpflicht i.S.v. Art. 1 BayLobbyRG aufgrund von Interessenvertretung besteht und es – soweit die Klägerin die Interessenvertretung in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgabe aus § 91 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HwO vornimmt – nicht darauf ankommt, ob sie daneben weitere, ihr durch Gesetz zugewiesene Aufgaben (insb. § 91 Abs. 1 Nrn. 3 ff. HwO) wahrnimmt. Aus diesem Grund war die Klage trotz der vom Antrag der Klägerin abweichenden Formulierung des Tenors auch nicht im Übrigen abzuweisen.
III.
62
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
63
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.