Inhalt

OLG München, Beschluss v. 23.05.2025 – 16 UF 333/25 e
Titel:

Kostenlast vormaliger Pflegeeltern im Umgangsverfahren

Normenketten:
FamFG § 81 Abs. 1
BGB § 1685
Leitsätze:
1. Zur Frage der Kostentragung von Pflegeeltern in Umgangsverfahren nach § 1685 BGB. (Rn. 10 – 20)
2. Es entspricht regelmäßig billigem Ermessen, den Pflegeeltern keine Kosten aufzuerlegen, soweit ihre Hinzuziehung zum Verfahren aufgrund der Übernahme des Pflegeverhältnisses erfolgt (im Anschluss an OLG Karlsruhe BeckRS 2024, 21373). (Rn. 10)
3. Verfolgen die Pflegeeltern mit ihrem Antrag die Wahrnehmung eigener Rechte besteht für die grundsätzliche Privilegierung kein Anlass mehr. Insbesondere kann bei Hinzutreten weiterer Umstände eine Kostentragung der Billigkeit entsprechen. (Rn. 16 – 19)
Schlagworte:
Umgang der Pflegeeltern, Kosten, Kostentragungspflicht, Pflegeeltern, Umgangsverfahren, Kosten des Verfahrens
Vorinstanz:
AG Ebersberg, Beschluss vom 26.02.2025 – 2 F 873/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16357

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer (Pflegeeltern) wird der Beschluss des Amtsgerichts Ebersberg vom 26.02.2025, Az. 2 F 873/24, in Ziffer 3. abgeändert:
Die Pflegeeltern tragen die Hälfte der Gerichtskosten. Im Übrigen wird von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
2. Von der Erhebung der Gerichtskosten im Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.170 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beschwerdeführer sind die ehemaligen Pflegeeltern der Kinder A. und B.. Mit Antrag vom 17.12.2024 beantragten sie die Regelung des Umgangs, nachdem das Pflegeverhältnis am 26.07.2024 beendet wurde und die Kinder in eine Jugendhilfeeinrichtung gebracht wurden.
2
Mit Beschluss vom 25.02.2025 hat das Amtsgericht die Regelung des Umgangs abgelehnt und den Pflegeeltern die Kosten des Verfahrens auferlegt. Gegen diesen, am 26.02.2025 zugestellten Beschluss haben die Pflegeeltern beschränkt auf den Kostenausspruch mit Schriftsatz vom 20.03.2025, eingegangen am 25.03.2025 Beschwerde eingelegt.
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In ihrer Begründung vom 29.04.2025 haben sie beantragt, von der Erhebung der Gerichtskosten abzusehen und außergerichtlichen Kosten nicht zu erstatten. Zur Begründung wird ausgeführt, dass im Mittelpunkt des Verfahrens nicht der individuelle Rechtsschutz der Pflegeeltern, sondern das Kindeswohl stehe. Eine Kostentragung käme daher nur bei anfänglicher und offensichtlicher Erfolglosigkeit des Antrags in Betracht.
II.
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Die zulässige Beschwerde erweist sich nur teilweise als begründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist sie statthaft und unabhängig vom Beschwerdewert zulässig.
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In Hauptsacheverfahren in Familiensachen nach dem FamFG ist die Kostenentscheidung isoliert anfechtbar (MüKoFamFG/Schindler FamFG § 81 Rn. 93; BeckOK FamFG/Weber FamFG § 81 Rn. 38).
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Ein Beschwerdewert ist nicht erforderlich, wenn es sich bei der Hauptsache um eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit handelt (MüKoFamFG/Schindler FamFG § 81 Rn. 98; BGH NJW 2013, 3523), was bei dem hiesigen Umgangsverfahren der Fall ist.
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2. Die Beschwerde ist jedoch nur zum Teil begründet.
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Die Kostenentscheidung richtet sich grundsätzlich nach § 81 Abs. 1 FamFG. Die Kosten sind nach billigem Ermessen zu verteilen. Dabei können die Kosten den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegt werden. Hiervon sind auch Pflegeeltern betroffen, sofern nicht Ausnahmeerwägungen greifen.
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Dabei ist es anerkannt, dass die Pflegeeltern dann nicht mit Kosten belastet werden sollen, wenn sie im Rahmen ihres Pflegschaftsverhältnisses in Kindschaftssachen im Interesse des Kindes tätig werden. So führt das OLG Karlsruhe, BeckRS 2024, 21373, in einem Verfahren über den Umgangsantrag des Großvaters gegen die Kindesmutter zutreffend aus:
„Eine Tragung von Gerichtskosten durch die Pflegeeltern kommt bei deren Beteiligung in Kindschaftsverfahren nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens, der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Verhaltens der Beteiligten im Verfahren, geboten ist. Denn die Pflegeeltern nehmen in einem Kindschaftsverfahren in aller Regel die Interessen des ihnen anvertrauten Kindes wahr, um eine Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Daneben sind auch ihre finanziellen Interessen angemessen zu berücksichtigen. Denn die Pflegeeltern, bei denen das Kind nach § 33 SGB VIII in aller Regel im Rahmen der Vollzeitpflege untergebracht ist, erhalten für den Pflegling lediglich die notwendigen Kosten für die Pflege und die -Erziehung nach § 39 Abs. 1 SGB VIII. Etwaige anfallende Kosten im Zusammenhang mit einem Kindschaftsverfahren müssten die Pflegeeltern ohne die Möglichkeit eines Rückgriffs auf staatliche Stellen selbstständig finanzieren. Daher ist das Kostenrisiko der Pflegeeltern vor dem Hintergrund einer im Allgemeinwohl gebotenen freiwilligen Übernahme angemessen zu begrenzen. Insbesondere sollen die Pflegeeltern auf Grund des Kostenrisikos nicht davon abgehalten werden, dem Kindeswohl dienliche Anträge zu stellen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 23.10.2000 – 26 WF 79/00 –, juris Rn. 3; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.04.2012 – 17 UF 395/11 –, juris Rn. 13; OLG Bremen, Beschluss vom 22.04.2013 – 5 WF 24/13 –, juris Rn. 17; OLG München, Beschluss vom 22.04.2015 – 4 WF 436/15 – juris Rn 26).“
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Ähnlich verhalten sich die von den Beschwerdeführern zitierten Entscheidungen des OLG Münchens.
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Im von den Beschwerdeführern zitierten Verfahren Az. 16 WF 958/20 ging es um einen Umgangsantrag der Mutter an dem die Pflegeeltern als Vormünder beteiligt waren. Das Amtsgericht hatte die Kosten zwischen den Beteiligten hälftig geteilt. Das OLG hat die hälftigen Kosten auf die Beschwerde hin der Mutter auferlegt und im Übrigen von Auferlegung der Gerichtskosten und Kostenerstattung abgesehen.
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Dem Verfahren 4 WF 436/15 lag ein Umgangsantrag des Vaters gegen die Mutter zugrunde. Die dortigen Pflegeeltern waren am Verfahren beteiligt. Das Amtsgericht hat Kosten zu je 1/3 verteilt. Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung hat das Oberlandesgericht die Kosten lediglich zwischen den Eltern aufgeteilt.
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Vor dem OLG Köln (FamRZ 2011, 842) wurde ein Antrag auf Erlass einer Verbleibensanordnung der Pflegeeltern verhandelt. Eine Kostentragungspflicht der Pflegeeltern wurde hier mit folgendem Leitsatz verneint: „Eine Kostentragungspflicht der Pflegeeltern kommt nur dann in Betracht, wenn dies aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles geboten ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens, der wirtschaftlichen Verhältnisse und des Verhaltens der Beteiligten im Verfahren.“
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All diesen Verfahren ist gemein, dass die Pflegeeltern lediglich aufgrund ihrer Eigenschaft als Pflegeeltern während des laufenden Pflegschaftsverhältnisses hinzugezogen wurden, ohne Antragsteller zu sein. Damit ist auch die Situation, in der die Pflegeeltern eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB beantragen, vergleichbar. Zum einen können diese Anordnungen gleichermaßen von Amts wegen ergehen, sodass der Antragstellung nur eine geringere Bedeutung zukommt. Zum anderen müssen die Pflegeeltern im Rahmen der Verbleibensanordnung eine Kindeswohlgefährdung einwenden, sodass auch hier davon auszugehen ist, dass sie im Interesse des Kindes tätig werden.
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Das hiesige Verfahren nach § 1685 Abs. 2 BGB unterscheidet sich jedoch von den soeben aufgezeigten Verfahrensarten. Vorliegend haben Pflegeeltern ein reines Antragsverfahren betrieben. Sie haben dabei ein nur ihnen zustehendes Recht nach § 1685 Abs. 2 BGB geltend gemacht. Im Gegensatz zu § 1684 BGB korrespondiert mit dem Recht der Pflegeeltern auf Umgang weder ein Recht des Kindes auf Umgang noch eine Pflicht der Pflegeeltern auf Umgang. Mit Beendigung des Pflegschaftsverhältnisses reihen sich die Pflegeeltern in die Liste der Anspruchsteller wie zum Beispiel Großeltern, Geschwister oder Stiefelternteile, ein. Ein besonderes Umgangsrecht für Pflegeeltern ist nicht normiert.
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Mithin unterfallen Pflegeeltern den allgemeinen Ermessenserwägungen des § 81 FamFG. Dabei ist insbesondere in Umgangsverfahren anerkannt, dass die Kosten zwischen den Beteiligten hälftig aufzuteilen sind und eine Kostenerstattung nicht erfolgt (OLG Karlsruhe FamRZ 2021, 1821; OLG Düsseldorf FamRZ 2021, 876; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 40047; OLG Bremen BeckRS 2013, 8128; OLG Karlsruhe BeckRS 2013, 6050; OLG Nürnberg NJW 2010, 1468). Ausnahmen von der Pflicht zur hälftigen Kostentragung bezüglich der Beschwerdeführer abzusehen, liegen nicht vor. Die oftmals für Pflegeeltern geltend gemachten Ausnahmen treffen auf das vorliegende Verfahren nicht zu.
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Hinzu kommen die Umstände des Einzelfalls gemäß OLG Köln (aaO: Ausgang des Verfahrens, Verhalten der Beteiligten während des Verfahrens). Die Herausnahme der Pflegekinder ist aufgrund von Vorwürfen und möglichen Fehlverhalten der Pflegeeltern erfolgt. Im Parallelverfahren über die Rückführung der Pflegekinder in den Haushalt der Pflegeeltern fand im Oktober 2024 sowohl ein Erörterungstermin als auch eine Kindesanhörung statt. Beide Kinder berichteten, dass es ihnen in der Pflegefamilie nicht gefallen hat und es ihnen in der Einrichtung besser gefällt, und dass sie perspektivisch wieder zu ihren leiblichen Eltern zurück möchten. Ein Kind hätte sich nochmals einen Besuch bei den Pflegeeltern vorstellen können, das andere lehnte dies gänzlich ab. Die Fachkräfte berichteten von diversen Fehlverhalten der Pflegeeltern (Pflaster auf den Mund kleben, leibliches Kind ärgert ungeahndet die Pflegekinder) und wiesen zudem auf ein zerrüttetes Verhältnis sowohl zwischen dem Jugendamt und den Pflegeeltern als auch den Pflegeeltern und den leiblichen Eltern hin. Bei einem Verbleib in der Pflegefamilie würden die Kinder in einen Loyalitätskonflikt geraten und eine Rückführung zu den leiblichen Eltern werde erschwert.
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Die vagen bis schlechten Erfolgsaussichten ihres Umgangsantrags hätten den Pflegeeltern daher bekannt sein müssen. Sie haben sich dennoch zur Antragstellung erschlossen und sind am Ende unterlegen. Es entspricht billigen Ermessen, sie die hälftigen Kosten tragen zu lassen.
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Bezüglich der Auferlegung weiterer Kosten waren die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde erfolgreich. Aus den genannten Erwägungen heraus ergibt sich im Regelfall eine Kostenaufteilung unter den Beteiligten. Damit wären die leiblichen Eltern mit der anderen Hälfte der Kosten zu belasten. Die Herausnahme und der Umgangsabbruch erfolgten im Wesentlichen auf das Betreiben des Jugendamts hin. Die Einflussmöglichkeiten der Eltern auf das Umgangsrecht im Hinblick auf die Fremdunterbringung waren gering. Insoweit entsprach es billigem Ermessen, ihnen keine Kosten aufzuerlegen.
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Es entsprach weiter billigem Ermessen, dass im Übrigen jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
22
Entsprechend war der Kostentenor des Amtsgerichts neu zu fassen.
III.
23
Da die Antragsteller mit ihrer Beschwerde teilweise obsiegt haben, entsprach es billigem Ermessen, von der Erhebung von Verfahrenskosten für das Beschwerdeverfahren abzusehen und außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG, § 20 FamGKG.
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Der Verfahrenswert richtet sich nach §§ 40, 33 FamGKG. Vorliegend wurde die Entscheidung in der Hauptsache nicht angegriffen, sodass § 45 FamGKG nicht einschlägig ist. Die Beteiligten wenden sich gegen die Auferlegung der Gerichtskosten und der Kosten der übrigen Beteiligten. Gerichtskosten sind vorliegend in Höhe von 70 € (KV 1310 zum FamGKG) sowie 1.100 € Gebühren für den Verfahrensbeistand (KV 2013) angefallen. Außergerichtliche Kosten der übrigen Beteiligten sind nicht ersichtlich, insbesondere waren diese nicht durch einen Anwalt vertreten. Mangels gegenteiliger Angaben war der Beschwerdewert auf 1.170 € festzusetzen.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 FamFG. Denn vorliegend handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine über den Fall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung hat. Der Senat weicht in seiner Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab.