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VG München, Beschluss v. 03.07.2025 – M 26b E 24.7828
Titel:

Rundfunkbeitrag, Beitragsblocker, Zwangsvollstreckung, Erfolgloser Eilantrag, Unzulässiger Eilantrag, Keine vorherige Befassung des Antragsgegners

Normenketten:
RBStV
VwGO § 123
GG Art. 19 Abs. 4
Schlagworte:
Rundfunkbeitrag, Beitragsblocker, Zwangsvollstreckung, Erfolgloser Eilantrag, Unzulässiger Eilantrag, Keine vorherige Befassung des Antragsgegners
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16307

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 59,08 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung von Rundfunkbeiträgen.
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Der Antragsteller wird vom Antragsgegner unter der Beitragsnummer … … … zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen für eine Wohnung herangezogen.
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Der Antragsgegner setzte mit Festsetzungsbescheid vom 2. April 2024 zu Lasten des Antragstellers für den Zeitraum 01/2024 bis 03/2024 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 63,08 EUR fest (Blatt 73-76 der Behördenakte). Den hiergegen erhobenen Widerspruch lehnte der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 9. August 2024 ab (Blatt 61-63 der Behördenakte). Gegen den Festsetzungsbescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheids erhob der Antragsteller Klage beim Verwaltungsgericht München, über die bisher noch nicht entschieden wurde (Az. M 26b K 24.5184).
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Mit weiterem Festsetzungsbescheid vom 1. Oktober 2024 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum 04/2024 bis 06/2024 Rundfunkbeiträge einschließlich Säumniszuschlag in Höhe von 63,08 EUR fest (Blatt 46-49 der Behördenakte). Mit Schreiben vom 20. Oktober 2024 legte der Antragsteller hiergegen Widerspruch ein (Blatt 30 der Behördenakte).
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Mit Festsetzungsbescheid vom 1. November 2024 setzte der Antragsgegner für den Zeitraum 07/2024 bis 09/2024 Rundfunkbeiträge in Höhe von 55,08 EUR fest (Blatt 42-45 der Behördenakte). Mit Schreiben vom 10. November 2024 legte der Antragsteller hiergegen Widerspruch ein (Blatt 17 der Behördenakte).
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Mit Mahnschreiben vom 17. Dezember 2025, zur Post gegeben am 19. Dezember 2024, mahnte der Antragsgegner die noch ausstehenden Zahlungen für die drei Festsetzungsbescheide vom 2. April 2024, 1. Oktober 2024 und 1. November 2024 in Höhe von insgesamt 181,24 EUR. Wenn der Antragsteller innerhalb dieser Frist den Mahnbetrag nicht zahle, werde die Zwangsvollstreckung veranlasst. Der Antragsgegner wies auf weitere offene Forderungen hin. Insgesamt seien vom Antragsteller 236,32 EUR zu zahlen (Blatt 12-15 der Behördenakte).
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Mit Schreiben vom 21. Dezember 2024, bei Gericht eingegangen am 27. Dezember 2024, wandte sich der Antragsteller mit einem „Antrag nach § 123 VwGO“ an das Verwaltungsgericht München. Er beantragt,
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„1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die gegenüber der Beizuladenden in dem Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom 23.08.2024 ausgestellte Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit der Forderung in Höhe von 236,32 € zur Beitragsnummer Nr. … … … für gegenstandslos zu erklären.
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2. Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die gegen den Antragsteller eingeleitete Zwangsvollstreckung aus dem Festsetzungsbescheid / den Festsetzungsbescheiden des Antragsgegners vom 01.11.24/01.10.2024/02.04.2024 sowie von Mahngebühren einzustellen.“
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Der Antragsteller macht im Wesentlichen zur Begründung geltend, dass die vom Antragsgegner betriebene Zwangsvollstreckung unzulässig sei, da die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Der Antragsteller habe vor Einleitung der Zwangsvollstreckung nie eine Mahnung erhalten. Die Beizuladende setze die Zwangsvollstreckung trotz nicht vorliegender Vollstreckungsvoraussetzungen fort, weil der Antragsgegner ihr eine Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit der Forderung ausgestellt habe, die unrichtig sei, weil der Antragsteller nicht gemahnt worden sei. Der Antrag richte sich nicht unmittelbar gegen die Zwangsvollstreckung an sich, sondern verfolge das Begehren, der Antragsgegner möge die Vollstreckbarkeitsbescheinigung für kraftlos erklären, da die Vollstreckung gen Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG (Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz) verstoße und daher unzulässig sei.
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Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 22. Januar 2025 zum Eilantrag Stellung. Er beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Es seien weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund ersichtlich. Es gebe weder ein Vollstreckungsersuchen vom 23. August 2024 noch sei bisher eine Zwangsvollstreckung eingeleitet worden. Im Übrigen seien die drei Festsetzungsbescheide mit Schreiben vom 17. Dezember 2024 ordnungsgemäß gemahnt worden. Das Bestreiten des Zugangs dieser Mahnung sei nicht glaubhaft. Bei den Schriftsätzen des Antragstellers handle es sich um formularartig vorbereitete Musterschriftsätze organisierter Gegner des Rundfunkbeitrags namens „Beitragsblocker“, die gegen Zahlung verfügbar seien und vom Betreffenden nur noch mit den persönlichen Daten und einem Datum versehen werden müssten. Ein individueller Sachvortrag finde nicht statt.
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Mit Beschluss vom 12. Juni 2025 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (auch im Verfahren M 26b K 24.5184) und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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1. Der Antrag hat keinen Erfolg.
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1.1. Das Gericht legt den gestellten Antrag unter Beachtung der Grenzen des § 88 i.V.m. § 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend aus, dass der Antragsteller eine einstweilige Anordnung gemäß § 123 VwGO zum vorläufigen Schutz vor der Zwangsvollstreckung der drei Festsetzungsbescheide vom 2. April 2024, 1. Oktober 2024 und 1. November 2024 sowie der weiteren offenen Forderung in einer Gesamthöhe von 236,32 EUR begehrt, wie diese im Mahnschreiben vom 17. Dezember 2024 aufgelistet sind. Dem liegt zugrunde, dass ein Vollstreckungsersuchen des Antragsgegners vom 23. August 2024 vom Antragsteller weder übermittelt wurde noch sich der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakte entnehmen lässt und dass der Antragsteller sich offensichtlich auf das Mahnschreiben vom 17. Dezember 2024 bezieht, welches nur wenige Tage vor seinem gerichtlichen Antrag zur Post gegeben wurde.
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1.2. Soweit in der Antragsbegründung von einer Beiladung die Rede ist, dürfte die Beiladung eines Gerichtsvollziehers gemeint sein. Eine Beiladung (§ 65 VwGO) ist im vorliegenden Fall nicht veranlasst, weil die Verantwortung für die Frage, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, allein der Antragsgegner trägt (vgl. BayVGH, B. v. 07.03.2024 – 7 CE 23.1749 – beckonline – Rn. 5-8). Zudem ist die Einschaltung eines Gerichtsvollziehers weder aus der Antragschrift noch aus der vom Antragsgegner vorgelegten Behördenakte ersichtlich.
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1.3. Der so verstandene Antrag ist bereits unzulässig.
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Der Antrag mit dem Ziel, eine vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu erwirken, ist zwar statthaft, weil in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage zu erheben wäre (§ 123 Abs. 5 VwGO). Rechtsschutz gegen die Vollstreckung eines Leistungsbescheids (hier: des Beitragsfestsetzungsbescheids) findet in Bayern dergestalt statt, dass der Betroffene sich mit seinen Einwendungen zunächst an die Anordnungsbehörde (hier: die Rundfunkanstalt) wenden und dort die Einstellung der Vollstreckung beantragen muss (Art. 21 und 22 des Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG). Gegen die Ablehnung eines solchen Antrags oder die nicht rechtzeitige Entscheidung über einen solchen Antrag ist dann eine Verpflichtungsklage erheben mit dem Ziel, die Vollstreckung für unzulässig zu erklären (vgl. BayVGH, B. v. 07.03.2024 – 7 CE 23.1749 – beckonline – Rn. 8; B.v. 19.8.2024 – 1 ZB 24.248 – beckonline Rn. 12).
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Dem Antrag fehlt jedoch das Rechtsschutzbedürfnis. In Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf die gerichtliche Sachentscheidung. Fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16 m.w.N.). An einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es insbesondere dann, wenn ein Kläger sein Ziel auf anderem Wege schneller und einfacher erreichen könnte, wenn ein Erfolg seine Rechtsstellung nicht verbessern würde oder wenn es ihm auf den Klageerfolg gar nicht ankommt (Eyermann, VwGO vor § 40 Rn. 11). So liegt es hier. Unabhängig davon, dass für das Gericht nicht ersichtlich ist, dass die Zwangsvollstreckung der streitgegenständlichen Bescheide überhaupt bereits begonnen hat, hätte sich der Antragsteller als einfachere und schnellere Maßnahme zunächst gemäß Art. 21 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) an den Antragsgegner wenden müssen, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen möchte (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.1974 – 241 IV 74; BayVGH, B.v. 14.5.1975 – 246 IV 71; Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Art. 21 VwZVG Rn. 58). Eine besondere Eilbedürftigkeit, die ausnahmsweise eine gerichtliche Befassung auch ohne eine vorherige Befassung des Antragsgegners zulässig machen würde, wurde vom Antragsteller weder geltend gemacht noch ist diese sonst für das Gericht ersichtlich.
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1.4. Ohne dass es hierauf noch ankäme, weist das Gericht – lediglich ergänzend – darauf hin, dass der Antrag im Übrigen auch unbegründet wäre. Der Antragsteller hat die Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung (Anordnungsgrund) nicht glaubhaft gemacht. Er hat nämlich nicht ansatzweise dazu vorgetragen und glaubhaft gemacht, dass ihm das Abwarten einer Entscheidung über die Hauptsacheklage bzw. über eine noch zu erhebende Hauptsacheklage in seinem konkreten Fall unzumutbar wäre.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. Nr. 1.5, 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025 und wird auf ein Viertel des nach der Antragsschrift zu vollstreckenden Betrags festgesetzt.