Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 11.07.2025 – 12 Qs 23/25
Titel:

Staatsanwaltschaft, Erneute Entscheidung, Bewährungsbeschluß, Aufhebung des Beschlusses, Abänderung, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Widerruf, Entscheidungserhebliche Umstände, Weiterbeschäftigung, Eigene Ermessensentscheidung, Prüfungsumfang, Gesetzeswidrigkeit, Gelegenheit zur Stellungnahme, Gerichtshilfe, Beschlüsse des Amtsgerichts, Bestimmtheitsgrundsatz, Beschwerdeverfahren, Beschwerdegericht, Amtsgerichte, Bewährungsauflage

Normenkette:
StPO § 453
Leitsatz:
Ist die Tatsachengrundlage für die Abänderung der Bewährungsauflage nicht hinreichend ermittelt, ist einen gleichwohl erlassener Änderungsbeschluss ermessensfehlerhaft und unterliegt daher der Aufhebung.
Schlagworte:
Bewährungsauflage, Ermessensfehler, Umwandlung von Auflagen, Widerruf der Bewährung, Gerichtshilfe, Krankmeldungen, Zumutbarkeit
Vorinstanz:
AG Schwabach, Beschluss vom 29.04.2025 – BRs 6 Ds 524 Js 2228/22
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16254

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wird der Beschluss des Amtsgerichts Schwabach vom 29.04.2025 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Schwabach zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Der Verurteilten wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Schwabach vom 06.05.2024 als Bewährungsauflage auferlegt, 100 Arbeitsstunden bis zum 31.10.2024 zu leisten. Dem kam sie trotz nochmaliger Aufforderung durch das Amtsgericht nicht nach. Am 10.01.2025 nahm die auf Anregung der Staatsanwaltschaft eingesetzte Gerichtshilfe Kontakt zur Verurteilten auf. Ihr gegenüber erklärte sie, dass sie zur Ableistung der Arbeitsleistung zur zugewiesenen Stelle nach R hätte fahren müssen und ihr die Wegstrecke mit dem Auto zu weit und zu teuer sei. Sie möchte nunmehr die Arbeitsstunden in der Diakonie in W innerhalb eines Monats ableisten, da sie so schnell wie möglich wieder ein festes Arbeitsverhältnis anstrebe. Einen entsprechenden Antrag habe sie in den letzten Tagen bei Gericht nachgeholt.
2
Daraufhin wies das Gericht der Verurteilten mit Verfügung vom 24.01.2025 die Diakonie in W als Arbeitsstelle zu. Am 14.03.2025 teilte die Diakonie mit, dass eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sei, da sich die Verurteilte immer wieder krankgemeldet habe und insgesamt auch nur vier Stunden an Arbeit geleistet habe. Nunmehr sei sie erneut krank.
3
Am 29.04.2025 änderte das Amtsgericht – ohne vorherige Anhörung der Staatsanwaltschaft – den Bewährungsbeschluss dahingehend ab, dass die restliche Arbeitsauflage von 96 Stunden in eine Geldauflage von 960 € umgewandelt wird, „da die Verurteilte … nicht in der Lage war – aus für das Gericht nicht bekannten Gründen – die leichten Arbeiten in der Hauswirtschaft und Betreuung der Senioren abzuleisten.“
4
Gegen diesen Beschluss legte die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth Beschwerde ein, mit dem Ziel, ihn aufzuheben und die Bewährung zu widerrufen.
5
Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Verurteilte sehr stark übergewichtig sei, „so dass sie viele Tätigkeiten bereits aus diesem Grund nicht machen kann.“
II.
6
Auf die zulässige und begründete Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin war der Beschluss vom 29.04.2025 aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Schwabach zurückzuverweisen, §§ 453 Abs. 2 Satz 1, 2 StPO.
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1. Die erfolgte Abänderung des Bewährungsbeschlusses von einer Arbeitsauflage in eine Geldauflage stützte sich auf § 453 Abs. 1 StPO. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Staatsanwaltschaft konnte hier nur damit begründet werden, dass die getroffene Anordnung gesetzeswidrig ist (§ 453 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. StPO). Dieser daraus resultierende beschränkte Prüfungsumfang im Sinne einer Rechtmäßigkeitskontrolle umfasst das Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage sowie die Einhaltung der Grenzen des Ermessens, des Verhältnismäßigkeits- und des Bestimmtheitsgrundsatzes (OLG Bamberg, Beschluss vom 06.11.2012 – 1 Ws 678/12, juris Rn. 5; Coen in BeckOK StPO, 01.04.2025, § 453 Rn. 12). Aus diesem Grunde steht dem Beschwerdegericht eine eigene Zweckmäßigkeitskontrolle nicht zu, sodass spiegelbildlich auch eine eigene Ermessensentscheidung ausscheidet. § 309 Abs. 2 StPO ist in diesem Fall nicht anwendbar (OLG Koblenz, Beschluss vom 10.10.2017 – 2 Ws 570/17, juris Rn. 6; OLG Stuttgart, Beschluss vom 25.09.2017 – 4 Ws 377/17, juris Rn. 13; OLG Rostock, Beschluss vom 28.03.2011 – I Ws 62/11, juris Rn. 45). Wird daher ein Ermessensfehler festgestellt, ist, so auch hier, die Sache an das Erstgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.
8
2.a) Eine Aufhebung des Beschlusses vom 29.04.2025 hatte nicht schon deshalb zu erfolgen, weil das Amtsgericht den Beschluss entgegen § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO ohne vorherige Anhörung der Staatsanwaltschaft erlassen hat. Die Staatsanwaltschaft hatte jedenfalls im Rahmen des Beschwerdeverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme, sodass die Verletzung des rechtlichen Gehörs damit geheilt wurde.
9
b) Das Amtsgericht hat jedoch sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da es eine defizitäre Begründung für die Umwandlung der Arbeits- in eine Geldauflage gegeben hat. Es stützte seine Abänderung darauf, dass die Auflage aus unbekannten Gründen nicht erbracht wurde. Diese Begründung stellte einen Ermessensfehlgebrauch in der Form eines Ermessensdefizits dar. Ein solches liegt vor, wenn bei der Abwägung wesentliche tatsächliche oder persönliche Umstände des Betroffenen oder andere für die Entscheidung erhebliche Umstände außer Acht bleiben (vgl. Schoch/Schneider/Geis, VwVfG, 6. EL, § 40 Rn. 107). Es werden dabei also nicht alle relevanten Gesichtspunkte in die Abwägung einbezogen. Zu dieser Fallgruppe gehören auch die Konstellationen, in denen die abwägungsrelevanten Tatsachen nicht ausreichend ermittelt werden. Das attestierte sich das Amtsgericht vorliegend selbst.
10
Zudem hat das Amtsgericht nicht erkennbar bedacht, dass die Umwandlung einer Auflage nicht ohne weiteres erfolgen kann, wenn Umstände vorliegen, die auch einen Widerruf der Bewährung gem. § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB rechtfertigen würden. So hat die Gerichtshilfe vorgebracht, dass die Verurteilte bei der ersten Arbeitsstätte schlicht unwillig gewesen sei, ihre Arbeitsstunden in R abzuleisten, wobei ihr dies möglich und zumutbar gewesen wäre. Das hätte sehr stark dafürgesprochen, die Bewährung zu widerrufen. Ebenso wenig setzte sich das Amtsgericht damit auseinander, wie die von der Verurteilten vorgelegten Krankmeldungen im Lichte der Ausführungen der Gerichtshilfe zu bewerten sind, ob ihnen also überhaupt Glauben zu schenken war und ob es deshalb überhaupt berechtigterweise zu der Meinung hat gelangen können, dass sie tatsächlich nicht in der Lage war, die Arbeit zu leisten. Darüber hinaus greift die im Rahmen der Nichtabhilfe nachgeschobene Begründung des Amtsgerichts schon deshalb zu kurz, weil es die Verurteilte selbst war, die die Diakonie als Arbeitsstelle befürwortet hatte. Das spräche dafür, dass sie wusste, worauf sie sich einließ.