Titel:
Asylklage, Ugander, NUP, Inhaftierung, Glaubhaft, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Griechenland, Keine Bindung an Zuerkennung in Griechenland, Ergebnisoffene Prüfung, Ehemann und Vater „Gesicht der NUP“ in seinem Bereich, Verfolgungsgefahr auch für Kernfamilie
Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 78
AufenthG § 60
GG Art. 16a
Schlagworte:
Asylklage, Ugander, NUP, Inhaftierung, Glaubhaft, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Griechenland, Keine Bindung an Zuerkennung in Griechenland, Ergebnisoffene Prüfung, Ehemann und Vater „Gesicht der NUP“ in seinem Bereich, Verfolgungsgefahr auch für Kernfamilie
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16241
Tenor
I.Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 18. Juli 2023 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerinnen als Asylberechtigten anzuerkennen. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägerinnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
II.Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klagepartei vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die 1988 geborene Klägerin zu 1 und die 2021 geborene Klägerin zu 2 sind ugandische Staatsangehörige, reisten am 26. Juni 2021 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 28. Juli 2021 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung am 18. Juli 2022 trug die Klägerin zu 1 vor, dass ihr Mann seit seiner Tätigkeit für die NUP zwei Mal von der Polizei verhaftet worden sei. Er sei immer wieder freigekommen. Die Polizei habe auch die Landwirtschaft der Familie beschlagnahmt. Einmal hätten die Polizisten versucht, ihren Ehemann zu erschießen. Da seien sie zu ihr nach Hause gekommen und hätten wissen wollen, wo sich ihr Mann aufhalte. Sie hätten ihr damit gedroht, dass ich an dessen Stelle treten würde, um zu bezahlen. Daraufhin sei sie mit ihrem Mann erst nach Kenia und dann nach Griechenland ausgereist.
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Den Klägerinnen wurde am 12. Februar 2021 der Flüchtlingsstatus durch Griechenland zuerkannt. Da die Lebensbedingungen in Griechenland sehr schlecht gewesen seien und sie sich dort vor ugandischen Spionen nicht sicher gefühlt hätten, sei die Familie nach Deutschland weitergereist. Bei ihrer Anhörung durch die griechischen Behörden am 3. Februar 2021 gab der Klägerin zu 1 an, dass ihr Mann für die NUP gearbeitet habe. Er sei zwei Mal verhaftet worden, aber immer wieder freigekommen. Nach der zweiten Entlassung hätten die Polizisten die Klägerin zu 1 mit Waffen bedroht, da sie wissen wollten, wo sich ihr Mann befinde. Ihr Mann habe später mit ihr Kontakt aufgenommen und sie seien zunächst nach Kenia gegangen und dann nach Griechenland gereister.
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Mit Bescheid vom 18. Juli 2023 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde der Klagepartei am 24. Juli 2023 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
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Die Klagepartei hat am 4. August 2023 Klage erhoben (M 5 K 23.31527) und beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 18. Juli 2023 – zugestellt am 24. Juli 2023 – zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigten und als Flüchtlinge gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) anzuerkennen, hilfsweise den Klägerinnen subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hinsichtlich Uganda vorliegen.
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Das Bundesamt müsse den streitgegenständlichen Bescheid aufheben und ein neues Asylverfahren unter Einbeziehung und Würdigung der von den griechischen Behörden vorgelegten Akten durchführen. Auch die Qualität der Übersetzung der Anhörung in Griechenland mittels e-Tool sei sehr schlecht.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und beantragt,
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Mit Beschluss vom 20. März 2024 wurde das Verfahren M 5 K 23.31528 ausgesetzt. Mit Verfügung vom 19. März 2025 wurde das Verfahren unter dem Aktenzeichen M 5 K 25. 30973 fortgesetzt.
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Das Bundesamt teilte mit Schreiben vom 16. Januar 2025 mit, dass sich auch unter Berücksichtigung der eingeholten Unterlagen der griechischen Behörden im Rahmen des dort durchgeführten Asylverfahrens keine neuen Erkenntnisse ergäben, der streitgegenständliche Bescheid vom 18. Juli 2023 bleibe aufrechterhalten. Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2025 wurde mitgeteilt, dass auf der Grundlage der von den griechischen Behörden übermittelten Unterlagen eine ergebnisoffene und aktualisierte Überprüfung des Bescheids vom 18. Juli 2023 durchgeführt worden sei.
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Am 23. Juni 2025 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll vom 23. Juni 2025 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage, über die trotz Fernbleibens eines Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO), ist begründet. Die Klägerinnen haben im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes/AsylG) einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes/GG) sowie auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft durch das Bundesamt gem. § 3 AsylG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Bundesamtes ist rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten. Er ist deshalb aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Klägerinnen als Asylberechtigte wie auch als Flüchtlinge anzuerkennen.
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1. Die Klägerinnen haben einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 GG) sowie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Das Gericht ist nach dem persönlichen Eindruck, den es vom in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, von der Glaubhaftigkeit ihres Vortrags und der Glaubwürdigkeit der Klägerinnen überzeugt.
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a) Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Griechenland bindet die deutschen Asylbehörden nicht (EuGH, U.v. 18.6.2024 – C-753/22 – NVwZ 2024, 1153, juris Rn. 56 ff.). Vielmehr ist auf der Grundlage der Erkenntnisse im vorangegangenen Asylverfahren in Griechenland ergebnisoffen das Asyl- und Schutzgesuch des Klägers zu prüfen (EuGH, U.v. 18.6.2024 – C-753/22 – NVwZ 2024, 1153, juris Rn. 76 ff.). Aus dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist nicht abzuleiten, dass das Bundesamt bei einem noch nicht rechtkräftig abgeschlossenen Asylverfahren auf der Grundlage der Erkenntnisse im vorangegangenen Asylverfahren ein komplett neues Asylverfahren durchführen muss. Es genügt eine Prüfung dieser Erkenntnisse im Rahmen des durchgeführten, noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens, was u.U. zu einer Abhilfe führen kann. Die Verwaltungsgerichte haben eine den genannten Maßstäben entsprechende Prüfung vorzunehmen, wenn sie nicht bereits im Verfahren beim Bundesamt erfolgt ist (BVerwG, U.v. 24.3.2025 – 1 C 5.24, 1 C 6.24, 1 C 7/24 – Pressemitteilung des BVerwG Nr. 21/2025 vom 24.3.2025).
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b) Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. Anerkennung als Asylberechtigter (bei Einreise auf dem Luftweg) dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine Verfolgung i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG liegt nach § 3a AsylG bei Handlungen vor, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1959 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Als Verfolgung im Sinne des Abs. 1 können unter anderem gemäß § 3a Abs. 2 AsylG die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden oder auch unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung gelten. Dabei muss zwischen den genannten Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen gemäß § 3a Abs. 3 AsylG eine Verknüpfung bestehen.
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Die Verfolgung kann gemäß § 3c AsylG vom Staat oder von Parteien oder Organisationen ausgehen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder aber von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob im Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
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Die Flüchtlingseigenschaft wird nicht zuerkannt, wenn im Herkunftsland eine interne Schutzmöglichkeit besteht, § 3e AsylG.
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c) Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzuwenden. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 37).
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Die begründete Furcht vor Verfolgung kann dabei sowohl auf tatsächlich erlittener oder unmittelbar drohender Verfolgung bereits vor der Ausreise im Herkunftsstaat (Vorverfolgung) oder auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat (Nachfluchtgründe), insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist (§ 28 Abs. 1a AsylG).
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d) Der der Prognose zugrunde zu legende Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit bleibt auch dann unverändert, wenn der Ausländer bereits Vorverfolgung erlitten hat. Allerdings ist nach Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 – Qualifikationsrichtlinie – (ABl. L 337 S. 9) die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von solcher Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Dies ist im Sinne einer widerlegbaren tatsächlichen Vermutung zu verstehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 23).
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e) Das Gericht muss auf einer hinreichenden Tatsachengrundlage von der Richtigkeit seiner gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle richterliche Überzeugung erlangt haben (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – juris Rn. 18).
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Für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vorbringens gilt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen, die sich in Art. 4 Abs. 1, 2 und 5 der Qualifikationsrichtlinie widerspiegeln, dass es dem Ausländer obliegt, von sich aus umfassend die Gründe für das verfolgungsbedingte Verlassen der Heimat substantiiert, unter Angabe genauer Einzelheiten und in sich stimmig darzulegen.
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Der Vortrag, insbesondere zu den in die eigene Sphäre fallenden Ereignissen, muss geeignet sein, den Schutzanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.1987 – 9 C 321/85 – juris Rn. 9).
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Das Gericht muss sich in vollem Umfang die Überzeugung von der Wahrheit des von dem Ausländer behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals verschaffen, wobei allerdings der typische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Herkunftsland bei der Auswahl der Beweismittel und bei der Würdigung des Vortrags und der Beweise angemessen zu berücksichtigen ist. Unauflösbare Widersprüche und erhebliche Steigerungen des Vorbringens sind hiermit unvereinbar und können dazu führen, dass dem Vortrag im Ganzen nicht geglaubt werden kann, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wie auch der Anerkennung als Asylberechtigte bei den Klägerinnen vor.
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Die Klägerinnen haben letztlich glaubhaft vorgetragen, dass sie aufgrund der Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin zu 1 und des Vaters der Klägerin zu 2 für die Partei „National Unity Platform“ (NUP) und zu Bobi Wine in Uganda verfolgt wurden und bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit weiteren Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen. Das Bundesamt wurde mit Urteil vom 23. Juni 2025 verpflichtet, den Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Klägerin zu 2 als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (M 5 K 25.30972).
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Die Klägerin zu 1 hat bei ihrer Anhörung vor den griechischen Asylbehörden am 25. Januar 2021 wie auch bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 18. Juli 2022 übereinstimmend angegeben, dass sie von ugandischen Sicherheitskräften bedroht worden, sei als diese nach ihrem Ehemann gesucht hätten. Außerdem hätten sie die Gerätschaften der von ihr und ihrem Mann betriebenen Molkerei beschlagnahmt.
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Diese Einschätzung beruht auf dem persönlichen Eindruck, den die Klägerin zu 1 in der mündlichen Verhandlung auf das Gericht gemacht hat. Sie hat bei ihrer informatorischen Anhörung konzentriert und widerspruchsfrei ausgesagt und insgesamt einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.
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Angesichts der auf einen Machterhalt ausgerichteten Führungselite Ugandas ist es plausibel, wenn ein junger, aufstrebender und populärer Musiker und Politiker mitsamt dem ihn unterstützenden Umfeld ins „Fadenkreuz“ der herrschenden Regierung gerät. Wie in den Erkenntnismitteln berichtet wird, gehören zu den Mitteln, oppositionelle Politiker in ihrer Arbeit zu behindern, auch polizeiliche Maßnahmen, wie etwa Festnahmen (vgl. Konrad-Adenauer-Stiftung, Länderbericht Januar 2021, Wahlen in Uganda). Es ist daher plausibel, dass entsprechende Maßnahmen auch gegenüber Personen eingesetzt werden, die dem Unterstützerkreis von populären Oppositionspolitikern zugerechnet werden. Ein solches Vorgehen hat der Klägerin zu 1 gegenüber ihrem Ehemann in den behördlichen Anhörungen geschildert. Eine Suche der Polizei nach dem Ehemann und die mehrmalige Verhaftung, die sich in der Dauer steigert, sowie das Niederbrennen der Farm und der Molkerei fügen sich in das Bild, das insbesondere im zitierten Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung gezeichnet wird. Das gilt auch im Vorfeld der im Januar 2021 durchgeführten Wahlen. Die Maßnahmen im Jahr 2020 fügen sich in das Bild ein, die Wirkung der Opposition bereits im Vorfeld der Wahlen einzuschränken und herausgehobene Unterstützer möglichst einzuschüchtern und dadurch einzugrenzen. Dazu gehört auch die Bedrohung und Einschüchterung des persönlichen Umfelds eines politischen Aktivisten. Dazu gehört insbesondere die Kernfamilie, also Ehepartner und Kinder – wie die Klägerin zu 1 und die Klägerin zu 2. Dabei kann es auch zu (massiven) Übergriffen kommen, womit der Druck auf den Aktivisten steigt, seine politischen Aktivitäten einzuschränken bzw. ganz einzustellen.
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Auch wenn sich die Klägerin zu 1 und deren Ehemann seit Januar 2021 nicht mehr in Uganda aufhalten, so hat sich bei der Wahl im Januar 2021 Bobi Wine als ernsthafter Konkurrent des amtierenden Präsidenten herausgestellt. Es ist daher davon auszugehen, dass die regierende Führungselite nach wie vor ein großes Interesse hat, auch das oppositionelle Umfeld von Bobi Wine zu beherrschen. Der Ehemann der Klägerin zu 1 ist diesem Umfeld auch aufgrund ihrer Bekanntheit als „Gesicht der Partei“ in seiner Region nach wie vor zuzurechnen. Hinzu kommt, dass im Januar 2026 wieder turnusmäßig Präsidentschaftswahlen anstehen. Dabei wird die an der Macht befindliche Führungselite wieder einen Erhalt ihrer politischen Macht anstreben.
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Einer Entscheidung über die hilfsweise gestellten Anträge bedurfte es nicht, da die Klägerinnen mit ihrem Hauptantrag Erfolg hbent.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.