Titel:
Einfache Signierung der Anklageschrift im Rahmen elektronischer Aktenführung
Normenkette:
StPO § 32b Abs. 1, § 168 S. 4, § 271 Abs. 1 S. 1, § 275 Abs. 2 S. 1, § 329 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Das Anbringen einer qualifizierten Signatur ist bei elektronischer Aktenführung gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 StPO nur bei Dokumenten erforderlich, die zu unterschreiben oder zu unterzeichnen sind. Sonst genügt eine einfache elektronische Signatur in Form des Namenszusatzes der Person, die den Inhalt zu verantworten hat. (Rn. 5)
2. Für die Anklageschrift ist daher regelmäßig die einfache Signierung durch die Staatsanwältin/den Staatsanwalt ausreichend. (Rn. 3 – 9)
Schlagworte:
Aktenführung, Anforderung, Anklage, Anklageschrift, Dokument, Einfach, Elektronisch, Entwurf, Geschäftsstelle, Hauptverhandlung, Nachholung, Papierakten, Protokoll, Qualifiziert, Revision, Schriftformerfordernis, Signierung, Signatur, Staatsanwaltschaft, Unterschrift, Unterzeichnung, Verfahrensablauf, Verfahrensgang, Verfahrenshindernis, Verwerfungsurteil, Wissen, Wollen, einfache elektronische Signatur, elektronische Akte, qualifizierte Signatur, Staatsanwalt, einfache Signierung durch Staatsanwaltschaft
Fundstellen:
StV Spezial 2025, 115
FDRVG 2025, 016164
FDStrafR 2025, 016164
BeckRS 2025, 16164
NJW 2025, 2570
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 10. Januar 2025 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
1
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Revision (§§ 341, 344, 345 StPO) zeigt aus den in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft München vom 19.05.2025 zutreffend und erschöpfend dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Insbesondere ist ein Verfahrenshindernis aufgrund des Umstands, dass die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft im Rahmen der dort in elektronischer Form erfolgten Aktenführung nicht qualifiziert, sondern nur einfach (§ 32b Abs. 1 Satz 1 StPO) signiert worden ist, nicht gegeben.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit in ihrer Stellungnahme vom 19.05.2025 folgendes ausgeführt:
„Die Sachrüge führt bei einem Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 S. 1 StPO nur zur Nachprüfung von Verfahrenshindernissen (BGHSt 21, 242).
Anhaltspunkte für solche sind jedoch nicht erkennbar, insbesondere liegt trotz der nur einfachen Signierung der in einer elektronischen Akte erstellten Anklageschrift eine wirksam erhobene Anklage vor. § 32b Abs. 1 S. 2 StPO verlangt nach seiner Entstehungsgeschichte und der Rechtsprechung zum Schriftformerfordernis in Papierakten, die eine Unterschrift nicht zwingend voraussetzt, keine (der Unterschrift entsprechenden) qualifizierte Signierung der Anklageschrift (vgl. für die Berufung der Staatsanwaltschaft OLG Dresden, Beschluss vom 09.04.2025 – 6 Ws 8/25, noch nicht veröffentlicht). Dass der (durch die Wiedergabe von Namen und Dienstgrad) einfach signierende Staatsanwalt die Anklage tatsächlich erheben wollte und es sich etwa nicht bloß um einen durch die Geschäftsstelle versehentlich an das Amtsgericht übersandten Entwurf handelt, ist durch die via dienstrechtliche Verpflichtungen abgesicherten Verfahrensabläufe innerhalb der Staatsanwaltschaften in Bayern, die mit denen in Sachsen vergleichbar sind, gewährleistet (OLG Dresden, wie benannt). Einer freibeweislichen Überprüfung, ob die Anklage mit Wissen und Wollen des zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft erhoben wurde (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 05.12.2017-4 StR 323/17, juris Rn. 2 NStZ 2018, 538) oder einer Nachholung der qualifizierten Signierung (vgl. zur Nachholung der Unterschrift OLG München wistra 2011, 280; OLG Düsseldorf MDR 1994, 85) bedarf es daher nicht.“
4
Dem tritt der Senat bei.
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§ 32b Abs. 1 StPO unterscheidet in der derzeit geltenden Fassung bei strafverfolgungsbehördlichen und gerichtlichen Dokumenten, die als elektronisches Dokument erstellt werden, zwischen einer einfachen und einer qualifizierten Signatur. Letztere ist gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 StPO nur bei Dokumenten erforderlich, die zu unterschreiben oder zu unterzeichnen sind. Sonst genügt eine einfache elektronische Signatur in Form des Namenszusatzes der Person, die den Inhalt zu verantworten hat.
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Der Bundesgesetzgeber sah es vor dem Hintergrund, dass in der Strafprozessordnung eine Vielzahl von Dokumenten schriftlich abzufassen, jedoch nicht alle zu unterschreiben oder zu unterzeichnen sind, als überhöhte Anforderung an, qualifizierte elektronische Signaturen auf allen schriftlich abzufassenden Dokumenten anzubringen (BT-Drs. 19/27654 S. 55).
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Anders als etwa § 168 Satz 4 StPO für das Protokoll über richterliche Untersuchungshandlungen, § 271 Abs. 1 Satz 1 StPO für das Hauptverhandlungsprotokoll und § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO für das Urteil sieht die Strafprozessordnung bei der Anklageschrift eine Unterschrift gerade nicht ausdrücklich vor.
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Auch die Rechtsprechung macht die Wirksamkeit der Anklageschrift nicht von einer Unterschriftsleistung abhängig, wenn die Anklage mit Wissen und Wollen des zuständigen Beamten der Staatsanwaltschaft zu den Akten gebracht wird (BGH a.a.O. m. w. N.; Schmitt/Köhler/Schmitt StPO 68. Aufl. § 200 Rn. 27; KK/Schneider StPO 9. Aufl. § 200 Rn. 38).
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Im vorliegenden Fall ist dieser Umstand aufgrund der einfachen Signierung durch die sachbearbeitende Staatsanwältin, dem vorgesehenen Verfahrensgang bei der Veraktung elektronischer Dokumente in der e-Akte (mittels eIP) sowie des Fehlens entgegenstehender Hinweise in ausreichendem Maße sichergestellt, zumal die Anklage in Anwesenheit der Staatsanwaltschaft Gegenstand der Hauptverhandlungen in zwei Instanzen war.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.