Inhalt

OLG München, Endurteil v. 13.02.2025 – 32 U 2389/24 e
Titel:

unangemessene Benachteiligung, Materielle Rechtskraft, Wiederbeschaffungswert, Bereicherungsansprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts, Kostenentscheidung, Nutzungsausfallentschädigung, Tragender Rechtssatz, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, verschärfte Haftung, Grobes Mißverhältnis, Rückabwicklung des Kaufvertrags, Rechtsprechung des BGH, Obergerichtliche Rechtsprechung, nichtige Rechtsgeschäfte, Sittenwidrigkeit, Zinsanspruch, Verwerfliche Gesinnung, Saldotheorie

Schlagworte:
Sittenwidrigkeit, Wucherähnliches Rechtsgeschäft, Nutzungsausfallentschädigung, Verwerfliche Gesinnung, Rückabwicklung, Kondiktionssperre
Vorinstanz:
LG München II, Urteil vom 07.06.2024 – 10 O 2459/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16064

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 07.06.2024, Az. 10 O 2459/23, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von € 24.173 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.09.2023 zu bezahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 3/10 und die Beklagte 7/10.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 33.979,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klägerin verlangt Schadensersatz und Nutzungsausfallentschädigung aus einem „sale-and-rent-back“ – Vertrag mit der Beklagten.
2
Die Beklagte schloss am 15.10.2018 in der Filiale der Beklagten in M, die beiden als K 17 und K 18 vorgelegten Verträge. Mit dem als K 17 (Anlage K 1 im Vorverfahren) vorgelegten Vertrag verkaufte sie ihr Fahrzeug der Marke VW UP!, amtl. Kennzeichen, das zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von 59.682 km aufwies, an die Beklagte zum Preis von € 3.500,00. Diesen Betrag erhielt sie am selben Tag in der Filiale ausbezahlt. Sie übergab den Zweitschlüssel für das Fahrzeug und den Fahrzeugschein an die Beklagte. Zugleich schlossen die Parteien den als K 18 (K 2 im Vorverfahren) vorgelegten Mietvertrag über dasselbe Fahrzeug. Einleitend heißt es in dem Mietvertrag: „Die Parteien schließen einen Mietvertrag über die entgeltliche Gebrauchsüberlassung des Fahrzeuges im Rahmen des Vertragsmodells „sale-and-rent-back“. Der Vertrag begann nach § 4 des Mietvertrages am 15.10.2018 und endete am 15.04.2019. Der monatliche Mietzins betrug € 276,50 incl. MwSt. Die Klägerin zahlte an die Beklagte die monatlichen Mieten in Höhe von insgesamt € 1.659,00 sowie eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von € 99,00.
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Die Beklagte hat das Fahrzeug nach Ende der Mietzeit am 26.06.2019 ohne Willen der Klägerin in Besitz genommen. Mit E-Mail vom selben Tag teilte die Beklagte der Klägerin die Inbesitznahme mit. Zugleich wurde ihr mitgeteilt, dass es am 02.07.2019 zur Versteigerung des Wagens in Berlin kommen werde.
4
In dem Vorverfahren, das vor dem Landgericht München I zu dem Aktenzeichen 31 O 11778/19 geführt wurde, verlangte die Klägerin mit Klage vom 23.07.2019 die Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung von € 3.500,00 und hilfsweise die Zahlung in Höhe von € 3.600,00. Zudem verlangte sie die Rückzahlung der von ihr geleisteten € 1.758,00. Nach Klageabweisung durch das Landgericht München I mit Endurteil vom 12.08.2021 wurde die Beklagte durch Urteil des Senates vom 12.05.2022, Az. 32 U 6620/21, im Hilfsantrag antragsgemäß verurteilt.
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Der Senat hat im Vorverfahren entschieden, dass die Beklagte gem. §§ 990, 989, 249, 251 BGB verpflichtet ist, der Klägerin Schadensersatz wegen des Verlusts des Fahrzeugs zu leisten. Von dem anzunehmenden Wert in Höhe von € 7.100,00 als Preis für die Wiederbeschaffung habe die Klägerin € 3.600,00 verlangt. Insoweit sei die Klage begründet. Sie habe den Wiederbeschaffungswert zum Zeitpunkt des Eigentumsverlustes zu ersetzen. Zudem sei die Beklagte zur Rückzahlung der von der Klägerin geleisteten Mieten in Höhe von insgesamt € 1.758,00 verpflichtet. Die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge seien nichtig.
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Mit der Klage vom 22.06.2023/30.08.2023 verlangte die Klägerin die Zahlung von € 33.979,00. Die Beklagte habe den im Vorverfahren noch nicht verlangten restlichen Betrag des Wiederbeschaffungswertes in Höhe von € 3.500,00 zu zahlen. Weiter schulde die Beklagte eine Nutzungsausfallentschädigung vom Zeitpunkt der Inbesitznahme des Fahrzeugs am 26.06.2019 bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils im Vorverfahren am 12.05.2022. Der Tagessatz sei mit € 29,00 anzusetzen für die Dauer von 1.051 Tagen. Der Betrag sei zu schätzen und betrage jedenfalls € 30.479,00.
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Die Beklagte bestreitet den Wiederbeschaffungswert. Die Verträge vom 15.10.2018 seien nicht unwirksam. Insoweit erstrecke sich nicht die Rechtskraft der Vorentscheidung. Ein Anspruch auf den restlichen Betrag des Wiederbeschaffungswertes bestehe nicht, da insoweit kein Schaden vorliege. Die Beklagte schulde keinen Nutzungsausfallschaden, da sie Eigentümerin geworden sei. Die Beklagte wendet sich gegen die Höhe des geltend gemachten Nutzungsausfallschadens unter Berufung auf ein Urteil des OLG Frankfurt vom 25.05.2023, 2 U 165/21. Es sei allenfalls auf die Vorhaltekosten abzustellen. Die von der Klägerin herangezogenen Tabellen stellten auf kurzzeitige Vermietung ab.
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Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Da die Verträge nicht nichtig gewesen seien, stehe der Klägerin kein Anspruch gem. §§ 990, 989, 249, 251 BGB zu. Auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 2, 858 BGB scheide aus, da sie zum Zeitpunkt des Besitzentzuges nicht mehr zum Besitz berechtigt gewesen sei.
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Im übrigen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
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Die Klägerin verfolgt mit der Berufung ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Das Landgericht habe die Reichweite der Rechtskraft des Urteils im Vorverfahren verkannt. Der BGH habe entschieden, dass eine Verurteilung zur Herausgabe in einem Folgeprozess insoweit eine Bindungswirkung habe, als der Beklagte nicht einwenden könne, ihm habe ein vertragliches oder gesetzliches Recht zur Verweigerung der Herausgabe zugestanden.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien der Kauf- und der Mietvertrag unwirksam nach § 138 BGB. Es habe schon ein auffälliges Missverhältnis vorgelegen. Für die Feststellung sei nicht allein auf den Händlereinkaufswert abzustellen. Dies lasse sich der Rechtsprechung des BGH nicht entnehmen, wie sich auch aus einer Entscheidung des KG ergebe. Es sei auf einen Wert von € 7.100,00 abzustellen. Die Sittenwidrigkeit ergebe sich auch aus der Höhe des von der Klägerin monatlich zu entrichtenden Betrages. Dieser stelle sich auch als Entgelt für die Überlassung des Kapitals dar.
12
Die Klägerin beantragt,
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München II vom 07.06.2024, Az.: 10 O 2459/23, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag zu zahlen in Höhe von 33.979,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die im Berufungsverfahren vorgelegten Schriftsätze Bezug genommen. Auf die Hinweise in der Terminsladung vom 15.10.2024 und das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 16.01.2025 wird verwiesen.
II.
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Die Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 990 Abs. 1 S. 1, 989, 249 Abs. 1, 251 BGB. Der Mietvertrag und der Kaufvertrag vom 15.10.2018 sind nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Damit war auch die Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte unwirksam. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von € 24.173,00. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin eine darüber hinausgehende Nutzungsausfallentschädigung und Ersatz des restlichen Wiederbeschaffungswertes in Höhe von € 3.500,00 verlangt.
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1. Der Mietvertrag und der Kaufvertrag vom 15.10.2018 sind nach § 138 Abs. 1 BGB als wucherähnliches Rechtsgeschäft nichtig.
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a) Allerdings steht nicht schon aufgrund des Urteils des Senats vom 12.05.2022, Az. 32 U 6620/21, fest, dass die beiden Verträge der Parteien vom 15.10.2018 nichtig sind.
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Eine der Wirkungen der Rechtskraft gem. § 322 Abs. 1 ZPO besteht in der Bindung des Gerichts an die Vorentscheidung, wenn die im ersten Prozess rechtskräftig entschiedene Rechtsfolge im nachfolgenden Rechtsstreit eine Vorfrage darstellt. Dagegen erwächst die Feststellung der Vorfragen aus dem Vorprozess nicht in Rechtskraft.
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Urteile sind nach § 322 Abs. 1 ZPO der Rechtskraft nur insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erwächst in Rechtskraft die in dem Urteil ausgesprochene Rechtsfolge, das heißt nur der vom Gericht aus dem vorgetragenen Sachverhalt gezogene Schluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen der beanspruchten Rechtsfolge, nicht aber die Feststellung der zugrunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse oder sonstigen Vorfragen, aus denen der Richter seinen Schluss gezogen hat.
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Dementsprechend stellt ein Urteil auf Leistung von Miet- oder Darlehenszinsen nicht das Bestehen des vertraglichen Grundverhältnisses rechtskräftig fest. Ebenfalls nicht in Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO erwachsen die Feststellungen über die der Entscheidung zugrunde liegenden präjudiziellen Rechtsverhältnisse, wie etwa die Nichtigkeit eines Vertrags (BGH Versäumnisurteil vom 17.2.2023 – V ZR 212/21; NJW 2023, 2281 Rn. 11- 13).
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Gemessen an diesen Grundsätzen stellen sich die im Vorverfahren getroffenen Feststellungen zur Nichtigkeit der Verträge lediglich als Vorfragen dar, die nicht von der Rechtskraft des Urteils über den dort streitgegenständlichen Anspruch auf Leistung von Schadensersatz wegen des Verlusts des Eigentums an dem Fahrzeug erfasst werden.
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b) Die Verträge der Parteien vom 15.10.2018 sind nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da ein besonders grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vorliegt und die Beklagte die erkennbare wirtschaftliche Notlage der Klägerin ausgenützt hat. Damit wird die verwerfliche Gesinnung der Beklagten vermutet. Jedenfalls aber liegt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Aufgrund der Gesamtumstände lässt sich eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten feststellen.
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aa) Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Hierbei ist weder das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit noch eine Schädigungsabsicht erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der Handelnde die Tatsachen kennt, aus denen die Sittenwidrigkeit folgt. Dem steht es gleich, wenn sich jemand bewusst oder grob fahrlässig der Kenntnis erheblicher Tatsachen verschließt. Zu berücksichtigen ist nicht nur der objektive Gehalt des Geschäfts, sondern es sind auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, sowie die Absicht und die Motive der Parteien in die Würdigung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 31).
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Ein gegenseitiger Vertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und außerdem mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und der objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist (BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 32; BGH, Urteil vom 24.1.2014 – V ZR 249/12, NJW 2014, 1652 Rn. 5; BGH, Urteil vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 Rn. 11).
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Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten oder auf die bewusste oder grob fahrlässige Ausnutzung eines den Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstands zu. Ein auffälliges, grobes Missverhältnis, das den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung zulässt, kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig angenommen werden, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung. Für die Feststellung eines Missverhältnisses kommt es auf die objektiven Werte der Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Die gegenseitigen Leistungen sind nach den vertraglichen Vereinbarungen zu bemessen und nicht danach, was die Parteien sich nachfolgend einander gewährt haben. Ein geeignetes Mittel für die Bestimmung des objektiven Werts ist grundsätzlich der Marktvergleich (BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 34).
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Wenn das Missverhältnis nur auffällig, aber nicht besonders grob ist, wenn also der Wert der Leistung nicht annähernd doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, sind für die Annahme einer verwerflichen Gesinnung weitere Feststellungen erforderlich, die sich aus den Gesamtumständen und insbesondere aus weiteren für den benachteiligten Vertragspartner erkennbar unvorteilhaften Regelungen in dem Vertragswerk ergeben können (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11.01.1995 – VIII ZR 82/94 unter Ziff. II.2.b).
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bb) Die zwischen den Parteien am 15.10.2018 geschlossenen Verträge sind nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, da es sich gerade in der Verbindung der beiden Verträge um ein wucherähnliches Rechtsgeschäft handelt. Bei dem „sale and rent back“ – Geschäft der Parteien liegt ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor.
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Soweit in der bisherigen Rechtsprechung für die Beurteilung, ob (nur) ein auffälliges oder ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, allein auf das Verhältnis des von der Beklagten entrichteten Kaufpreises zum Wert des an die Beklagte veräußerten Fahrzeugs abgestellt wird, ist umstritten, ob für die Bemessung des nach der Rechtsprechung des BGH anzustellenden Marktvergleichs auf den Händlereinkaufswert oder den Marktwert bzw. Wiederbeschaffungswert abzustellen ist. Die Klageseite verweist zu Recht darauf, dass sich der vom Landgericht zitierten Entscheidung des BGH (BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 36) nichts dazu entnehmen lässt.
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Das KG vertritt die Auffassung, dass dem Vergleich von Leistung und Gegenleistung der Marktwert ohne Abzug der Händlermarge zugrunde zu legen ist (KG Endurteil vom 17.07.2023, Az. 24 U 35/23, vorgelegt als Anlage K 09). Bei den bisherigen Entscheidungen des Senates war diese Frage nicht entscheidungserheblich. Sie kann auch im vorliegenden Fall offenbleiben. Der Senat schätzt den Händlereinkaufspreis auf Grundlage der Angaben von Silver DAT auf € 6.561,00 zum Stichtag am 15.10.2018. Wenn man von dem als Mindestwert unstreitigen Marktwert von € 7.100,00 ausgeht und eine Marge von 10% abzieht, betrüge der Händlereinkaufspreis € 6.390,00. In beiden Fällen liegt der Händlereinkaufswert unterhalb der von der Rechtsprechung angenommenen Grenze von 90%. Danach wäre der Wert der Leistung nicht annähernd doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung.
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Bei einem „sale and rent back“ – Geschäft kann für die Beurteilung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung nicht isoliert auf den Kaufvertrag oder isoliert auf den Mietvertrag abgestellt werden. Denn ein grobes Missverhältnis läge beispielsweise dann nicht vor, wenn der außergewöhnlich niedrige Kaufpreis im Rahmen der Vertragsdurchführung durch weitere Zahlungen an die Klägerin teilweise ausgeglichen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 41). Wie auch in dem vom BGH entschiedenen Fall setzt sich aber das im Kaufvertrag begründete wirtschaftliche Ungleichgewicht zu Lasten der Klägerin auch im Mietverhältnis fort.
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Die von der Klägerin an die Beklagte – in nicht unerheblicher Höhe – zu entrichtende Miete stellt nicht allein die Gegenleistung für die Überlassung der Nutzungsmöglichkeit an dem Kraftfahrzeug dar, sondern ist unter Beachtung der erheblichen Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert des Kraftfahrzeugs der Sache nach auch eine „Vergütung“ für die Überlassung des dem Kläger durch die Kaufpreiszahlung zur Verfügung gestellten Kapitals. Dies folgt aus einer Gesamtbetrachtung der Miethöhe und der Mietzeit (BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 43; vgl. OLG Köln Az. 15 U 87/23). Denn in der ursprünglich vertraglich vereinbarten Mietzeit von sechs Monaten nach Vertragsschluss hatte die Klägerin insgesamt einen Betrag in Höhe von € 1.659 an Mietzahlungen zuzüglich der Bearbeitungsgebühr in Höhe von € 99,00 zu leisten und auch erbracht. Dies entspricht etwa 50% des von ihr zuvor erhaltenen Kaufpreises.
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So hat auch der Senat im Vorverfahren darauf hingewiesen, dass wirtschaftlich gesehen der Verkäufer ein Darlehen erhält und zur Sicherheit sein Fahrzeug übereignet. Um dieses zurückzukaufen muss er nicht nur den Darlehensbetrag (§ 13 lit. f Ziffer 1 des Mietvertrages) und die Versteigerungskosten und Kosten der Fahrzeughaltung (§ 13 lit. f Ziffern 2 bis 4 des Mietvertrages) zahlen, sondern darüber hinaus noch die Mietzinsen und die vereinbarte Verwaltungsgebühr. Die formularmäßige Vereinbarung, dass in dem Mietzins keine Kapitalrückzahlung enthalten ist, steht der wirtschaftlichen Bewertung des Geschäftes nicht entgegen. Danach zahlt der Verkäufer und Mieter die Miete ja vor allem dafür, dass er den Kaufpreis bar erhalten hat und nicht dafür, dass er weiter das Fahrzeug nutzt, dass er ohnehin genutzt hätte. Die monatlichen Zahlungen der Klägerin gehen selbst in der ermäßigten Höhe von 276,50 EUR weit über den Wert der Kapitalnutzung hinaus. Diese bemessen sich im Zweifelsfall danach, welche Kreditzinsen der Verkäufer erspart hat. Die Leistungen der Klägerin entsprechen einem monatlichen Zins von 7,64% (jährlich 94,8%) (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 02. August 2021 – I-18 U 105/20; OLG Jena, Beschluss vom 30.10.2023, Az. 1 U 1305/22, Anlage K 27).
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Die Beklagte tritt nicht als Gebrauchtwagenhändlerin auf. Der Marktauftritt vermittelt dem Kunden nicht den Eindruck, dass die konkrete Vertragsgestaltung nur auf den Ankauf eines Fahrzeugs zielte, bei dem der Kunde anders als bei einem Gebrauchtwagenhändler zwar nur einen Bruchteil vom Händlereinkaufspreis erhält, dafür aber schnelle Liquidität erhält und das Fahrzeug noch eine begrenzte Zeit weiter nutzen kann gegen eine erhebliche Miete. Aber selbst wenn man nur auf den Verkauf des Fahrzeugs abstellen wollte und die weiteren ausdrücklichen von der Klägerin geleisteten Zahlungen mit einbezieht, hat die Klägerin im Ergebnis für den Verkauf ihres Fahrzeugs € 1.742,00 (€ 3.500,00 – € 1.758,00) erhalten. Damit hat die Klägerin ihr Fahrzeug an die Beklagte für ¼ des Wertes veräußert und als Gegenleistung dafür das Fahrzeug noch 6 Monate behalten. Dafür, dass die Klägerin einen Teil ihrer Verpflichtung aus dem Kaufvertrag – die Besitzübergabe – erst 6 Monate später erfüllen muss, hat sie einen Abschlag bei dem Kaufpreis im Umfang von ¾ des Wertes hinzunehmen.
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Es ist auch aus Sicht des Senates unwahrscheinlich, dass Kunden bei vollem Bewusstsein des Gesamtrisikos, insbesondere des möglichen dauerhaften Verlustes des Eigentums am Kraftfahrzeug und der finanziellen Gesamtbelastung, sich auf dieses Geschäftsmodell einlassen würden. Denn der Wunsch der Kunden, das Fahrzeug dauerhaft nutzen zu können und das Eigentum zurückzuerlangen, ist nicht nur für die Beklagte erkennbar (vgl. Würdinger, jurisPR-BGHZivilR 6/2023 Anm. 2). Mit dem Versprechen, dass der Kunde problemlos – auch bei negativen Schufa-Einträgen – sehr kurzfristig Geld erhält und gleichzeitig sein Fahrzeug weiter nutzen kann, betreibt die Beklagte gerade die Werbung ihres „Sale and rent back“-Modells.
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Unabhängig davon, ob man die Verträge wirtschaftlich im Schwerpunkt als Kreditgeschäft oder als Kaufgeschäft ansieht, liegt jeweils ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor.
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cc) Im übrigen lassen die Gesamtumstände die Annahme einer verwerflichen Gesinnung zu. Die verwerfliche Gesinnung ist auch aufgrund der für den benachteiligten Vertragspartner erkennbar unvorteilhaften Regelungen in dem Vertragswerk anzunehmen (vgl. Endurteil des Senates vom 16.01.2025, Az. 32 U 1636/24 e).
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So eröffnet § 6b des Mietvertrages vom 15.10.2018 der Beklagten in Abweichung von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB bereits ab einem Verzug von nur lediglich fünf Tagen das Recht zur fristlosen Kündigung des Mietvertrags. Eine solche Klausel stellt zur Überzeugung des Senats gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders dar und ist unwirksam.
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Wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB ist zur Überzeugung des Senats auch die Klausel im Mietvertrag unter § 6d, wonach die Beklagte berechtigt sein soll, dem Mieter den Besitz ohne dessen Willen zu entziehen und das Fahrzeug in Besitz zu nehmen, sowie hierzu ohne jede Beschränkung der Tageszeit das befriedete Besitztum des Mieters zu öffnen bzw. zu betreten. Nach geltendem Recht begeht ein Vermieter verbotene Eigenmacht, wenn er die Mietsache ohne Titel in seinen Besitz nimmt (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2022, 41499). An dieser grundsätzlichen Rechte des Mieters einschränkenden Vertragsklausel ändert sich auch nichts durch § 6f des Mietvertrages, wonach der Mieter auf die Einrede der „verbotenen Eigenmacht“ ebenfalls formularvertraglich verzichtet. Auch insoweit liegt in der Zusammenschau der Klausel eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB vor.
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Berücksichtigt man weiter, dass der Beklagten im Zusammenhang mit dem „sale and rent back“ – Modell bei Vertragsschluss nicht nur die Zulassungsbescheinigung Teil II, sondern auch ein Fahrzeugschlüssel überlassen wurde und die Klägerin in § 6e des Mietvertrages der Beklagten das Recht eingeräumt hat, das Fahrzeug ohne Ankündigung vorläufig sicher zu stellen, wenn sie mit der Zahlung einer Miete mehr als drei Tage in Verzug gerät, wird in der Gesamtschau mehr als nur auffällig, dass es Zweck dieser Regelung ist, die Mieterin weitgehend rechtlos zu stellen. Die Gesamtschau und die Gesamtwürdigung der von der Beklagten diktierten AGB machen es dem Vertragspartner faktisch unmöglich, eigene Rechte – jedenfalls außerhalb des einstweiligen Rechtsschutzes – geltend zu machen und durchzusetzen.
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Hinzu kommt – wie auch der BGH bereits ausgeführt hat – dass die Beklagte regelmäßig einen dem Mieter zustehenden Mehrerlös infolge der Versteigerung dadurch vermeidet, dass sie einen Dritterwerb verhindert und das Fahrzeug zunächst selbst ersteigert, um es sodann mit Gewinn an einen Dritten weiter zu veräußern (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 46).
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Bei Würdigung der einzelnen Elemente der vertraglichen Regelungen in Zusammenschau mit der wirtschaftlichen Bedeutung lässt sich feststellen, dass die Beklagte mit ihrem Marktauftritt darauf zielt, die wahre wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für ihre Kunden zumindest zu verschleiern. Unabhängig davon, ob die Klägerin im konkreten Fall getäuscht worden ist, beruht das Geschäftsmodell der Beklagten gerade darauf, bei dem Kunden den fehlerhaften Eindruck zu erwecken, es handele sich um ein der Pfandleihe ähnliches Geschäft, bei dem aber als besonderer Vorteil der Kunde in Besitz des beliehenen Gegenstandes bleibt. Wie sich aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen, mit denen die Beklagte wirbt, und aus dem unstreitigen Vortrag der Klägerin ergibt, wird die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung so weit wie möglich verschwiegen und verschleiert.
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Bei der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des jedenfalls auffälligen Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Wert des Fahrzeuges, der Höhe der Miete sowie der einen Mieter weitgehend rechtlos stellenden unangemessenen Regelungen im Mietvertrag ist erkennbar, dass die Beklagte hier mit verwerflicher Gesinnung handelt, also eine innere Haltung, die darauf abzielt, die Schwäche oder Notlage eines anderen unlauterer Weise auszunutzen, um sich selbst zu bereichern. Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles kann zur Überzeugung des Senates vorliegend kein Zweifel bestehen, dass die Beklagte die wirtschaftliche Notlage der Klägerin zur Durchsetzung eigener unlauterer Ziele verfolgt hat.
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c) Die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags führt vorliegend auch zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgten Übereignung des Kraftfahrzeugs durch die Klägerin an die Beklagte (BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164 Rn. 49).
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2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in Form der Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von € 24.173,00 aus §§ 990 Abs. 1 S. 1, 989, 249 Abs. 1, 251 Abs. 1 BGB zu.
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a) Gemäß § 989 BGB ist der Besitzer von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an dem Eigentümer für den Schaden verantwortlich, der dadurch entsteht, dass infolge seines Verschuldens die Sache verschlechtert wird, untergeht oder aus einem anderen Grunde von ihm nicht herausgegeben werden kann. Gemäß § 990 Abs. 1 S. 1 BGB haftet nach § 989 BGB auch der Besitzer, der bei Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war.
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Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin war Eigentümerin des Fahrzeugs, als die Beklagte dieses nach eigenen Angaben weiterveräußerte. Im Zeitpunkt der Veräußerung des Fahrzeugs war die Beklagte unmittelbare Besitzerin des Fahrzeugs, obwohl ihr ein Recht zum Besitz nicht zustand. Nach der Veräußerung war die im Sinne des § 990 Abs. 1 S. 1 BGB bösgläubige Beklagte schuldhaft nicht mehr zur Herausgabe des Fahrzeugs an die Klägerin in der Lage und somit dieser gemäß § 989 BGB gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet.
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b) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anspruch auf Entschädigung für den Fortfall der Nutzungsmöglichkeit von Kraftfahrzeugen grundsätzlich zu bejahen. Nach der Verkehrsauffassung und allgemeiner Rechtsauffassung stellt die Gebrauchsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs grundsätzlich ein vermögenswertes Gut dar und ist als geldwerter Vorteil anzusehen, so dass sich bei vorübergehender Entziehung ein Vermögensschaden ergeben kann. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs innerhalb und außerhalb des Erwerbslebens geeignet ist, Zeit und Kraft zu sparen und damit – in Unabhängigkeit von öffentlichen Verkehrsmitteln – das Fortkommen im allgemeinsten Sinne zu fördern (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2022 – VI ZR 35/22 –, Rn. 11, juris m.w.N.; OLG München, Beschluss vom 19.07.2024, Az. 27 U 251/23 e)
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Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung kommt in Betracht, wenn keine Kosten für eine Ersatznutzung aufgewendet wurden und auch kein Gewinn entgangen ist. Zudem liegt ein Schaden nur dann vor, wenn die Nutzung eines Gegenstands ausgeschlossen ist, dessen ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenserhaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Die Klägerin hat weder Kosten für eine Ersatznutzung aufgewendet, noch ist ihr durch das ausschließlich privatwirtschaftlich genutzte Fahrzeug ein Gewinn entgangen. Das Kraftfahrzeug der Klägerin stellt ein Wirtschaftsgut von zentraler Bedeutung dar. Erhebliche Anhaltspunkte die gegen den Nutzungswillen der Klägerin und die hypothetische Nutzungsmöglichkeit, also die „Fühlbarkeit“ des Nutzungsentzugs, sprechen sind weder dargetan, noch ersichtlich. Die Klägerin hat auch im Vorverfahren auf Herausgabe des Fahrzeugs geklagt.
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Die Höhe der Nutzungsentschädigung hat der Senat nach § 287 ZPO zu schätzen. Dabei liegt die Ermittlung der Schadenshöhe gem. § 287 Abs. 1 ZPO im freien tatrichterlichen Ermessen.
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Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann nicht ohne Weiteres der Betrag zu Grunde gelegt werden, den der Eigentümer für die Anmietung einer Ersatzsache zur Überbrückung der Ausfallzeit hätte aufbringen müssen, weil es nicht um das Reparationsinteresse, sondern um das Kompensationsinteresse geht. Dieses richtet sich nicht danach, was der Eigentümer an Kosten erspart hat, sondern danach, was die Einsatzfähigkeit der Sache für den Eigengebrauch dem Verkehr in Geld wert ist. Neben den anteiligen Vorhaltekosten können der Schadensbemessung im Ausgangspunkt gleichwohl Wertmaßstäbe des Verkehrs für eine entgeltliche Gebrauchsüberlassung zu Grunde gelegt werden. Als Maßstab bei dem Entzug von Sachen ist hiernach der fiktive Mietpreis anzusetzen, der jedoch von allen auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbswirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren zu bereinigen ist (BGH, Urteil vom 24.1.2013 – III ZR 98/12, NJW 2013, 1072 Rn. 22).
51
Dabei zieht die Praxis im Kfz-Bereich die Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch zur Berechnung der Nutzungsentschädigung heran, die der BGH als Schätzungsgrundlage anerkennt (BeckOK BGB/Flume, 72. Ed. 1.5.2024, BGB § 249 Rn. 165; OLG Jena, Urteil vom 10.01.2024, Az. 2 U 368/23, Anlage K 15). Allerdings ist eine Schadensschätzung auf der Grundlage der Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch eine zwar mögliche, aber keine verbindliche Methode der Schadensermittlung. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf eine Schätzung auf Grundlage der als Anlage K04 vorgelegten Klassifizierung nach SuperSCHWACKE die nach unbestrittenen Angaben der Klägerin auf die Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch zurückgreift (vgl. Grüneberg/Grüneberg, § 249 BGB Rn. 43). Der Tagessatz sei mit € 29,00 anzusetzen für die Dauer von 1.051 Tagen.
52
Nach der Rechtsprechung des BGH kann aus Gründen der Praktikabilität und der gleichmäßigen Handhabung typischer Fälle auch bei älteren Fahrzeugen mit den in der Praxis anerkannten Tabellen gearbeitet werden. Einer Schadensschätzung mit diesen Tabellen steht grundsätzlich auch nicht die lange Dauer des Nutzungsausfalls entgegen (BGH, Urteil vom 25.2.2005 – VI ZR 112/04, NJW 2005, 1044; BGH, Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 357/03, NJW 2005, 277). Allerdings hat der BGH auch gebilligt, dass im Hinblick auf das Alter des Fahrzeugs im Rahmen der Schätzung Korrekturen vorgenommen werden. So kann dem Alter des Fahrzeugs durch eine Herabstufung um eine Gruppe in den Tabellen von Sanden/Danner/Küppersbusch Rechnung getragen werden (vgl. Grüneberg/Grüneberg, § 249 BGB Rn. 44).
53
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO im vorliegenden Fall die lange Dauer des Nutzungsausfalls zu berücksichtigen ist. Nach der zitierten Rechtsprechung des BGH ist ein Rückgriff auf die in der Praxis üblichen Tabellen möglich. Dies hindert aber nicht eine Korrektur dieser Werte im Einzelfall, bspw. wegen des Alters des Fahrzeugs. Im vorliegenden Fall wird ein Nutzungsausfall für die Dauer von 1.051 Tagen geltend gemacht. Nach Ansicht des Senats ist in diesem Fall eine Korrektur im Hinblick auf die Dauer des Nutzungsausfalls angebracht. Auch bei dem Kompensationsinteresse der Klägerin können die Besonderheiten des Einzelfalles, nämlich das Alter des Fahrzeugs (BGH, Urteil vom 25.2.2005 – VI ZR 112/04, NJW 2005, 1044) und nach Auffassung des Senates auch die Dauer des Nutzungsausfalls berücksichtigt werden (vgl. Grüneberg/Grüneberg, § 249 BGB Rn. 45). Da der Mietpreis Ausgangspunkt der Berechnung des Nutzungsausfalls ist, ist zu berücksichtigen, dass bei langfristigen Vermietungen oder beim Leasing erheblich niedrigere Tarife gelten als bei kurzzeitigen Verträgen, auf die die Tabellen abstellen.
54
Die Dauer des vom Schädiger auszugleichenden Nutzungsausfalls richtet sich nach den Grundsätzen, die maßgebend dafür sind, ob der Schädiger die Kosten einer ersatzweise angemieteten Sache zu ersetzen hat. Deshalb gilt der dortige Grundsatz der Erforderlichkeit auch für die Dauer der Nutzungsausfallentschädigung (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 81). Nach der Rechtsprechung des BGH zur Höhe des Schadensersatzes eines Unfallverursachers hat der Schädiger grundsätzlich Nutzungsersatz nur für den Zeitraum zu leisten, der zur Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustands erforderlich ist (BGH, Urteil vom 18.12.2007 – VI ZR 62/07, NJW 2008, 915).
55
Mit der Klägerin ist der Senat der Auffassung, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen kann, der Klägerin wäre eine frühere Ersatzbeschaffung möglich gewesen. Denn Verzögerungen bei der Reparatur oder einer Ersatzbeschaffung gehen grundsätzlich zu Lasten des Schädigers, sofern dem Geschädigten kein Auswahlverschulden zur Last fällt (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 81). Der Klägerin fällt hier kein Verschulden zur Last, denn sie hat die Beklagte im Vorprozess auf Herausgabe und Zahlung von Schadensersatz verklagt. Die Beklagte, die die Leistung von Schadensersatz zu Unrecht verweigert hat, kann sich im Rahmen der Erforderlichkeit nicht darauf berufen, der Klägerin wäre früher eine Ersatzbeschaffung möglich gewesen.
56
Es kann dahinstehen, ob die Besonderheiten der jeweiligen Fälle in anderen Konstellationen eine andere Berechnung des Nutzungsersatzes rechtfertigen (vgl. Beschluss des Senates vom 02.02.2022, Az. 32 U 7645/21; Beschluss des OLG München vom 07.09.2022, Az. 19 U 2422/22; OLG Frankfurt vom 5. Juni 2020, 2 U 90/19, Rz. 38 ff.).
57
Der Senat schätzt die Höhe des Nutzungsausfalls mit der untersten Stufe nach der von der Klägerin vorgelegten Tabelle auf € 23,00 pro Tag. Dies entspricht einem Betrag von € 24.173,00.
58
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz des restlichen Wiederbeschaffungswertes in Höhe von € 3.500,00.
59
Die Klägerin kann von der Beklagten nicht Ersatz im Umfang desjenigen Teils des (Wiederbeschaffungs-) Werts des Fahrzeugs verlangen, in dem sie eine Leistung der Beklagten als Kaufpreis in Höhe von € 3.500,00 erhalten hat. Dies folgt aber nicht aus der Rechtskraft des Urteils des Senates im Vorverfahren. Der Beklagten steht in dieser Höhe ein Zurückbehaltungsrecht zu, das sie jedenfalls konkludent geltend gemacht hat. Das Zurückbehaltungsrecht beruht auf einem Bereicherungsanspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung des an die Klägerin erbrachten Kaufpreises. Bei der Rückabwicklung eines nach § 138 Abs. 1 BGB nichtigen Vertrages ist der Gegenanspruch nicht im Rahmen der Saldotheorie zu berücksichtigen. Er kann aber – wie hier – im selben Verfahren im Wege der Aufrechnung oder der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durchgesetzt werden. Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB würde der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts entgegenstehen. Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB erfasst aber nicht den Anspruch auf Rückzahlung des – zu niedrigen – Kaufpreises, wenn der Kaufvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB als wucherähnlichem Rechtsgeschäft wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Kaufgegenstand und Kaufpreis nichtig ist. An der entgegenstehenden bisherigen Rechtsprechung des Senates hält der Senat nicht fest.
60
a) Dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung des restlichen Teils des Wertes des Fahrzeugs steht nicht die Rechtskraft des Endurteils des Senates vom 12.05.2022, Az. 32 U 6620/21, entgegen.
61
Die Klägerin hatte im Vorverfahren im Hauptantrag auf Herausgabe des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises von € 3.500,00 geklagt. Selbst die Verurteilung im Hauptantrag hätte nicht zu einer Rechtskraft eines Anspruches der Beklagten auf Zahlung von € 3.500 geführt. Die materielle Rechtskraft reicht so weit, als über einen durch Klage oder Widerklage erhobenen Anspruch entschieden wird, § 322 Abs. 1 ZPO. Durch die Verurteilung Zug um Zug gegen Erbringung einer Leistung wird dem Beklagten nichts zugesprochen. Der Kläger wird nicht zur Erbringung der Gegenleistung verurteilt. Deshalb erwächst nur die Feststellung der Leistungspflicht des Beklagten in Rechtskraft, nicht die Pflicht des Klägers zur Gegenleistung (BGH, Urteil vom 19.12.1991 – IX ZR 96/91, NJW 1992, 1172).
62
Erst recht steht die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung – nur – in Höhe von € 3.600,00 der Klage des restlichen Schadensersatzes entgegen. Da die Klägerin nur einen Teil des Wiederbeschaffungswertes verlangt hat, handelt es sich um eine offene Teilklage. Bei der offenen Teilklage indes entspricht es ständiger Rechtsprechung und herrschender Meinung, dass der insoweit siegreiche Kläger durch das rechtskräftige Urteil nicht gehindert sein kann, Ansprüche der gleichen Art aus demselben Sachverhalt zu erheben (vgl. Zöller/G.Vollkommer, vor § 322 ZPO, Rn. 47 m.w.N.). Im Fall einer der Teilklage stattgebenden Entscheidung beschränkt sich die Rechtskraft auf den abgeurteilten Teil (MüKoZPO/Gottwald, 7. Aufl. 2025, ZPO § 322 Rn. 127). Allein der Umstand, dass die Klägerin im Vorprozess noch der – zutreffenden – Rechtsauffassung war, sie müsse den Kaufpreis zurückzahlen, und deshalb nur den restlichen Teil des Kaufpreises eingeklagt hat, begründet keine Rechtskraft.
63
b) Die Beklagte hat jedenfalls konkludent ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht.
64
Das Zurückbehaltungsrecht wird im Rechtsstreit nicht von Amts wegen beachtet, sondern muss vom Schuldner durch Einrede geltend gemacht werden. Es ist aber nicht erforderlich, dass der Beklagte formell einen Antrag auf Zug-um-Zug-Verurteilung stellt. Vielmehr reicht es aus, wenn sich aus seinem Vorbringen ergibt, dass er ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen will, zB indem er (wenn auch zu weitgehend) Klageabweisung beantragt (BeckOK BGB/Lorenz, 72. Ed. 1.11.2024, BGB § 274 Rn. 2, beck-online).
65
Die Beklagte hat nicht nur – erfolglos – entgegenstehende Rechtskraft eingewendet. Sie hat mit ihrem Vortrag, die Klägerin könne nicht Ersatz des im Vorverfahren nicht geltend gemachten Teils des Wiederbeschaffungswerts verlangen, da sie von der Beklagten den Kaufpreis in dieser Höhe erhalten habe, jedenfalls konkludent ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB geltend gemacht.
66
c) Der Anspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung ist nicht im Rahmen der Saldotheorie zu berücksichtigen, soweit die Klägerin ihren Anspruch auch auf Bereicherung stützt. Er kann aber – wie hier – im selben Verfahren im Wege der Aufrechnung oder der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durchgesetzt werden.
67
Die Klägerin hatte einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB. Da der Beklagten die Herausgabe nicht mehr möglich ist, hat sie der Klägerin gemäß § 818 Abs. 2 BGB den Wert des Fahrzeugs zu ersetzen. Der Anspruch besteht in Höhe des Wiederbeschaffungswertes von jedenfalls € 7.100,00. Bereits im Vorverfahren wurden der Klägerin € 3.600,00 zugesprochen.
68
Die auf den Kaufvertrag erbrachte Gegenleistung der Beklagten ist nicht im Rahmen der Saldotheorie zu berücksichtigen. Die Saldotheorie findet zum Nachteil der durch ein wucherähnliches und nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidriges Geschäft benachteiligten Partei keine Anwendung (BGH, Urteil vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127).
69
Grundsätzlich kann die Rückforderung, wenn es um die Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrages geht, nach der Saldotheorie nur auf Ausgleich der beiderseitigen Vermögensverschiebungen gerichtet werden. Sind die Leistungen wie hier ungleichartig, muss der Bereicherungskläger die Gegenleistung schon im Klageantrag dadurch berücksichtigen, dass er ihre Rückgewähr Zug um Zug anbietet. Es ist jedoch mit den Wertungen des Gesetzes nicht zu vereinbaren, die Saldotheorie zum Nachteil der durch ein wucherähnliches Geschäft benachteiligten Partei anzuwenden. Da die Saldotheorie letztlich eine von der Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen vorgenommene Gesetzeskorrektur darstellt, kann sie keine Geltung beanspruchen, wenn die mit ihr verbundene Bevorzugung des Bereicherungsschuldners im Einzelfall der Billigkeit widerspricht (BGH, Urteil vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, NJW 2001, 1127 Rn. 29; Grüneberg/Retzlaff § 818 BGB Rn. 49).
70
d) Es ist entscheidungserheblich, ob der dem Anspruch der Beklagten von § 817 S. 2 BGB erfasst wird. Denn die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB würde der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts entgegenstehen.
71
§ 273 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Gegenanspruch des Schuldners fällig ist. Die Forderung muss vollwirksam sein. Nicht klagbare Ansprüche können nicht Grundlage eines Zurückbehaltungsrechts sein. Es käme ihnen sonst mittelbar eine gerichtliche Durchsetzbarkeit zu (MüKoBGB/Krüger, 9. Aufl. 2022, BGB § 273 Rn. 31). Auch auf einredebehaftete Forderungen kann ein Zurückbehaltungsrecht nicht gestützt werden, weil sie ebenfalls nicht erzwingbar sind.
72
§ 817 Satz 2 BGB ordnet nicht an, dass die jeweiligen Bereicherungsansprüche erlöschen, sondern nimmt den Bereicherungsansprüchen die gerichtliche Durchsetzbarkeit. Es handelt sich um eine Kondiktionssperre, die eine rechtshindernde Einwendung begründet (BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 – IX ZR 167/18, NJW 2019, 2923 Rn. 95).
73
Es ist daher entscheidungserheblich, ob dem Anspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung des von ihr an die Klägerin geleisteten Kaufpreises in Höhe von € 3.500,00 die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB entgegensteht.
74
e) Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB erfasst nicht den Anspruch auf Rückzahlung des – zu niedrigen – Kaufpreises, wenn der Kaufvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen eines auffälligen Missverhältnisses zwischen Kaufgegenstand und Kaufpreis nichtig ist. An der entgegenstehenden bisherigen Rechtsprechung des Senates wird nicht festgehalten.
75
aa) Nach § 817 S. 2 BGB ist die Rückforderung einer Leistung, bei der der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen hat, ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt.
76
Nach der Rechtsprechung schließt § 817 Satz 2 BGB die Rückforderung einer Leistung nicht nur in den Fällen des § 817 Satz 1 BGB aus, sondern in allen Fällen einer Leistungskondiktion (vgl. Staudinger/Lorenz (2007) BGB § 817 Rn. 10). Der Ausschluss des Rückforderungsanspruchs setzt einen beiderseitigen Gesetzesverstoß nicht voraus, sondern greift auch, wenn – wie hier – lediglich der Leistende verwerflich gehandelt hat (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13 –, Rn. 18, juris; BGH, Urteil vom 14. Juli 1993 – XII ZR 262/91 –, juris). Die Anwendung der Norm setzt aber voraus, dass der Leistende vorsätzlich verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH, Urteil vom 18. April 2024 – IX ZR 89/23 –, Rn. 27, juris). Die Bestimmung verkörpert den Grundsatz, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt.
77
Dabei bezieht sich das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB nur auf das, was aus den vom Gesetz missbilligten Vorgängen geschuldet wird. Dagegen lässt es Bereicherungsansprüche unberührt, die sich aus nicht zu beanstandenden Leistungen ergeben, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis entstammen (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 111/20 –, Rn. 31, juris). § 817 Satz 2 BGB greift nicht ein, wenn die Rückgewähr von Leistungen begehrt wird, die an sich nicht zu beanstanden sind, aber in ein gesetz- oder sittenwidriges Gesamtverhalten eingebettet sind. Gerade das Bewirken der Leistung muss vom gesetzlichen Verbot oder vom Sittenwidrigkeitsurteil erfasst sein (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2021 – IX ZR 111/20 –, Rn. 32, juris Martinek/Heine in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 817 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 21).
78
bb) Der Senat hat schon Zweifel, ob bei der Rückabwicklung eines Kaufvertrags, der nach § 138 Abs. 1 BGB vor allem wegen eines zu niedrigen Kaufpreises nichtig ist, die Kondiktionssperre nur der einredeweise geltend gemachten Leistungskondiktion des sittenwidrig handelnden Käufers entgegenstehen kann.
79
Nach der Rechtsprechung des BGH verkörpert die Bestimmung den Grundsatz, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH Urt. v. 22.7.2021 – IX ZR 26/20, NJW-RR 2021, 1350 Rn. 37). Dies wird in der Literatur überwiegend dahin verstanden, dass die Vorschrift gerade den Vorleistenden bestraft, wenn es nicht zur Durchführung des gegenseitigen Vertrages kommt (vgl. MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 10). Andererseits dürfte es auch ganz hM entsprechen, dass die Kondiktionssperre nicht die Ansprüche des Bewucherten erfassen soll.
80
Wenn die Kondiktionssperre verhindern soll, dass der sittenwidrig Handelnde Gerichte zur Durchsetzung seiner Ansprüche benutzt, greift die Vorschrift nicht, wenn der Bewucherte Rechtsschutz in Anspruch nimmt, um seine Leistung zurückzuerhalten. Der sittenwidrig Handelnde nimmt nicht im Sinne der Rechtsprechung Rechtsschutz in Anspruch. Er verteidigt sich mit einem von der Rechtsordnung anerkannten Bereicherungsanspruch, dem gerade nur die eigenständige gerichtliche Durchsetzung versagt sein soll.
81
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass die Kondiktionssperre auch dem nur einredeweise geltend gemachten Bereicherungsanspruch entgegenstehen soll. Denn dies ließe sich nur damit rechtfertigen, dass die Vorschrift einen Strafcharakter hat. Dieser Gedanke wurde indes von der Rechtsprechung und dem überwiegenden Teil der Literatur aufgegeben (MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 10).
82
cc) Das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB erfasst nicht den Anspruch auf Rückzahlung des – zu geringen – Kaufpreises.
83
Das Rückforderungsverbot des § 817 Satz 2 BGB bezieht sich nur auf das, was aus den vom Gesetz missbilligten Vorgängen geschuldet wird. Dagegen lässt es Bereicherungsansprüche unberührt, die sich aus nicht zu beanstandenden Leistungen ergeben, selbst wenn sie demselben tatsächlichen Verhältnis entstammen (BGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 – IX ZR 247/19, NJW 2021, 234 Rn. 33).
84
Streng genommen hat die Beklagte gerade nicht durch die Zahlung des Kaufpreises sittenwidrig gehandelt. Die Sittenwidrigkeit beruht darauf, dass die Beklagte nicht noch mehr gezahlt hat. Nach der Rechtsprechung muss das Bewirken der Leistung vom gesetzlichen Verbot oder vom Sittenwidrigkeitsurteil erfasst sein. Es ist aber nicht zu beanstanden, dass die Beklagte wenigstens den Betrag von € 3.500 geleistet hat. Ihr Verhalten ist sittenwidrig, weil sie nicht noch € 3.000 mehr gezahlt hat.
85
dd) Jedenfalls ist § 817 Satz 2 BGB in der vorliegenden Konstellation einschränkend auszulegen.
86
Bei der Anwendung der Vorschrift ist zu berücksichtigen, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolgt. Dem Leistenden kann daher trotz § 817 Satz 2 BGB ein Bereicherungsanspruch zustehen, wenn Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erfordern (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13 –, Rn. 21, juris; Grüneberg/Retzlaff, 84. Aufl., BGB § 817 Rn. 18; MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 23). Das kann der Fall sein, wenn das Verbotsgesetz vor allem zum Schutz des Leistenden erlassen worden ist. § 817 Satz 2 BGB ist darüber hinaus auch dann einschränkend auszulegen, wenn die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustandes mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar ist und deshalb von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13 –, Rn. 22, juris).
87
Wenn aber die Aufrechterhaltung des verbotswidrig geschaffenen Zustandes – wie hier – mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes, § 138 Abs. 1 BGB, unvereinbar ist, dann führt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung des Kaufvertrages zur Rückgewähr der gegenseitig empfangenen Leistungen. Wie dargelegt soll der sittenwidrig Handelnde keinen Rechtsschutz in Anspruch nehmen dürfen. Die Rückabwicklung dient gerade dem Zweck, dass der Bewucherte den Kaufgegenstand zurückerhält. Er soll in jedem Fall Rechtsschutz in Anspruch nehmen dürfen. Der Regelung des § 817 Satz 2 BGB würde aber ein ausschließlicher Strafcharakter zugebilligt, wenn der sittenwidrig Handelnde seinen unstreitigen und ansonsten nicht einredebehafteten Bereicherungsanspruch nicht einmal einredeweise geltend machen dürfte.
88
ee) Auch systematische Erwägungen sprechen gegen die Anwendung der Kondiktionssperre.
89
Grundsätzlich führt die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Kaufvertrages zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Vertrages durch Rückgewähr der gegenseitig empfangenen Leistungen. Wenn die Nichtigkeit wie im Regelfall nur das Kausalgeschäft erfasst, bestehen daneben im Ausgangspunkt keine Ansprüche aus §§ 990, 989 BGB. Den Käufer, der den durch einen sittenwidrigen Kaufvertrag erlangten Kaufgegenstand weiterveräußert, trifft nur unter den Voraussetzungen des § 819 BGB eine verschärfte Haftung nach den §§ 819, 292, 990, 989, 249, 251 BGB. Folge der verschärften Haftung ist vor allem, dass sich der Käufer nicht mehr auf Wegfall oder Minderung der Bereicherung berufen kann (vgl. Grüneberg/Grüneberg BGB § 818 Rn. 53).
90
Vielmehr ist der Käufer zum Schadensersatz verpflichtet und hat dem Verkäufer den (Wiederbeschaffungs-) Wert des Kaufgegenstandes zu ersetzen. Da die allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätze der §§ 249 ff. BGB anzuwenden sind, ist der Schaden mithilfe der Differenzhypothese zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kaufpreis durch das nichtige Rechtsgeschäft in das Vermögen des Verkäufers gelangt ist.
91
Wenn – wie hier – die Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Erfüllung des Kaufvertrags erfolgten Übereignung des Kraftfahrzeugs führt, stehen dem Verkäufer von vornherein sowohl Schadensersatzansprüche aus §§ 990, 989 BGB als auch Bereicherungsansprüche aus §§ 812, 818 Abs. 2 BGB zu, die auf Ersatz des Wertes des weiterveräußerten Fahrzeugs gerichtet sind.
92
Die Anwendung der Kondiktionssperre würde dazu führen, dass dem geschädigten Käufer bereicherungsrechtlich weitergehende Ansprüche zuständen als bei der verschärften Haftung nach §§ 819, 818 Abs. 4 BGB und er trotz Erbringung der beiderseitigen Leistungen durch die Rückabwicklung in Höhe des Kaufpreises bereichert bzw. überkompensiert würde, da er den Wert des Kaufpreises doppelt erhält. Denn der geschädigte Verkäufer muss sich bei dem Anspruch gegen den sittenwidrig handelnde Käufer im Falle der verschärften Haftung den erhaltenen Kaufpreis anrechnen lassen.
93
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB.
III.
94
Das mit der Berufung angegriffene Endurteil des Landgerichts war daher in dem ausgesprochenen Umfang abzuändern.
95
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
96
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
97
Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen hinsichtlich der Anwendbarkeit des § 817 Satz 2 BGB und hinsichtlich der Bemessung der Nutzungsausfallentschädigung. Die Voraussetzungen liegen vor, wenn die Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein- und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschluss vom 31. März 2010 – XII ZB 130/09 –, Rn. 6, juris; Prütting/Winter in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Auflage, § 543 ZPO Rn. 45).
98
Die Frage, ob die Kondiktionssperre des § 817 Satz 2 ZPO einer Berücksichtigung des von der Beklagten entrichteten Kaufpreises im Wege der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts oder im Wege der Aufrechnung entgegensteht wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt, wobei die Urteile sämtlich Prozesse gegen die Beklagte betreffen. Einen Kondiktionsausschluss angenommen haben bspw. das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt, Urteil vom 11. April 2024 – 2 U 115/20), das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.12.2022, Az. 11 O 74/21), das OLG Jena (Urteil des OLG Jena vom 10.01.2024, Az. 2 U 368/23) sowie ein anderer Senat des OLG München (OLG München, Hinweisbeschluss v. 07.09.2022, Az. 19 U 2422/22). Hingegen vertritt ein Senat des Kammergerichts die Auffassung, der Anspruch der Beklagten sei zu saldieren (KG, Urteil vom 17.07.2023 – 24 U 35/23).
99
Die Revision ist auch zuzulassen hinsichtlich der Frage, wie die Nutzungsausfallentschädigung zu bemessen ist und ob sie in der Höhe und hinsichtlich der Dauer aufgrund der Besonderheiten, die von den Konstellationen, für die die Rechtsprechung entwickelt wurde, zu beschränken ist. Das OLG Jena hat die Nutzungsausfallentschädigung in Höhe und Dauer unbeschränkt entsprechend den für Verkehrsunfälle entwickelten Tabellen bemessen (OLG Jena, Urteil vom 10.01.2024, Az. 2 U 368/23), während das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt vom 25.05.2023, 2 U 165/21) die Nutzungsausfallentschädigung nur mit den Vorhaltekosten bemessen hat.
100
Die Revision ist – weil hier nicht entscheidungserheblich – nicht hinsichtlich der Frage zuzulassen, ob für die Beurteilung des Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung auf den Wiederbeschaffungswert (KG, Urteil vom 17.07.2023 – 24 U 35/23 und Beschluss vom 08.05.2024 – 4 U 60/23) oder den Händlereinkaufswert abzustellen ist. Der Senat geht nicht davon aus, dass diese Frage bereits vom BGH entschieden wurde (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2022 – VIII ZR 436/21, MDR 2023, 164), da sie in dem entschiedenen Fall nicht entscheidungserheblich war.
101
Der Streitwert entspricht der mit der Berufung noch geltend gemachten Klageforderung, § 47 GKG.