Titel:
Gebotenheit der Nebenintervention bei Beschlussklagen im Wohnungseigentumsrecht
Normenketten:
WEG § 44 Abs. 4
ZPO § 321a
Leitsätze:
Bei der Anfechtung eines Aufforderungsbeschluss oder Vorschaltbeschlusses ist die Nebenintervention in der Regel nicht geboten iSv § 44 Abs. 4 WEG. (Rn. 21 – 22)
Geboten ist eine Nebenintervention auf Beklagtenseite, wenn die Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer alleine überlassen werden kann. Als mögliche Fälle kommen Beschlussklagen in Betracht, die einen bestimmten Wohnungseigentümer betreffen, wie etwa bestimmte bauliche Veränderungen, bei denen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für eine effektive Rechtsverteidigung auf das Hintergrundwissen des betroffenen Wohnungseigentümers angewiesen ist oder wenn der beitretende Wohnungseigentümer in tatsächlicher Hinsicht in grundlegender Weise abweichend von dem beklagten Verband vorträgt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nebenintervenient, nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt:, Nebenintervention, sofortige Beschwerde, Beschlussanfechtung, Sondereigentumseinheit, Wohnungseigentümergemeinschaft
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 06.12.2024 – 1 S 10368/24 WEG
Fundstellen:
BeckRS 2025, 16063
FDMietR 2025, 016063
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Nebenintervenienten zu 2 bis zu 4 gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 06.12.2024, Az. 1 S 10368/24 WEG, wird verworfen.
2. Die Beschwerdeführer zu 2 bis zu 4 tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Die Nebenintervenienten zu 2 bis zu 4 wenden sich gegen eine Kostenentscheidung nach § 516 Abs. 3 ZPO, nach der sie ihre außergerichtlichen Kosten zu tragen haben.
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Die Kläger sind als Eigentümer der Wohneinheit Nr. 3 Mitglieder der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Nebenintervenient zu 1 ist Eigentümer der Wohneinheit Nr. 9, die Nebenintervenienten zu 2 und zu 3 sind Eigentümer der Wohneinheit Nr. 5 sowie zusammen mit der Nebenintervenientin zu 4 Eigentümer der Wohneinheit Nr. 4.
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Auf der Eigentümerversammlung vom 04.12.2023 wurde u.a. folgender Beschluss gefasst:
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TOP20 – Beseitigung der eigenmächtigen baulichen Veränderung des Anwesens durch Fensterverhängung durch die Sondereigentümer SE 3.
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Beschlussantrag: Es wird beschlossen, dass die Fensterverhängungen des Sondereigentums Nr. 4 durch die Eigentümer des Sondereigentums Nr. 3 zu beseitigen sind. Eine Frist wird nicht gesetzt. Die Eigentümergemeinschaft behält sich jedoch vor, zu einem späteren Zeitpunkt eine Frist für die Beseitigung zu setzen.
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Mit der Klage vom 03.01.2024 haben die Kläger u.a. diesen Beschluss angefochten. Die Nebenintervenienten sind mit Schriftsatz vom 15.02.2024 dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
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Mit Endurteil vom 23.07.2024 hat das Amtsgericht Sonthofen, Az. 4 C 9/24, die Klage insoweit abgewiesen. Nach Ziffer 3 des Endurteils haben die Kläger als Gesamtschuldner 51% der Kosten der Nebenintervention zu tragen.
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Die Kläger haben gegen das Urteil Berufung eingelegt und die gegen den Beschluss zu TOP 20 gerichtete Anfechtung weiterverfolgt. Der Nebenintervenient zu 3 hat mit Schriftsatz vom 04.09.2024 gegenüber dem Landgericht München I angezeigt, dass er die Nebenintervenienten auch in der Berufung vertritt und zugleich die Zurückweisung der Berufung beantragt.
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Der Bevollmächtigte der Kläger hat die Berufung mit Schriftsatz vom 24.10.2024 begründet. Bereits am 04.11.2024 erließ das Landgericht einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO. Es handele sich um einen Aufforderungsbeschluss, der nur auf formelle Beschlussmängel zu prüfen sei. Solche seien in der Berufungsbegründungsfrist nicht vorgetragen worden.
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Daraufhin nahmen die Kläger die Berufung mit Schriftsatz vom 04.12.2024 zurück. Mit Beschluss vom 06.12.2024 erklärte das Landgericht die Kläger ihres Rechtsmittels der Berufung für verlustig. Nach der Kostenentscheidung zu Ziffer 2 des Beschlusses haben die Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer der Beklagten, die diese selbst zu tragen haben.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 16.12.2024 legten die Nebenintervenienten zu 2 bis 4 Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ein und beantragten:
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens des Streithelfers der Sondereigentumseinheit SE 4, diese lediglich vertreten durch die Nebenintervenienten zu 2. bis 4., zu tragen, soweit diese als eine Einheit und damit als ein Nebenintervenient von dem Beschlussverlangen unmittelbar betroffen waren.
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Die Nebenintervenienten hätten ein eigenes rechtliches Interesse an der Geltendmachung des Anspruchs. Die Kläger hätten sämtliche nach Norden gelegenen Fenster der Einheit Nr. 4 verhängt. Sie seien durch die bauliche Veränderung unmittelbar betroffen. Die bisherige Verwaltung habe zum 31.03.2024 gekündigt. Es sei mit Mühe eine neue Hausverwaltung erst zum 01.06.2024 gefunden worden. Die Nebenintervention sei geboten gewesen, weil eine Hausverwaltung gefehlt habe bzw. weil die vorhandene Hausverwaltung untätig geblieben sei. Die Einheit Nr. 4 können nur von allen Miteigentümern vertreten werden. Als kostenersatzpflichtig könne allerdings nur eine einzige anwaltliche Vertretung angesehen werden.
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Das Landgericht hat der Beschwerde in dem Beschluss vom 16.01.2025 nicht abgeholfen. Es sei bereits mit Verfügung vom 17.12.2024 darauf hingewiesen worden, dass die Beschwerde nicht statthaft sei. Auch eine Anhörungsrüge habe keinen Erfolg, da eine Gehörsverletzung nicht dargelegt worden sei. Im übrigen erscheine die Kostenentscheidung auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens als zutreffend. In der Regel seien eben nur die Kosten des von GdWE bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattungsfähig.
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1. Die sofortige Beschwerde der Nebenintervenienten zu 2 bis zu 4 ist nicht statthaft. Sie ist deshalb als unzulässig zu verwerfen.
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Das Gesetz lässt gegen Kostenentscheidungen in den Fällen der §§ 91a Abs. 2 S. 2, 99 Abs. 2 S. 2 und 269 Abs. 5 S. 1 ZPO ausdrücklich die sofortige Beschwerde zu. Damit verweist das Gesetz jeweils auf die allgemeinen Vorschriften über die sofortige Beschwerde in den §§ 567 ff. ZPO. Auch in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen ist die sofortige Beschwerde damit nur gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte statthaft, § 567 Abs. 1 ZPO. Entscheidet das Landgericht hingegen als Berufungsgericht ist auch in den genannten Fällen die sofortige Beschwerde nicht statthaft. Dies ist Gegenstand des sogenannten Konvergenzgedankens, nach dem der Rechtsmittelzug hinsichtlich einer Nebenentscheidung grundsätzlich nicht weitergehen darf als derjenige in der Hauptsache (BGH Beschluss vom 20.9.2018 – III ZB 7/17, BeckRS 2018, 24279 Rn. 7).
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Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit des Berufungsgerichts, im Zusammenhang mit einem Kostenbeschluss nach § 516 Abs. 3 ZPO die Rechtsbeschwerde zuzulassen (vgl. BGH Beschluss vom 20.9.2018 – III ZB 7/17, BeckRS 2018, 24279 Rn. 8; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 516 ZPO, Rn. 29; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 516 Rn. 29). Ein gesetzlich bestimmter Fall der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, liegt nicht vor. § 516 BGB enthält insoweit keine Regelung.
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Da das Landgericht die Rechtsbeschwerde, die nach § 575 Abs. 1 ZPO beim Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht einzulegen gewesen wäre, nicht zugelassen hat, ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
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2. Die sofortige Beschwerde der Nebenintervenienten kann auch nicht als Gehörsrüge nach § 321a ZPO ausgelegt werden.
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Verfahrensanträge sind so auszulegen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO 45. Aufl., Einl II Rn. 16a). Damit scheidet eine Auslegung als Gehörsrüge aus, weil die Nebenintervenienten schon nicht einen Gehörsverstoß dargelegt haben (vgl. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO 45. Aufl., § 321a Rn. 5). Eine Gehörsrüge wäre demnach auch als unzulässig zu verwerfen.
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3. Im übrigen weist der Senat darauf hin, dass die angegriffene Entscheidung des Landgerichts der Rechtslage entspricht.
21
a) Nach § 44 Abs. 4 WEG gelten die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten nur dann als notwendig zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne des § 91 ZPO, wenn die Nebenintervention geboten war. Damit beschränkt das Gesetz bei Beschlussklagen den Kostenerstattungsanspruch im Falle der Nebenintervention. Die Vorschrift soll verhindern, dass das Kostenrisiko prohibitive Wirkungen entfaltet und einen Wohnungseigentümer von der Erhebung einer Beschlussklage abhält. Denn wenn die Beschlussklage abgewiesen wird, wären die Kosten der Nebenintervention auf Seiten der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach den allgemeinen Vorschriften der ZPO ansonsten vom Kläger zu erstatten (BT-Drs. 19/18791 S. 84; vgl. Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 175).
22
Nach der Gesetzesbegründung soll die Gebotenheit wie bei § 50 WEG aF zu verstehen sein. Geboten ist eine Nebenintervention auf Beklagtenseite, wenn die Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Wohnungseigentümers nicht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer alleine überlassen werden kann (BT-Drs. 19/18791 S. 84). Nach der Literatur werden als mögliche Fälle Beschlussklagen angesehen, die Beschlüsse betreffen, die einen bestimmten Wohnungseigentümer betreffen, wie etwa bestimmte bauliche Veränderungen, bei denen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für eine effektive Rechtsverteidigung auf das Hintergrundwissen des betroffenen Wohnungseigentümers angewiesen ist (BeckOGK/Skauradszun, 1.12.2024, WEG § 44 Rn. 74) oder wenn der beitretende Wohnungseigentümer in tatsächlicher Hinsicht in grundlegender Weise abweichend von dem beklagten Verband vorträgt (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 176). Abweichende Rechtsauffassungen der einzelnen beklagten Wohnungseigentümer reichen nicht aus, um die Notwendigkeit einer Mehrfachvertretung zu begründen (BGH, Beschluss vom 1.7.2021 – V ZB 55/20, NZM 2021, 724 Rn. 6). Entscheidend ist, ob aus Sicht des Nebenintervenienten zum Zeitpunkt seines Beitritts ein berechtigter Grund zu der Annahme besteht, eine Abweisung der Beschlussklage erfordere gerade seine Mitwirkung als Prozessbeteiligter (Bärmann/Pick/Fichtner, 21. Aufl. 2025, WEG § 44 Rn. 321).
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen war die Nebenintervention durch die Beklagten zu 2 bis zu 4 weder zum Zeitpunkt des Beitritts am 15.02.2024 noch bei Bestellung in der Berufung iSv § 44 Abs. 4 WEG geboten. Mit der Berufung haben die Kläger lediglich ihre Anfechtung des Aufforderungsbeschlusses zu TOP 20 weiterverfolgt. Wie das Landgericht zutreffend und ausführlich dargelegt hat, kommt es auf einen besonderen Tatsachenvortrag der durch die nicht genehmigte bauliche Veränderung besonders betroffenen Wohnungseigentümer im Verfahren um die Beschlussfassung über die Aufforderung zur Beseitigung der baulichen Veränderung nicht an, da nur formelle Fehler der Beschlussfassung Gegenstand des Verfahrens sind.
24
Der Bevollmächtigte der Nebenintervenienten weist zwar zutreffend darauf hin, dass eine Nebenintervention auch bei einer verwalterlosen Wohnungseigentümergemeinschaft geboten sein kann. Indes war im vorliegenden Fall nur in den Monaten April und Mai 2024 kein Verwalter für die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft bestellt. Für die Beklagte hatte sich bereits mit Schriftsatz vom 13.02.2024 ein Bevollmächtigter bestellt. Die Nebenintervenienten sind auch bereits mit Schriftsatz vom 15.02.2024 dem Rechtsstreit beigetreten.
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Während des gesamten Rechtsstreits war die Beklagte anwaltlich vertreten. Aufgrund des lediglich kurzen Zeitraums der Verwaltervakanz bestand zu keinem Zeitpunkt die Besorgnis, die Beklagte könne den Rechtsstreit nicht alleine führen. Damit wurde die Nebenintervention auch nicht nachträglich erforderlich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.