Inhalt

OLG München, Beschluss v. 02.06.2025 – 32 W 643/25 WEG e
Titel:

Streitwertbemessung bei Klage eines Wohnungseigentümers auf Beseitigung einer baulichen Veränderung

Normenkette:
GKG § 47 Abs. 1
Leitsatz:
Das wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers, dessen Klage auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums abgewiesen worden ist, ist grundsätzlich nach dem Wertverlust, den sein Wohnungseigentum durch die bauliche Veränderung erleidet, zu bemessen. (Rn. 16 – 17)
Schlagworte:
Berufung, Streitwertfestsetzung, Bemessung des Streitwerts, allgemeine Prinzipien, Wohnungseigentümergemeinschaft, Wohnungseigentümer, bauliche Veränderung, Wertverlust
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 30.01.2025 – 36 S 10496/24 WEG
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16060

Tenor

Die Beschwerde des Nebenintervenienten gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30.01.2025, Az. 36 S 10496/24 WEG, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Nebenintervenient begehrt mit der Beschwerde eine Heraufsetzung des Streitwertes für die Anschlussberufung des Klägers.
2
Der Kläger und der Nebenintervenient sind Mitglieder der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit der Klage vom 20.03.2024 hatte der Kläger die Aufnahme eines TOP auf die Einladung zur nächsten Eigentümerversammlung zu setzen und einen Beschlussantrag zur Abstimmung zu stellen, mit dem der Nebenintervenient aufgefordert werden soll, das Abmauern des Flures vor den Eingängen zu den Einheiten des Nebenintervenienten zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Weiter sollte die Beklagte verpflichtet werden, den Text des Beschlussantrags bereits mit der Einladung zu versenden.
3
Das Amtsgericht hat die Beklagte mit Endurteil vom 24.07.2024 antragsgemäß verurteilt, den verlangten Beschlussgegenstand auf die Tagesordnung zu setzen, und hat die Klage im übrigen abgewiesen. Den Streitwert hat das Amtsgericht auf € 5.000,00 festgesetzt.
4
Mit Schriftsatz vom 26.08.2024 hat die Bevollmächtigte des Nebenintervenienten dessen Beitritt auf Seiten der Beklagten erklärt und zugleich Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt und beantragt, die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
5
Mit Schriftsatz vom 12.11.2024 hat der Bevollmächtigte des Klägers Anschlussberufung erhoben und beantragt, den Nebenintervenienten zu verpflichten, die in Streit stehende bauliche Veränderung zu beseitigen.
6
Mit Verfügung vom 13.11.2024 hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass es die Berufung des Nebenintervenienten für unzulässig hält. Die ergebnisoffene Behandlung des Themas in einer Eigentümerversammlung dürfte nicht zu Nachteilen des Nebenintervenienten führen, die den Wert von € 600,00 übersteigen. Es bestehe auch kein Grund, die Berufung zuzulassen.
7
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.01.2025 die Berufung des Nebenintervenienten verworfen und die Anschlussberufung des Klägers für wirkungslos erklärt. Nach der Kostenentscheidung hat der Nebenintervenient 1/11 und der Kläger 10/11 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren werde auf € 5.500,00 festgesetzt.
8
Mit Schriftsatz vom 20.02.2025 hat die Bevollmächtigte des Nebenintervenienten in dessen Namen Streitwertbeschwerde erhoben und beantragt, den Streit für das Berufungsverfahren von € 5.500,00 auf € 20.702,00 heraufzusetzen. Der Nebenintervenient habe aufgrund einer Vergütungsvereinbarung € 3.136,71 an die Bevollmächtigte zu zahlen. Bei der Festsetzung des richtigen Streitwertes könne der Nebenintervenient Erstattung nicht nur in Höhe von € 766,36, sondern in Höhe von € 1.588,89 verlangen. Der Kläger habe mit der Anschlussberufung nicht nur eine Aufforderung, sondern eine unmittelbare Verpflichtung des Nebenintervenienten verlangt. Der Regelstreitwert von € 5.000,00 sei für die von dem Kläger verlangten Maßnahmen zu wenig. Nach einem von dem Nebenintervenienten erholten Kostenvoranschlag würden die Maßnahmen zu Kosten in Höhe von € 20.502,00 führen.
9
Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten.
10
Das Landgericht hat der Beschwerde in dem Beschluss vom 15.05.2025 nicht abgeholfen. Maßgeblich für die Bemessung des Streitwertes für die Anschlussberufung sei das sog. Angreiferinteresse. Dieses sei mit dem durch die bauliche Veränderung eingetretenen Wertverlust der klägerischen Einheit zu bemessen. Auf die Kosten für die von dem Kläger verlangten Ein- und Ausbauarbeiten komme es hingegen nicht an.
II.
11
1. Die Beschwerde ist zulässig.
12
Die Streitwertbeschwerde des Nebenintervenienten ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig, insbesondere sind die Frist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG in Verbindung mit § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingehalten und der Beschwerdewert von 200 Euro gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG überschritten.
13
Der Nebenintervenient ist auch beschwerdeberechtigt. Voraussetzung ist, dass der Beschwerdeführer durch die angegriffene Entscheidung beschwert ist. Entscheidend ist dabei eine Beschwer im Kosteninteresse des Beschwerdeführers, nicht eine Beschwer in der Hauptsache. Im Regelfall ist allerdings der Beteiligte, der einen Kostenerstattungsanspruch hat, in der Regel nicht durch eine aus seiner Sicht zu niedrige Streitwertfestsetzung beschwert. Davon ist jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn der Beteiligte mit seinem Prozessbevollmächtigten eine Vereinbarung über ein Honorar getroffen hat, dessen Höhe die Gebühren, die aufgrund der getroffenen Streitwertfestsetzung zu ermitteln wäre, übersteigt. Denn da der Beteiligte die Kosten vom Gegner nur in der Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattet verlangen kann, führt die niedrige Streitwertfestsetzung zu einer Erhöhung seiner eigenen Zahlungsverpflichtung (BeckOK KostR/Laube, 48. Ed. 1.2.2025, GKG § 68 Rn. 57, beck-online).
14
2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
15
Der Streitwert richtet sich grundsätzlich nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers, das dieser mit der Klage verfolgt. Auf das Interesse des Beklagten ist nach allgemeinen Prinzipien dann abzustellen, wenn der verurteilte Beklagte Berufung einlegt, § 47 Abs. 1 GKG. Eine Ausnahme von diesen Grundsätzen wurde schon immer in Streitigkeiten von Wohnungseigentümern untereinander und mit der Gemeinschaft gemacht. So ist nach § 49 S. 1 GKG in Beschlussklagen nach § 44 Abs. 1 WEG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung abzustellen.
16
Das Landgericht hat bereits ausführlich und zutreffend darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall für die Bemessung des Wertes der Anschlussberufung nicht auf das Gesamtinteresse abzustellen ist, da es sich nicht um eine Beschlussklage handelt. Es gelten vielmehr die allgemeinen Prinzipien für die Bemessung des Streitwertes.
17
Danach ist das wirtschaftliche Interesse eines Wohnungseigentümers, dessen Klage auf Beseitigung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums abgewiesen worden ist, grundsätzlich nach dem Wertverlust, den sein Wohnungseigentum durch die bauliche Veränderung erleidet, zu bemessen (BGH, Beschluss vom 6.4.2017 – V ZR 254/16, ZWE 2017, 335, beck-online; vgl. Bärmann/Pick/Fichtner, 21. Aufl. 2025, WEG Anh. § 44 Rn. 39BZ, beck-online).
18
Das Landgericht hat bei der Schätzung des wirtschaftlichen Interesses des Klägers an der Anschlussberufung das ihm eingeräumte Ermessen fehlerfrei und nachvollziehbar ausgeübt. Aus der Beschwerde ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass das wirtschaftliche Interesse des Klägers abweichend zu beurteilen wäre.
19
Wegen der Zulässigkeit der Beschwerde sind im Beschwerdeverfahren keine Gebühren entstanden; eine Kostenerstattung für Auslagen findet nicht statt (§ 68 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG).