Inhalt

VG Würzburg, Beschluss v. 05.05.2025 – W 6 S 25.520
Titel:

Sofortverfahren, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, Fehlen der Vollstreckungsvoraussetzungen, bejaht, Androhung der Ersatzvornahme mit Kostenanschlag kein Leistungsbescheid, Aufhebung der Vollziehung

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 3
VwZVG Art. 23 Abs. 1
VwZVG Art. 26
VwZVG Art. 36
Schlagworte:
Sofortverfahren, Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, Fehlen der Vollstreckungsvoraussetzungen, bejaht, Androhung der Ersatzvornahme mit Kostenanschlag kein Leistungsbescheid, Aufhebung der Vollziehung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16047

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der im Verfahren W 6 K 25.519 erhobenen Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. März 2025 wird angeordnet und die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller den eingezogenen Betrag in Höhe von 193,05 EUR unverzüglich zurückzuerstatten.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 96,53 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer von der Antragsgegnerin erlassenen Pfändungs- und Überweisungsverfügung und begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen erhobenen Klage sowie die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung.
2
1. Mit Bescheid vom 19. August 2024 wurde der Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit zur Außerbetriebsetzung seines Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … … oder zur Vorlage eines Nachweises über das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung verpflichtet. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung wurde die Ersatzvornahme im Wege der zwangsweisen Außerbetriebsetzung durch die Polizei angedroht und die Kosten hierfür vorläufig auf 110,00 EUR veranschlagt. Für den Bescheid wurden eine Gebühr in Höhe von 45,00 EUR sowie Auslagen in Höhe von 3,50 EUR erhoben.
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Ein Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen erhobenen Klage wurde mit Beschluss vom 29. August 2024 abgelehnt (Az.: W 6 S 24.1424). Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2024 rechtskräftig abgewiesen (Az.: W 6 K 24.1423).
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Am 29. August 2024 ersuchte die Antragsgegnerin die Polizeiinspektion ...um die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs. Ausweislich einer Mitteilung der Polizeiinspektion vom 9. September 2024 sei das Fahrzeug nicht mehr im Besitz des Antragstellers gewesen, da dieses wegen eines Motorschadens zum Verkäufer in B. zurückgegangen sei und ein Rechtsstreit mit diesem geführt werde. Das Fahrzeug befinde sich an einem unbekannten Ort in B. und der Verkäufer sei nicht erreichbar.
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Mit einem mit „Bescheid-Nr. 202-012844“ überschriebenen auf 11. September 2024 datierten Schreiben, ausweislich des Ausgangsstempels zur Post gegeben am selben Tag, forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Zahlung von 110,00 EUR unter der Bezeichnung „Polizei“ bis zum 25. September 2024 auf. Eine Rechtsbehelfsbelehrungwar dem Schreiben nicht beigefügt.
6
Am 18. September 2024 ging bei der Antragsgegnerin eine Meldung über das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für das Fahrzeug des Antragsellers ab dem 18. September 2024 ein.
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Mit Schreiben vom 21. Oktober 2024 mahnte die Antragsgegnerin die Zahlung des Betrags in Höhe von 110,00 EUR sowie eines Säumniszuschlags in Höhe von 1,00 EUR und Mahngebühren in Höhe von 5,00 EUR an.
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Am 27. November 2024 erstellte die Antragsgegnerin ein vollstreckbares Ausstandsverzeichnis über einen Gesamtbetrag von 143,00 EUR, welches folgende Forderungen enthielt:
- 202-012844 vom 11.9.2024, Az.: … für Versicherungsanzeige, Fälligkeit: 25.9.2024, Betrag: 110,00 EUR
- Säumniszuschlag, Fälligkeit: 26.9.2024, Betrag: 2,00 EUR
- Nebenforderungen der Forderungsüberwachung, Fälligkeit: 26.9.2024, Betrag: 1,00 EUR
- Mahngebühr, Fälligkeit: 21.10.2024, Betrag: 5,00 EUR
- Vollstreckungsgebühren, Fälligkeit: 27.11.2024, Betrag: 20,00 EUR
- Wegstreckenentschädigung, Fälligkeit: 27.11.2024, Betrag: 5,00 EUR
9
Mit Schreiben vom 2. Dezember 2024 wurde der Antragsteller über die Einleitung der Zwangsvollstreckung über einen Betrag in Höhe von insgesamt 206,50 EUR für den Bescheid vom 19. August 2024 und den „Bescheid“ vom 11. September 2024 informiert.
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Am 16. Dezember 2024 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten „Einspruch“ gegen den „Bescheid vom 11. September 2024“ einlegen und beantragte insoweit die „Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung“.
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Am 17. Dezember 2024 wurden die Kosten für den Bescheid vom 19. August 2024 in Höhe von 48,50 EUR vom Antragsteller beglichen.
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2025 teilte die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass gegen die Gebührenfestsetzung kein Einspruch zulässig sei. Die Kostenfestsetzung sei kein eigenständiger Bescheid und dürfe nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr finde die Kostenerhebung ihre Grundlage in der dahingehenden Regelung des Ausgangsbescheides vom 19. August 2024. Es handele sich folglich um die Vollstreckung der angedrohten Kosten. Die Bezeichnung „Bescheid-Nr. 202-012844“ sei irreführend und der Vorlage der Kfz-Zulassungssoftware geschuldet.
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Am 6. März 2025 erließ die Antragsgegnerin eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung über einen Gesamtbetrag von 193,05 EUR, welche der Drittschuldnerin nach Angaben der Antragsgegnerin am 11. März 2025 zugestellt und dem Antragsteller mit Schreiben vom 18. März 2025 übermittelt wurde.
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2. Am 9. April 2025 ließ der Antragsteller im Verfahren W 6 K 25.519 Klage erheben und gleichzeitig im vorliegenden Verfahren beantragen,
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung wird angeordnet und die Zwangsvollstreckung eingestellt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung sei aufzuheben. Die Forderung in Höhe von 48,50 EUR sei bereits am 17. Dezember 2024 aufgrund von Erfüllung erloschen. Die Würzburger Polizei mit der Zwangsabmeldung zu beauftragen, sei ein von vorneherein vergeblicher Einsatz gewesen, wie der Antragsgegnerin aufgrund des Sachverhalts hätte klar sein müssen. Bei dieser habe positive Kenntnis bestanden, dass sich das Fahrzeug des Antragstellers aufgrund eines Getriebeschadens in B. befunden habe. Nach der Aussage des Autohändlers sei auch die Polizei in B. in der Werkstatt vor Ort gewesen. Dennoch habe die Antragsgegnerin die hiesige Polizei beauftragt, ohne dieser mitzuteilen, dass sich das Fahrzeug in B. befinde. Dementsprechend sei ein Polizist zur Wohnung des Antragstellers in Würzburg gekommen und habe nach Schilderung des Sachverhalts unverrichteter Dinge wieder „abziehen“ müssen. Hierfür mache die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11. September 2024 110,00 EUR beim Antragsteller geltend. Hiergegen sei Einspruch eingelegt worden, über den bis heute nicht entschieden worden sei.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei unbegründet, da die allgemeinen und die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorlägen. Der Ausgangsbescheid sei bestandskräftig und im Übrigen rechtmäßig; auf die Entscheidungen des Gerichts werde insoweit verwiesen. Insbesondere sei die Höhe der Kosten für die Ersatzvornahme vom Gericht als zulässig und begründet erachtet worden. Die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme sei im Zusammenhang mit der Kostenerstattung regelmäßig dann gegeben, wenn ein für sofort vollziehbar erklärter oder unanfechtbarer, auf die Vornahme einer Handlung gerichteter Verwaltungsakt und eine wirksame Androhung der Ersatzvornahme vorlägen und sich die Ersatzvornahme im Rahmen der im Grundverwaltungsakt angeordneten Verpflichtung halte. Entscheidend sei für die Durchführung der Ersatzvornahme und die Erstattungsfähigkeit, dass diese wirksam und vollstreckbar im Zeitpunkt der Ersatzvornahme sei. Dies sei vorliegend der Fall. Es sei entschieden worden, dass keine objektive Unmöglichkeit vorliege, auch wenn sich das Fahrzeug in B. befinde. In dem noch fälligen Forderungsbetrag sei der beglichene Betrag in Höhe von 48,50 EUR nicht enthalten. Die aus der Forderungsaufstellung resultierenden Kosten seien rechtmäßig und ergäben sich neben den Kosten der Ersatzvornahme aus Mahn- und Vollstreckungsgebühren sowie den Kosten für die Pfändungs- und Überweisungsverfügung. Die Voraussetzungen für deren Erlass hätten vorgelegen.
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3. Am 14. April 2025 wurde die Forderung vom Konto des Antragstellers eingezogen.
19
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 6 K 24.1423, W 6 S 24.1424 und W 6 K 25.519) sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
20
Der Antrag hat Erfolg.
21
Bei verständiger Würdigung (§ 122 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 88 VwGO) ist der gestellte Antrag, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage anzuordnen und die Zwangsvollstreckung einzustellen, dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der kraft Gesetzes entfallenden (Art. 21a Satz 1 VwZVG) aufschiebenden Wirkung seiner im Verfahren W 6 K 25.519 erhobenen Klage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. März 2025 nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO sowie die Aufhebung der Vollziehung nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO begehrt. Der hinsichtlich letzterer erforderliche Antrag (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 116) ist jedenfalls in der beantragten Einstellung der Zwangsvollstreckung hinreichend klar zu erkennen.
22
Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet. Die angegriffene Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. März 2025 ist bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen, aber auch ausreichenden, summarischen Prüfung rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog), weshalb sein Interesse an der Aussetzung der Vollziehung das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Er kann in der Folge nach Maßgabe von § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung verlangen.
Im Einzelnen:
23
1. Der Antrag ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO hinsichtlich der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. März 2025 statthaft und auch im Übrigen zulässig.
24
Die Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Antragsgegnerin stellt einen den Antragsteller als Vollstreckungsschuldner belastenden Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG dar, welcher in der Hauptsache (W 6 K 25.519) mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann (vgl. hierzu ausführlich: VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 6 K 21.758 – juris Rn. 31 m.w.N.). Da es sich bei der Pfändungs- und Überweisungsverfügung um eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung handelt, entfaltet die im Verfahren W 6 K 25.519 hiergegen erhobene Klage wegen Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung. Im vorliegenden Verfahren ist mithin ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft.
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Des Weiteren steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass der von der Antragsgegnerin geforderte Betrag am 14. April 2025 vom Konto des Antragstellers eingezogen wurde. Denn von der Einziehung des Betrages gehen noch fortwirkende rechtliche Folgen aus. Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Antragsgegnerin hat sich daher nicht im Rechtssinne erledigt (vgl. VG Würzburg, a.a.O., Rn. 33).
26
2. Der Antrag ist begründet, da das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt und er in der Folge die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung beanspruchen kann.
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a.) Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
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Gemessen hieran hat der Antrag Erfolg, da sich die angegriffene Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Antragsgegnerin vom 6. März 2025 bei summarischer Prüfung als rechtswidrig erweist und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog), weshalb sein Interesse an deren Aussetzung das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt.
29
Die Antragsgegnerin ist als kreisfreie Stadt nach Art. 26 Abs. 5 VwZVG grundsätzlich berechtigt, ihre Geldforderungen nach Maßgabe der Vorschriften der ZPO (Art. 26 Abs. 7 VwZVG) selbst zu pfänden und einzuziehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.
30
Die Vollstreckungsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
31
Vorliegend fehlt es bezüglich der geltend gemachten Kosten für die Ersatzvornahme bereits an einem vollstreckbaren Leistungsbescheid im Sinne von Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Ein Leistungsbescheid ist nach dieser Norm ein Verwaltungsakt, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldleistung gefordert wird.
32
Ein solcher liegt hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von 110,00 EUR nicht vor. Er ergibt sich weder aus der Androhung der Ersatzvornahme im bestandkräftigen Bescheid vom 19. August 2024 noch aus dem Forderungsschreiben vom 11. September 2024.
33
Die Androhung der Ersatzvornahme in Nr. 3 des Bescheides vom 19. August 2024 auf Kosten des Antragstellers und die darin nach Maßgabe von Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorläufige Veranschlagung der Kosten stellt keinen Leistungsbescheid im Sinne von Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar. Es handelt sich hierbei lediglich um die Androhung der Ersatzvornahme im Sinne von Art. 36 VwZVG. Die Androhung einer Ersatzvornahme stellt, auch wenn sie mit einem Kostenanschlag verbunden ist, keinen Leistungsbescheid dar und entbindet insbesondere nicht von der grundlegenden Vollstreckungsvoraussetzung, zur Geltendmachung der Kosten zunächst einen Leistungsbescheid zu erlassen und dem Pflichtigen zuzustellen (vgl. Thum in Harrer/Kugele/Kugele/Thum/Tegethoff, Verwaltungsrecht in Bayern, 134. Lieferung, Stand: 1.11.2021, Art. 36 VwZVG Rn. 12 m.w.N.; VG Augsburg, U.v. 7.6.2004 – Au 7 K 03.1204 – juris Rn. 28). Dieses Verständnis lässt sich auch unmittelbar aus dem Gesetz ableiten. Anders als bei der Androhung eines Zwangsgeldes, hinsichtlich derer Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG ausdrücklich bestimmt, dass diese einen Leistungsbescheid im Sinne von Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstellt, ist eine solche Regelung im VwZVG hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme nicht enthalten. Auch das Recht zur Nachforderung, sollte die Ersatzvornahme höhere Kosten verursachen als veranschlagt (Art. 36 Abs. 4 Satz 3 VwZVG), spricht für dieses Verständnis.
34
Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, die Rechtmäßigkeit der Androhung der Ersatzvornahme und der Höhe ihrer Kosten sei gerichtlich bestätigt worden, führt dies zu keinem abweichenden Ergebnis. Insbesondere trifft letzteres nicht zu, da nicht die Höhe der – zum Zeitpunkt der damaligen gerichtlichen Entscheidung denknotwendig gar nicht bekannten – konkreten Kosten der Ersatzvornahme, sondern der vorgenommene Kostenanschlag von 110,00 EUR seinerzeit Streitgegenstand war. Die Antragsgegnerin hat die Androhung der Ersatzvornahme im Bescheid vom 19. August 2024 ordnungsgemäß mit einem Kostenanschlag versehen. Die konkret angefallenen Kosten sind dagegen mit begründungsbedürftigem Leistungsbescheid geltend zu machen (vgl. hierzu: Thum, a.a.O., 140. Lieferung, Stand: 1.6.2023, Art. 23 VwZVG Rn. 1).
35
Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Insbesondere stellt die Zahlungsaufforderung vom 11. September 2024 keinen Leistungsbescheid im Sinne von Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar. Insoweit handelt es sich bereits nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 BayVwVfG. Denn weder nach dem äußeren Erscheinungsbild noch nach dem objektiven Empfängerhorizont kann in dem Schreiben ein Verwaltungsakt gesehen werden (vgl. zur Auslegung: von Alemann/Scheffczyk in BeckOK, VwVfG, 66. Edition, Stand: 1.4.2023, § 35 Rn. 46 m.w.N.). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragsgegnerin dies mit Schreiben vom 17. Januar 2025 gegenüber dem Antragstellerbevollmächtigten selbst so ausgeführt und dargelegt hat, dass mit dem Schreiben lediglich die im Bescheid vom 19. August 2024 angedrohten Kosten für die Ersatzvornahme vollstreckt werden sollten.
36
Ausgehend hiervon fehlt es an den Vollstreckungsvoraussetzungen hinsichtlich der in Rede stehenden Kosten für die Ersatzvornahme, weshalb die Antragsgegnerin keine Pfändungs- und Überweisungsverfügung erlassen durfte und auch für die darin genannten Nebenforderungen für Mahnungen und Vollstreckung keine Grundlage besteht.
37
Ohne, dass es nach Vorstehendem noch darauf ankäme, weist das Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass, auch wenn man in dem Schreiben vom 11. September 2024 einen Leistungsbescheid sehen wollte, dies zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Denn dann hätte der Antragsteller, da dem Schreiben keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt war, diesen im Verfahren W 6 K 25.519 fristgerecht angefochten und der vorliegende Antrag würde sich auch auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) gegen diesen Leistungsbescheid beziehen, zumal der Antragsteller mit seinem „Einspruch“ vom 16. Dezember 2024 einen Antrag nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO bei der Antragsgegnerin gestellt hat, der jedenfalls konkludent mit Schreiben vom 17. Januar 2025 abgelehnt wurde. Sähe man in dem Schreiben vom 11. September 2024 einen Leistungsbescheid, so wäre dieser voraussichtlich als rechtswidrig anzusehen, da ungeachtet der vom Antragsteller aufgeworfenen Frage, ob ein Versuch der Entstempelung am Wohnort des Antragstellers von vorneherein überhaupt erfolgversprechend war, zum einen nicht ersichtlich ist, woraus sich der geltend gemachte Betrag von 110,00 EUR überhaupt im Einzelnen zusammensetzt (Bezeichnung: „Polizei“). Zum anderen liegt aufgrund der Aktenlage nahe, dass am fraglichen Tag, an dem die Polizei den Antragsteller zur Entstempelung aufgesucht hat, eine solche nicht durchgeführt wurde. Es erscheint daher zweifelhaft, die Kosten für die Ersatzvornahme in Höhe von 110,00 EUR in voller Höhe anzusetzen, da eine Ersatzvornahme in Form einer zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs bzw. Entstempelung der Kennzeichen letztlich überhaupt nicht stattgefunden hat. Bei einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage würden dann in der Folge die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen fehlen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) und die Pfändungs- und Einziehungsverfügung würde sich wiederum als rechtswidrig darstellen.
38
b.) Die Aufhebung der bereits erfolgten Vollziehung der Pfändungs- und Überweisungsverfügung war nach § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO anzuordnen. Da die Pfändungs- und Überweisungsverfügung bereits vollzogen ist, waren die Vollzugsfolgen rückgängig zu machen, da aufgrund der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung keine Grundlage mehr für die Vollziehung besteht.
39
Es kann insoweit dahinstehen, ob sich die Rechtsgrundlage hierfür direkt aus § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO ergibt oder die materiellen Voraussetzungen des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs erfüllt sein müssen und ob die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne Weiteres die Aufhebung der Vollziehung rechtfertigt oder erst nach gerichtlicher Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Fortbestand des Vollzugs und dem privaten Interesse an dessen Aufhebung (vgl. zum Streitstand: VGH BW, B.v. 20.5.2022 – 1 S 388/22 – juris Rn. 44). Denn aufgrund der Rechtswidrigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist kein öffentliches Interesse am Fortbestehen ihres Vollzugs erkennbar und im Übrigen sind auch die materiellen Voraussetzungen des Folgenbeseitigungsanspruchs erfüllt.
40
Die Entscheidung über die konkreten Maßnahmen zur Beseitigung der Vollzugsfolgen steht im gerichtlichen Gestaltungsermessen (vgl. nur: Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 117) und war im vorliegenden Fall wie tenoriert auszusprechen.
41
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers bezieht sich auf den eingezogenen Betrag in Höhe von 193,05 EUR. Das Gericht hält eine Viertelung des Betrags nach Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs nicht für sachgerecht, sondern den Ansatz des vollen Wertes, da über den Erlass der Pfändungs- und Überweisungsverfügung und der damit verbundenen Wirkungen hinaus der Vollzug der Vollstreckung, die Vermögensverschiebung, erfolgt ist. Dieser Wert war im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren.