Titel:
Widerspruch und Klage gegen Pfändungs- und Überweisungsverfügung bei fakultativem Widerspruchsverfahren
Normenketten:
VwGO § 74 Abs. 1 S. 2, § 75
BayAGVwGO Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BayVwZVG Art. 24 Abs. 1 Nr. 2, Art. 26
BayFwG Art. 28
Leitsätze:
1. Erhebt der Betroffene zuerst Widerspruch und in der Folge – ohne dass über den Widerspruch bereits entschieden worden wäre – innerhalb offener Klagefrist – zusätzlich Klage, stellt sich die Frage, ob sich Widerspruch und Klage wechselseitig dergestalt nach der Regelung des Art. 15 Abs. 1 S. 1 BayAGVwGO ausschließen, dass dies zur Unzulässigkeit bzw. Unstatthaftigkeit der Klage führt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies bedarf indes in den Fällen keiner Entscheidung, in denen der Betroffene Untätigkeitsklage erhebt, weil auch beim fakultativen Widerspruchsverfahren dem Betroffenen jedenfalls die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 S. 1 VwGO nach vorheriger Widerspruchseinlegung bleiben muss. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erweist sich eine Untätigkeitsklage im Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Einhaltung der Dreimonatsfrist des § 75 S. 2 VwGO als unzulässig, erwächst sie nach Ablauf der Dreimonatsfrist in Zulässigkeit. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kosten für Feuerwehreinsatz, Aufbrechen der Wohnungstür nach Lärm, Klage gegen Gebührenbescheid verfristet, Pfändungs- und Überweisungsverfügung, Widerspruch und Klage gegen Pfändungs- und Überweisungsverfügung bei fakultativem Widerspruchsverfahren, vollstreckbare Ausfertigung, Feuerwehreinsatz, Kosten, Klage, fakultatives Widerspruchsverfahren, Untätigkeitsklage, Klagefrist
Fundstelle:
BeckRS 2025, 16018
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Gebührenbescheid der Beklagten, mit dem ihm Kosten für die Inanspruchnahme der gemeindlichen Feuerwehr auferlegt wurden sowie gegen einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
2
1. Ausweislich des Einsatzberichts der Freiwilligen Feuerwehr W* … *. M* … vom 19. November 2022 wurde im Wege der Amtshilfe für die Polizei im Anwesen K* …straße * in W* … *. M* … am 19. November 2022 um 1:30 Uhr mit dem Hooligan Tool die Wohnungstüre geöffnet.
3
2. Mit Schreiben der Stadt W* … *. M* … vom 25. November 2022 wurde der Kläger zum Erlass eines Leistungsbescheids angehört, zu dem dieser sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2022 äußerte.
4
Mit Bescheid der Stadt W* … *. M* … vom 9. Dezember 2022 wurden dem Kläger als Begünstigten des Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr W* … *. M* … am 18. November 2022 Kosten in Höhe von 268,70 EUR auferlegt. Auf den Widerspruch des Klägers vom 22. Dezember 2022, eingegangen bei der Beklagten am 27. Dezember 2022, erließ diese am 28. Dezember 2023 einen Aufhebungsbescheid, mit dem der Kostenbescheid vom 9. Dezember 2022 widerrufen wurde.
5
Mit Schreiben der Stadt W* … *. M* … vom 28. Dezember 2023 wurde der Kläger zum Erlass eines Leistungsbescheids angehört.
6
Mit Bescheid der Stadt W* … *. M* … vom 11. Januar 2024 wurden dem Kläger als Begünstigten des Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr W* … *. M* … am 18. November 2022 wiederum Kosten in Höhe von 268,70 EUR auferlegt. Auf den erneuten Widerspruch des Klägers vom 4. Februar 2024, eingegangen bei der Beklagten am 5. Februar 2024, erließ diese am 28. Februar 2024 erneut einen Aufhebungsbescheid, mit dem der Kostenbescheid vom 11. Januar 2024 widerrufen wurde.
7
Mit Bescheid der Stadt W* … *. M* … vom 28. Februar 2024 wurden dem Kläger als Begünstigten des Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr W* … *. M* … am 18. November 2022 Kosten in Höhe von 268,70 EUR auferlegt.
8
In den Gründen wurde ausgeführt, dass nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG die Gemeinden Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen können, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren entstanden seien. Kostenersatz könne gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG verlangt werden für sonstige Einsätze im technischen Hilfsdienst, mit Ausnahme der Tätigkeiten, die unmittelbar der Rettung oder Bergung von Menschen oder Tieren dienten. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayFwG sei zum Ersatz der Kosten verpflichtet, wer in den Fällen nach Abs. 2 Nr. 2 die Gefahr, die zu dem Einsatz der Feuerwehr geführt habe, verursacht habe oder sonst zur Beseitigung der von der Feuerwehr behobenen Gefahr verpflichtet gewesen sei. Es stehe im Ermessen der Stadt W* … *. M* …, ob sie Kostenersatz nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG verlange. Bei der Abwägung der für und gegen die Heranziehung des Klägers zum Kostenersatz sprechenden Gründe überwiege das gemeindliche Interesse am Ersatz der entstandenen Aufwendungen gegenüber den finanziellen Belastungen des Klägers.
9
Der Bescheid vom 28. Februar 2024 wurde dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 2. März 2024 zugestellt.
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3. Mit Mahnungen der Stadt W* … *. M* … vom 7. Mai 2024 und vom 20. Juni 2024 wurde der Kläger zur Zahlung der offenen Forderung einschließlich Säumniszuschläge und Mahngebühren in Höhe von 278,70 EUR aufgefordert.
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Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 26. Juni 2024, dass er der Forderung von 278,70 EUR „widerspreche“. Daraufhin teilte die Stadt W* … *. M* … dem Kläger mit Schreiben vom 27. Juni 2024 mit, dass der „Feuerwehr-Bescheid vom 28.02.2024“ am 2. März 2024 zugestellt worden sei, ein Widerspruch bei der Stadt W* … *. M* … nicht erhoben worden sei und der Bescheid mithin seit Anfang April 2024 rechtskräftig sei. Es werde um Begleichung der offenen Forderung in der Gesamthöhe von 278,70 EUR gebeten, da sonst Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen würden. Mit weiterem Schreiben der Stadt W* … *. M* … vom 27. Juni 2024 wurde die Vollstreckung angekündigt und mit Schreiben vom 16. Juli 2024 nochmals Gelegenheit zur Begleichung der offenen Forderungen (bis 31.7.2024) gegeben. Mit Schreiben vom 29. Juli 2024 erklärte der Kläger, dass er „das Bedrohungsschreiben nach BvwVfG § 44 (Nichtigkeit des Verwaltungsaktes) als Nichtig ansehe“.
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Daraufhin erließ die Stadt W* … *. M* … am 2. August 2024 eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung. Danach schuldet der Kläger der Beklagten eine öffentlich-rechtliche Forderung i.H.v. 312,20 EUR (Nr. 1). Wegen dieser Ansprüche werden die aufgeführten angeblichen Forderungen des Schuldners gegenüber dem Drittschuldner, der … …, D* … gepfändet (Nr. 2). Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung wurde dem Drittschuldner gegen Postzustellungsurkunde am 7. August 2024 zugestellt.
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Gegen die vg. Pfändungs- und Überweisungsverfügung erhob der Kläger mit Schreiben vom 12. August 2024, eingegangen bei der Beklagten am 14. August 2024, Widerspruch.
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Mit dem an den Drittschuldner gerichteten Schreiben vom 29. August 2024 erklärte die Stadt W* … *. M* …, dass die Forderungen gepfändet seien und aus der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 1. August 2024 ab sofort keine Rechte mehr abgeleitet würden.
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4. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 2. September 2024, eingegangen beim Verwaltungsgericht Würzburg am 5. September 2024, Klage gegen die Stadt W* … *. M* … „wegen des Feuerwehrgebührenbescheides und die Pfändungs- und Überweisungsverfügung von 312,20 €“, die trotz fristgerechten Widerspruchs stattgefunden habe und vollstreckt worden sei. Des Weiteren fordere er Schadensersatz i.H.v. 2.512,20 EUR. Sein Arbeitgeber, die … … sei nicht von der Beklagten über den Widerspruch informiert worden. Der Feuerwehrgebührenbescheid für den Feuerwehreinsatz vom 19. November 2022 sei rechtswidrig gewesen und sei ohne richterlichen Beschluss erfolgt. Somit habe die Freiwillige Feuerwehr aus W* … … M* … einen Hausfriedensbruch und eine Sachbeschädigung in Höhe von 2.200 EUR, ergo eine Straftat, begangen.
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5. Die Beklagte beantragte,
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Zur Begründung wurde ausgeführt: Gegen den Gebührenbescheid vom 28. Februar 2024 sei – anders als gegen die früheren Bescheide – kein förmlicher Widerspruch eingelegt worden. Erst mit Schreiben vom 26. Februar 2024 habe der Kläger der Forderung widersprochen. Nachdem die Zustellung des Gebührenbescheides vom 28. Februar 2024 schon am 2. März 2024 erfolgt sei, sei schon dieser Widerspruch verfristet und in gleichem Maße auch die Klage selbst, die erst am 5. September 2024 eingegangen sei. Die Klage gegen den Feuerwehrgebührenbescheid sei deshalb als unzulässig zurückzuweisen. Nachdem Aufforderungen zur Zahlung erfolglos verlaufen seien, habe die Stadt W* … *. M* … am 2. August 2024 die Pfändungs- und Überweisungsverfügung gegen den Arbeitgeber des Klägers erlassen. Dieser habe die Forderung anerkannt und am 27. August 2024 erfüllt. Hiergegen habe sich der Kläger mit Schreiben vom 12. August 2024 gewehrt. Obgleich die angefochtene Verfügung formell an den Drittschuldner gerichtet sei, werde eine Klagebefugnis des Klägers als tatsächlich Betroffenem angenommen. Da der der Vollstreckungsmaßnahme zugrundeliegende Gebührenbescheid rechtskräftig sei und mildere Maßnahmen der Forderungseinziehung nicht zum Erfolg geführt hätten, stehe die Rechtmäßigkeit der Verfügung außer Frage. Die Klage sei insofern als unbegründet zurückzuweisen. Ausschließlich hilfsweise werde abschließend darauf hingewiesen, dass der angefochtene Gebührenbescheid vom 28. Februar 2024 auch materiell rechtmäßig sei. Die Klage wäre deshalb selbst bei unterstellter Zulässigkeit als unbegründet abzuweisen.
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6. Zu der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2025 ist der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Mit der Beklagtenseite wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Es erging von Seiten der Kammer der Beschluss, vom hiesigen Verfahren das Klagebegehren, soweit es den Antrag auf Schadensersatz betrifft, abzutrennen und unter dem Az. W 5 K 25. … fortzuführen. Auf das Protokoll vom 20. März 2025 wird verwiesen. Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die nach § 102 Abs. 2 VwGO trotz Nichterscheinens des ordnungsgemäß geladenen Klägers verhandelt und entschieden werden durfte, ist – nach Abtrennung des auf Schadensersatz gerichteten Begehrens – nach sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) dahingehend zu verstehen, dass der Kläger sich sowohl gegen den Gebührenbescheid der Beklagten vom 28. Februar 2024 als auch gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 2. August 2024 wendet und deren Aufhebung begehrt.
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Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage gegen den Gebührenbescheid vom 28. Februar 2024 ist bereits unzulässig, die Klage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 2. August 2024 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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1. Die vom Kläger mit Schreiben vom 2. September 2024 am 5. September 2024 (Eingang bei Gericht) erhobene Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid der Beklagten vom 28. Februar 2024 ist unzulässig.
22
Der Kläger hat die Klagefrist versäumt. Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Da der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehene Bescheid vom 28. Februar 2024 ausweislich der Postzustellungsurkunde am 2. März 2024 zugestellt wurde, endete die Monatsfrist damit mit Ablauf des 2. April 2024 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB), so dass die am 5. September 2024 bei Gericht eingegangene Klage verfristet ist. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 60 VwGO) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ein Widerspruch gegen den Gebührenbescheid wurde bisher nicht erhoben und wäre zwischenzeitlich ebenfalls mit Ablauf des 2. April 2024 verfristet.
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Nach allem ist die Anfechtungsklage gegen den Gebührenbescheid vom 28. Februar 2024 bereits unzulässig und die Klage insoweit abzuweisen.
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2. Die ebenfalls vom Kläger mit Schreiben vom 2. September am 5. September 2024 erhobene Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom 2. August 2024 ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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2.1. Die Klage ist zulässig.
26
Für den vom Kläger erhobenen Rechtsbehelf gegen die Pfändung und Einziehung von Geldforderungen durch die Beklagte als Gemeinde ist gemäß Art. 26 Abs. 7 Satz 3 VwZVG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
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Die Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist ein Verwaltungsakt, so dass die Anfechtungsklage die statthafte Klageart ist (vgl. VG München, B.v. 28.7.2016 – M 15 S 16.2591 – juris Rn. 14). Er setzt sich aus drei miteinander verbundenen Regelungen gegenüber dem Drittschuldner (hier: … …*) zusammen (siehe näher BayVGH, U.v. 2.5.2017 – 4 B 15.878 – VGHE BY 70, 90 – juris Rn. 19 f.) und enthält weiter konkrete Rechtswirkungen gegenüber dem Vollstreckungsschuldner (VG München, B.v. 28.7.2016 – M 15 S 16.2591 – juris Rn. 14). Durch die Pfändungs- und Überweisungsverfügung wird über die Art und Weise der Vollstreckung verbindlich entschieden (Giehl/Adolph/Fabisch, Verwaltungsrecht in Bayern, Dez. 2024, Art. 26 VwZVG Rn. 91).
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Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger bereits Klage erhoben hat, obwohl das zuvor eingeleitete Widerspruchsverfahren noch nicht zum Abschluss gekommen war.
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Vorliegend hat der Kläger mit Eingang seines Schreibens vom 12. August 2024 bei der Beklagten am 14. August 2024 gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung Widerspruch erhoben und damit das Widerspruchsverfahren eingeleitet. Dieses Widerspruchsverfahren wurde aber noch nicht zum Abschluss gebracht, weil diesem weder abgeholfen wurde noch der Widerspruch dem Landratsamt M* … (Widerspruchsbehörde) vorgelegt wurde und seitens der Widerspruchbehörde mithin auch keine Entscheidung ergangen ist.
30
Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist vor Erhebung der Anfechtungsklage die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Die Durchführung des Widerspruchsverfahrens ist – wenn nicht die VwGO selbst oder ein (sonstiges) Gesetz dies vorsieht – eine zwingende Prozessvoraussetzung der Anfechtungsklage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 68 Rn. 1). Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bayer. Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) vom 28. November 1960 (GVBl S. 266) in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Juni 1992 (GVBl S. 162), zuletzt geändert durch Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 22. April 2022 (GVBl S. 148), hat in Angelegenheiten des Kommunalabgabenrechts ein Betroffener die Möglichkeit, gegen einen an ihn gerichteten Verwaltungsakt entweder Widerspruch zu erheben oder unmittelbar Klage einzureichen (sog. fakultatives Widerspruchsverfahren; zur Einstufung der Kostenersatzforderung nach Art. 28 BayFwG als Kommunalabgabe i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGVwGO vgl. BayVGH, U.v. 14.12.2011 – 4 BV 11.895 – juris Rn. 24 ff.). Gleiches gilt dann auch für die Pfändungs- und Überweisungsverfügung zur Durchsetzung der Kostenersatzforderung.
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Erhebt der Betroffene zuerst Widerspruch und in der Folge – ohne dass über den Widerspruch bereits entschieden worden wäre – innerhalb offener Klagefrist – zusätzlich (wie hier der Kläger) Klage, stellt sich die Frage, ob Widerspruch und Klage sich wechselseitig dergestalt nach der Regelung des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO ausschließen, dass dies zur Unzulässigkeit bzw. Unstatthaftigkeit der Klage führt (in diesem Sinne Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 68 Rn. 17a; Geiger, BayVBl. 2008, 161, 165). Dies bedarf indes vorliegend keiner Entscheidung, weil auch in Fällen des fakultativen Widerspruchsverfahren dem Betroffenen jedenfalls die Erhebung einer Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO nach vorheriger Widerspruchseinlegung bleiben muss (BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 12 C 13.1814 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 1.7. 2013 – 7 ZB 13.305 – juris Rn. 10 ff.; Oestreicher/Decker in PdK A 17 Bay Nr. 4.1. Stand Jan. 2016). Sieht man daher in der vom Kläger am 5. September 2024 erhobenen Klage eine Untätigkeitsklage, erweist sich diese zwar im Zeitpunkt ihrer Erhebung mangels Einhaltung der Dreimonatsfrist des § 75 Satz 2 VwGO als unzulässig. Nach allgemeiner Auffassung erwächst sie jedoch nach Ablauf der Dreimonatsfrist in Zulässigkeit (BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 12 C 13.1814 – juris Rn. 7; Rennert in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 75 Rn. 8), so dass hier zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung von einer zulässigen Klage ausgegangen werden kann.
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2.2. Die Klage gegen die Pfändungs- und Überweisungsverfügung der Beklagten vom 2. August 2024 ist aber unbegründet.
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Die angefochtene Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34
Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung ist das Vorliegen der allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 ff. und Art. 23 ff. VwZVG. Bei der Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Geldleistung gefordert wird, müssen insbesondere die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 23 ff. VwZVG gegeben sein.
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2.2.1. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG liegen vor. Denn der Gebührenbescheid der Beklagten vom 28. Februar 2024 ist mangels rechtzeitiger Klageerhebung bzw. Widerspruchseinlegung nicht mehr anfechtbar, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG (s.o. unter 1.). Des Weiteren hat der Kläger seine Verpflichtung zur Zahlung der in dem vg. Gebührenbescheid geltend gemachten Betrag noch nicht erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG).
36
2.2.2. Auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß Art. 23 ff. VwZVG sind erfüllt. Im Einzelnen:
37
Der Gebührenbescheid ist dem Kläger zugesandt worden (Art. 17 i.V.m. Art. 23 Abs. 2 VwZVG). Die fälligen Forderungen wurden auch jeweils angemahnt (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwZVG).
38
Auch die erforderliche Vollstreckungsanordnung in der vorgeschriebenen Form (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 26 Abs. 1, 5 VwZVG) ist gegeben.
39
Nach Art. 26 Abs. 1 VwZVG sind u.a. Gemeinden dazu berechtigt, zur Beitreibung von Geldforderungen, die sie durch einen Leistungsbescheid geltend machen, eine Vollstreckungsanordnung zu erteilen. Nach Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift können u.a. Gemeinden Geldforderungen selbst pfänden und einziehen, wenn Schuldner und der Drittschuldner ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in Bayern haben.
40
Im Fall des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG ordnet die Anordnungsbehörde oder die für sie zuständige Kasse oder Zahlstelle die Vollstreckung dadurch an, dass sie in den Fällen des Art. 26 und 27 VwZVG auf eine Ausfertigung des Leistungsbescheids oder eines Ausstandsverzeichnisses die Klausel setzt: „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“. Nach Abs. 2 der Vorschrift übernimmt die Anordnungsbehörde oder die für sie zuständige Kasse oder Zahlstelle mit der Vollstreckungsanordnung die Verantwortung dafür, dass die in den Art. 19 und 23 bezeichneten Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben sind.
41
Das Vollstreckungsrecht als solches ist von einer hohen Formenstrenge geprägt. Diese soll ein zügiges Vollstreckungsverfahren gewährleisten und zugleich dem Schutz von Gläubiger und Schuldner gleichermaßen dienen (Seibel in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, vor § 704 Rn. 22; BGH, B.v. 29.6.2011 – VII ZB 89/10 – juris; B.v. 23.10.2019 – I ZB 60/18 – juris Rn. 27, allgemein zur Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens). In Anwendung dieses Grundgedankens fordert auch Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG für die Vollstreckungsanordnung eine bestimmte Form (Giehl/Adolph/Fabisch, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Dez. 2024, Art. 26 VwZVG Rn. 12). Zugleich hebt Art. 24 Abs. 2 VwZVG die Verteilung der Verantwortung hervor. Erforderlich ist hiernach eine ausdrückliche Erklärung der Anordnungsbehörde oder der für sie zuständigen Kasse oder Zahlstelle, dass der Forderungsanspruch vollstreckbar ist, dies auf einer entsprechenden Ausfertigung des zu vollstreckenden Bescheides.
42
Im vorliegenden Fall lässt sich der (ursprünglich) vorgelegten Behördenakte zwar keine Ausfertigung des Leistungsbescheides oder eines Ausstandsverzeichnisses mit einer aufgebrachten Vollstreckungsklausel entnehmen. Es wurde von Beklagtenseite dem Gericht am 18. März 2025 allerdings ein „Vollstreckbares Ausstandsverzeichnis“ vom 23. Juli 2024 übermittelt, das die folgende – erforderliche, aber auch ausreichende – Formulierung enthält: „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar (Art. 19, 23, 24 u. 26 VwZVG)“.
43
Da die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG vorliegen, erweist sich die Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 2. August 2024 als rechtmäßig.
44
2.3. Im Übrigen stehen der Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung auch keine Pfändungsschutzvorschriften entgegen. Arbeitseinkommen ist grundsätzlich gemäß § 829 ZPO als Geldforderung pfändbar. Zum Schutz des Schuldners regeln §§ 850 ff. ZPO die Modalitäten einer Pfändung von Arbeitseinkommen. Danach ist ein bestimmter Grundbetrag unpfändbar und steht damit dem Kläger zur freien Verfügung. Die Pfändungsverfügung selbst muss die pfändbaren Einkommensteile nicht betragsmäßig bezeichnen. Die betragsmäßige Feststellung des gepfändeten Arbeitseinkommens hat der Drittschuldner vorzunehmen (Smid in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 850c Rn. 14 m.w.N.).
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3. Aus den genannten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
46
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.