Inhalt

AG München, Endurteil v. 26.02.2025 – 271 C 21680/24
Titel:

Widerrufsrecht, Werklieferungsverträge, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Auftragsbestätigung, Ersparte Aufwendungen, Darlegungs- und Beweislast, Annahmeverzug, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Prozeßbevollmächtigter, Zug-um-Zug-Leistung, Ordentliche Kündigung, Zinsanspruch, Elektronischer Rechtsverkehr, Zahlungsaufforderung, Anderweitige Verwendung, informatorische Parteianhörung, Böswilliges Unterlassen, Geschäftsräume, Übereignung

Schlagworte:
Vertragsschluss, Widerrufsrecht, Individualanfertigung, Kündigungsvergütung, Darlegungs- und Beweislast, Annahmeverzug, Skonto-Verhandlung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15998

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.948,30 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.06.2024 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des gemäß Auftragsbestätigung 2024/28 vom 07.05.2024 (K1) in Auftrag gegebenen Schlafzimmerschranks in Dekospan (Maße: 258 x 248 x 63 cm; Korpus: Dekospan W980, Front: Dekospan: W110 PG Hochglanz; Griffe: Tip on).
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Zug-um-Zug-Leistung nach Ziff. 1 im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 381,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.07.2024 zu zahlen. 
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 100% des zu vollstreckenden Betrags leistet.  

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Kündigungsvergütung des Klägers aus einem Werklieferungsvertrag.
2
Der Kläger ist Inhaber der Firma S.
3
Die Beklagte suchte über eine Ausschreibung auf der Internet-Plattform „M“ einen Schreiner für Einbauschränke. Maße, Information zu den Zimmern oder zur Zahl waren in der Ausschreibung noch nicht enthalten. Die Beklagte wollte zum Zeitpunkt der Ausschreibung vor allem mit Schreinereien in München in Kontakt treten.
4
Auf die Ausschreibung meldete sich der Mitarbeiter des Klägers, der Zeuge . Da es sich bei dem Schrank um eine Sonderanfertigung handelte, die individuell auf die Bedürfnisse der Beklagten zugeschnitten war, vereinbarte der Zeuge am 15.04.2024 einen persönlichen Termin in der Wohnung der Beklagten, bei dem er die Maße nahm, um den Schrank passend für die Wohnung der Beklagten anfertigen zu können. Besprochen wurde die Ausführung und Größe des Schranks, die Zahl Türen, eine Fernseheinfassung, die Fernsehanschlüsse, Verblendung bis zur Decke und Ausschnitt des Teppichbodens. Aufgrund der Maße erstellte und übersandte der Zeuge Entwürfe und ein Angebot zu diesem Schrank sowie einer Garderobe.
5
Nach mehreren Telefonaten und E-Mail-Wechsel beauftragte die Beklagte den Kläger mit E-Mail vom 07.05.2024 mit der Herstellung, Lieferung und Montage des Schlafzimmerschrankes zum Preis von 4.149,00 netto sowie einer Garderobe zum Preis von 3.949,00, jeweils abzüglich eines „Mai-Nachlasses“ in Höhe von 2%. Das Auftragsvolumen belief sich auf insgesamt 9.443,89 brutto (vgl. Auftragsbestätigung Anlage K1 und E-Mail-Verkehr Anlage K2 sowie B1). Auf sämtlichen E-Mails und Schriftstücken war die S angegeben. Dem Impressum der Internetseite ist der Kläger Inhaber zu entnehmen.
6
Die vereinbarten Montagetermine vom 16.05.2024 und 22.05.2024 sagte die Beklagte ab und stornierte mit E-Mail vom 20.05.2024 den Auftrag (vgl. Anlage K3). Zu diesem Zeitpunkt war der Schrank schon fertiggestellt und beladen (vgl. Stundenauswertung Mitarbeiter Anlage K8. Plan Schlafzimmerschrank).
7
Der Kläger rechnete die erbrachten Leistungen mit Rechnung Nr. 2024/46 vom 22.05.2024 in Höhe von 3.948,30 brutto gegenüber der Beklagten ab (vgl. Anlage K4). Am 10.06.2024 erfolgte eine Zahlungserinnerung mit Zahlungsfrist 19.06.2024 (Anlage K5).
8
Nach Fristablauf beauftragte der Kläger seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Forderung. Es erfolgte eine anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 03.07.2024 . Hierfür entstanden dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 381,40 (Anlage K6).
9
Mit Schreiben vom 08.07.2024 widersprach die Beklagte ernsthaft und endgültig sämtlichen Forderungen des Klägers (Anlage K7). Eine Zahlung erfolgte nicht.
10
Der Kläger trägt vor und meint,
ihm stehe eine Kündigungsvergütung in der geltend gemachten Höhe nach Abrechnung der bisher erbrachten Leistungen zu. Die Beklagte habe sich mit der Annahme des Schranks im Annahmeverzug befunden, da sie die vereinbarten Montagetermine abgesagt habe. Die Leistung sei tatsächlich angeboten worden. Das von der Beklagten geltend gemachte Widerrufsrecht sei bereits tatbestandlich ausgeschlossen, jedenfalls aufgrund der vorliegenden Individualanfertigung gemäß § 312g Abs. 2 BGB.
11
Der Kläger beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.948,30 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit 20.06.2024 zu zahlen, Zugum Zug gegen Übergabe und Übereignung des gemäß Auftragsbestätigung 2024/28 vom 07.05.2024 (K1) in Auftrag gegebenen Schlafzimmerschranks in Dekospan (Maße: 258 x 248 x 63 cm; Korpus: Dekospan W980, Front: Dekospan: W110 PG Hochglanz; Griffe: Tip on).
2.
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Zug um Zug Leistung nach Ziff. 1 in Annahmeverzug befindet,
3.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 381,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.07.2024 zu zahlen. 
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Die Beklagte trägt vor und meint,
der Kläger sei nicht aktiv legitimiert. Der Beklagten habe ein Widerrufsrecht zugestanden, von dem sie wirksam Gebrauch gemacht habe. Der Vertrag sei durch E-Mail der Beklagten vom 03.05.2024 zustande gekommen. Die bloße Erstellung eines Aufmaßes und Zusendung eines Angebots würden noch kein keine individuelle Anpassung der Fertigung darstellen, die genau auf die Bedürfnisse der Beklagten zugeschnitten sei. Im Übrigen werde bestritten, dass individuelle Anfertigungen des Schrankes am 20.05.2024 bereits erfolgten. Diese wären erst bei Montage des Schrankes vorgenommen worden. Jedenfalls habe der Kläger die Beklagte entgegen Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfOV nicht darüber informiert, dass ihr kein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB zustehe. Dies stelle eine Pflichtverletzung dar, die zum Schadensersatz führe. Der geltend gemachte Anspruch sei der Höhe nach nicht substantiiert. Es fehle jeglicher nachvollziehbarer Vortrag zu ersparten Aufwendungen hinsichtlich der Arbeitskraft, der Nichtverwendbarkeit etwaig vorhandenen Materials oder des Fehlens von Füllaufträgen. Die einzelnen Bauteile des Schrankes sollten für den Kläger anderweitig verwendbar sein, weshalb die Geltendmachung des ganzen Schadens nicht korrekt sei.
14
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Protokolls zum Güte- und Haupttermin vom 27.11.2024 (Bl. 36/40 d.A.) verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen . Der Kläger und die Beklagte wurden informatorisch angehört.
15
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.

Entscheidungsgründe

A.
16
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
17
I. Dem Kläger steht die geltend gemachte Hauptforderung zu. Er kann gemäß §§ 648 Satz 2 Hs. 1, 650 Abs. 1 Satz 1, 433 Abs. 2 BGB Zahlung von 3.948,39 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Schlafzimmerschrankes gemäß Auftragsbestätigung 2024/28 vom 07.05.2024 verlangen.
18
a) Der Kläger aktivlegitimiert.
19
aa) Zwischen den Parteien kam durch Versendung der Auftragsbestätigung der Beklagten am 07.05.2024 ein Werklieferungsvertrag zustande.
20
Der Vertragsschluss setzt zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus, die Parteien müssen sich über die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) einig sein. Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist der des Wirksamwerdens der Annahmeerklärung (Grüneberg BGB 83. Aufl. 2024, Einf. v. § 145 Rn. 1-4).
21
Eine Einigung über die wesentlichen Vertragsbestandteile lag erst zum Zeitpunkt der Übersendung der Auftragsbestätigung durch den Zeugen vom 07.05.2024 und die Bestätigung der Auftragsbestätigung durch die Beklagte am 07.05.2024 vor.
22
Bei dem Aufmaß am 15.04.2024 standen die wesentlichen Vertragsbestandteile, insbesondere der Preis, noch nicht fest. Auf das Angebot vom 16.04.2024 hin verhandelte die Beklagte einen Preisnachlass. Mit E-Mail vom 03.05.2024 räumte der Kläger der Beklagten 2% Skonto ein, übersandte ihr eine Zeichnung des Schrankes und fragte nach der Version der Garderobe an. Mit E-Mail vom 06.05.2024 entschied sich die Beklagte für die Variante 4 der Garderobe. Erst zu diesem Zeitpunkt waren alle wesentlichen Vertragsbestandteile geklärt, weshalb der Kläger der Beklagten mit E-Mail vom 07.05.2024 die Auftragsbestätigung K1 übersandte.
23
bb) Dabei erklärte der Zeuge das Angebot zum Abschluss des Werklieferungsvertrages ausweislich des Wortlauts der Anlage K2 in offener Stellvertretung gemäß § 164 Abs. 2 BGB für den Kläger als Betriebsinhaber.
24
Die Betriebsinhaberschaft des Klägers ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass er nach eigenen Angaben im Rahmen informatorischer Parteianhörung nicht mehr im operativen Geschäft tätig ist. Auf sämtlichen E-Mails und Schriftstücken war die S angegeben. Dem Impressum der Internetseite Inhaber zu entnehmen. Weiterhin gab der Kläger im Rahmen der informatorischen Parteianhörung an, dass er jedenfalls bei Rückfragen involviert werde, was eine betriebsbezogene Tätigkeit impliziert. Die Angabe im Termin, dass der Sohn den Betrieb führt, wertet das Gericht in Zusammenschau mit den Angaben auf dem Briefkopf und im Impressum sowie dem Schriftsatz vom 21.01.2025 dahingehend, dass der Zeuge das operative Geschäft führt. Insoweit wird auch in den streitgegenständlichen E-Mails als generelle Erreichbarkeit die E-Mail-Adresse angegeben. Mitarbeitern werden nach allgemeiner E-Mail-Adressen zugewiesen. Dies ist bei der E-Mail-Adresse der Fall.
25
Den Ausführungen des Klägers, wonach der Zeuge den Betrieb führt, entnimmt das Gericht nach Würdigung der Umstände eine aus dem Arbeitsvertrag im Innenverhältnis resultierende Vertretungsmacht des Zeugen und aufgrund der dargelegten Entscheidungsmacht in Bezug auf den Vertragsgegenstand, Preis und Nebenabreden (zB 2 Prozent Skonto) die Abgabe einer eigenen Willenserklärung.
26
cc) Die Ausführungen der Klageseite im Schriftsatz vom 21.02.2025 wurden insoweit berücksichtigt. Es handelte sich vor allem um ergänzende Ausführungen zu bereits erfolgtem Vortrag und Rechtsausführungen. Eine Verzögerung des Rechtsstreits durch die Berücksichtigung liegt nicht vor.
27
b) Der Beklagten stand kein Widerrufsrecht gemäß §§ 312 ff. BGB zu.
28
aa) Ein Widerrufsrecht gemäß § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil der Vertrag nicht bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Parteien außerhalb der Geschäftsräume des Klägers geschlossen wurde.
29
bb) Ein Widerrufsrecht gemäß § 312c BGB kam grundsätzlich in Betracht, war allerdings gemäß § 312g Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Danach besteht das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Verhältnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind (Schulze BGB 12. Aufl. 2024, § 312g Rn. 4). Nach dem Wortlaut des § 312g Abs. 2 BGB kommt es dabei nicht darauf an, ob im Zeitpunkt des Widerrufs bereits individuelle Anfertigungen vorgenommen wurden. Auch vorher kann dem Verbraucher die Ausnahme nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB schon entgegengehalten werden (EuGH, NJW 2020, 3707).
30
Entscheidend ist, ob nach dem Vertrag eine Individualanfertigung vorliegt, was nach vorliegend der Fall ist. Ausweislich des Auftrags (Anlage K8, dort: Schlafzimmerschrank „Ausführung laut Zeichnung“) war eine individuelle Anfertigung auf Basis des Aufmaßes vereinbart.
31
Zwar greift die Ausnahmeregelung des § 312g Abs. 2 BGB nicht bei Waren, die nach Kundenwünschen aus Standardkomponenten zusammengefügt sind. Der Verbraucher kann auch dann widerrufen, wenn sich die Ware mit verhältnismäßig geringem Aufwand ohne Beeinträchtigung der Substanz wieder trennen lässt (BGH NJW 2003, 1665).
32
Aus den Angaben des Zeugen bzw. der informatorischen Parteianhörung des Klägers ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagtenseite nicht, dass vorgefertigte, standardisierte, Teile verwendet wurden. Vielmehr gab der Zeuge an, dass es mehrere Versionen, Entwürfe zu den Schränken gab mit unterschiedlichen Maßen und insbesondere zunächst Schrägen sowie einer Türöffnung per Tipp-On-Funktion. Nach Überzeugung des Gerichts bestand der Schrank ausweislich der Zeichnung und den in der Auftragsbestätigung angegebenen Maßnahmen auch nicht aus Standardkomponenten. Ein Schrankteil hatte zum Beispiel kein Maß von 1m pro Teil. Nach allg. Lebenserfahrung ist weiterhin auch nicht davon auszugehen, dass sich die einzelnen Schrankteile gleich der Zusatzkomponenten in einem Computer mit verhältnismäßig geringem Aufwand ohne Beeinträchtigung der Substanz wieder lösen lassen. Dagegen sprechen insbesondere die üblicherweise vorzunehmenden Bohrungen und Verschraubungen.
33
Deshalb und auch im Übrigen war die Vornahme der durch die Klageseite beantragten Inaugenscheinnahme zur Überzeugungsbildung des Gerichts gemäß § 286 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich.
34
cc) Der Verweis der Beklagtenseite über eine fehlende Information über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht gemäß Art. 246a § 1 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV geht insoweit fehl, dass eine fehlende Information über ein nicht bestehendes Widerrufsrecht nicht zur Entstehung eines Widerrufsrechts führt (BGH Urteil vom 13.07.2022, Az.: VIII ZR 317/21, NJW 2022, 2830).
35
c) Der Zahlungsanspruch des Klägers in der Hauptsache beruht auf §§ 648 Satz 2 Hs. 1, 650 Abs. 1 Satz 1, 433 Abs. 2 BGB. Die Stornierung des Auftrags durch die Beklagte war als ordentliche Kündigung des Werklieferungsvertrages gemäß § 648 Satz 1 BGB auszulegen. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 648a BGB ist nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.
36
Gemäß § 648 Satz 1 BGB kann der Besteller bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. In diesem Fall ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen (§ 648 Satz 1 Hs. 1 BGB). Der Unternehmer muss sich allerdings dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§ 648 Satz 2 Hs. 2 BGB).
37
Hat der Besteller mit der Kündigung zum Ausdruck gebracht, jegliche weitere Leistung des Unternehmers abzulehnen, also im Fall seiner endgültigen Erfüllungsverweigerung ist die Kündigungsvergütung eines Werkunternehmers ohne Abnahme fällig (BGH NJW 2018, 3258). Dies ist vorliegend der Fall.
38
Dem Kläger oblag die Darlegungs- und Beweislast für die Vergütungsabrechnung (Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 648 Rn. 16). Für die Geltendmachung der so genannten „großen“ Kündigungsvergütung hat der Unternehmer zur vereinbarten Gesamtvergütung vorzutragen und die erbrachten Leistungen von den nicht erbrachten Leistungen abzugrenzen und zu beziffern Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 648a Rn. 12,16 m.w.N.) sowie zu den ersparten Aufwendungen und zur ersparten anderweitigen Arbeitskraft vorzutragen.
39
Dieser Darlegungs- und Beweislast ist der Kläger vorliegend durch die als Anlage K 10 vorgelegte Stundenabrechnung nachgekommen, da vorliegend nur die erbrachten Leistungen geltend gemacht wurden. Sonstige ersparte Aufwendungen, insbesondere hinsichtlich des Materials, sind nicht ersichtlich. Nach den glaubhaften und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen hat dieser das im Zuge der Fertigstellung des Schranks nicht verwendete Material an die Bestellerfirma zurückgegeben. Nicht verwendetes Material wird mit der Klageforderung allerdings auch nicht geltend gemacht.
40
Ist die Höhe der ersparten Aufwendungen oder die anderweitige Verwendung der Arbeitskraft streitig, trägt der Besteller die Darlegungs- und Beweislast (Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 648 Rn. 16). Entsprechender substantiierter Vortrag der Beklagtenseite hierzu liegt nicht vor.
41
Soweit die Beklagte bestritt, dass der Schrank am 20.05.2024 bereits fertiggestellt war, bezog sich dieses Bestreiten auf den Zeitpunkt der Stornierung des Vertrages und rechtlich auf ein aus Beklagtensicht vorliegendes Widerrufsrecht. Wie bereits ausgeführt, ist in rechtlicher Hinsicht im Hinblick auf § 312g Abs. 2 BGB allerdings nicht relevant, ob der Schrank zum Zeitpunkt der Erklärung bereits fertiggestellt war. Dem Beklagtenvortrag war insoweit nicht zu entnehmen, dass die Fertigstellung des Schrankes generell bestritten wurde.
42
II. Der Zinsanspruch hinsichtlich der Hauptforderung folgt aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, der Zinsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB. Nach Fristablauf aus der Zahlungserinnerung vom 10.06.2024, mithin mit Ablauf des 19.06.2024, ist Verzug hinsichtlich des Hauptforderungsbetrags eingetreten. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist nach Zahlungsaufforderung durch die Prozessbevollmächtigten mit endgültiger Verweigerung der Beklagten vom 08.07.2024 Verzug eingetreten.
43
III. Es war zudem antragsgemäß festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Schrankes gemäß § 293 BGB im Annahmeverzug befand. Durch Vereinbarung der Montagtermine hat der Kläger die Leistung tatsächlich i.S.d. § 294 BGB angeboten, die Beklagte hat diese allerdings nicht angenommen,
B.
44
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11 Alt. 1, 711 ZPO.