Titel:
Sittenwidrigkeit, Hilfsaufrechnung, Mietverträge, Kaufvertrag, Übereignung, Aufrechnung, Mietzins, Bereicherungsansprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Grobes Mißverhältnis, Rückzahlung des Kaufpreises, Rechtsgeschäft, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Verwerfliche Gesinnung, Vertragsgestaltung, Kaufpreiszahlung, Niedrigerer Kaufpreis, Klageabweisung, Zulassungsbescheinigung Teil II, Rückforderung
Schlagworte:
Kaufvertrag, Mietvertrag, Sittenwidrigkeit, Eigentumsübertragung, Rückabwicklung, wirtschaftliche Schieflage, Geschäftsmodell
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 27.10.2021 – 40 O 590/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 15894
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27.10.2021 (Az.: 40 O 590/21) im Kostenpunkt und in Ziffer 3 des Tenors aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.
3. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 30% und die Beklagte 70% zu tragen. Von den Kosten der ersten Instanz haben der Kläger 13% und die Beklagte 87% zu tragen.
5. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
6. Die Revision wird zugelassen, beschränkt auf die von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 12.866,95 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Kraftfahrzeugs an die Beklagte und dessen Rückvermietung an den Kläger.
2
Am 12.1.2019 verkaufte und übereignete der Kläger das in den Anträgen näher bezeichnete Kraftfahrzeug zum Kaufpreis von 7.500,- € an die Beklagte. Mit Mietvertrag vom gleichen Tag mietete der Kläger das Fahrzeug von der Beklagten für die Dauer von sechs Monaten zum monatlichen Mietzins von 637,40 € zurück; dabei hatte er Wartung, Versicherung und Steuern des Fahrzeugs für die Dauer der Mietzeit weiterhin zu tragen. Er hätte auch die von der Beklagten ebenfalls angebotene Variante, dass diese Lasten von der Beklagten zu tragen waren, wählen können; dann hätte der monatliche Mietzins 892,50 € betragen. Bei Ende der Mietzeit war die Verwertung des Fahrzeugs vorgesehen. Hinsichtlich des Wortlauts von Kaufvertrag und Mietvertrag wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.
3
Die vorliegende Vertragsgestaltung entspricht einem Geschäftsmodell, das die Beklagte bundesweit unter dem Slogan „cash & drive“ betrieb.
4
Hinsichtlich des Schicksals des gegenständlichen Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit wie auch im Übrigen wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
5
Der Kläger, der sich auf die Nichtigkeit der Verträge beruft, begehrt nach Rückerhalt des Fahrzeugs neben der Feststellung der Erledigung des Herausgabeantrags noch die Rückgabe der Zweitschlüssel und der Zulassungsbescheinigung Teil II sowie die Rückzahlung geleisteter Mietzinsen etc. in Höhe von 3.904,00.
6
Der Kläger hatte in seiner Klageschrift neben den unten wiedergegebenen Anträgen 2 und 3 einen Antrag auf Herausgabe des gegenständlichen PKW … als Antrag 1 (im Wortlaut wiedergegeben im schließlich gestellten Antrag 1) angekündigt. Die Klage wurde am 25.2.2021 zugestellt. Im Zuge der ersten Instanz hat der Kläger den Antrag 1 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
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Die Beklagte hat hilfsweise für den Fall, dass das Landgericht die Verträge zwischen den Parteien für nichtig halte, die Aufrechnung mit einem Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gegen den mit Klagantrag 3 geltend gemachten Zahlungsanspruch des Klägers erklärt.
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Der Kläger hat beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass sich der Antrag der Klagepartei,
die Beklagte zu verurteilen, das Fahrzeug …, Fahrgestellnummer …, amtl. KZ … an den Kläger herauszugeben,
hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, das Fahrzeug …, Fahrgestellnummer …, amtl. KZ … an den Kläger zurückzuübereignen und herauszugeben,
weiter hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für den Verlust des Fahrzeugs …, Fahrgestellnummer …, amtl. KZ …, einen Betrag von 23.000,00 € zu zahlen
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Zweitschlüssel sowie die Zulassungsbescheinigung Teil II für das Fahrzeug …, Fahrgestellnummer …, amtl. KZ … herauszugeben.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 3.904,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Das Landgericht hat (gestützt auf die Annahme, dass die Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien nach § 134 BGB in Verbindung mit § 34 Abs. 4 GewO nichtig seien) der Klage in vollem Umfang stattgegeben; die Hilfsaufrechnung hat es an § 817 S. 2 BGB scheitern lassen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsbegehren weiter.
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Der Senat hat Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, welches der Sachverständige Dipl.-Ing. … unter dem 17.11.2023 erstattet hat. Hinsichtlich der Ausführungen des Sachverständigen wird auf Bl. 316 ff. der Akten Bezug genommen.
12
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts München I (Az.: 40 O 590/21) vom 04.08.2021, zugestellt am 28.10.2021, abzuändern und die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Berufung hat nur insoweit Erfolg, als die Hilfsaufrechnung der Beklagten durchgreift und hierdurch der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der von ihm an die Beklagte abgeführten Mieten erloschen ist.
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I. Der Senat teilt im Ergebnis die Einschätzung des Landgerichts, dass die Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien (Kaufvertrag und Mietvertrag über den klägerischen PKW sowie dessen Übereignung an die Beklagte) von Anfang an nichtig waren.
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1. Dieses Ergebnis kann zwar nicht, wie der Bundesgerichtshof in einer nach Erlass des angegriffenen Urteils veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 16.11.2022 – VIII ZR 221/21) geklärt hat, auf § 134 BGB in Verbindung mit dem Verbot des Rückkaufhandels (§ 34 Abs. 4 GewO) gestützt werden, weil den Kunden der Beklagten in den vorliegenden Fallgestaltungen gerade kein Rückkaufsrecht eingeräumt werde und eine analoge Anwendung der (bewehrten) Verbotsnorm nicht in Betracht komme. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass sich (nach den vom BGH a.a.O. aufgestellten Grundsätzen) die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte vorliegend aus § 138 BGB ergibt.
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2. Nach dem Geschäftsmodell der Beklagten sind Kaufvertrag und Mietvertrag aufeinander abgestimmt und nehmen aufeinander Bezug, wie sich insbesondere aus § 6 des Kaufvertrages und § 7 des Mietvertrages ergibt (vgl. auch BGH a.a.O. Rz. 52). Daher kann auch die Beantwortung der Frage, ob das Gesamtkonstrukt so zum wirtschaftlichen Nachteil des Klägers ausgelegt ist, dass die Grenze des § 138 BGB überschritten wird, nicht bei der Betrachtung der Einzelverträge stehen bleiben. Die Gesamtschau der Verträge ergibt vorliegend eine wirtschaftliche Schieflage zum Nachteil des Klägers, die dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden widerspricht. Die daraus folgende Nichtigkeit von Mietvertrag und Kaufvertrag schlägt auch auf die Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte durch.
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a) Betrachtet man zunächst den Kaufvertrag isoliert, ergibt sich schon hierbei eine wirtschaftliche Gefällelage zwischen den Parteien, die zumindest im Grenzbereich eines wucherähnlichen Geschäftes angesiedelt ist.
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Nichtigkeit nach § 138 BGB wegen Vorliegens eines wucherähnlichen Geschäftes (vgl. hierzu ausführlich BGH a.a.O. Rz. 30 ff. m.w.Nachw.) ist anzunehmen, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und mindestens ein weiteres Merkmal hinzukommt, das den Vertrag in der Gesamtwürdigung als sittenwidrig erscheinen lässt; das ist insbesondere der Fall, wenn auf Seiten des Vertragspartners eine verwerfliche Gesinnung hervorgetreten ist. Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, wenn also der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, rechtfertigt dabei – außer zwischen Kaufleuten – den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung. Maßgeblich für diese Betrachtung ist der objektive Wert von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der in der Regel durch einen Marktvergleich zu ermitteln sein wird.
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Vorliegend ergibt sich nach diesen Grundsätzen ein zwar auffälliges, aber noch nicht grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis von 7.500,- € und dem Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss. Nach den von den Parteien nicht angegriffenen und auch in sich stimmigen Ausführungen des Sachverständigen … auf der Basis der (auch vom Senat zur Restwertbestimmung in „Dieselsachen“ herangezogenen) DAT-Datenbank sowie von Vergleichsinseraten ergab sich ein Händlereinkaufswert zwischen 13.344,12 € und 14.008,48 € (netto) bzw. 15.879,50 € und 16.670,09 € (brutto). Da die Beklagte ihr Geschäftsmodell gewerblich betreibt, also nicht anders als ein Gebrauchtwagenhändler Fahrzeuge ankauft, erscheint der Händlereinkaufswert der geeignete Parameter für den Marktvergleich. Da beim Verkauf durch einen Privaten an einen Händler keine Umsatzsteuer anfällt, ist insoweit der vom Sachverständigen ermittelte Nettowert zugrunde zu legen. Nachdem der Kläger die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Sittenwidrigkeit trägt, war zugunsten der Beklagten vom untersten Wert des vom Sachverständigen ermittelten Wertrahmens auszugehen, also von 13.444,12 €. Damit betrug der Wert der Leistung des Klägers (Fahrzeug mit Wert 13.444,12 €) rund 178% des von der Beklagten bezahlten Kaufpreises von 7.500,- €.
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Damit ergibt sich bei isolierter Betrachtung des Kaufvertrages ein auffälliges, aber noch nicht grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung; der Wert der Leistung des Klägers ist nicht (und bei 178% auch nicht angenähert) doppelt so hoch wie der von der Beklagten gezahlte Kaufpreis; die Vermutung verwerflichen Verhaltens greift daher nicht, so dass es auf die erstinstanzlich breit ventilierte Frage, ob der Kläger Kaufmann ist, nicht ankommt. Für die Annahme von Sittenwidrigkeit muss daher zu der bei dem genannten Prozentsatz zweifellos bestehenden wirtschaftlichen Schieflage noch ein weiteres Merkmal hinzukommen, welches auf verwerfliche Gesinnung auf Seiten der Beklagten schließen lässt.
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b) Dieses weitere Merkmal sieht der Senat darin, dass sich die wirtschaftliche Schieflage im Mietvertrag zwischen den Parteien fortsetzt.
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Betrachtet man zunächst die Regelungen über das Schicksal des Fahrzeugs nach Ablauf der Mietzeit (insbesondere in § 13 des Mietvertrages), so wird dadurch sichergestellt, dass die Beklagte jedenfalls den Kaufpreis und ihre Kosten zurückerhält. Sollte das Fahrzeug versteigert werden, ist als „Aufrufpreis“ der von der Beklagten gezahlte Kaufpreis zuzüglich ausstehender Mieten und Schadensersatzbeträge sowie der Kosten der Beklagten vorgesehen. Scheitert die Versteigerung, kann die Beklagte das Fahrzeug freihändig verkaufen, wobei angesichts der ursprünglich großen Differenz zwischen Ankaufspreis und Wert des Fahrzeugs und der kurzen Mietzeit bei realistisch-wirtschaftlicher Betrachtung die genannten Beträge ebenfalls zu erzielen sein werden. Wirtschaftlich betrachtet trägt die Beklagte daher nur das Risiko der Uneinbringlichkeit von Schadensersatzforderungen bei Zerstörung oder Unterschlagung des Fahrzeugs, nicht hingegen (anders als etwa der gewerbliche Vermieter eines Fahrzeugs) die durch den regulären Gebrauch entstehenden Kosten, insbesondere die Wertminderung / Abschreibung des Fahrzeugs durch Zeitablauf und Verschleiß.
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Ferner ist festzustellen, dass in der vom Kläger gewählten Vertragskonstellation nicht (wie etwa üblicherweise der gewerbliche Vermieter eines Fahrzeugs) die Beklagte als Vermieter, sondern der Kläger als Mieter die mit dem Fahrzeug verbundenen Auslagen (Steuer, Versicherung) trägt.
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Damit hinkt der Vergleich, den die Beklagte mit den üblichen Konditionen bei der Anmietung eines PKW bei gewerblichen Fahrzeugvermietern anstellen möchte. Denn vorliegend stehen den Gebrauchsvorteilen, die der Kläger als Mieter durch die Miete des Fahrzeugs hat, keine entsprechenden Vermögensnachteile auf Vermieterseite (Wertminderung durch regulären Gebrauch, Lasten wie Steuer und Versicherung) gegenüber. Wirtschaftlich betrachtet ist daher der „Mietzins“ keine Vergütung für die Gebrauchsüberlassung, sondern eine Vergütung für die Zurverfügungstellung von Kapital (nämlich des Kaufpreises von 7.500,- €). Die Gestaltung ähnelt daher weniger der Anmietung eines PKW von einem „Autoverleih“, sondern eher der Aufnahme eines (durch das Fahrzeug besicherten) Privatkredits seitens des Klägers. Der monatliche „Mietzins“ von 637,40 € macht allein schon 8,49% des Kapitals von 7.500,- € aus, was bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung eine jährliche Verzinsung des von der Beklagten eingesetzten Kapitals von über 100% ergibt. Es bedarf keiner Begründung, dass eine derartige Verzinsung den Rahmen des Üblichen bei Weitem sprengt und damit auch insoweit eine wirtschaftliche Schräglage zwischen den Parteien besteht (wobei nicht übersehen wird, dass einerseits in der Regel nur wirtschaftlich „klamme“ Kunden die Dienste der Beklagten in Anspruch nehmen werden, andererseits aber die Beklagte durch die Möglichkeit der Verwertung des Fahrzeugs gesichert ist).
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Insgesamt ist das Geschäftsmodell der Beklagten daher durch die Verzahnung von Kaufvertrag und Mietvertrag und die entsprechende Ausgestaltung von deren Regelungen (insbesondere Preise, Konditionen) darauf angelegt, in vergleichbar risikoarmer Weise durch Geschäfte mit ohnehin wirtschaftlich eher schlecht aufgestellten Kunden planmäßig Gewinne zu erzielen, denen keine auch nur annähernd gleichwertigen Vermögensvorteile auf Kundenseite gegenüberstehen. Das in beiden Verträgen festzustellende auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führt in Zusammenschau mit der Tatsache dieses planmäßigen Vorgehens der Beklagten dazu, dass das Gesamtkonstrukt nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist.
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c) Die Nichtigkeit erfasst auch die dingliche Einigung (§ 929 BGB) im Rahmen der Übereignung des Fahrzeugs durch den Kläger an die Beklagte. Denn das Geschäftsmodell der Beklagten beruht darauf, Eigentümer des Fahrzeugs zu werden, um es später verwerten zu können. Darum liegt der zu missbilligende Befund gerade auch im Eigentumserwerb an dem Fahrzeug, so dass die Übereignung vorliegend nicht wertfrei ist, sondern das Verdikt der Sittenwidrigkeit hierauf durchschlägt (vgl. auch BGH a.a.O. Rz. 49 ff.).
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II. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die Erledigung des ursprünglichen (auf Herausgabe des Fahrzeugs gerichteten) Klageantrags festgestellt hat.
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Nach allgemeinen Grundsätzen war auf einseitig gebliebene Erledigterklärung des Klagantrags 1 die Erledigung festzustellen, wenn der ursprünglich auf Herausgabe des Fahrzeugs gerichtete Klagantrag bei Rechtshängigkeit zulässig und begründet war und im Laufe des Rechtsstreits unzulässig oder unbegründet wurde. Hiervon ist vorliegend auszugehen. Bei Zustellung der Klage am 25.2.2021 hatte die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugs nach § 985 BGB. Gegen diese Würdigung des Landgerichts bringt die Berufung nur vor, dass der Kläger sein Eigentum durch Übereignung verloren habe. Das trifft jedoch nicht zu.
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Die Klägerin hat zu keiner Zeit das Eigentum an dem streitgegenständlichen Fahrzeug verloren.
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Die Übereignung des Fahrzeugs durch den Kläger an die Beklagte wird vom Unwerturteil des § 138 BGB erfasst (vgl. oben); die diesbezügliche Einigung (§ 929 BGB) ist also nichtig. Der Kläger hat sein Eigentum auch nicht durch Übereignung seitens der Beklagten an die … GmbH verloren. Da die Beklagte nie Eigentümerin des Fahrzeugs war, käme nur ein gutgläubiger Erwerb durch die … GmbH nach §§ 929, 932 BGB in Betracht. Ein solcher scheitert jedoch jedenfalls an § 935 Abs. 1 S. 1 BGB; das Fahrzeug ist dem Kläger, der nach wie vor Eigentümer war, dadurch abhanden gekommen, dass er nach Ablauf der Mietzeit den unmittelbaren Besitz an dem Fahrzeug gegen seinen Willen durch die seitens der Beklagten veranlasste Beschlagnahme des Fahrzeugs verloren hat. Da der Mietvertrag nichtig ist, stehen dessen Regelungen in § 6 über ein Wegnahmerecht der Beklagten nach Ende der Mietzeit der Annahme eines Abhandenkommens des Fahrzeugs nicht entgegen.
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Die Klage wurde unbegründet mit Wiedererlangung des Besitzes durch den Kläger am 5.5.2021 und somit nach Rechtshängigkeit. Damit ist Erledigung des Klagantrags 1 im Rechtssinne eingetreten, was auf Antrag festzustellen war.
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III. Auf der Basis der Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte zwischen den Parteien hat der Kläger auch einen Anspruch auf Herausgabe von Fahrzeugschlüssel (Zweitschlüssel) und Zulassungsbescheinigung II aus § 985 BGB. Zur Eigentümerstellung des Klägers gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Eigenständige Berufungsangriffe gegen die Verurteilung gemäß Ziffer 2 des angegriffenen Urteils enthält die Berufungsbegründung nicht.
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IV. Wegen der Nichtigkeit des Mietvertrages hatte der Kläger unproblematisch einen Anspruch aus § 812 BGB auf Rückzahlung der von der Beklagten ohne Rechtsgrund erlangten Mietzahlungen nebst Bearbeitungsgebühr (3.904,- €). Die Beklagte hat jedoch mit ihrem ebenfalls aus § 812 BGB (wegen Nichtigkeit des Kaufvertrags) folgenden Anspruch auf Rückzahlung des vom Kläger rechtsgrundlos erlangten Kaufpreises (7.500,- €) hilfsweise die Aufrechnung erklärt; die Bedingung (nämlich Bestehen eines Anspruchs auf Rückzahlung des Mietzinses) ist eingetreten. Dadurch ist der Bereicherungsanspruch des Klägers erloschen (§ 389 BGB), so dass das angegriffene Urteil in Ziffer 3 des Tenors keinen Bestand haben konnte.
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§ 817 S. 2 BGB steht dem zur Aufrechnung gestellten Bereicherungsanspruch der Beklagten nicht entgegen.
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In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Anspruch auf die bereicherungsrechtliche Rückgewähr von Leistungen dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die Leistung an sich nicht zu beanstanden ist, aber in ein gesetz- oder sittenwidriges Gesamtverhalten eingebettet ist; § 817 S. 2 BGB schließt die Rückgewähr einer Leistung vielmehr nur dann aus, wenn gerade das Bewirken der Leistung verboten oder vom Sittenwidrigkeitsurteil umfasst ist (BGH, Urteil vom 1.10.2020 – IX ZR 247/19, Rz. 34). Damit beurteilt sich die Frage der Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB vorliegend danach, ob die Kaufpreiszahlung, deren Rückforderung vorliegend zur Aufrechnung gestellt wird, (nur) in das sittenwidrige Geschäftsmodell der Beklagten eingebettet, aber als solche wertfrei ist, oder ob sie selbst dem Sittenwidrigkeitsurteil unterfällt.
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Diese Frage wird in der bekannt gewordenen Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte unterschiedlich beantwortet. So gehen etwa der 1. Zvilsenat des OLG Stuttgart (Urteil vom 20.5.2025 – 1 U 73/24) und der 3. Zivilsenat des OLG München (Urteil vom 27.6.2022 – 3 U 7657/21) davon aus, dass die Sittenwidrigkeit des Gesamtkomplexes vorliegend auf die Zahlung durchschlägt, weil das Ziel der Beklagten, das Eigentum an dem Fahrzeug zu erlangen und verwerten zu können, nur durch die (synallagmatische) Hingabe des Kaufpreises zu erreichen sei; auch werden insoweit generalpräventive Gesichtspunkte angeführt (das Geschäft solle sich für die Beklagte nicht lohnen). Demgegenüber sehen etwa der 2.
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Zivilsenat des OLG Stuttgart (Urteil vom 18.1.2024) und der 32. Zivilsenat des OLG München (Urteil vom 27.2.2025 – 32 U 2389/24 e) die Kaufpreiszahlung nach dem Geschäftsmodell der Beklagten als wertfrei und damit kondizierbar an.
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Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Zwar ist nicht zu verkennen, dass das sittenwidrige Geschäftsmodell der Beklagten ohne die Kaufpreiszahlung nicht funktionieren würde, weil die Beklagte ohne die Hingabe des Geldes nicht Zug um Zug das Fahrzeug erlangen würde. Dieser Befund begründet allerdings nur die Einbettung in das sittenwidrige Gesamtkonzept der Beklagten und besagt daher noch nichts darüber, ob die Zahlung selbst der sittlichen Missbilligung unterfällt. Dabei ist zu beachten, dass das Sittenwidrigkeitsurteil über das Gesamtkonzept vor allem auch darauf beruht, dass die Beklagte einen wucherähnlich zu niedrigen Kaufpreis bezahlt hat, und sich daher noch vertiefen würde, wenn die Beklagte weniger (oder nichts) gezahlt hätte. Diese (vom 32. Senat im Hause angestellte) Überlegung macht nach Auffassung des Senats deutlich, dass es auch in der vorliegenden Konstellation bei der grundsätzlichen Wertfreiheit einer schlichten Geldzahlung bleiben muss und § 817 S. 2 BGB einer Kondiktion der Zahlung nicht entgegensteht. Generalpräventive Überlegungen führen nach Auffassung des Senats nicht zu einem anderen Ergebnis; der sittlichen Missbilligung des Geschäftsmodells wird durch die vollständige Rückabwicklung Genüge getan; nicht geboten erscheint, dass dem jeweiligen Vertragspartner der Beklagten ein Vorteil verbleibt (was der Fall wäre, wenn man der Beklagten die Rückforderung des Kaufpreises verwehren würde).
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1. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92, 97 ZPO.
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Bei der Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren wurde die Feststellung der Erledigung (Ziffer 1 des angegriffenen Urteils) mit der überschlägig ermittelten (erstinstanzlichen) Kostendifferenz, die sich aus den Streitwerten vor der Erledigterklärung bzw. ohne den für erledigt erklärten Teil ergibt, bemessen und war hinsichtlich des Zahlungsantrags die Hilfsaufrechnung, soweit über sie zu entscheiden war, also in Höhe der Klageforderung zu berücksichtigen.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Der Weg in die dritte Instanz ist nur im Umfang der Zulassung der Revision und damit nur für den durch die erfolgreiche Hilfsaufrechnung beschwerten Kläger eröffnet. Damit war nur dem Kläger eine Abwendungsbefugnis einzuräumen.
43
3. Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 543 ZPO.
44
Der Senat hat die Revision zugelassen, beschränkt auf die Hilfsaufrechnung der Beklagten. Die Beschränkung der Zulassung der Revision auf eine zur Aufrechnung gestellte Forderung ist möglich, da es sich insoweit um einen rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Streitstoffes handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 24.11.2021 – VII ZR 176/20, Rz. 3 m.w.Nachw.). Insoweit war die Zulassung vorliegend zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da der Senat zur Frage der Abwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB von der Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des OLG Stuttgart und des 3. Zivilsenats des OLG München, die hinsichtlich der selben Beklagten zur identischen Vertragslage erging, abweicht (vgl. oben unter B.4.).
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Im übrigen hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Insbesondere die Anforderungen an ein wucherähnliches Geschäft sind höchstrichterlich geklärt. Zu würdigen waren insoweit die Umstände des Einzelfalls.